Inszenierung der gewünschten Atmosphäre in der Einstiegsszene von Macbeth


Trabajo Escrito, 2019

12 Páginas, Calificación: 1,3

Anónimo


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Atmosphäre – ein vielschichtiges, schwer definierbares Phänomen

2. Erzeugung von Atmosphäre
2.1. Subjektive und affektive Beschreibung der erzeugten Atmosphäre der
Anfangsszene
2.1. Räumlichkeit, Sinnlichkeit und Affektivität als Merkmale des atmosphärischen
Wahrnehmens
2.2. Wie wird in den ersten Szenen eine mystische Atmosphäre erzeugt?
2.2.1.Räumlichkeit - Wie die Atmosphäre den Raum nutzt und bildet
2.2.2. ‘Surround-Sound‘ als theatrales Mittel
2.2.3.Personen – Ko-Präsenz der Darbietenden und Wahrnehmenden

3. Zusammenfassung und Interpretation

Literaturverzeichnis

Wahrheitsgemäße Erklärung

1.Atmosphäre – ein vielschichtiges, schwer definierbares Phänomen

Wo lesen Sie gerade diese ersten Seiten? Fühlen Sie sich wohl, wo Sie sich gerade befinden? Was empfinden Sie, wenn Sie sich umschauen? Welche Gefühle erweckt die Sie umgebende Atmosphäre?

Der Begriff Atmosphäre scheint auf den ersten Blick nicht sehr kompliziert zu sein. Tagtäglich reden wir von beruhigender Atmosphäre, z.B. wenn man an einem sonnigen Tag einen Spa- ziergang durch den Wald unternimmt oder von einer beklemmenden Atmosphäre bei nächtli- chem Laufen durch die Dunkelheit, wo jedes Geräusch eine Gefahr darstellen könnte. Schaut man jedoch genauer hin, so ist der Begriff Atmosphäre weitaus vielschichtiger und komplexer:

Atmosphären sind Totalitäten: Sie sind über alles ergossen, sie tönen das Ganze der Welt oder eines Anblicks, sie lassen alles in einem bestimmten Licht erscheinen, fassen die Mannigfaltigkeit von Eindrücken in einer Stimmungslage zusammen 1

Als ein Zwischenphänomen zwischen den Wahrgenommenen und Wahrnehmenden gilt, so Gernot Böhme, die Atmosphäre als Grundvoraussetzung für eine Aufführung.2 Viele Jahre be- kam das Forschungsfeld der atmosphärischen Wahrnehmung jedoch keine Berücksichtigung in der Theaterwissenschaft.3

Um Atmosphären zu analysieren, ist eine phänomenologische Vorgehensweise, die ihren Schwerpunkt auf die Wahrnehmung und Erfahrung der Aufführung setzt und diese Aspekte zur Basis jeglichen Reflexionsprozesses macht, am geeignetsten.4

Aber nicht nur die Schwierigkeiten, den Begriff Atmosphäre zu erläutern, machen eine Analyse heikel, sondern auch die Ungleichmäßigkeit des atmosphärischen Spürens. Wir alle besitzen eine eigene ‚Vorstimmung‘, bevor wir ins Theater gehen, haben unterschiedliche Lebenserfah- rungen, lassen uns unterschiedlich auf die Aufführung ein und assoziieren viele verschiedene Aspekte mit der während einer Aufführung erzeugten Atmosphäre. Dies macht eine eindeutige Analyse schlichtweg unmöglich. Schon vor der eigentliche Aufführungsanalyse steht somit fest, dass am Ende der folgenden Erläuterungen wohl noch Fragen offen sein werden und nicht alle Aspekte bis ins letzte Detail erläutert werden können.

In der folgenden Aufführungsanalyse sollen die ersten Szenen aus Philipp Preuss‘ Interpreta- tion des Klassikers Macbeth im Hinblick auf die Erzeugung der Atmosphäre untersucht werden.

Die Aufführung wurde am 7. Februar 2019 um 19:30 Uhr bei einem fast ausverkauften Schau- spielhaus Nürnberg besucht.

Begonnen wird in dieser Arbeit mit der subjektiven Beschreibung der wahrgenommenen At- mosphäre. Im Anschluss werden generelle Merkmale der atmosphärischen Wahrnehmung er- läutert und zuletzt die Atmosphäre in der Anfangsszene auf ihre theatralen Mittel analysiert.

2 . Erzeugung von Atmosphäre

2.1. S ubjektive und affektive Beschreibung der erzeugten Atmosphäre der Anfangs- szene

Im Theatersaal sitzend und angespannt warten alle auf den Beginn der Aufführung. Schon beim Eintreten in den Saal sieht man den offenen Vorhang. Die Bühne ist ringsum durch einen goldenen, schimmernden Vorhang abgegrenzt. Dieser hätte bei geeignetem Licht auch sehr gut als Spiegel benutzt werden können. Die Saaltüren sind noch offen, doch alle Zuschauer, die rechtzeitig Platz genommen haben, können nun sehen, wie aus den Ecken der Bühne langsam Nebel aufsteigt. Langsam verschwindet der Nebel, als der goldene Vorhang wackelt und ein Mensch mit grauem Mantel die Bühne von hinten betritt. Mein Herz macht einen kurzen Aussetzer und viele verschiedene Ideen, wo ich eine solche Figur schon einmal gesehen ha- ben könnte, schießen mir durch den Kopf: Ein Dementor aus den Harry Potter-Filmen, ein Zauberer oder eine Hexe…?

Der rote Vorhang, der die Bühne vom Zuschauerraum abtrennt, schließt sich nun überra- schend, doch im selben Moment geht er auch schon wieder auf. Die grau gekleidete Gestalt nimmt an dem im hinteren Teil der Bühne stehenden Klavier Platz. Im nächsten Moment setzt leiser Gesang ein, der den ganzen Zuschauerraum erfüllt. Er klingt wie ein Heulen oder wie klassischer Kirchengesang; man kann es nicht wirklich erkennen. Ich bekomme eine Gänse- haut. Dazu kommt der immer dichter werdende Nebel, der beinahe die ganze Bühne erfüllt und somit nur noch Details erahnen lässt. Die am Klavier sitzende Gestalt spielt vereinzelte Töne, die im ganzen Raum hallen und den Anschein erwecken, als ob sie von überall her wieder zurückkämen.

Die Gestalt steht auf und bewegt sich zum Mikrophon, um unverständliche Worte zu sprechen, die den ganzen Raum erfüllen. Die Stimme ist tief aber auch scharf und bestimmend. Dann schließt und öffnet sich der rote Vorhang ein zweites Mal. Dies verwirrt mich irgendwie, da dies die Szenen auf der Bühne zwar unterbricht, aber andererseits auch interessanter macht, so- dass ich nicht wegschauen kann. Anschließend wackelt der goldene Vorhang, was die Szene irgendwie gefährlich und bedrohlich wirken ließ.

Die Gestalt spricht das Wort ‚Heil‘ in das Mikrophon, welches auch wieder den kompletten Theaterraum durchflutet und durch Echos und Halls wieder zurückkehrt.

Jetzt erst, obwohl die Aufführung schon lange begonnen hat, wird im Saal das Licht abgedun- kelt. Der zusätzliche Nebel setzte den Bühnenraum in ein noch verschwommeneres Licht.

Eine weitere Person betritt die Bühne und läuft zu der grauen Gestalt. Gemeinsam sprechen sie in das Mikrophon ein ‚erfundenes‘ Wort, das wie ‚nigerok‘ klingt. Der Nebel auf der Bühne lässt die zwei düsteren, grau gekleideten Gestalten sehr weit entfernt wirken. Es scheint, als stünden sie irgendwo am Horizont. Nach und nach kommen mehr Personen auf die Bühne, alle in graue Mäntel gekleidet. Sie sprechen alle zusammen in das Mikrophon, was den Hall und das Echo nur noch bombastischer und einschüchternder macht. An meinem Körper merke ich, wie mein Herzschlag sich an den immer schneller und lauter werdenden Rhythmus der Worte „König, König“ anpasst. Ich fühle mich wie bei einem Konzert, bei dem ich vom Bass der Lautsprecher und den anderen Zuschauern in den Rhythmus hineingezogen werde.

Diese kurze Beschreibung der Geschehnisse auf der Bühne und in meinem Inneren soll einen kurzen Einblick in die Thematik der Atmosphäre geben.

2.1. Räumlichkeit, Sinnlichkeit und Affektivität als Merkmale des atmosphärischen W ahrnehmens

Um in einem nächsten Schritt die erzeugte Atmosphäre in Macbeths Einstiegsszene analysie- ren zu können, soll zuvor ein Blick auf die drei von Sabine Schouten erläuterten Merkmale des atmosphärischen Spürens geworfen werden.

Als erstes Element der atmosphärischen Wahrnehmung nennt sie die von der Atmosphäre selbst herausgebildete eigene Räumlichkeit.5 Diese ist zunächst an die „Erfahrung der aktuel- len Umgebungssituation gekoppelt“, abseits der architektonischen Gegebenheiten.6 Die Be- schaffenheit des atmosphärischen Raums lässt sich somit ausschließlich über die emotionale Rezeption des Wahrnehmenden begründen und erkunden.7 Der Wahrnehmende wird demzu- folge zum „Mitarchitekten“ der atmosphärischen Räumlichkeit, da diese erst durch seine An- wesenheit und sein Verhalten in dieser besonderen Situation den Erfahrungsraum entstehen lässt und verändert.8 Zudem ist der atmosphärische Raum richtungs- und distanzlos. Er ist eine Dimension ohne Entfernung, Winkel, Zielpunkte etc., der sich wie eine Hülle um den Wahrnehmenden zieht und „einen einheitlichen Spürraum“ herstellt. 9 Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass die atmosphärische Räumlichkeit, vor allem in ihrer Herstellung sehr der Erzeugung einer Aufführungssituation ähnelt.

Atmosphären gelten als Komponente der performativen Räumlichkeit, die bei Theaterauffüh- rungen durch die Ko-Präsenz der Zuschauer und Schauspieler generiert wird.10

Neben der Räumlichkeit spielt auch die Sinnlichkeit des atmosphärischen Spürens eine wich- tige Rolle. Allgemein gesagt ist die atmosphärische Wahrnehmung an alle Sinne gebunden und wird als „sinnliches Ganzes“ erlebt.11 Hierbei spielt zwar der Aspekt der Multimodalität eine entscheidende Rolle, doch das atmosphärische Spüren geht darüber hinaus, nur das Neben- einander bzw. Miteinander der Sinne zu fordern.12 Atmosphärische Stimmungen gehen aus einer Synthese und dem Wechselverhältnis der Sinne, dem sogenannten „Zwischen der Sinne“ hervor,13 der „intersensoriellen Sinnlichkeit“14..

Als letztes Merkmal wird die Affektivität angeführt. Diese wird als der subjektive Kern der Wahr- nehmung angesehen15, der mit den mentalen Vorgängen des Wahrnehmenden stark verbun- den ist.16 Hierbei grenzt sie sich ganz klar von den Emotionen, wie Liebe, Hass, etc. ab, denn das Erspüren von Atmosphäre kann Gefühle modifizieren oder ausblenden. Das Handeln der Wahrnehmenden passt sich an das Wahrgenommene an. Atmosphären definieren sich zudem nicht über einen klaren Charakter, vielmehr verweisen sie auf die „Außenständigkeit des Ge- fühls“ und beeinflussen jeden Wahrnehmenden auf unterschiedliche Art und Weise.17

Zusammenfassend lässt sich nun anmerken, dass atmosphärisches Spüren sowohl an Raum als auch an Zeit der Wahrnehmung gebunden ist. Die Atmosphäre dringt von außen in den Wahrnehmenden ein und löst sowohl körperliche als auch mentale Prozesse aus.18

Bei theatralen Atmosphären handelt es sich keineswegs um ein Zufallsprodukt, denn sie wer- den weitgehend inszeniert und mit bestimmter Funktion hervorgebracht.19 Die theatralen Mittel gelten als Bedeutungsträger20 und werden sorgfältig ausgewählt, um eine bestimmte Atmo- sphäre hervorzurufen, denn nur im Theater ist es möglich, über verschiedene und besondere Mittel eine intensive Atmosphäre zu erzeugen.21 Dennoch sind sie von der Wahrnehmung des Zuschauers abhängig, dessen Wahrnehmung wiederum von verschiedenen subjektiven Faktoren, wie z.B. den Erfahrungen, soziale Bindungen und ästhetischen Vorlieben vorbe- stimmt ist.22

[...]


1 Böhme, Gernot in Ernst, Wolf-Dieter/Niethammer, Nora/Szymanski—Düll, Berenika/ Anoo Mungen (Hg.): Sound und Performance. Würzburg 2015, S.343

2 Schouten, Sabine: Sinnliches Spüren. Berlin 2011, S.29

3 Schouten in Weidinger: Atmosphären entwerfen. Berlin 2018, S.137

4 Weiler, Christel/Roselt, Jens: Aufführungsanalyse – Eine Einführung. Tübingen 2017, S.85

5 Schouten: Sinnliches Spüren, S.39

6 Schouten: Sinnliches Spüren, S.39

7 Schouten: Sinnliches Spüren, S.45

8 Schouten: Sinnliches Spüren, S.45

9 Ströker, Elisabeth in Schouten: Sinnliches Spüren, S. 43f

10 Schouten: Sinnliches Spüren, S. 46

11 Schouten: Sinnliches Spüren, S. 48

12 Schouten: Sinnliches Spüren, S. 49

13 Schouten: Sinnliches Spüren, S.50

14 Schouten in Weidinger: Atmosphären entwerfen, S.140

15 Schouten: Sinnliches Spüren, S.65

16 Schouten in Weidinger: Atmosphären entwerfen, S.140

17 Schouten: Sinnliches Spüren, S.68f

18 Schouten: Sinnliches Spüren, S.70 ff

19 Schouten in Weidinger: Atmosphären entwerfen. S.141

20 Schouten in Weidinger: Atmosphären entwerfen. S.137

21 Schouten in Weidinger: Atmosphären entwerfen, S.136

22 Schouten in Weidinger: Atmosphären entwerfen, S.142

Final del extracto de 12 páginas

Detalles

Título
Inszenierung der gewünschten Atmosphäre in der Einstiegsszene von Macbeth
Universidad
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg
Calificación
1,3
Año
2019
Páginas
12
No. de catálogo
V498179
ISBN (Ebook)
9783346014948
ISBN (Libro)
9783346014955
Idioma
Alemán
Palabras clave
inszenierung, atmosphäre, einstiegsszene, macbeth
Citar trabajo
Anónimo, 2019, Inszenierung der gewünschten Atmosphäre in der Einstiegsszene von Macbeth, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/498179

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