Judenfeindschaft im Mittelalter am Beispiel Frankreichs


Term Paper, 2014

17 Pages, Grade: 2,3

Anonymous


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Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Situation und Lebensgestaltung der Juden im Mittelalter

III. Pogrome gegen die Juden im Mittelalter im Zuge der Pest von 1348/1349

IV. Fazit

V. Bibliographie

I. Einleitung

Im Folgenden wird die Thematik der Judenfeindschaft im Mittelalter dargestellt.

Hierbei ist jedoch festzuhalten, dass Judenfeindschaft im Allgemeinen nicht nur aufs Mittelalter begrenzt werden kann, da die Wurzeln dieser Problematik bereits in der Antike zu finden sind.1 Der Antijudaismus war im Grunde genommen eine Reaktion des antiken Heidentums auf Israels Anspruch, Gottes Minorität in einer heidnischen Umgebung zu sein.2 Einfach gesagt: Israel sah sich als das „auserwählte Volk Gottes“, welches im Exil unter den anderen Völkern einen heilsgeschichtlichen Sinn sah und aus einem Selbstverständnis heraus, die Isolation anstrebte.3 Das Christentum seinerseits entstand jedoch erst aus dem Judentum heraus,4 sodass der christliche Glaube und seine Glaubensausübung sich erst aus der Interpretation der christlichen Schreiber entwickelte, wobei das Alte Testament eine deutliche Verbindung zum Judentum erkennen lässt.5 Der größte Unterschied liegt also mehr oder weniger darin, dass das Christentum sich im Gegensatz zum Judentum sehr schnell zum vorherrschenden Glauben in ganz Europa entwickelte.6 Um jedoch nicht den Rahmen der vorliegenden Arbeit zu sprengen, soll hier lediglich die Judenfeindschaft des Mittelalters betrachtet werden, wobei der Fokus auf dem Spätmittelalter liegen wird.

Im Mittelalter hatten die Juden mit vielen Vorurteilen zu kämpfen; so wurden sie als Wucherer, Gottesmörder, Ritualmörder, Hostienschänder oder Brunnenvergifter, worauf in der Arbeit noch genauer eingegangen werden wird, beschimpft.7 Des Weiteren konnte die Judenfeindschaft Ausmaße von Diskriminierung über Unterdrückung und regionale Ausgrenzung bis hin zur gewaltsamen Verfolgung, Vertreibung und zum Völkermord annehmen.8 Der Grund für solche Maßnahmen war die christliche Ideologie, die auf dem Opfer Christi beruhte und die Juden anklagte, sie seien verantwortlich für den Mord an Christi.9 Dieser Irrglaube hielt sich konstant während des ganzen Mittelalters.10 Es ist jedoch zu beachten, dass die Situation der Juden im Mittelalter nicht immer konstant schlecht war, sondern sich erst vom Frühmittelalter, wo die Situation der Juden noch recht angenehm und human war,11 übers Hochmittelalter, wo eine zunehmende Ghettorisierung erfolgte,12 zum Spätmittelalter hin langsam als besonders schlecht entwickelt hatte.13 Denn im Frühmittelalter gab es noch kaum Unterschiede, bzw. keine strikte Trennung zwischen den Juden und Christen, was beispielsweise die Wohngebiete oder Erwerbstätigkeiten anging.14 Erst mit dem Beginn des ersten Kreuzzuges im 11. Jahrhundert brach erstmalig eine Welle der gewaltsamen, blutigen Verfolgung und Vertreibung der Juden los.15 Dieser Kreuzzug wurde von Papst Urban II. am 27. November 1095 in Clermont ausgerufen, um gegen die Heiden in Jerusalem vorzugehen.16 Daraufhin versammelten sich nicht nur die Ritterheere, sondern auch schlecht bewaffnete Volksmassen im Zeichen des Kreuzes, auf Grund von sozialen und wirtschaftlichen Missständen,17 die durch Hungersnöte, Naturkatastrophen, Seuchen oder Profitgier hervorgerufen worden waren.18 Diese Unzufriedenheit des Volkes entlud sich in einem Blutbad an den Juden.19 In diesem Zuge entstanden diverse Anschuldigungen gegen jene20 und man machte sie für alle sozialen Probleme und Katastrophen verantwortlich,21 womit auch zur Fragestellung der vorliegenden Arbeit gekommen werden soll, die wie folgt lautet: Welche unterschiedlichen Phänomene, in denen sich Judenfeindschaft zeigt, gibt es? Besonders das Phänomen des Brunnenvergifters wird in der vorliegenden Arbeit näher beleuchtet werden. Des Weiteren bezieht sich die Fragestellung somit in erster Linie auf das Spätmittelalter. Um jene nun aber zu klären, wird in der vorliegenden Arbeit zunächst einmal auf die Situation und die Lebensgestaltung der Juden im Mittelalter eingegangen, wobei in diesem Zuge auch die einzelnen judenfeindschaftlichen Phänomene kurz dargestellt werden. Im dritten Kapitel, also im Hauptteil der Arbeit, soll es dann um die Pogrome gegen die Juden im Mittelalter im Zuge der Pest von 1348/1349 gehen. Hierbei wird dann besonders das judenfeindschaftliche Phänomen, bzw. die Anschuldigung, die Juden seien Brunnenvergifter, im Fokus liegen, sowie die Pest an sich und die mit ihr verbundenen Pogrome. Daraufhin wird dann ein kurzes Fazit folgen.

Für diese Arbeit waren besonders diverse Aufsätze aus dem Werk „Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt“,22 herausgegeben von Helmut Birkhan, sowie die Publikationen „Gottesfeine“-„Menschenfeinde“. Die Vorstellung von jüdischer Weltverschwörung (13. bis 16. Jahrhundert)“,23 herausgegeben von Johannes Heil und „Les intellectuels chrétiens et les Juifs au moyen âge“24 von Gilbert Dahan sehr informativ. Außerdem waren die Aufsätze aus „Les Juifs à travers l’histoire“,25 herausgegeben von „Les Dossiers. Histoire et Civilisation“ sehr hilfreich.

II. Situation und Lebensgestaltung der Juden im Mittelalter

Wie bereits erwähnt, verschlechterte sich die Situation der Juden im Mittelalter erst im Zuge des ersten Kreuzzuges im 11. Jahrhundert:26

„Man muß wohl annehmen, daß die christliche Gesellschaft in ihrem Beginn keine Gereiztheit dieser Art gegen die Juden hegte; denn man findet keine Spur einer derartigen, gegen sie gerichteten Anschuldigung vor dem 12. Jahrhundert. Man muß deshalb auch vermuten, daß diese Gereiztheit erst entstand, als sie durch die infolge der Kreuzzüge entfesselten Leidenschaft begünstigt wurde“.27

Im Jahre 1145 rief zum zweiten Kreuzzug, der seinen Anfang in Frankreich nahm, Papst Eugen III. auf.28 Dieser Kreuzzug konnte jedoch etwas besänftigt werden, sodass er nicht in einem solchen Blutbad endete wie der erste Kreuzzug, dank Bernhard von Clairvaux, einem Kreuzzugprediger, der kein Befürworter der antijüdischen Hetz war.29

Bis zum 11. Jahrhundert sollte also festgehalten werden, dass die Juden oftmals zwar in sogenannten Ghettos lebten, also in ihren eigenen jüdischen Wohnvierteln, die durch Mauern von der christlichen Bevölkerung abgeschnitten waren, was jedoch als Privileg verstanden wurde.30 Denn so konnten die Juden sich als soziale und religiöse Gruppe mit gleichem Ursprung zusammenfinden.31 In Frankreich lebten die Juden meist in Städten und nur vereinzelt auf dem Land als Landwirte oder Weinbauern.32 In den Städten waren sie meist als Händler, Kaufleute oder Geldverleiher tätig.33 Jedoch sollte bedacht werden, dass im Früh- und Hochmittelalter den Juden insgesamt der Zugang zu fast allen Berufen möglich war.34 Auch wurden die Juden teilweise mit Privilegien versehen und standen unter dem päpstlichen, gräflichen oder königlichen Schutz.35 Erst im Spätmittelalter, ab dem 14. Jahrhundert etwa, begann die bewusste Ausgrenzung der Juden, also die Ghettorisierung im negativen und abwertenden Sinne,36 sowie die Ausgrenzung der Juden aus den „ehrlichen“ Berufskreisen, sodass ihnen zwangsweise nur das Geld- und Kreditgeschäft blieb.37 Vor dem 12. Jahrhundert war die Ansiedlung von Juden für eine Region sogar im wirtschaftlichen Interesse gewesen und bedeutete eine Entwicklung für diese.38 Diese Abgrenzung von den Juden erfolgte ganz besonders auf Wunsch der christlichen Kirche, als die Religiösität der christlichen Bevölkerung sich intensiviert hatte, denn die Kirche wollte die Christen vor dem „Aberglaube und den schlechten Sitten der Juden“ schützen.39 In Paris wurde den Juden bereits zwischen 1292 und 1296 verboten, außerhalb ihrer Ghettos zu wohnen.40 Nun war es jedoch so, dass die Städte oft zu klein waren und die Judengassen oftmals nahe am Verkehrsmittelpunkt oder Markt lagen, wodurch Juden und Christen weiterhin, trotz Ghettorisierung, in Kontakt standen.41 Des Weiteren gab es ständigen geschäftlichen Kontakt zwischen beiden Parteien.42 Und da die Juden nicht nur oft als Kauf-, bzw. Geschäftsleute, sondern auch reichlich als Geldverleiher tätig waren, kamen die Christen sogar oft zu ihnen nach Hause, um sich Geld zu leihen oder zurück zu zahlen.43 Hochzeiten zwischen Christen und Juden wurden ebenfalls verboten.44 In den Judenvierteln an sich gab es eine eigene Synagoge, um die jüdische Religion praktizieren zu können, ein rituelles Bad (Mikwe), eine eigene Schule, Metzgerei, Bäckerei, ein eigenes Gemeindehaus und einen Friedhof abseits des Wohngebietes.45 Auch hielten die Juden ihre eigenen traditionellen Feste ab, mitunter auch ihren Sabbat,46 was auf die Christen oftmals befremdlich wirkte und Angst unter ihnen verbreitete, da die jüdischen Rituale nicht verstanden wurden. 47

[...]


1 Vgl. Mannzmann, Anneliese: Läßt sich ein negativer historischer Tatbestand- wie die Verfolgung der Juden durch die Jahrhunderte- pädagogisch positiv fassen?, in: Mannzmann, Anneliese (Hrsg.): Judenfeindschaft in Altertum, Mittelalter und Neuzeit. Königstein 1981, S.

12.

2 Vgl. Schubert, Kurt: Möglichkeiten und Grenzen des christlich-jüdischen und des jüdisch- christlichen Gesprächs, in: Birkhan, Helmut (Hrsg.): Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt. Bern 1992, S. 7.

3 Ebd., S. 7-8.

4 Vgl. Parente, Fausto: Les Juifs et l’église romaine à l’époque moderne (XVe- XVIIIe siècle). Paris 2007, S. 93.

5 Ebd., S. 94.

6 Vgl. Brien, Simon; Gendron, Simon-Pierre: Les Juifs au Moyen Âge et aux Temps modernes, in: Les Dossiers. Histoire et Civilisation (Hrsg.): Les Juifs à travers l’Histoire, Vol. 2. Sherbrooke 2008, S. 13.

7 Vgl. Halama, Walter: Autonomie oder staatliche Kontrolle. Ansiedlung, Heirat und Hausbesitz von Juden im Fürstentum Halberstadt und in der Grafschaft Hohenstein (1650- 1800). Paris 2005, S. 43-44.

8 Ebd., S. 43.

9 Vgl. Brien, Gendron: Les Juifs au Moyen Âge et aux Temps modernes, S. 14.

10 Ebd.

11 Ebd.

12 Vgl. Palme, Rudolf: Die Stellung der Juden im Hochmittelalter außerhalb des Reiches, in: Birkhan: Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt, S. 76.

13 Vgl. Brien, Gendron: Les Juifs au Moyen Âge et aux Temps modernes, S. 14.

14 Vgl. Wenninger, Markus J.: Von der Integration zur Segregation. Die Entwicklung deutscher Judenviertel im Mittelalter, in: Brugger, Eveline; Wiedl, Birgit (Hrsg.): Ein T hema- zwei Perspektiven. Juden und Christen in Mittelalter und Frühneuzeit. Innsbruck 2007, S. 195.

15 Vgl. Brunner, Karl: Juden und Christen im Frühmittelalter, in: Birkhan: Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt, S. 40, 55.

16 Vgl. Palme: Die Stellung der Juden im Hochmittelalter, S. 68.

17 Ebd.

18 Vgl. Müller, Jörg R.: Judenverfolgung und –vertreibung zwischen Nordsee und Südalpen im hohen und späten Mittelalter, in: Haverkamp, Alfred (Hrsg.): Geschichte der Juden im Mittelalter von der Nordsee bis zu den Südalpen. Kommentiertes Kartenwerk. Hannover 2002, S. 195.

19 Vgl. Palme: Die Stellung der Juden im Hochmittelalter, S. 68.

20 Ebd., S. 69.

21 Vgl. Brien, Gendron: Les Juifs au Moyen Âge et aux Temps modernes, S. 15.

22 Birkhan, Helmut: Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt. Bern 1992.

23 Heil, Johannes: „Gottesfeinde“- „Menschenfeinde“. Die Vorstellung von jüdischer Weltverschwörung (13. bis 16. Jahrhundert). Essen 2006.

24 Dahan, Gilbert: Les intellectuels chrétiens et les Juifs au moyen âge. Paris 1990.

25 Les Dossiers. Histoire et Civilisation (Hrsg.): Les Juifs à travers l’Histoire, Vol. 2. Sherbrooke 2008, S. 1-36.

26 Vgl. Palme: Die Stellung der Juden im Hochmittelalter, S. 68.

27 Schultz, Magdalena: Projektion versus Realität: Der Ritualmord, in: Birkhan: Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt, S. 227.

28 Vgl. Palme: Die Stellung der Juden im Hochmittelalter, S. 69.

29 Ebd.

30 Vgl. Wenninger: Die Entwicklung deutscher Judenviertel im Mittelalter, S. 195-196.

31 Vgl. Dahan: Les intellectuels chrétiens et les Juifs au moyen âge, S. 37.

32 Vgl. Palme: Die Stellung der Juden im Hochmittelalter, S. 65-67.

33 Ebd.

34 Vgl. Schultz, Magdalena: Fest- und Alltagsbräuche der Juden im Mittelalter. Ursache von Antijudaismus?, in: Birkhan: Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt, S. 117.

35 Vgl. Brien, Gendron: Les Juifs au Moyen Âge et aux Temps modernes, S. 16.

36 Vgl. Wenninger: Die Entwicklung deutscher Judenviertel im Mittelalter, S. 195 und vgl. Dahan: Les intellectuels chrétiens et les Juifs au moyen âge, S. 38.

37 Vgl. Schultz: Fest- und Alltagsbräuche der Juden im Mittelalter, S. 118.

38 Vgl. Brien, Gendron: Les Juifs au Moyen Âge et aux Temps modermes, S. 16.

39 Vgl. Wenninger: Die Entwicklung deutscher Judenviertel im Mittelalter, S. 199.

40 Vgl. Dahan: Les intellectuels chrétiens et les Juifs au moyen âge, S. 38.

41 Vgl. Schultz: Fest- und Alltagsbräuche der Juden im Mittelalter, S. 111.

42 Ebd., S. 112.

43 Ebd.

44 Vgl. Brien, Gendron: Les Juifs au Moyen Âge et aux Temps modernes, S. 16.

45 Vgl. Schultz: Fest- und Alltagsbräuche der Juden im Mittelalter, S. 113.

46 Ebd., S. 115.

47 Ebd., S. 135.

Excerpt out of 17 pages

Details

Title
Judenfeindschaft im Mittelalter am Beispiel Frankreichs
College
Christian-Albrechts-University of Kiel  (Romanisches Seminar)
Grade
2,3
Year
2014
Pages
17
Catalog Number
V498905
ISBN (eBook)
9783346017710
ISBN (Book)
9783346017727
Language
German
Keywords
judenfeindschaft, mittelalter, beispiel, frankreichs
Quote paper
Anonymous, 2014, Judenfeindschaft im Mittelalter am Beispiel Frankreichs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/498905

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