Der Gedanke, der meinem Essay zu Grunde liegt, ist der, dass es bezüglich der Bewertung von schulischer Leistung im deutschen Bildungssystem Ungleichheiten gibt. Die sozioökonomischen Ungleichheiten in der Bevölkerungsstruktur der Leistungs- und Wissensgesellschaft in der wir leben, sind zwar die Hauptfaktoren, die über Erfolg und Scheitern in der Schülerkarriere entscheiden und ich zweifle deswegen nicht daran, dass ein bestimmtes kulturelles Umfeld, die Lernleistung eines Schülers stark beflügelt, weil beispielsweise Motivation, Arbeitseinstellung und Erwartungen Dinge sind, die durch die Sozialisation vermittelt werden. Das ist aber andererseits oft mit der Annahme verknüpft, dass die Leistungsbewertung eine rein objektive Angelegenheit ist, die in der Regel frei von verzerrenden Faktoren ist, wie dem der subjektiven Einschätzungen durch die Lehrer beispielsweise. Ich frage mich, ob die schulische Leistung, die durch Noten gemessen wird, auch immer das wiedergibt, was dem Stand der Fähigkeiten des Schülers entspricht. Kann es nicht sein, dass Prestige, Habitus oder sprachliche Fähigkeiten über bestimmte Mängel hinwegtäuschen, oder dass Ängste und Blockaden eigentlich vorhandene Fähigkeiten verbergen und ist deswegen nicht eine konsequente und vielleicht auch kontraproduktive Eliminierung bestimmter Bevölkerungsschichten aus den Bildungseliten zu erwarten?
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Weiterempfehlung – Erste Hürde in der Schullaufbahn
2.1. Die IGLU-Studie
2.2. Die Weiterempfehlung
2.3. Der Einfluss der Schicht
3. Mechanismen der Schichtreproduktion
3.1. Das Selbstvertrauen
3.2. Die Sprache, Vorkenntnis, Einstellungen und Prestige
4. Fazit
5. Tabellen
6. Literatur
1. Einleitung
Ich werde mich zu Anfang auf die Ergebnisse der IGLU-Studie stützen, die als Vergleich zur PISA-Studie aufzeigen soll, wie es um die Kompetenzen der Schüler in der Grundschule bestellt ist. Hierbei möchte ich mich damit auseinander setzen, dass es in der Grundschule eine Schülerschaft gibt, die nicht so stark durch die Schichtung der Gesellschaft beeinflusst ist und somit für eine Betrachtung die Basis schafft, in der man es nicht mit derart homogenen Gruppen zu tun hat, wie es an den weiterführenden Schulen in Deutschland bekanntlich der Fall ist. Dadurch kommt es mit dem Abschluss der vierten Klasse zu einer ersten und sehr allgemeinen Selektion, die sehr starken Differenzen zwischen den gesellschaftlichen Schichtungen zu berücksichtigen hat und die dabei ihrem Anspruch auf faire Verteilung nach Leistung nicht gerecht wird.
Die Gründe für die Fehleinschätzungen, die bei dieser Selektion entstehen können, versuche ich mit den Argumenten der Konflikttheorie zu erklären, die in der Schule das Instrument der herrschenden Klasse sehen, die den Status Quo auf diesem Wege erhalten sehen möchte. In Deutschland bleibt die Chancenungleichheit im Bildungssystem jedoch nicht nur auf die Schulempfehlung in der Grundschule beschränkt, sondern wirkt sich fort an den weiterführenden Schulen, was ich im zweiten Teil meines Essays berücksichtigen möchte. Dies führt mich auf direktem Wege zu Pierre Bourdieu, der in seinen Arbeiten eine Vielzahl von Mechanismen aufführt, die den allgemeinen Verlauf einer Schullaufbahn beeinflussen.
Abschließend möchte ich die gesammelten Erkenntnisse zusammenfassen und einen Ausblick geben auf die möglichen Konsequenzen dieser Ungleichheitsbildung.
2. Die Weiterempfehlung – Erste Hürde in der Schullaufbahn
2.1. Die IGLU-Studie
In der meritokratischen Gesellschaft in der wir leben, ist spätestens seit der Bildungsexpansion der 60er Jahre, die Bildung das höchste Gut. Es ist Bürgerrecht und wichtig für die gesellschaftliche Modernisierung (Dahrendorf, 1965), aber auch ausschlaggebend für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit eines Landes (Picht, 1964). Aus diesen Feststellungen ist für die Bildungspolitik zu entnehmen, dass Bildung für jeden zugänglich sein muss und etwaige gesellschaftliche Schranken aufzubrechen sind, die das verhindern wollen. In Deutschland ist dieses Thema mit der PISA-Studie nun wieder verstärkt in die Öffentlichkeit gedrungen und ein heftiger Diskurs über die starken Leistungsdefizite und -unterschiede an den drei verschiedenen Schulformen des deutschen Bildungssystems hat begonnen. Hauptsächlich wird hierbei darüber debattiert, ob es nicht besser wäre, die Schüler länger, wenn nicht gar über den gesamten Zeitraum miteinander lernen zu lassen. Diese Erkenntnis springt einem zu erst ins Auge und bestätigt aufs Neue, die schon oft geübte Kritik am dreigliedrigen System. Auch die 2004 veröffentlichte IGLU-Studie, eine Vergleichsstudie bei 10-jährigen Grundschülern, die ebenfalls von der OECD in Auftrag gegeben wurde, belegt diese Annahme. Man konnte feststellen, dass die deutschen Grundschüler im internationalen Vergleich noch sehr gut mithalten können, in einigen Bundesländern sogar weltspitze waren.
Die Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der zehn- und fünfzehnjährigen Schüler in den Bereichen Textverständnis (Tab. 3), Mathematik und Naturwissenschaften ist bemerkenswert.
2.2. Die Weiterempfehlung
Woran kann das liegen und was wird in diesen fünf Jahren versäumt? Ist es das stark homogene Leistungsumfeld, welches die Schüler negativ beeinflusst oder liegt es vielleicht auch daran, dass ein Großteil der Schüler entweder über- oder unterfordert ist, weil sie nicht richtig eingestuft worden sind? Es wurde nämlich des Weiteren festgestellt, dass es bei den durch die Tests ermittelten Kompetenzen der Schüler, zu großen Abweichungen mit den Empfehlungen kam, die die Lehrer den Viertklässlern für die weiterführenden Schulen gaben (Abb. 14). Hierbei wird deutlich, dass schon Grundschullehrer damit überfordert sind, sinnvolle Leistungsstandards zu setzen und die Fähigkeiten der Schüler in den Kernfächern richtig zu bewerten. Die Kinder werden, bei den zum Teil gleichen Kompetenzstufen, auf unterschiedliche Schulen geschickt (IGLU, 2004). Die Konsequenz davon ist zum einen, das überbewertete Schüler die auf das Gymnasium wechseln, den Anforderungen oft nicht gewachsen sind und zum Wiederholen der Klasse oder Schulwechsel gezwungen sind. Diese vermeidbaren Tatsachen erschweren den weiteren Weg des Schülers und überfordern die Lehrer unnötig. Auf der anderen Seite sind bessere Schüler auf Real- und Hauptschulen unterfordert und werden ihren Fähigkeiten nicht gerecht. Das sind die Folgen dieser Ungerechtigkeit, aber das ist nicht neu.
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- BA Christian Wenske (Author), 2004, Die Schulnote - ein gerechter Parameter für Leistung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50198
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