Unterrichtsbeobachtung mit dem Schwerpunkt "Umgang mit Störungen"


Seminar Paper, 2018

33 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhalt

Beobachtungsschwerpunkt „Umgang mit Störungen“

A Wissenschaftliche Darstellung
Der Umgang mit Störungen: eine komplexe Thematik
Arten von Störungen
Kategorisierungen von Störungen
Ursachen von Störungen
Definitionen von Störungen
Störungen im Alltag von Lehrkräften
Strategien gegen Unterrichtsstörungen

B) Fremdbeobachtungen
Prinzip der geringsten Intervention
„Kollektivhaftung“
Token Economies
Niedrigschwellige Interventionen
Disziplinierung, Allgegenwärtigkeit und Überlappung

C) Eigenbeobachtungen
Überlegungen vor Beginn des eigenen Unterrichts
Unterrichtsgestaltung
Zuspätkommende Schüler
Feedback der Schülerinnen und Schüler
Überlegungen nach Ende des eigenen Unterrichts

D) Fazit

Anhang
Auflistung Hospitationsstunden und eigene Stunden
Literaturverzeichnis
Bibliographie

A Wissenschaftliche Darstellung

Der Umgang mit Störungen: eine komplexe Thematik

Warum sind Unterrichtsstörungen in der Schule ein so großes und viel diskutiertes Thema? Und ist der Umgang mit ihnen wirklich so schwierig? Nolting gibt einen ersten wichtigen Anhaltspunkt:

Störungen in der Schulklasse gibt es in vielen Variationen, (sic) und für unterschiedliche Probleme braucht man oft auch unterschiedliche Handlungskonzepte – so etwa für die vielen „kleinen“ Störungen, die den täglichen Unterricht begleiten, oder für einen gravierenden Konflikt mit der Klasse oder für wiederkehrende Zusammenstöße mit einzelnen Schülern (Nolting 2016, S. 9).

Nolting erwähnt einen zentralen Grund, weshalb der Umgang mit Unterrichtsstörungen eine vergleichsweise komplexe Thematik ist: Diese treten in vielfachen und unterschiedlichsten Ausprägungen und Intensitäten auf und ihre Ursachen können ebenso vielfältig sein. Einige sind schon in der Institution Schule an sich angelegt: Die Schülerinnen und Schüler — oder zumindest ein veritabler Teil von ihnen — gehen nicht freiwillig in die Schule, sondern weil die staatliche Schulpflicht sie dazu zwingt. Auch das Programm der ihnen auferlegten Beschulung bestimmen sie in den allermeisten Fällen nicht. Es liegt folglich in der Natur der Sache, dass die Interessen der Schülerinnen und Schüler und die der Institution Schule oftmals nicht auf einer Linie liegen.

Seidel weist daraufhin, dass Komplexität Unterricht inhärent ist: „Unterricht zeichnet sich durch eine große Anzahl an Ereignissen aus, die miteinander vernetzt sind und sich wechselseitig beeinflussen. Ereignisse im Unterricht passieren unmittelbar und schnell, sie sind nur schwer vorhersehbar und haben häufig einen unerwarteten Verlauf (Seidel 2009): 136.“ Dieser Gedanke illustriert, dass die Gestaltung von Unterricht schon an sich ein herausforderndes Unterfangen ist, selbst wenn dieser nicht von Störungen geprägt ist. Dementsprechend anspruchsvoll ist der Umgang mit Störungen für Lehrkräfte, denn es gibt keine Patentrezepte. Auf unterschiedliche Formen von Störungen sind unterschiedliche Reaktionen möglich, welche wiederum unterschiedlich angemessen, sinnvoll und effektiv sein können. Wenn beispielsweise eine Schülerin im Unterricht demonstrativ so tut, ob sie schläft, kann die Lehrkraft dies ignorieren — denn im Grunde wird ja niemand offensiv gestört — oder aber darauf reagieren, denn das Klassenklima, die Motivation der anderen Schülerinnen und Schüler oder die eigene Konzentration kann natürlich durchaus unter dem dargebotenen Verhalten leiden. Die Einschätzung, ob ein Verhalten störend ist oder nicht, ist insofern subjektiv und die Grenzen zwischen störend und nicht-störend können fließend auch bei ein und derselben Lehrkraft sein, beispielsweise abhängig von vorangegangenen Ereignissen, privaten Einflüssen oder der eigenen Tagesform.

Arten von Störungen

Die Liste scheint der möglichen Arten von Störungen scheint fast beliebig verlängerbar: Zuspätkommen; Zwischenrufe; spielerische oder auch aggressive Provokationen; der oder die Klassenclown(in) und sein oder ihr störendes Verhalten; demonstrativ zur Schau gestellte Langeweile; Ablenken oder Ärgern von Mitschülern oder Mitschülerinnen; absichtlich gegebene falsche Antworten auf Fragen der Lehrkraft; absichtliches Vergessen von Unterrichtsmaterialien; Kippeln oder anderes Herumzappeln; Boykott der Mitarbeit, was besonders störend z. B. in einer Gruppenarbeit sein kann; Zettelchen schreiben; mit Papierkügelchen werfen; Sachbeschädigung; ständiges zur-Toilette-gehen-müssen bzw. - wollen, Verweigerung, im Fremdsprachenunterricht in der betreffenden Fremdsprache zu kommunizieren; (unerlaubte) Benutzung des Handys, usw. usf. Nicht zuletzt sind auch Störungen, die von der Lehrkraft verursacht werden, zu nennen: Wenn diese schlecht vorbereitet ist, wenn deren Handy im Unterricht klingelt oder plötzlich eine Anekdote erzählt, die zwar amüsant sein mag, aber den Unterrichtsfluss unterbricht, bedeutet auch dies eine Störung des Unterrichts. Ein weiterer, geradezu klassischer Fehler von Seiten der Lehrkraft, welcher früher oder später zwangsläufig zu Störungen führen wird, ist die fehlende Einbeziehung von Schülerinnen und Schülern. Zu guter Letzt können natürlich auch externe Faktoren störend sein, beispielsweise Baulärm oder plötzlicher Schneefall, der die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler weg vom Unterrichtsgeschehen lenkt.

Kategorisierungen von Störungen

Nolting identifiziert drei Kategorien von Störungen: erstens aktive und zweitens passive Unterrichtsstörungen und drittens Störungen der Schüler-Schüler-Interaktion. Zur ersten Gruppe gehören Schüleraktivitäten wie Privatgespräche oder Herumzappeln, die sich unter dem Schlagwort Disziplinprobleme subsummieren lassen. Passive Unterrichtsstörungen hingegen zeichnen sich laut Nolting nicht durch unerwünschte Aktivitäten, sondern durch einen Mangel an erwünschten Aktivitäten aus. Beispiele hierfür wären das absichtliche Vergessen von Unterrichtsmaterialien oder Boykott der Mitarbeit. Zur letzten Kategorie zählt Nolting Problematiken wie Feindseligkeiten zwischen Mädchen und Jungen oder Mobbing, die zwar nicht zwingend direkt den Unterricht stören müssen, aber indirekt gravierende negative Auswirkungen auf den Unterricht haben können (Nolting 2016, S. 12–13).

Fartacek et al. klassifizieren in einer älteren Studie vier unterschiedliche Formen von Störungen:

- verbales Störverhalten (schwatzen, vorlautes Verhalten, Zwischenrufe, Beleidigungen),
- mangelnder Lerneifer (geistige Abwesenheit, Desinteresse, Unaufmerksamkeit),
- motorische Unruhe (zappeln, kippeln, herumlaufen),
- aggressives Verhalten (Wutausbrüche, Angriffe auf Personen, Sachbeschädigungen) (Fartacek et al. 1987, S. 14).

Teilweise ähneln sich die Kategorien bzw. überschneiden sich in mancher Hinsicht (Noltings „passive Unterrichtsstörungen“ und „mangelnder Lerneifer“ bei Fartacek et al.), Noltings Einteilung erscheint jedoch insgesamt moderner, insbesondere seine Berücksichtigung von sozialen Beziehungen zwischen Schülerinnen und Schülern als relevanter Faktor. Schuster erläutert in diesem Zusammenhang, dass auch umgekehrt ein Zusammenhang besteht: „Disziplinschwierigkeiten sind unter anderem deshalb ein Nährboden für Mobbing, da die aufgeriebene Lehrkraft in dem allgemeinen Chaos die Nöte einzelner Kinder übersieht. Vor allem aber lernen die Kinder: Anything goes (Schuster 2013, S. 65)!“ In einer disziplinierten Klasse, in der Regeln eingehalten werden, bietet sich weniger Raum für unsoziales Verhalten von Schülerinnen und Schüler untereinander. Wenn umgekehrt allgemein Regeln nicht respektiert werden, ist auch der Schritt zu Regelübertretungen im sozialen Miteinander leichter und wahrscheinlicher.

Ursachen von Störungen

Ebenso unterschiedlich wie ihre Form können die Gründe für Störungen sein: Langeweile, Heischen nach Aufmerksamkeit, pubertäres Verhalten, psychische Probleme, Konzentrationsschwäche, Aggressionen, Lernbehinderungen, Probleme im privaten Umfeld, Machtproben zwischen Lehrkraft und Schülerin oder Schüler, Unter- oder Überforderung, körperliche Unausgelastetheit, vorausgegangene Konflikte mit der Lehrkraft, oder der Drang, sich zu profilieren. Das Motiv für die Störung kann dabei wichtige Hinweise für eine angemessene und effektive Reaktion und im Optimalfall die Prävention weiterer Störungen geben, denn ob Schülerinnen oder Schüler aus bloßer Langeweile oder aber aufgrund privater Probleme den Unterricht stören, sollte einen Unterschied bezüglich der Herangehensweise der Lehrkraft und zur Lösung der Problematik machen.

Definitionen von Störungen

Lohmann definiert Störungen wie folgt:

Unterrichtsstörungen sind Ereignisse, die den Lehr-Lern-Prozess beeinträchtigen, unterbrechen oder unmöglich machen, indem sie die Voraussetzungen, unter denen Lehren und Lernen erst stattfinden kann, teilweise oder ganz außer Kraft setzen. Zu den Voraussetzungen zählen äußere und innere, das Lernen ermöglichende Bedingungen, wie physische und psychische Sicherheit, Ruhe, Aufmerksamkeit, Konzentration (Lohmann 2015, S. 13).

Störungen entziehen in dieser Perspektive dem Lehr-Lern-Prozess die notwendige Grundlage und stellen dementsprechend ein fundamentales Problem im schulischen Alltag dar, da sie die Erfüllung der Kernaufgabe der Schule behindern oder sogar unmöglich machen. Nolting hingegen führt zwei verschiedene Definitionen von Unterrichtsstörungen auf, welche sich bezüglich ihrer bestimmenden Kriterien unterscheiden. Die normative Definition bestimmt er wie folgt:

Unterrichtsstörungen sind Handlungen von Schülern, die gegen Regeln für das Verhalten im Unterricht verstoßen. Ob eine Störung vorliegt oder nicht, hängt hier letztlich von der Lehrkraft ab; sie bestimmt die Regeln und bewertet das Verhalten. Was Lehrer X als „unruhig“ bezeichnet, nennt seine Kollegin Y vielleicht „lebhaft“ (Nolting 2016, S. 13).

Hinzuzufügen wäre, dass solche normativen Definitionen nicht ausschließlich von der persönlichen Einschätzung der Lehrkraft abhängig sind, sondern auch von externen Faktoren wie beispielsweise dem Alter der Schülerinnen und Schüler, der Kultur des Landes oder auch dem pädagogischen Zeitgeist. Die funktionale Definition lautet:

Unterrichtsstörungen sind Handlungen, welche die von einer Lehrkraft beabsichtigte Unterrichtsdurchführung behindern, und zwar, (a) indem sie andere Personen, nämlich die Lehrkraft oder die Mitschüler, in ihren aufgabenbezogenen Aktivitäten beeinträchtigen, und/oder, (b) indem sie die eigene aufgabenbezogene Aufmerksamkeit und Mitarbeit beeinträchtigen (Nolting 2016, 13, Hervorhebung im Original).

Diese Definition korrespondiert mit der von Lohmann. Sie erscheint außerdem transparenter und insgesamt weniger autoritär als eine normative Definition, welche, wie Nolting festhält, letztendlich von der Bewertung von Regelverstößen durch die Lehrkraft abhängt. Insofern passt sie besser zu modernen Lehr-Lern-Theorien, die den Lernprozess und für diesen förderliche Bedingungen und nicht absolute Regeln in den Vordergrund stellen.

Störungen im Alltag von Lehrkräften

Winkel charakterisiert Unterrichtsstörungen als „die wohl gängigste schulische Alltagserfahrung (Winkel 1997, S. 3).“ Hinzuzufügen wäre: für Lehrerinnen und Lehrer genauso wie für Schülerinnen und Schüler, denn der gestörte Lernprozess ist größtenteils der der Schülerinnen und Schüler. Nichtsdestotrotz bedeuten Störungen insbesondere für Lehrkräfte eine besondere Belastung, da sie im schulischen Alltag quasi allgegenwärtig damit konfrontiert sind. Lehrkräfte sind permanent gezwungen, zu entscheiden, wie sie mit Störungen umgehen — und dass, ohne den primären Handlungsvektor aus den Augen zu verlieren oder sich aus dem Konzept bringen zu lassen. Diese Art von Multitasking ist anspruchsvoll und kann insbesondere am Anfang der Berufslaufbahn eine große Herausforderung sein, denn auch der ausgefeilteste Unterrichtsentwurf und die raffinierteste Didaktik schützen nicht vor Sabotage durch Störungen. Diese können den Unterricht und das Klassenklima maßgeblich beeinflussen, haben zudem aber oftmals auch substantielle Auswirkungen auf Lehrergesundheit und -zufriedenheit (Müller- Limmroth 1980), (Schaarschmidt 2005). Lohmann weist darauf hin, dass Störungen für Lehrkräfte aller Alters- und Erfahrungsstufen belastend sein können und betont, dass gerade ihre Allgegenwärtigkeit und Permanenz problematisch sind:

Es ist bekannt, dass der Umgang mit Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten zu den stärksten Belastungen im Lehrerberuf gehört, unabhängig vom Alter oder von der Dauer der Berufserfahrung. Den größten Leidensdruck verursachen dabei die häufigen alltäglichen kleinen Störungen, die sich addieren können zu einer ständigen akustischen und motorischen Unruhe und die entsprechende Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite verursachen. Allein der in vielen Klassen nahezu permanent vorhandene Lärmteppich nagt auf Dauer am Nervenkostüm des Lehrers (Lohmann 2015, S. 15).

Lohmann bewertet vor allem die Permanenz von Störungen als problematisch und belastend. Zusätzlich stellt er fest, dass Lehrkräfte oftmals problematisches Verhalten von Schülerinnen und Schülern als begründet in den Persönlichkeitsstrukturen dieser ansähen. Untergründig werde davon ausgegangen, dass alle Schülerinnen und Schüler die Sinnhaftigkeit von schulischen Normen als gegeben hinnähmen und sich nur aufgrund persönlicher Defizite nicht daran hielten. Lohmann bezeichnet dabei die „Pathologisierung störenden Schülerverhaltens“ für Lehrkräfte als „große Verführung“ (Nolting 2016, S. 16), da sie sie von eigener Verantwortung für nicht geglückten Unterricht entbinde. Häufig störende Schülerinnen oder Schüler hätten in dieser Interpretation schlicht „einen Defekt, für den dann nicht mehr der Lehrer sondern ein Therapeut zuständig ist (ebd).“ Durch diese Sichtweise beraubten sich Lehrkräfte ihres größten und am leichtesten zu ändernden Einflussfaktor: dem eigenen Verhalten. Zudem gerieten alltägliche, triviale Ursachen für Störungen aus dem Blickfeld (vgl. ebd.).

In jedem Fall sind Störungen und der Umgang mit ihnen eine zentrale berufliche Herausforderung für Lehrkräfte. Lohmann geht sogar so weit, zu postulieren, dass „störungsfreier Unterricht […] eine didaktische Fiktion [sei]“ (Lohmann 2015, S. 14). Wenn diese Aussage auch überspitzt erscheinen mag, sie ist insofern zutreffend als dass weder Schülerinnen und Schüler noch Lehrkräfte ununterbrochen konzentriert bei der Sache bleiben können, dafür ist der durchschnittliche Schultag zu lang und die Möglichkeiten der Ablenkung zu vielfältig. Dementsprechend empfiehlt Lohmann, Störungen eher als Schülerfeedback zu interpretieren und als Hinweis zu nutzen, „wie groß die Schere zwischen den Normenvorstellungen und Erwartungen von Schülern und Lehrern ist (ebd)“. Zusätzlich impliziert die Unvermeidbarkeit der Konfrontation mit Störungen, dass sich Lehrkräfte tunlichst schon im Vorfeld Strategien zur Abmilderung, Reduzierung, Behebung oder bestenfalls Vermeidung von Störungen zurechtlegen sollten. Was können Lehrkräfte tun?

Strategien gegen Unterrichtsstörungen

Oftmals werden Strategien gegen Unterrichtsstörungen in präventive und reaktive Maßnahmen unterteilt, so beispielsweise von Emmer und Evertson (Evertson und Emmer 2013), Nolting (Nolting 2016) oder Lohmann (Lohmann 2015). Lohmann klassifiziert proaktive Maßnahmen weiterführend in „Prävention“ (1.1) und „Unterstützung“ (1.2) und reaktive Strategien in „Intervention“ (2.1) und „Problemlösung“ (2.2) und unterteilt diese Strategien jeweils wieder in „Beziehungsebene“, „Disziplin-Managementebene“ und „Unterrichtsebene“ (ebd. S. 97-224). Als präventive Strategien auf der Beziehungsebene (1.1.a) gibt Lohmann beispielsweise Tipps für ein positives Auftreten bezogen auf Kleidung, Körpersprache, Klassenklima und insbesondere (professionelle) Kommunikation. Auf der Disziplin-Managementebene (1.1.b) empfiehlt er die Etablierung eines Klassenrats und von Regeln, Routinen und Ritualen. Der Abschnitt „Unterrichtsebene“ (1.1.c) dreht sich unter anderem um die Schaffung von günstigen Vorbedingungen für das Lernen und die Frage, wie man die Kooperation der Schülerinnen und Schülern gewinnt und sicherstellt. Als Unterstützungsstrategien auf der Beziehungsebene (1.2.a) benennt er Motivation, Ermutigung und die Vergabe von Ämtern wie beispielsweise Klassenbuchführung oder die Pflege von Pflanzen oder Aquarien. Nicht ganz stringent — denn schließlich könnten diese durchaus auch als Interventionen bewertet werden — verortet Lohmann nonverbale Kommunikationstechniken zur Verhaltenssteuerung auf der Disziplin-Managementebene innerhalb der Kategorie „Unterstützung“ (2.2.b). Hierzu zählt er relativ subtile Signale wie Blickkontakt aber auch den Einsatz von Klingeln oder Klangschalen oder das Verteilen von gelben und roten Karten an störende Schülerinnen oder Schüler. Auf der Unterrichtsebene (2.2.c) nennt der Autor Maßnahmen zur Aufmerksamkeitserhaltung und Einbindung von Schülerinnen und Schülern. Als Interventionsstrategien auf der Beziehungsebene (2.1.a) bezeichnet Lohmann die Vermeidung negativen Gefühlen, die Reduzierung von Störungsbelastungen und generell die Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern, wobei er hier einen Schwerpunkt auf die Unterscheidung zwischen Du- und Ich-Botschaften legt. Auf der Disziplin-Managementebene (2.1.b) beschäftigt sich der Autor umfassender mit Interventionen. Was ist der grundsätzliche Zweck einer Intervention?

Ziel der Intervention ist es, die Störung, die den Unterricht beeinträchtigt oder unmöglich macht, schnellstmöglich zu unterbinden, um rasch zum Unterricht zurückzukehren. Problemlösungen erfolgen später. Interventionen müssen also nicht Vorrang vor Unterricht haben (Lohmann 2015, S. 176).

Lohmann beobachtet dabei in der Alltagspraxis ein Paradoxon: „Ausgerechnet die erwiesenermaßen ineffektivsten Maßnahmen sind am häufigsten zu beobachten: Ermahnen, Drohen und Strafen (ebd. S.177).“ Dementsprechend bemüht er sich, Lehrkräften konkrete Hinweise, Regeln und Beispiele für effektive Interventionen zu geben: Konsequenzen sollten logisch sein (wer unerlaubterweise raucht, muss Zigarettenkippen aufsammeln), es sollte in Stufen eskaliert werden, Regeln und Sanktionen für deren Übertretung sollten mit der Klasse abgesprochen werden etc. Auf der Unterrichtsebene (2.1.c) empfiehlt Lohmann Methodenwechsel und -vielfalt, beispielsweise auch den Besuch von außerschulischen Lernorte oder das Einladen von Experten in den Unterricht. Zu guter Letzt geht Lohmann auf Problemlösungsstrategien ein. Auf der Beziehungsebene (2.2.a) bietet er eine Vielzahl von Methoden und Lösungsansätzen an, von Rollenspielen über das Training sozialer Basiskompetenzen bis zur Bildung eines „Mobbing-Ausschusses“. Auch auf der Disziplin-Managementebene (2.2.b) beschreibt der Autor zahlreiche Strategien zum Umgang mit Störungen, angefangen bei relativ simplen Methoden wie „blauen Karten“, die die Schülerinnen und Schüler als Zeichen dafür nutzen können, dass sie Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren, bis hin zu aufwendigeren Ansätzen wie einem „Problemlösungsgespräch in sieben Schritten“. Ein letzter Vorschlag findet sich auf der Unterrichtsebene (2.2.c), nämlich der, dass Lehrkraft und Klasse innerhalb des Konzepts „Lernen durch Lehren“ ihre Rollen tauschen. Nach und nach übernehmen Schülerinnen und Schüler Verantwortung für den Lernprozess aller und vermitteln Lernstoff. Als Nebeneffekt erfahren sie, wie sich die Rolle der Lehrkraft anfühlt und entwickeln im Optimalfall so mehr Verständnis für diese.

Wie am Beispiel von Lohmann dargestellt, bietet sich Lehrkräften eine Fülle von Optionen zum Umgang mit Störungen. Die Schwierigkeit liegt in der Auswahl einer angemessenen und effektiven Option zum richtigen Zeitpunkt. Auch wenn es keine Patentrezepte gegen Unterrichtsstörungen gibt, führt Schuster zu guter Letzt einige essentielle Regeln zum präventiven oder reaktiven Umgang mit Störungen auf:

Zusammenfassend, wurde bislang gezeigt, dass es wichtig ist, sich zunächst zu fragen, ob man versehentlich Kinder mit dem, was als Strafe gedacht war, belohnt (versteckte Verstärkeranalyse); man sollte versuchen, angemessenes Verhalten zunehmend auch zu registrieren und dann auch anzuerkennen (Lob ist wirksamer als Strafe); man sollte frühzeitig eingreifen (wehret den Anfängen), und zwar mit möglichst kaum wahrnehmbaren Maßnahmen, die weder den Unterricht unterbrechen und damit versteckte Verstärker darstellen noch Schüler beschämen (Prinzip der geringsten Intervention); man sollte sich immer auf ein ganz konkretes Verhalten beziehen (das Verhalten statt die Person bestrafen), und man sollte möglichst unangekündigt, spontan belohnen (Berücksichtigung einer potenziellen Unterminierung der intrinsischen Motivation) (Schuster 2013, S. 63).

Das Thema Umgang mit Störungen hat wie dargestellt große Relevanz auf verschiedenen Ebenen im schulischen Zusammenhang. Zusätzlich ist es für Lehrkräfte aufgrund der geschilderten Komplexität eine große Herausforderung, was es zu einem besonders interessanten und lohnenswerten Beobachtungsschwerpunkt macht.

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Details

Title
Unterrichtsbeobachtung mit dem Schwerpunkt "Umgang mit Störungen"
College
Free University of Berlin  (Fachbereich Didaktik des Englischen)
Course
Begleitseminar Schulpraktische Studien Englisch
Grade
1,3
Author
Year
2018
Pages
33
Catalog Number
V501023
ISBN (eBook)
9783346035691
ISBN (Book)
9783346035707
Language
German
Keywords
unterrichtsbeobachtung, schwerpunkt, umgang, störungen
Quote paper
John Schulze (Author), 2018, Unterrichtsbeobachtung mit dem Schwerpunkt "Umgang mit Störungen", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/501023

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