Historische Dokumentationen zeigen dem Zuschauer, wie die Geschichte war. Wirklich? Zeigen sie nicht eher, wie der Regisseur des Films die Geschichte interpretiert? Ein guter und unbeeinflusster Regisseur wird zumindest versuchen, das Dargestellte so authentisch wie möglich wirken zu lassen und dazu filmische Gestaltungsmittel wie Zeitzeugeninterviews und Originalaufnahmen nutzen. Doch auch diese machen einen Dokumentarfilm nicht unbedingt objektiv. Können doch alle Aufnahmen und Aussagen von einem Sprecher nahezu beliebig eingeordnet und kommentiert werden. Erfüllen die Kommentare dann noch einen bestimmten Zweck und versuchen, das Handeln und Denken des Zuschauers gezielt zu beeinflussen, dann spricht man schnell von Propaganda. Der historische Dokumentarfilm in der DDR sollte vor allem genau dazu dienen, den Zuschauer gezielt zu beeinflussen. Die Geschichte wurde zum Mittel der eigenen Legitimation; auch die Verbrechen des Nationalsozialismus wurden auf diese Weise eingeordnet. Nach dem 2. Weltkrieg und der Entstehung der beiden deutschen Staaten brauchte die DDR ihre Version der Geschichte, um sich einerseits vom kapitalistischen Westen abzugrenzen und sich andererseits selbst zu legitimieren. Auch wenn das Ziel der ideologischen Legitimation während des vierzigjährigen Bestehens der DDR stets das gleiche blieb, so gab es in dieser Zeit doch Veränderungen in der Art und Weise seiner Durchsetzung. Wie sich die Sicht auf den Nationalsozialismus und ihre damit verbundene Darstellung in Dokumentarfilmen in der letzten Dekade der Deutschen Demokratischen Republik veränderte, das soll Thema dieser Hausarbeit sein. Dabei werde ich vor allem der Frage nachgehen, ob die Filme der letzten Jahre vor der Wiedervereinigung Zeugen eines Umdenkens im Geschichtsverständnis der DDR sind.
Nach einer theoretische n Einführung in die Grundzüge des ostdeutschen Geschichtsverständnis ses und einer Erläuterung der damit verbundenen Medienpolitik, möchte ich anhand der Analyse der Dokumentarfilme „Sonst wären wir verloren“ (1983) und „Als die Synagogen brannten“ (1988) dieser Frage auf den Grund gehen. Um dabei eventue lle Veränderungen gegenüber den Filmen aus der Anfangszeit der DDR erkennen zu können, soll zusätzlich der Film „Mord in Lwów“ (1960) unter die Lupe genommen werden. Nach der Einzelanalyse der Filme werde ich „Mord in Lwów“ dann in einem sechsten Punkt mit den analysierten Filmen der Achtzigerjahre vergleichen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 1. Der Nationalsozialismus im Geschichtsverständnis der DDR
- 2. Die Rolle des Rundfunks in der DDR
- 3. Die Funktion des Dokumentarfilms in der DDR
- 4. Der Nationalsozialismus im DDR Dokumentarfilm
- 4.1 Die Fünfzigerjahre
- 4.2 Die Sechszigerjahre
- 4.3 Die Siebzigerjahre
- 4.4 Die Achtzigerjahre
- 5. Filmanalyse
- 5.1 „Mord in Lwów“ (1960)
- 5.2 „Sonst wären wir verloren...“ (1983)
- 5.3 „Als die Synagogen brannten“ (1988)
- 6. Vergleich von „Mord in Lwów“ und den Dokumentarfilmen der Achtzigerjahre
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die Darstellung des Nationalsozialismus im DDR-Dokumentarfilm der 1980er Jahre. Sie untersucht, ob die Filme der späten DDR ein Umdenken im Geschichtsverständnis der DDR widerspiegeln. Dabei wird die Entwicklung der Sicht auf den Nationalsozialismus in Dokumentarfilmen im Kontext der Medienpolitik und des Geschichtsverständnisses der DDR betrachtet.
- Der Einfluss des Geschichtsverständnisses der DDR auf die Medienpolitik
- Die Funktion des Dokumentarfilms als Instrument der Propaganda und Legitimation
- Die Veränderung der Darstellung des Nationalsozialismus im Dokumentarfilm im Laufe der 1980er Jahre
- Der Vergleich verschiedener Filme aus unterschiedlichen Jahrzehnten der DDR
- Die Frage nach einem möglichen Wandel im Geschichtsverständnis der DDR im Vorfeld der Wiedervereinigung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den historischen Hintergrund der Hausarbeit dar und beleuchtet die Bedeutung des Geschichtsverständnisses im Kontext der DDR-Medienpolitik.
Kapitel 1 analysiert das Geschichtsverständnis der DDR, insbesondere das Verhältnis zur Geschichte des Nationalsozialismus. Es wird die Rolle des Antifaschismus als Staatsdoktrin und die Instrumentalisierung des Holocaust im Rahmen der Klassenkampfideologie beleuchtet.
Kapitel 2 betrachtet die Rolle des Rundfunks in der DDR als Propagandainstrument und beleuchtet die Bedeutung des Dokumentarfilms in der DDR-Medienlandschaft.
Kapitel 3 untersucht die Funktion des Dokumentarfilms im Kontext der DDR-Medienpolitik und beleuchtet die spezifischen Merkmale und Funktionen des Dokumentarfilms in der DDR.
Kapitel 4 bietet einen Überblick über die Darstellung des Nationalsozialismus im DDR-Dokumentarfilm der 1950er bis 1980er Jahre.
Kapitel 5 beinhaltet Filmanalysen von „Mord in Lwów“ (1960), „Sonst wären wir verloren...“ (1983) und „Als die Synagogen brannten“ (1988).
Schlüsselwörter
Die Hausarbeit beschäftigt sich mit den Themen Geschichtsverständnis, Nationalsozialismus, DDR-Dokumentarfilm, Propaganda, Legitimation, Antifaschismus, Holocaust, Medienpolitik, Filmanalyse und Vergleich.
- Quote paper
- Henry Berndt (Author), 2005, Von Propaganda zu beginnender Aufarbeitung - Der Wandel des medial vermittelten Geschichtsverständnisses über den Nationalsozialismus in den 1980er Jahren der DDR, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49836