Organisationsgrenzen in dynamischen Umwelten - Eine Revision der 'Netzwerktheorien' am Beispiel von Biotechnologie- und Pharmakologieunternehmen


Mémoire (de fin d'études), 2005

174 Pages, Note: 1,5 (sehr gut)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zum Stand der Forschung in der „Netzwerkdebatte“
2.1. Dimensionen der „Netzwerkforschung“
2.2. Die dominanten Theorien
2.3. Die Weiterentwicklung der Netzwerktheorien

3. Theoretische Implikationen der „Netzwerktheorien“
3.1. Kontingenztheoretische Ansätze
3.2. Institutionenökonomische Ansätze
3.2.1. Grundannahmen der Instiutionenökonomie
3.2.2. Die Rolle von Institutionen
3.2.3. Der Transaktionskostenansatz
3.3. Die neoinstitutionalistische Kritik an der Institutionenökonomie und der Kontingenztheorie
3.3.1. Das Problem der „sozialen Einbettung“
3.3.2. Netzwerkformen weder als Markt noch als Hierarchie
3.3.3. Der Einbezug der gesellschaftlichen Umwelt im neuen Institutionalismus

4. Die systemtheoretische Unterscheidung von System und Umwelt
4.1. Das unzureichende Verständnis von Organisation als Hierarchie im Neoinstitutionalismus
4.2. Weder Netzwerk noch Hierarchie: Organisationsgrenzen als Erwartungsgrenzen
4.3. Organisation verstanden als selbstreferentielles System
4.3.1. Organisation als System
4.3.2. Gesellschaft als Umwelt

5. Zentrale Fragestellung und Untersuchungsdimensionen
5.1. Fragestellung und Forschungshypothesen
5.2. Fallanalysen im Biotechnologie - und Pharmakologiebereich
5.3. Entscheidungsprämissen als Untersuchungsdimensionen
5.3.1. Entscheidungsprogramme
5.3.2. Personaleinsatz
5.3.3. Kommunikationswege
5.3.4. Substituierbarkeit und Ausgleich
5.4. Operationalisierung der theoretischen Begriffe

6. Methodisches Vorgehen
6.1. Leitfadeninterview als Erhebungsinstrument
6.2. Auswahl der Interviewpartner, Feldzugang, Sample und Durchführung der Interviews
6.3. Datenaufbereitung und Auswertung der Interviews

7. Drei Fälle von Grenzziehung im Biotechnologie- und Pharmakologiebereich
7.1. Fall 1: Business Development in einem mittleren Biotechnologieunternehmen
7.1.1. Zu Interviewpartner und Unternehmen
7.1.2. Interaktionsebene: Grenzstelle Business Development C
7.1.3. Organisationsebene: Konditionalprogrammierung im Umgang mit Organisationen
7.1.4. Gesellschaftsebene: Offene Zweckprogrammierung der Wissenschaftler in Firma C
7.1.5. Fazit Firma C
7.2. Fall 2: Vice President eines größeren Biotechnologieunternehmens
7.2.1. Zu Interviewpartnern und Unternehmen
7.2.2. Interaktionsebene: Grenzstelle Vice President E
7.2.3. Organisationsebene: Zusammenarbeit mit anderen Organisationen
7.2.4. Gesellschaftsebene: Entscheidungsprämissen bezüglich der Wissenschaftler in der Organisation
7.2.5. Fazit Firma E
7.3. Fall 3: Personalchef eines großen Pharmakologieunternehmens / Pharmakologiekonzerns
7.3.1. Zu Interviewpartner und Unternehmen
7.3.2. Interaktionsebene: Grenzstelle Personalchef (Firma B)
7.3.3. Organisationsebene: Innovation durch Merger&Acquisitions
7.3.4. Gesellschaftsebene: Entscheidungsprämissen zwischen Konzern und Geschäftsstelle
7.3.5. Fazit für Firma B / Konzern B

8. Zusammenfassende Diskussion der Fallanalysen

9. Schluss

Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anhang

Eidesstattliche Erklärung

1. Einleitung

„Die Euphorie ist wieder da“. So der Titel eines Artikels im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ im Juni 2003 in Bezug auf die Aktienkurse der Biotechnologiebranche (vgl. Martens 2003). Nach einigem Auf und Ab scheint sich die bei den Börsianern bereits abgeschriebene Branche nach einer Konsolidierungsphase in den Jahren 2000/2001 nun doch zu etablieren. Bernd Seizinger, der Vorsitzende des börsennotierten Münchner Biotechnologieunternehmen s GPC sagt über die Branche: „Wir sind am Ende der Durststrecke angelangt“ (Martens 2003: 74). Mit Nachrichten über neue Krebsmedikamente dienen die Unternehmen als Zugpferde für technologische Werte.

Doch auch in der Wissenschaft erweisen sich Biotechnologieunternehmen als Zugpferde für eine bestimmte Forschungsrichtung. Sie erscheinen als etwas Neuartiges, Modernes. Im Vergleich zu den alten, traditionsreichen Pharmakologieunternehmen wirkt alles an ihnen innovativer, flexibler und unkonventioneller. Und das bezieht sich gerade auch auf die Nähe zum wissenschaftlichen Arbeiten und auf die Fähigkeit der Unternehmen in „Kollaborationen“ und „Netzwerken“ neue Medikamente zu entwickeln und partnerschaftlich zu vertreiben. Insbesondere Walter Powell beschäftigte sich in den 1990er Jahren umfassend mit der Frage der Innovationskraft von Biotechnologieunternehmen vor allem in Bezug auf die Ausgestaltung von Partnerschaften und die Positionierung der Unternehmen innerhalb von Netzwerken[1]. Für „Kollaborationen” und „Netzwerkbildung” erweist sich damit die Biotechbranche als das Vorzeigebeispiel.

Forschungen über Netzwerke gibt es jedoch nicht nur im biotechnologischen Bereich. In fast allen Branchen scheinen neue Formen von Kollaborationen und Netzwerken aufzutauchen[2]. Theorien über Netzwerke und Organisationsgrenzen erfahren damit einen regelrechten Boom. Die Frage die dabei alle beschäftigt, ist, worin die Ursache für die beobachteten Phänomene liegt. Wenn es sich hierbei tatsächlich um eine neue Form von Organisation handelt, dann muss es schließlich auch einen Auslöser dafür geben. Dieser Auslöser wird in den „Netzwerktheorien“ nun hauptsächlich in den „Bedingungen“ gesehen, unter denen die Organisationen operieren.

Der indirekte oder auch direkte Einfluss der Umwelt der Organisation auf die Strukturen oder Strukturbildung der Firmen ist daher auch eine Gemeinsamkeit der meisten Untersuchungen über Netzwerke[3]. Es geht um das Verhältnis der Organisation zum „Markt“, um Handelsbeziehungen von Zulieferern und Endproduzenten oder auch um den Einfluss von „Institutionen der Gesellschaft“ wie den Staat oder Behörden. Beispielsweise begreift die Kontingenztheorie Umwelt als ein Set von Anforderungen, die durch die turbulente Gesellschaft vorgegeben sind. Organisationen müssen sich nach dieser Ansicht auf diese Bedingungen einstellen, um erfolgreich sein zu können. Die Institutionenökonomie fragt dagegen nach Rahmenbedingungen, die je nach Art der „Transaktion“ vorherrschen müssen, damit „Vernetzung“ die wahrscheinlichste Form der Organisationsstruktur ist. Umgekehrt wird von Theorien des neuen Institutionalismus angemerkt, dass die Wahl der Organisationsstruktur nicht ein Problem der Passung sei, sondern vielmehr eine Adaption an kulturelle und institutionelle Begebenheiten, die genauso gut auch anders hätten ausfallen können. Es kommen damit gesellschaftliche Institutionen oder auch „die Kultur“ in den Blick der Analyse. Auch eine Rückwirkung wiederum auf die Gesellschaft durch das Verhalten der Akteure, ob nun als Mitarbeiter oder als Organisation begriffen, soll anhand dieser Analysen deutlich gemacht werden. Die Folgen des gesellschaftlichen Wandels zeigen sich nach diesen Annahmen dann letztlich darin, dass die Unternehmen zunehmend vernetzt strukturiert seien, was zum einen zu neuen Formen von Kooperation und Kollaboration führe. Zum anderen bringe dies aber auch neue Probleme mit sich. Die Grenzen der Organisationen scheinen sich zu verschieben oder, wie manche Autoren behaupten[4], sogar gänzlich aufzulösen. Neue Probleme in Bezug auf Machtverhältnisse und auch Koordinationsprobleme sind offenbar die Folge[5].

Doch was sagen diese Befunde tatsächlich über das Verhältnis der Organisationen zu ihrer Umwelt aus? Weil Unternehmen sich zunehmend „vernetzen“ oder sich als Netzwerk nach Innen und Außen hin geben, kann man deswegen von einem „Verschwimmen“ oder sogar von einer „Auflösung“ der Grenzen zwischen den Unternehmen und ihren Partnern sprechen? Oder ist es nicht vielmehr so, dass in einer Zeit, in der die Umwelt für die Organisationen immer turbulenter wird, die Grenzen der Organisation sogar wichtiger werden? Sind Flexibilität und Innovationskraft nur als „Errungenschaften“ der „neuen“ Form von Netzwerkorganisation zu betrachten? Oder sind flexible Strukturen sowie Wandel und Innovation nicht schon immer strukturelle Vor bedingungen für das Überleben von Organisationen gewesen?

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Antworten, die in den vorherrschenden „Netzwerktheorien“ auf die zum Beispiel in der Biotechnologie zu beobachtenden Phänomene der „Dynamik“ gegeben werden, grundsätzlich zu hinterfragen. Die Annahme, die in dieser Arbeit den Vorstellungen der „Netzwerktheorien“ gegenübergestellt werden soll, lautet, dass die Umwelt eine Konstruktion ist, die im System selbst produziert und reproduziert wird. Organisationen sollen hier als selbstreferentielle soziale Systeme verstanden werden, die in Eigenleistung eine Grenze zwischen sich und ihrer Umwelt ziehen.

Dass es nun persönliche Netzwerke zwischen Mitarbeitern verschiedener Organisationen oder auch Partnerschaften zwischen Organisationen und auch gesellschaftliche Kommunikationen gibt, die sich auf die Organisationen „auswirken“, ist damit nicht bestritten und soll hier gerade auch Gegenstand der Analyse sein. Das eigentliche theoretische Problem, das hier jedoch interessiert und das in der Literatur über Netzwerke bisher nicht adäquat beobachtet wurde, ist, wie die Organisationen selbst als Beobachter ihrer eigenen Umwelt zu verstehen und wiederum zu beobachten sind. Wie sind die Phänomene der Schnelllebigkeit und Flexibilität zu verstehen, wenn es sich dabei um Konstruktionen der Organisation selbst handelt?

Was also interessiert ist, wie sich Beziehungen zu anderen Organisationen aber auch Bezugnahmen auf Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, etc. in den Strukturen der Organisation selbst äußern.

Es wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass auch die „Dynamik“ wiederum in den Strukturen der Organisation selbst begründet liegt. Indem Strukturen „elastisch“ in Bezug auf ihre Umwelt konstruiert sind, kommt es zu Auswirkungen auf die Stabilität des Systems. In den „Grenzstellen“ von Organisationen kann man sehen, wie Aspekte der Umwelt schon seit jeher Eingang finden in die Organisationsstrukturen. „Die Umwelt“ wird nicht selbst tätig, sondern sie wird in den Grenzstellen konstruiert und reproduziert.

Diese Grenzstellen können so angelegt sein, dass sie nur dazu dienen, Informationen zu sammeln, die in den Strukturen der Organisation auch verarbeitet werden können. Dabei kann es sich um Kundendaten handeln, Bestellungen, Preislisten, etc. Je komplexer und „unvorhersehbarer“ jedoch die Aufgaben dieser Grenzstellen werden, desto „elastischer“ müssen diese auch konstruiert sein. Kontakte zu potentiellen Kunden werden zum Beispiel Personen und ihrem Netzwerk an Kontakten überlassen oder die Forschung an einem Produkt wird durch Experten in der F&E Abteilung bewerkstelligt. In den Grenzstellen werden damit komplexe Zusammenhänge der Umwelt für die Organisation verarbeitet und auf die Strukturen des Systems „umgemünzt“. Da die Organisation auf so viel Information jedoch nicht grundsätzlich eingestellt sein kann, entsteht damit ein Veränderungsdruck, der sich auf die Strukturen des Systems auswirkt. Wird zum Beispiel ein neuer Kontakt mit einem großen Partner hergestellt, so kann es zu einer Repriorisierung aller laufenden Projekte kommen, ebenso, wenn ein neuer Wirkstoff gefunden wurde, etc. Es ist dabei jedoch immer eine empirische Frage, inwiefern die Strukturen des Systems diesem Druck nachgeben, oder ihn ignorieren.[6]

Neben der veränderten theoretischen Grundposition ist nun vor allem auch interessant zu sehen, inwiefern diese theoretischen Annahmen in einer empirischen Untersuchung fruchtbar zu machen und zu plausibilisieren sind. Da in der Literatur Unternehmen mit einer besonderen „Dynamik“ insbesondere im biomedizinischen Bereich gesehen werden, sollen hier auch Fallanalysen in verschiedenen biotechnologischen und pharmakologischen Unternehmen durchgeführt werden. Dabei kommt ein systemtheoretisches Verständnis von Organisationsstruktur zum Einsatz, wodurch einerseits „dynamische“ Elemente, andererseits aber auch ausgleichende Funktionen beschrieben werden können. Von besonderem Interesse sind hierbei Grenzstellen von Organisationen aber auch das Verhältnis der Organisationen zu anderen Organisationen. Anhand dieser beiden Aspekte lässt sich jeweils das Verhältnis der Organisation zu Interaktionen der Umwelt, Organisationen der Umwelt und auch gesellschaftliche Kommunikationen der Umwelt beschreiben.

Anhand der Fallanalysen soll schließlich gezeigt werden, dass einerseits das Erzeugen von Unsicherheit und Veränderungsdruck als Folgen der je selbst konstituierten Strukturen der Organisationen in Bezug auf ihre Umwelt zu verstehen sind. Und andererseits soll damit deutlich werden, dass gerade im Verhältnis zu anderen Organisationen, Unternehmensgrenzen sich nicht auflösen, sondern im Gegenteil - gerade in einem „dynamischen“ Umfeld - verstärkt gezogen werden.

Es geht damit bei den Fallbeispielen in erster Linie um eine „Prüfung“ der hier formulierten theoretischen Begrifflichkeit an der Empirie. Durch die theoretische Bestimmung und praktische Anwendung der System / Umwelt Unterscheidung auf das Verhältnis der Organisationen zu ihrer Umwelt, kann diese Arbeit dazu beitragen, eine eindeutigere Begrifflichkeit in die „Netzwerkdebatte“ einzuführen.

Im ersten Teil der Arbeit soll nach einem Überblick über den Stand der Netzwerkforschung und die verschiedenen theoretischen Konzeptionen in der Netzwerkdebatte herausgearbeitet werden, welche Rolle das Verhältnis von System und Umwelt in der bisherigen Literatur einnimmt. Im Anschluss daran soll anhand eines systemtheoretischen Verständnisses der System / Umwelt Unterscheidung die Frage geklärt werden, inwiefern es sich bei „der Umwelt“ immer um eine interne Konstruktion des Systems handelt. Anhand dieser begrifflichen Umstellung lässt sich verdeutlichen, wie der „Einfluss“ der Umwelt auf das System verstanden werden muss.

Im dritten Teil dieser Arbeit wird die zentrale Fragestellung aufgegriffen und untersucht, wie die „Dynamik“ als Folge interner Strukturierungen der Umwelt zu verstehen ist. Für die empirische „Überprüfung“ dieses Verständnisses kommt die wiederum an die Systemtheorie angelehnte Begrifflichkeit von Entscheidungsprämissen zum Einsatz. Nach einer kurzen Beschreibung des methodischen Vorgehens werden anhand von qualitativ geführten Leitfadeninterviews drei Fälle von Grenzziehungen dargestellt. Die Ergebnisse werden abschließend zusammengefasst und diskutiert.

2. Zum Stand der Forschung in der „Netzwerkdebatte“

In den folgenden zwei Abschnitten dieser Arbeit steht die Unterscheidung von System und Umwelt im Mittelpunkt. Es wird danach gefragt, in welchem Verhältnis diese Organisationen zu anderen Organisationen und zum Gesellschaftssystem stehen. Bezogen auf die Forschung in diesem Bereich ist größtenteils die Literatur der „Netzwerkdebatte“ zu nennen. In Bezug auf „Netzwerke“ spiegeln sich Aspekte „interorganisationaler Beziehungen“ und des Einflusses (turbulenter) Umwelten wider.

In einem Überblick über die Netzwerkdebatte kann gezeigt werden, welche Ansätze und Forschungsrichtungen in diesem Bereich am häufigsten anzutreffen sind und in welche Segmente sich die Theorien aufteilen lassen. Im Anschluss daran werden die theoretischen Implikationen dieser Ansätze verdeutlicht und auf die Aussagen bezüglich des Verhältnisses von System und Umwelt hin untersucht und diskutiert.

2.1. Dimensionen der „Netzwerkforschung“

„Netzwerkforschung“ ist ein äußerst beliebtes Thema, was sich schon daran erkennen lässt, dass es neben der kaum zu überblickenden Literatur wiederum auch eine große Menge an Überblicksliteratur gibt[7].

Dabei konzentrieren sich die Ansätze zumeist auf bestimmte Aspekte. Zum Beispiel exzerpiert Oliver (1990) aus der Literatur über Netzwerke sechs „Formationen“ von Netzwerkbeziehungen, welche Einfluss haben auf die Art bzw. den „Typ“ von interorganisationaler Beziehung. Diese Formationen lassen dann auch Vorhersagen über die Bildung und Ausgestaltung von Netzwerken zu. Grandori und Soda (1995) recherchieren auf einer noch größeren Literaturbasis und finden drei spezifische Formen der Netzwerkbildung, zehn grundlegende Koordinationsmechanismen, welche Kooperationen etablieren und regulieren und eine noch größere Anzahl an „Formationen“ (Umweltbedingungen), welche diese Ausprägungen erklären.

Dagegen gibt es auch Überblicksliteratur, die theoretische Annahmen zusammenfassen will. Insbesondere Sydow (1992), Auster (1994), Powell und Smith-Doerr (1994) sowie Oliver und Ebers (1998) versuchen dabei Übereinstimmungen zu entdecken und Bereiche anzugeben, die, nach Meinung der Autoren, noch Verbesserungen erfahren könnten. Bei Windeler (2001) dient ein Überblick dazu, auf Grundlage verschiedener Theorien eine industriesoziologische Theorie der Netzwerke auf Basis der Giddensschen Strukturationstheorie zu entwickeln.

Auch für die „praktische Anwendung“, das Management von Netzwerkorganisationen, gibt es zusammenfassende Literatur wie zum Beispiel bei Sydow (1999). Hier wird der Aspekt des „Management von Netzwerken“ zum Suchraster für Literatur.

Dadurch, dass auch im Überblick immer eine bestimmte Herangehensweise oder Theorierichtung eine einschränkende Rolle übernimmt, ist es schwierig, einen „neutralen“ Eindruck über den Stand der Forschung zu bekommen. Andererseits deutet das auch darauf hin, dass es seit den ersten Fragen über Beziehungen zwischen Unternehmen[8] kaum zu einer Akkumulation von Wissen gekommen sein kann. Oliver und Ebers meinen sogar, es handle sich um „a rather messy situation marked by a cacophony of heterogeneous concepts, theories, and research results“ (Oliver / Ebers 1998: 549). Ähnliche Aussagen finden sich bei Powell / Smith-Doerr (1994) oder Nohria: „Anyone reading through what purports to be network literature will readily perceive the analogy between it and a ‘terminological jungle in which any newcomer may plant a tree’” (Nohria 1992: 3). Die Anzahl der Studien, die in irgendeiner Weise Beziehungen zwischen Organisationen oder „Akteuren“ behandeln ist unüberschaubar. Es stellt sich aber dennoch die Frage, ob sich damit auch zwangsläufig eine große Anzahl an Theorien mit entsprechend hohem Reflexionsgrad entwickelt haben.

In einer „networking network study“ untersuchen Oliver und Ebers (1998) statistisch das Feld der Netzwerkliteratur. Es wurden dabei 158 Artikel, die zwischen 1980 und 1996 in vier führenden Zeitschriften (American Sociological Review, Administrative Science Quarterly, Academy of Management Journal und Organization Studies) zum Thema Netzwerk erschienen sind, untersucht.[9] Die Frage ist gewesen, ob das Feld wirklich so uneinheitlich ist, wie die viele Überblicksliteratur suggeriert, oder ob die wissenschaftlichen Untersuchungen nicht letztlich auf ein paar zentrale „Kerntheorien“ rekurrieren. Oliver / Ebers suchen nach diesen Kerntheorien und zeigen Bezüge der jeweiligen Theorien zueinander auf. (Vgl. Oliver / Ebers 1998: 549).

Sie geben schließlich zwei generelle Befunde an: Zum einen erscheinen trotz des Einbezugs vieler Disziplinen und des an sich stark fragmentierten Felds tatsächlich nur einige wenige Konzepte und Theorien im Kern der wissenschaftlichen Bemühungen. Zum anderen seien auch diese wenigen Theorien und Ansätze nicht so weit voneinander entfernt und daher auch auf einander beziehbar (vgl. Oliver / Ebers 1998: 565).

Tabelle 1 zeigt die Häufigkeiten der in den Netzwerkuntersuchungen anzutreffenden Theorien. Zudem wird auch angegeben, welche methodischen Herangehensweisen (z.B. quantitativ oder qualitativ), welches Verständnis von Netzwerk (z.B. dyadische Beziehung oder multiple Beziehungen) sowie welche Ebene der Untersuchung (z.B. innerhalb von Organisationen oder branchenspezifisch) am häufigsten den Untersuchungen zugrunde lagen. Auch welche unabhängigen und abhängigen Variablen (Immaterielle oder materielle Ressourcen, Abhängigkeit und Netzwerkposition als Ursachen für Auswirkungen auf Macht/Kontrolle, Erfolg oder Verbreitung des Netzwerks) sowie die Häufigkeit von Prozessen wie Motivation und Intention, Selektion oder Lernen, die im Zusammenhang mit Netzwerken untersucht wurden, sind hier dargelegt.

Tabelle 1 Häufigkeiten von Netzwerktheorien und Perspektiven

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Oliver / Ebers (1998). Number (n) and Percentage (%) of Appearances of 77 Coded Variables in N = 158 Articles

Betrachtet man nun auch die Verbundenheit der jeweiligen Theorien mit anderen Theorien bzw. die Verbundenheit mit den untersuchten Variablen anderer Untersuchungen, so kann man nach Oliver und Ebers auf drei dominante Perspektiven schließen (vgl. Oliver / Ebers 1998: 565): Zum einen auf den „resource dependence“ - Ansatz[10], bei dem Strategien von Organisationen untersucht werden, welche durch Machtgewinn innerhalb eines Netzwerkes die eigene Abhängigkeit von Einflüssen der Umwelt zu reduzieren versuchen. Des Weiteren den Ansatz des „political power[11], bei dem der Fokus auf interorganisationale Beziehungen liegt, die den Einsatz von Macht bestärken oder abschwächen. Und zuletzt die „network approaches[12], in denen es insbesondere um die Positionierung von „Akteuren“ innerhalb ihres Netzwerks geht, den Inhalt der Beziehungen und welche Auswirkungen dies wiederum auf die Handlungschancen der Akteure hat. (Vgl. Oliver / Ebers 1998: 575).

Neben diesen stark miteinander verbundenen Ansätzen nennen Oliver und Ebers auch noch drei Theorien, die eine „Verbindungsrolle“ einnehmen könnten. Zum einen sei dies die „population ecology“ (Populationsökonomie)[13], die zeigt, wie Umweltbedingungen einerseits zum Aussterben bestimmter Formen von Organisation führen und andererseits wiederum Chancen für neue Formen von Organisation bereithalten (vgl. Oliver / Ebers 1998: 575). Weiterhin handle es sich um den „Transaktionskostenansatz“[14], der erklären möchte, weshalb bestimmte Transaktionen in bestimmten institutionellen Arrangements mehr oder weniger effizient abgewickelt oder organisiert werden. Und zuletzt wird hier nochmals der Ansatz des „resource dependence“ genannt, der häufig vermittelnd eingesetzt wird, aber im Gegensatz zu den erstgenannten Ansätzen auch eine eigenständige Perspektive einnehme. Die Populationsökonomie und der Transaktionskostenansatz werden hier mehr als Methode denn als eigenständige Theorie verstanden. (Vgl. Oliver / Ebers 1998: 566).

Insgesamt lässt sich nun folgendes Verständnis von Netzwerken aus den Untersuchungen von Oliver und Ebers als vorherrschendes paradigmatisches Muster ableiten: Interorganisationale Netzwerke werden als eine bewusste Antwort auf die Abhängigkeiten von Organisationen untereinander gesehen, wobei es das Ziel der jeweiligen Organisationen ist, Macht und Kontrolle über die am Netzwerk beteiligten Partner auszuüben, um damit auch den eigenen Erfolg zu steigern. Methodisch herrschen dabei empirisch-quantitative Arbeiten vor. Netzwerke werden im Hinblick auf Organisation zu Organisation - Beziehungen untersucht, wobei als Netzwerk gilt, wenn mehr als zwei Akteure zum Netzwerk zählen. Schließlich wird auch eher nach den Umweltbedingungen und der Form der Netzwerke gefragt, als nach den möglichen Konsequenzen, die sich aus den Zusammenschlüssen ergeben könnten.[15] (Vgl. Oliver / Ebers 1998: 565).

Alles in allem kann man bis hierher mit Oliver und Ebers angeben, welche Form von Forschung bezüglich Netzwerken am häufigsten betrieben wird. Es wird allerdings auch deutlich, dass die Untersuchung von Oliver und Ebers wiederum aus einem bestimmten Blickwinkel erfolgt. Es steht immer die Annahme im Hintergrund, dass die Häufigkeit eines verwendeten Ansatzes auch ein Indiz dafür ist, dass dieser Ansatz zum „richtigen“ Netzwerkbegriff führe. Doch wie Windeler kann man fragen: „Wofür steht die Anzahl der Nennungen? Ist sie Ausdruck von Moden im Wissenschaftsbetrieb oder, wie Oliver und Ebers schlussfolgern, von Tauglichkeit und Integrationskraft des Ansatzes?“ (Windeler 2001: 18). Oliver und Ebers fassen die in den Aufsätzen verwendeten theoretischen Perspektiven in vier Segmente (Forschungsrichtungen) zusammen. Das hilft im Folgenden auch dabei, einen Gesamtüberblick über die verwendeten Theorien in der „Netzwerkdebatte“ zu skizzieren. Allerdings ist daran zu erinnern, dass diese „Segmentierung“ von Oliver und Ebers sich sehr stark auf die Häufigkeiten von verwendeten Ansätzen und Theorien stützt und damit streng genommen noch nichts über die Erklärungskraft der jeweiligen Theorien ausgesagt sein muss.

2.2. Die dominanten Theorien

Wie in Tabelle 2 verdeutlicht, beschreiben Oliver und Ebers das Feld der Netzwerkliteratur aufgeteilt in die vier Segmente „social network“, „power and control“, „institutional“ und „institutional economics and strategy” („governance“ - Ansätze).

Tabelle 2 Die Segmentierung des Feldes der Netzwerktheorien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Oliver / Ebers (1998).

Es handelt sich dabei um thematische Überpunkte, in die sich die meisten Perspektiven (und damit auch die oben genannten häufigsten und auch weniger häufige Theorien) einordnen lassen. Auch andere Autoren folgen weitestgehend dieser Einteilung[16]. Wie erwähnt gehen Oliver und Ebers davon aus, dass die meisten Perspektiven in der Netzwerkdebatte konzeptionell nicht so weit voneinander entfernt sind. Insofern lassen sich die vier Themenbereiche auch als ein Kontinuum verstehen, wobei das erste Segment „social network“ den einen Pol und das vierte Segment „institutional economics and strategy“ den anderen Pol darstellt. (Vgl. Oliver / Ebers 1998: 568). Im Folgenden soll in Anlehnung an Oliver / Ebers (1998) ein Überblick über diese vier Segmente gegeben werden.

Social Network :

In den „social network“ - Ansätzen kommen vor allem formale Techniken zum Einsatz, die strukturelle Zusammenhänge von Netzwerken innerhalb und zwischen Organisationen sowie die Position von Organisationen innerhalb von Netzwerken verdeutlichen sollen. Auch sollen Einflüsse auf die Organisation und ihre Mitglieder erklärt werden (vgl. Oliver / Ebers 1998: 568). Literatur, die man hier einordnen kann, ist zum Beispiel Burt (1992a), Krackhardt (1990), Mizruchi (1994), Mizruchi / Galaskiewicz (1993), Wasserman / Faust (1993).

Grundsätzlich lassen sich hier Analysen der Verbundenheit von Akteuren und Positionsanalysen unterscheiden (vgl. Windeler 2001: 102). Bei der Verbundenheit interessieren Beziehungen zwischen Personen, die auf „sozialer Nähe“ beruhen, und auch welche Auswirkungen diese Kontakte haben. Beispielhaft hierfür steht vor allem Mark Granovetter, der Verbindungen dabei grundsätzlich als „positive and symmetric“ konzipiert (vgl. Granovetter 1973: 1361, Anm. 2).

In Bezug auf strukturelle Begebenheiten von Netzwerken werden zudem paarweise Interaktionen (Shrum 1990) oder auch Beziehungs-Sets untersucht (Roy / Bonacich 1988). Auch werden strukturelle Übereinstimmungen zwischen Netzwerkpartnern betrachtet, um den persönlichen Zusammenhalt zwischen Personen zu erklären (Galaskiewicz / Burt 1991). Andere Untersuchungen verfolgen die „Rekonstitution“ von Beziehungen zurück anhand spezifischer struktureller Merkmale der jeweiligen Netzwerkpartner (Brewster-Stearns / Mizruchi 1986; Palmer 1983). In Bezug auf interorganisationale Netzwerke werden hier schon Aspekte der Kontrolle betrachtet (zum Beispiel Boje / Whetten 1981; Davis 1991). (Vgl. Oliver / Ebers 1998: 568f.).

In Positionsanalysen wird anhand von vorhandenen, aber auch von fehlenden Beziehungen versucht, ein Muster des Netzwerks zu erzeugen. Dabei werden vor allem gleichartige Lagen, strukturelle Äquivalenzen und Ähnlichkeiten zwischen Akteuren betrachtet. Für diese Art der Untersuchung steht zum Beispiel die Arbeit von Pappi et al. (1987). Interorganisationale Netzwerke werden hier verstanden als aggregierte Verflechtungen von Kapitalbeziehungen, persönliche Beziehungen zwischen Mitarbeitern und Beziehungen auf der Vorstandsebene (vgl. Windeler 2001: 104). Gerade Burt (1992a), aber auch Powell (1996) und Powell et al. (1996; 1999) interessieren sich für Positionen von Organisationen innerhalb eines Netzwerkes und die Auswirkungen, die diese Positionen auf deren Inhaber haben.

Nach Oliver und Ebers entwickle sich in der Literatur jüngeren Datums allmählich ein eigenes Paradigma, das sich zunehmend von den „formalen“ strukturalistischen Studien distanziere. Trotzdem finde man aber noch immer Argumentationen darüber, dass dieser Bereich noch einiges an Forschung leisten müsse, um dann zu einer vollwertigen und austestbaren Theorie werden zu können. Dabei verweisen Oliver und Ebers auf Arbeiten von Slancik (1995), Stinchcombe (1990) und Mizruchi (1994). (Vgl. Oliver / Ebers 1998: 569).

„Power and Control “

Das zweite Segment in der Unterscheidung von Oliver und Ebers besteht aus den oben erwähnten „resource dependence“- und „political power“ - Ansätzen. Interorganisationale Beziehungen werden hier, wie zum Beispiel bei Håkonsson (1987) oder Clegg / Hardy (1996), als eine der bedeutsamsten Ressource für Unternehmen verstanden. Nach Windeler (2001) sei dies eine Einschätzung, die auch durch eine Vielzahl von Einzelstudien gestützt werde (vgl. Windeler 2001: 14). In den Studien, die Windeler anführt, werden zum einen Vorteile für Organisationen in Bezug auf das Lernen oder die Akquisition von Information und Wissen gesehen (Dore 1983; Powell 1990; Powell / Brantley 1992; Powell / Koput / Smith-Doerr 1996; Uzzi 1997; Powell et al. 1999). Weiterhin werden Möglichkeiten hervorgehoben, durch die Stärkung von Beziehungen in Netzwerken, externe Zwänge und Unsicherheiten zu vermeiden oder zu vermindern (Pfeffer / Salancik 1978). Mit Netzwerkbildung werden schließlich auch Wohlfahrtsgewinne assoziiert, womit Netzwerke auch zum Abbau von Ungleichheit in der Reichtumsverteilung beitragen würden (Perrow 1992).

Allgemein finden sich in diesem Bereich viele Studien, die ein über soziale Strukturen vermitteltes Verständnis von Konkurrenz entwickeln. Dabei spielen neben den personalen Beziehungen zwischen Mitgliedern von Unternehmen auch das Halten von Anteilen an Unternehmen sowie der Einfluss von Politik auf Unternehmen eine Rolle (White 1981; 1993; Burt 1982; 1992a; 1992b; 1993). Einige Untersuchungen betrachten zum Beispiel „interlocking directorates“ (verschachtelte Aufsichtsratsmandate) (Scott 1985; 1991; Stokman / Ziegler / Scott 1985; Pappi / Kappelhoff/ Melbeck 1987; Doreian 1995) um daran zu verdeutlichen, wie Manager versuchen, Abhängigkeiten von anderen Unternehmen und auch die damit einhergehende Unsicherheit der Kapitalverwertung zu begrenzen.

In Arbeiten von Freeman (1979), Cook et al (1983) und Burt (1992a; 1992b) steht „Macht in Netzwerken“ direkt im Zentrum der Beobachtung. Bei Freeman wird Macht gemessen an der „Zentralität“ der Position, die eine Person einnimmt. Je weniger eine Person beispielsweise abhängig ist von Informationen und je mehr andere Personen abhängig sind von der Informationsweitergabe dieser Person, über desto mehr Macht verfügt sie. Anders wird bei Cook argumentiert: Wichtiger als die Zentralität sei die Ausübung von Macht über Austauschbeziehungen, an denen man nicht direkt beteiligt ist. So kommen Cook et al. (1983) zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass ein Systemzulieferer über mehr „profitable Verbindungen“ und damit mehr Macht verfüge als der Endfertiger, dem man dies in diesem Zusammenhang eigentlich zugeschrieben hätte. Burt (1992a; 1992b) verallgemeinert die Aussagen von Cook noch weiter und liefert eine Erklärung für das Erzielen von Vorteilen unter Konkurrenzbedingungen. Im Zentrum steht dabei das Konzept der „structural holes“, die Burt als Lücke in der Struktur eines Gesamtnetzwerkes versteht und die durch „nicht-redundante“ Beziehungen geschlossen werden. Besteht zum Beispiel zwischen mehreren Systemzulieferern keine Verbindung, ein Endzulieferer ist aber mit jedem Systemzulieferer einzeln verbunden, so bestehen „structural holes“ zwischen den Systemzulieferern. Werden diese Löcher jedoch überbrückt, so können die Akteure die Rolle des „lachenden Dritten“ einnehmen. Das kann beispielsweise zur Folge haben, dass die Systemzulieferer sich gegenüber dem Endzulieferer gemeinsam absprechen, um den Preis für ihre Waren konstant zu halten.

„Institutionalism“:

Die Theorien im dritten Segment der Ansätze des „institutionalism“ beziehen sich nach Oliver und Ebers auf Aspekte der Positionierung von Akteuren einerseits und andererseits auch auf strukturelle Aspekte. Damit sind dann „vernetzte Akteure“ sowie die Form und der Inhalt ihrer Beziehungen innerhalb eines bestimmten institutionalisierten Kontexts gemeint. Als Beispiele nennen Oliver und Ebers hier Bradach / Eccles (1989), Ebers (1997), Gerlach (1992), Grabher (1993c), Grandori / Soda (1995), Håkonson / Snehota (1995), Jarillo (1993), Osborn / Baughn (1990), Powell (1990), Ring / Van de Ven (1992) und auch Whitley / Kristensen (1995). Das umfasst damit Aspekte, in denen interorganisationale Beziehungen etabliert, ausgehandelt, entworfen, koordiniert, überwacht, übernommen und schließlich auch beendet werden.

Es werden Auswirkungen der „institutionellen Umwelten“ und ihrer dominanten sozialen Institutionen, also die Charakteristika des „Settings“, in dem ein Netzwerk operiert, untersucht. Weitere Literatur in diesem Bereich möchte beispielsweise auch aufzeigen, wie bestimmte politische, rechtliche, kulturelle, industrielle oder regionale Umstände sich auf die Wahrscheinlichkeit der Bildung von Netzwerken und ihrer jeweiligen Formen auswirken (zum Beispiel Ebers / Jarillo 1998; Herrigel 1995; Lane / Bachmann (1996); Sabel (1989); Saxenian (1994); Scott 1987; Whitley 1993a; 1993b). Das institutionelle System spielt bei der Erklärung von Formation und Form von Netzwerken somit die entscheidende Rolle.

„Institutional economics and strategy“:

In diesem letzten Segment geht es insbesondere darum, wie Netzwerkbeziehungen etabliert und koordiniert werden können, so dass Akteure Zugang zu Ressourcen und deren bestmöglicher Nutzung erhalten. Die Annahme lautet, dass Organisationen einerseits durch Netzwerke ihre Abhängigkeit reduzieren und andererseits ihre kompetitive Position verbessern können. Diese Forschungen behandeln Charakteristiken von Ressourcen und konzeptualisieren häufig Netzwerkbeziehungen in Bezug auf einen organisationalen, vertraglichen oder eigentumsbezogenen Aspekt. Beispielsweise wird untersucht, wie vorhandene soziale Beziehungen zwischen Individuen Anstoß geben oder unterstützend wirken können bei der Entwicklung von formalen Geschäftsbeziehungen (Casson / Cox 1997; Galaskiewicz / Wassermann 1989; Granovetter 1994; Haunschild 1993; Herrigel 1995 und Larson 1992). Andere Arbeiten untersuchen, wie Interdependenzen zwischen den einzelnen Organisationen die Konstitution und Form der Netzwerke selbst beeinflussen (Alter / Hage 1993; Dyer 1996; Easton / Araujo 1997; Oliver 1990; Pisano 1989; Porter / Fuller 1986 und Teece 1992).

In diesem Bereich sind schließlich auch die Arbeiten der Transaktionskostenökonomie, wie die von Williamson (1975; 1990 [1985]) oder Picot / Reichwald / Wigand (1998) einzuordnen[17].

2.3. Die Weiterentwicklung der Netzwerktheorien

Wie oben erwähnt, handelt es sich bei der Untersuchung von Oliver und Ebers um eine rein quantitative Bestimmung der Netzwerktheorien. Das vorherrschende Paradigma, das sie für die vorhandene Literatur über Netzwerke diagnostizieren, gilt dabei in gewisser Weise auch für ihre eigenen Ergebnisse. Neben der Vorstellung von Netzwerken als „Antwort“ auf die durch andere Organisationen verursachten „turbulenten Umwelten“, zeigt sich dies eben auch in der methodischen Ausarbeitung. Die empirisch-quantitative Analyse der Literatur führt zu dem Ergebnis, dass neben der besseren Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen allein ein „Mehr- davon“ ausreiche, um eine Theorie der Netzwerke voranzubringen. Ein „neutraler“ Eindruck über den Stand der Forschung ist damit letztlich nur bedingt gewährleistet. Zudem ist damit noch nicht viel über die „Qualität“ der genannten Theorien ausgesagt.

In der weiteren Überblicksliteratur wird die Forschung über Netzwerke ebenso aus einem bestimmten Blickwindel betrachtet. Anders als bei Oliver und Ebers finden sich hier jedoch auch häufig Hinweise auf weiterentwickelte Perspektiven. Zwar spielt sich die Debatte im Großen und Ganzen innerhalb der von Oliver und Ebers festgestellten Pole des „social networks“ - und der „governance“ - Ansätze ab[18], doch wird hier immer darauf hingewiesen, dass zu der jeweiligen Perspektive die Prämissen überdacht werden müssen oder zu den Vorstellungen über Netzwerke noch etwas hinzugefügt werden müsse. Dabei handelt es sich um „Netzwerkliteratur“ im Bereich des „Managements“ von Netzwerken und im Bereich der Industrie- und Organisationssoziologie. Im Folgenden sei daher abschließend auch ein Überblick über die Literatur in diesen beiden Bereichen gegeben, da gerade hier der Wandel und Innovation eine erhebliche Rolle spielen.

„Management“ von Netzwerken :

Jörg Sydow stellt in einem Aufsatz über den Stand der Forschung des Netzwerkmanagements fest, dass „heute eine erhebliche Anzahl theoretischer Ansätze vor[liegt], die sich als außerordentlich fruchtbar für die Analyse der verschiedenen Aspekte der Evolution und des Managements dieser Organisationsform erwiesen haben“ (Sydow 1999: 301). Die Literatur, die sich für das Management von Netzwerkorganisationen interessiert[19], könne sich dabei auf eine Vielzahl von institutionenökonomischen Ansätzen sowie Ansätzen des „resource – dependence“, interaktionsorientierten Netzwerkansätzen bis hin zu neueren systemtheoretischen, evolutorischen, strukturationstheoretischen und komplexitätstheoretischen Analysen stützen (vgl. Sydow 1999: 302).

In der Betriebswirtschaft und der organisationssoziologischen Forschung finden sich allgemein seit den Arbeiten von Miles und Snow (1986) immer mehr Arbeiten, die den „Wandel“ ins Zentrum des Interesses rücken. Für die Bereiche der Organisationsforschung sind insbesondere Powell (1990), Nohria / Eccles (1992), Sydow (1992), Staber et al. (1996), Galbraith (1998), Gerum et al (1998), Picot / Reichwald / Wigand (1998) Osterloh / Weibel (2000) sowie Windeler (2001) zu nennen. In der betriebswirtschaftlich orientierten Marketingwissenschaft erfolgt die zunehmende Beachtung von „Netzwerkorganisationen“ zu einem Zeitpunkt, an dem Geschäftsbeziehungen (z.B. Backhaus / Plitz 1990, Kleinaltenkamp / Schubert 1994, Günter / Platzek 1994, Freiling 1995, Meyer 1995, Kleinaltenkamp / Plinke 1997, Backhaus 1997) und Fragen der Kundenintegration (Kleinaltenkamp 1997) zunehmend in den Vordergrund treten. In Bezug auf Fragen des Konsumgütermarketings werden weiterhin Netzwerkorganisationen bezüglich des strategischen Marketings (Meffert / Netzer 1997) vor allem im Zusammenhang mit Franchising[20] (Kloyer 1995, Stein 1996, Zofka 1996, Meurer 1997) und Hersteller-Händlerbeziehungen (Friedrich / Rodens 1996) untersucht. Insgesamt wird hier von einem „Paradigmenwechsel“ in Richtung eines Beziehungsmarketings gesprochen (Diller / Kusterer 1988), welcher auch für den Bereich der Logistik in der „flußorientierten Netzwerkperspektive“ (Klaus 1993, Delfmann 1998) mündet. Wie auch Sydow (1999) verdeutlicht, können zahlreiche andere Bereiche der BWL, wie Produktion, Controlling, Wirtschaftsinformatik, Entrepreneurship oder auch ökologisch orientierte Unternehmensführung, Innovationsmanagement, Dienstleistungsmanagement oder internationales Management als Forschungsbereiche aufgeführt werden, die diese „neue“ Netzwerkperspektive mit aufnehmen (vgl. Sydow 1999: 302).

Im Unterschied zu einer nur metaphorischen Verwendung des Netzwerkbegriffes, wird, heute zunehmend auch „der sozialen Einbettung ökonomischen Handelns Rechnung getragen“ (Sydow 1999: 304). Damit wird auf Granovetter (1985) Bezug genommen, der verdeutlicht hat, dass Akteure in Organisationen immer in einen sozialen Kontext eingebunden seien[21].

Bei weiteren Autoren, wie zum Beispiel Hirsch-Kreinsen (2002) oder Pohlmann et al. (1995), findet sich unabhängig davon auch die Forderung der „prozessualen Sichtweise“: Die vorherrschenden strukturellen bzw. institutionalistischen Perspektiven seien demnach „stets zu ergänzen (...) durch eine prozessorientierte Sicht, um der grundlegenden Bedeutung sozialer Interaktionen für die Genese und Funktionsfähigkeit von Netzwerken Rechnung zu tragen“ (Hirsch-Kreinsen 2002: 107).

Industrie- und Organisationssoziologie :

Parallel zu der 1986 international einsetzenden Diskussion um Unternehmensnetzwerke haben sich in Deutschland Forscher aus dem Göttinger Sozialforschungsinstitut (SOFI Göttingen) und dem Institut für Sozialforschung in München (ISF München) zusammengeschlossen, um mit der „systemischen Rationalisierung“ eine neue Sichtweise auf Rationalisierungsprozesse zu erarbeiten. (Vgl. Windeler 2001: 69).

Durch Baethge und Oberbeck (1986) wurde diese Diskussion etabliert, womit zugleich auch die Frage der zwischenbetrieblichen Vernetzung in die Industriesoziologie eingeführt wurde (vgl. Windeler 2001: 69). Marktantizipation und Marktsteuerung als eine Form von Rationalisierungsprozessen wird nach dieser Sichtweise vor allem durch den Einsatz von EDV erreicht. Eine Weiterentwicklung jenseits des informationstechnischen Aspekts erfährt die Theorie bei Bechtle (1994). Im weiteren Verlauf finden sich Studien von Sauer und Döhl (1994b; 1997), in denen der „Formwandel von Herrschaft“ die zentrale Konsequenz systemischer Rationalisierung darstellt. Dabei wird ähnlich wie bei den Arbeiten von Freeman (1979), Cook et al (1983) und Burtt (1992a; 1992b) von einem fokalen Unternehmen aus (zum Beispiel ein Endfertiger) auf den überbetrieblichen Zusammenhang einer Wertschöpfungskette geblickt, um zu zeigen, wie der Markt dem fokalen Unternehmen Anforderungen abverlangt, die es dann an die angeschlossenen Unternehmen weitergibt.

Einer Weiterentwicklung der gesamten „in die Krise geratenen“ Industriesoziologie verschreibt sich Windeler (2001). Seiner Ansicht nach eröffne der Einbezug von „Beziehungen zwischen individuellen oder kollektiven Akteuren“ auf der einen Seite und der „durch Interdependenzen zwischen Beziehungen gestiftete Beziehungszusammenhang“ (Windeler 2001: 19, Herv. im Original) auf der anderen Seite einen neuen Fokus auf Ökonomie und damit auch den Bedarf an „neuer“ Theorie[22]. Dafür kommt bei ihm die Theorie der Strukturation von Anthony Giddens zum Einsatz, in der zwischen Beziehung und Beziehungszusammenhang, zwischen Handlung und Struktur „vermittelt“ wird[23]. Neben einer prozessualen Sichtweise spielen wiederum Aspekte wie Macht und Herrschaft eine Rolle (vgl. Windeler 2001: 175).

Insgesamt lässt sich die Industrie und Organisationssoziologie damit thematisch vornehmlich in die ersten drei Segmente der Unterscheidung von Oliver und Ebers einteilen. In ihnen spielen neben den Rationalisierungsaspekten und Fragen über Macht und Herrschaft auch regionale Aspekte (Grabher 1994, Fischer / Gensior 1995, Eichhorn 1998), Fragen über personelle Verflechtungen zwischen Unternehmen (Ziegler 1984, Windolf 1995) und politisch-institutionelle Aspekte wie die Netzwerkartigkeit global bzw. transnational tätiger Unternehmen (Hirsch-Kreinsen 1998, Becker et al. 1999) eine Rolle. Das Feld erweitert sich jedoch zunehmend, da auch Problemlösungs- und Innovationsbedingungen (Zündorf 1994, Kowol / Krohn 1995, Rammert 1997, Verbund Sozialwissenschaftliche Technikforschung 1997, Kowol 1998, Wittke / Briken / Kurz 2004), Forschungen über internationale Logistiknetzwerke (Plehwe / Bohle 1998) sowie Ideen zur Verbesserung des Umweltschutzes durch Unternehmenskooperationen (Birke 1995) hinzukommen.

Neuerdings werden auch Thesen über eine „strukturelle Kopplung“ des Wissenschafts- und des Wirtschaftssystems diskutiert. Im Anschluss an Weingart (2001) kommen zum Beispiel bei Heinze (2005) vor allem Organisationen wie die Max-Planck Gesellschaft oder die Fraunhofer-Gesellschaft in den Fokus der Analyse. Insbesondere für letztere nimmt man dann an, dass sich die Organisation an zwei Funktionssystemen orientiere, der Wissenschaft und der Wirtschaft (vgl. Heinze 2005: 72).

Ähnliche Fragen bezüglich der „Verzahnung“ des Wirtschafts- und Wissenschaftssystems, insbesondere in Bezug auf den „Wissenstransfer“, finden sich auch bei neueren Arbeiten aus dem SOFI, die dies am Beispiel von Biotechnologieunternehmen illustrieren (Wittke 2004: 50ff.). Neben der Analyse auf der Ebene der Organisation wird hier die „institutionelle Dimension“ und damit der Einfluss des „Bildungs-, Forschungs-, Technologietransfer- und Finanzierungssystems, des spezifischen nationalen Koordinationsprofils und seiner Veränderungen benannt“ (Wittke 2004: 12f.).

3. Theoretische Implikationen der „Netzwerktheorien“

Den Ansätzen bezüglich des „Management“ von Netzwerken oder auch der Industriesoziologie ist gemein, dass es jeweils um die Weiterentwicklung theoretischer Konzepte geht. Zum einen wird darauf hingewiesen, dass der „institutionelle Kontext“ mit einbezogen und zum anderen, dass prozessuale Aspekte mit aufgenommen werden müssten. Doch was ist mit diesen Forderungen konkret gemeint? Letztlich entstammen sie einer theoretischen Debatte um das Verhältnis von Organisationen zu ihrer Umwelt. Die Umwelt, so die Annahme, ist durch „Turbulenzen“ gekennzeichnet, die vorwiegend durch andere Organisationen erzeugt werden. Solche Fragen der „Interorganisationsverhältnisse“ lassen sich bis auf die 1960er Jahre zurückverfolgen (vgl. Luhmann 2000: 407f.). Die von Oliver und Ebers angesprochene „Ähnlichkeit“ der Theorien in Bezug auf Netzwerke liegt sicher auch darin begründet, dass es sich theoriegeschichtlich in den meisten Perspektiven um die Abarbeitung dieser Problematik handelt.

Fragen über die Grenzziehung der Organisation schließen nun insofern an diese Debatte an, da geklärt sein muss, was mit „Grenzen“ gemeint ist und wie sie konzeptionell zu verstehen sind. Im Folgenden werden die kontingenztheoretische und institutionenökonomische Fragestellung des Einflusses der Umwelt und die sich darauf beziehende „neoinstitutionalistische“ Kritik nachvollzogen. Zum einen wird dabei deutlich, wie „die Umwelt“ und „die Gesellschaft“ als Konzepte an Bedeutung gewinnen, aber zugleich die Unterscheidung von System und Umwelt aufgelöst wird. Auch für die „Grenzen“ bedeutet dies, dass sie sich scheinbar in Auflösung befinden.

3.1. Kontingenztheoretische Ansätze

Ende der 1960er Jahre treten erste Fragestellungen in der Organisationstheorie auf, die das Verhältnis von Organisationen zu ihrer Umwelt thematisieren (vgl. Windeler 2001: 54, Anm. 33). Mit Bezug auf Parsons (1956, 1957) untersuchen Levin und White (1960) zum ersten Mal explizit Beziehungen zwischen Organisationen. Auf der Grundlage der allgemeinen Systemtheorie der 50er Jahre wird weiterhin von Katz und Kahn (1966) ein Konzept „offener Systeme“ entwickelt[24]. Man folgt hier der Einsicht, dass Organisationen ohne Austauschbeziehungen mit der Umwelt nicht überlebensfähig sein können. Vorstellungen über Organisationen als völlig autarke Einheiten werden damit in Frage gestellt. Die Organisationen erscheinen als gegenüber ihrer Umwelt offene, jedoch auch von ihrer Umwelt abhängige Systeme[25].

Weiterhin wird auch das Verhältnis von Energie und Information zwischen Umwelt und System als asymmetrisch konzipiert. Die Umwelt ist bedeutsam für den „Erhalt“ des Systems, da sie Energie und Information liefert, aber auch mehr davon bereit hält als das System. Sie ist komplexer als das System und die „Reduktion dieser Komplexität“ ist die vornehmliche Aufgabe des Systems. Die Reduktion von Komplexität als das „Verhalten“ der Organisation wird in diesem Verständnis als eine notwendige, rationale Reaktion auf die Umweltanforderungen konzipiert (vgl. Luhmann 2000: 31).

In dieser Zeit und in Bezugnahme auf Vorstellungen über offene Systeme entstehen auch die kontingenztheoretischen Ansätze[26]. Die Grundannahme der kontingenztheoretischen Sichtweise lautet, dass die formale Struktur von Organisation einen Einfluss auf die Effizienz habe. Dabei gebe es auch nicht nur die eine Form von Struktur, den „one best way“ (Taylor). Vielmehr müsse die Organisation ihre Strukturen an die jeweiligen Situationen anpassen, in denen sie operiert. Beispiele dafür formuliert Kieser (2002): „Große Organisationen müssen sich eine andere Struktur geben als kleine, Organisationen in dynamischen Umwelten eine andere als solche in statischen, Organisationen mit Werkstattfertigung eine andere als Organisationen mit Fließfertigung usw“ (Kieser 2002: 169).

Zu den ersten Arbeiten in diesem Bereich kann man die empirischen Untersuchungen von Woodward (1965, 1958) zählen. Anhand der empirischen Daten sollten fundierte Aussagen über die zu empfehlende Struktur getroffen werden können. In einer Untersuchung von hundert Fertigungsunternehmen in England bringt Woodward strukturelle Merkmale wie die Leitungsspannen[27], die Zahl der Hierarchieebenen, Relationen von Leitungsstellen zu ausführenden Stellen usw. zu der Art der Fertigungstechnik in Beziehung. Dabei stellt sie fest, dass Unternehmen mit Massenfertigung eine andere Struktur aufwiesen als Unternehmen mit Einzelfertigung. Die enorme Zahl von hundert befragten Unternehmen erklärt sich auch daraus, dass in dieser Zeit, bedingt durch die allmählich in die Gänge kommende Computerisierung, empirische Studien mit großer Fallzahl als der Königsweg gelten (vgl. Kieser 2002: 170).

Neben dem technischen Aspekt der Art der Fertigung spielen auch Variablen wie die Organisationsgröße eine Rolle. Bei Caplow (1956) oder auch Rushing (1966) wird zum Beispiel festgestellt, dass große Organisationen stärker bürokratisiert seien als kleine, dass sie über eine stärker ausgeprägte Form der Arbeitsteilung verfügen und mehr Wert auf Verfahrensrichtlinien und Verschriftlichung legen. In einer anderen Forschungsrichtung wird schließlich auch der Einfluss der Umwelt interessant:

Burns und Stalker (1961) vertreten die Ansicht, dass es unterschiedliche Umweltbedingungen gebe, für die auch unterschiedliche Formen der Organisationsstruktur die effizientesten seien. Dabei verwenden sie die Unterscheidung von „organischen“ und „mechanischen“ Strukturen, die jeweils auf „dynamische“ bzw. „statische“ Umwelten „passen“. Organische Strukturen passen nach dieser Ansicht deshalb auf dynamische (also sich ständig ändernde) Umwelten, da sie große Leitungsspannen, wenig Hierarchieebenen und wenig formale Regelungen aufweisen sowie die Entscheidungen nicht zentralisieren und fachliche Autorität und Unterschiede in der Qualifikationen nicht den Stellenwert aufweisen wie eben bei mechanischen Organisationen in statischen Umwelten.

Eine konzeptionelle Weiterentwicklung erfährt dieser Ansatz bei Pugh / Hickson (1976), Pugh / Hinings (1976) oder auch Pugh / Payne (1977). Das Ziel dieser Arbeiten ist neben der Verbesserung der empirischen Methoden auch die Dimension der Einflussfaktoren zu erweitern. Es geht um die Verbesserung der Maße zur Erfassung von Organisationsstruktur und die Erweiterung der Einflussfaktoren von nur einer Variable auf eine Betrachtung von gleichzeitig mehreren Situations- und Kontextvariablen (vgl. Kieser 2002: 171).

Die These der dynamischen und statischen Umwelten von Burns / Stalker (1961) greifen Lawrence und Lorsch (1969) nochmals auf. Sie argumentieren, dass eine Organisation nicht in einheitlicher Weise von der Umwelt geprägt wird, sondern dass innerhalb der Bereiche und Abteilungen durchaus sehr unterschiedlich auf die jeweiligen Umwelten reagiert wird. Verschiedene Bereiche können dabei mit unterschiedlichen Umwelten konfrontiert sein.

Das kontingenztheoretische Argument geht von der Abhängigkeit der Organisationen von ihrer Umwelt aus. Die Organisationen können dabei durchaus verschiedene Strukturen aufweisen, die dann – so die Annahme – auf die jeweiligen Umweltverhältnisse passen. Diesen Annahmen folgen letztlich auch die von der Anzahl und Verbundenheit her dominierenden Arbeiten der Netzwerkliteratur, sei es der „resource dependence“ - Ansatz, der „political power“ - Ansatz oder auch die „network approaches[28]. Sie argumentieren kontingenztheoretisch, wenn sie zum einen die Abhängigkeit von der Umwelt und zum anderen die „Vorteile“ von Netzwerken als bessere Organisationsstruktur in Zeiten von „turbulenten Umwelten“ herausstellen.

Gerade auch im Bereich der „strategischen“ Literatur zum Management von Netzwerken finden sich klare kontingenztheoretische Annahmen. So greifen Miles und Snow (1986; 1992) die Unterscheidung zwischen dynamischen und stabilen Umwelten von Burns und Stalker (1961) - nun in Bezug auf Netzwerke - wieder auf. In „stabilen Industrien“, die geordnete Geschäftsbeziehungen aufweisen und in „berechenbaren“ Märkten mit hohen Kapitalinvestitionen agieren, herrschen dann auch stabile Unternehmensnetzwerke vor. Gemeint sind dabei Netzwerke von Unternehmen, in denen ein großes fokales Unternehmen die Beziehungen reguliert, so wie das zum Beispiel bei Automobilherstellern und ihren Zulieferunternehmen anzunehmen sei. Bei dynamischen Industrien sind dagegen Branchen wie Mode, Spielzeug, Publishing, Fernsehen, Hard- und Software und auch die Biotechnologie gemeint. Hier handelt es sich um ein turbulentes technisch-ökonomisches Umfeld mit komplexen, schnelllebigen und beständig sich ändernden Wettbewerbsbedingungen.

In der weiterführenden Diskussionn um die strategische Koordinierung von „Unternehmungsnetzwerken“ wird zum Beispiel bei Windeler (2001) nicht bezweifelt, dass es stabile und dynamische Netzwerke „gebe“. Doch wird das kontingenztheoretische „Fit“-Problem unter dem Hinweis zurückgewiesen, dass eine Erklärung der netzwerkartigen Strukturierung von Organisationsbeziehungen der Aufnahme weiterer Aspekte wie der Aktivitäten von Akteuren bedürfe (vgl. Windeler 2001: 57). Ob eine kontingenztheoretische Argumentation damit tatsächlich umgangen wird, ist jedoch fraglich. Im Gegensatz zu den strukturalistischen Annahmen in der Kontingenztheorie wird in den im Folgenden dargestellten Institutionenökonomischen Ansätzen gerade auch ein „Akteurskonzept“ verwendet.

3.2. Institutionenökonomische Ansätze

In der Institutionenökonomie wird anders als in den meisten Organisationstheorien explizit auf die Unterscheidung von System und Umwelt verzichtet. Vielmehr werden Organisationen und ihre Umweltbeziehungen als eine Ansammlung von Vertragsverhältnissen verstanden, die das ökonomische Handeln von (juristischen) Personen regeln (vgl. Ebers / Gotsch 2002: 210). Damit wird ein „methodologischer Individualismus“ vertreten, der sich für wirtschaftliche Austauschprozesse aus der Sicht „individueller Akteure“ interessiert. Auch „soziale Gebilde“ wie Unternehmen oder der Staat werden aus der Perspektive des einzelnen Individuums und seiner Entscheidungen untersucht und erklärt (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 38). Das Verhalten von Organisationen wird dementsprechend auf das von Akteuren (Manager, Eigentümer) zurückgerechnet[29]. Dem ökonomisch handelnden Akteur wird dabei unterstellt, dass er nur begrenzt rational sei, da er nur begrenzt Informationen aufnehmen und verarbeiten könne. Das Verhalten sei weiterhin geprägt von Opportunismus und der Maximierung des individuellen Nutzens[30]. Diese Grundannahmen gelten als Erklärungsschema für die meisten Arbeiten innerhalb dieses Ansatzes (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 37f.).

3.2.1. Grundannahmen der Instiutionenökonomie

Das Hauptaugenmerk liegt damit auf dem handelnden Akteur. Die (Um-)Welt wird als mehr oder weniger gegeben vorausgesetzt. Die Situation, in der sich der (ökonomisch handelnde) Mensch in dieser Sichtweise befinde, wird durch „Ressourcenknappheit“ bestimmt, die der persönlichen Bedürfnisbefriedigung gegenübersteht[31]. Die „Ressourcenknappheit“ impliziert auch die Tatsache, dass der Großteil an Gütern in einem arbeitsteiligen Kombinationsprozess erzeugt werden müsse, was somit Tauschprozesse erfordere. Informationen und Wissen bezüglich des Tauschprozesses seien aber aufgrund der begrenzten Aufnahmefähigkeit von Akteuren immer in unterschiedlicher Weise vorhanden. Akteure können bei anderen Akteuren daher Informationslücken entdecken und diese ausnutzen. Dieses Ungleichgewicht an Information sei schließlich als Ausgangspunkt und Motivation für das ökonomische Handeln schlechthin zu sehen. Das anonyme Treiben zwischen Angebot und Nachfrage stelle so die Prinzipien des „Marktprozesses“[32] dar. (Vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 26).

Die Koordination von Teilleistungen für den Tauschprozess sei eine Aufgabe, die wiederum auch Ressourcen benötige. Neben den Kosten, die für die Produktion eines bestimmten Guts anfallen, treten auch Kosten auf, die das Beschaffen von Information und die Kommunikation bezüglich des Austauschs betreffen: Diese Kosten werden als Transaktionskosten bezeichnet. Es wird nach dieser Vorstellung angenommen, dass die Hälfte aller ökonomischen Handlungen auf diese Transaktionskosten und somit auf Informationsbeschaffung und Kommunikationsvorgänge entfallen[33] (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 26).

3.2.2. Die Rolle von Institutionen

Den theoretischen Bezugspunkt des Ansatzes bildet nun die Analyse von „Institutionen“. Hiermit sind Verfügungsrechte, Verträge, Hierarchien, Märkte oder auch Einflussgrößen wie Sprache und Geld gemeint (vgl. Ebers / Gotsch 2002: 199, Picot / Reichwald / Wigand 1998: 35). Sie fungieren „als erwartungsstabilisierende Mechanismen, die die Koordination arbeitsteiliger Leistungserstellung erleichtern“ (Picot / Reichwald / Wigand 1998: 35). Nach diesem Verständnis entstehen Institutionen somit überall dort, wo die beteiligten Akteure durch die Beachtung der Regeln zu einem für alle höherem Nutzenniveau gelangen, als bei einem nicht durch Institutionen koordiniertem Verhalten[34]. Es interessiert dann weiterhin, welche Institutionen bei welchen Arten von Koordinationsproblemen des ökonomischen Austauschs am wenigsten Kosten verursachen und dabei die größte Effizienz zur Folge haben (vgl. Ebers / Gotsch 2002: 199). Umgekehrt wird aber auch gefragt, wie sich Kosten und Effizienz auf die Gestaltung und den Wandel von Institutionen auswirken[35].

Eine einheitliche Theorie der Organisation liegt dem Ansatz nicht zu Grunde. Nach Ebers / Gotsch (2002) repräsentieren dennoch drei Ansätze die Programmatik der Institutionenökonomie[36]. Dabei handle es sich um die Theorie der Verfügungsrechte („Property Rights Theory“), die Agenturtheorie („Agency Theory“) und die Transaktionskostentheorie („Transaction Cost Economics“)[37] (vgl. Ebers / Gotsch 2002: 199). Alle Ansätze ergänzen und beziehen sich teilweise aufeinander. Zudem sei allen Ansätzen die Vorstellung über das menschliche Verhalten als opportunistisch, den Nutzen maximierend und begrenzt rational gemein (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 38). Auf den Transaktionskostenansatz soll im Folgenden etwas näher eingegangen werden, da sich hier die meisten Arbeiten bezüglich der Netzwerkdebatte finden lassen.

3.2.3. Der Transaktionskostenansatz

Grundlegende Arbeiten bezüglich der Transaktionskostentheorie finden sich schon bei Coase (1937) aber vor allem bei Williamson (1975; 1985). Mit einer Transaktion ist hierbei die Übertragung von Verfügungsrechten gemeint. Um eine Transaktion zu tätigen müsse man Informationen austauschen und Kommunikationsleistungen erbringen. Die Anbahnung, Vereinbarung, Abwicklung, Kontrolle und Anpassung eines Leistungsaustausches könne man so als angefallene Kosten bezeichnen. Die Höhe dieser „Transaktionskosten“ hänge dann auch von Verhaltensmerkmalen der „ökonomischen Akteure“, der zu erbringenden Leistungen sowie von den gewählten Einbindungs- bzw. Organisationsformen ab (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 41).

Mit den Einbindungsformen sind institutionelle Rahmenbedingungen und vor allem Vertragsverhältnisse gemeint. Es wird dabei eben nicht zwischen Organisation und Umwelt unterschieden, sondern es werden individuelle Akteure betrachtet, die in einem spezifischen Vertragsverhältnis stehen, egal ob die jeweilige Transaktion dann innerhalb eines Unternehmens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder auf dem „Markt“ zwischen Käufer und Verkäufer stattfindet. Entscheidend sei letztlich nur, welche Vertragsform gewählt wurde. Picot / Reichwald / Wigand (1998) unterscheiden hier mit Bezug auf Williamson zwischen klassischen, neoklassischen und relationalen Verträgen (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 51f.). Diese drei Vertragsformen sind für das weitere Verständnis maßgebend und sollen daher kurz dargestellt werden.

Klassische Verträge:

Klassische Verträge zeichnen sich durch ein zeitliches Zusammenfallen von Leistung und Gegenleistung aus, wenn sich im Moment des Vertragsabschlusses eindeutig vertraglich festlegen und vorhersehen lässt, in welcher Art und Weise der Vertrag vollzogen wird. Dazu bedarf es dann jedoch der Berücksichtigung aller möglichen Einflussfaktoren, die auftreten könnten. Die Komplexität der Transaktion darf damit nicht zu hoch sein. Es handle sich somit zumeist um Standardgüter, die für einen kurzfristigen Leistungsaustausch zwischen anonymen Vertragspartnern, zum Beispiel im Supermarkt, ausgetauscht werden. Treten hierbei Unstimmigkeiten auf, so können rechtliche Schritte eingeleitet werden. (Vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 51).

Neoklassische Verträge:

Das neoklassische Vertragsverhältnis ist, anders als das traditionelle Verständnis von Verträgen, auf einen bestimmten Zeitraum bezogen. Auch wenn der Vertrag zwar grundsätzlich begrenzt ist, so gilt er doch für einen längeren Zeitraum. Aufgrund der größeren Komplexität würden solche Verträge häufig unvollständig bleiben. Sie seien bestimmt durch Sicherheitsklauseln und Regelungen, die einen Schlichter vorsehen. Als Beispiele werden hier Beschaffungsverträge mit Lieferanten, Mietverträge aber auch – und insbesondere das macht die Theorie interessant für die Netzwerkdebatte – Kooperationen zwischen Unternehmen gesehen. (Vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 52).

Relationale Verträge:

Relationale Verträge unterscheiden sich von den anderen Formen insbesondere dadurch, dass aufgrund der Komplexität und der Dauer des Vertragsverhältnisses exakt fixierte Vereinbarungen über die Leistungserbringung zumeist völlig fehlen. An deren Stelle treten „implizite, auf einer gemeinsamen Vertrauensbasis beruhende Vereinbarungen“ (Picot / Reichwald / Wigand 1998: 52). Diese Art von Verträgen finde man zumeist in Arbeitsverhältnissen oder in sehr engen Kooperationsverhältnissen zwischen Betrieben. Eine Einschaltung von Schlichtern oder Gerichten wird als wenig hilfreich angesehen und aufgrund der hohen „Spezifität“[38] der Leistungserbringung auch als schwierig erachtet. (Vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 52).

Diese drei Vertragsverhältnisse spiegeln die unterschiedlichen institutionellen Arrangements wider, die sich zwischen den „Koordinationsformen“ des Marktes (klassische Verträge), den hybriden Zwischenformen (neoklassiche Verträge) und der Hierarchie (relationale Verträge) abspielen.

Welche Koordinationsform nun für welche Leistungserbringung im Sinne der Produktions- und Transaktionskosten die effizienteste ist, ist dann genauer das Thema der Transaktionskostentheorie. Eine der Hauptanwendungsgebiete ergibt sich bei der Frage, ob bestimmte Leistungen für die Produktion eines Gutes im Rahmen eines Unternehmens selbst übernommen oder ob diese Leistungen auf dem Markt „eingekauft“ werden sollten („make or buy“ - Entscheidung).

Die Haupteinflussgröße bezüglich der Transaktionskosten bilde dabei die „Spezifität“ der zu erbringenden Leistung oder des zu erstellenden Produkts (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 43). Mit einem hohen Spezifitätsgrad ist gemeint, dass es einen hohen Wertverlust bedeuten würde, wenn die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Ressourcen nicht der Aufgabe, sondern dem nächstbesten Verwendungszweck zugeführt werden würden. Ein hoher Spezifitätsgrad ergebe sich somit bei der Erstellung von Produkten, die viel Know-How, Investitionen oder besondere Geheimhaltungs- und Sicherungsbedürfnisse erfordern. Dabei spielen auch weitere Einflussfaktoren eine Rolle, wie „die Unsicherheit als Umweltfaktor“ oder die „Informationsverkeilung“, womit das Ausmaß an Abhängigkeit, im Sinne einer asymmetrischen Informationsverteilung eines Akteurs gegenüber dem anderen gemeint ist (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 43).

Diese Transaktionskostenprobleme treten immer nur dann auf, wenn „opportunistisch handelnde, mit begrenzter Rationalität ausgestattete Wirtschaftssubjekte spezifische und mit Unsicherheit behaftete Transaktionsbeziehungen eingehen und es dabei zu einer Informationsverkeilung, d.h. der asymmetrischen Verteilung von Information und Wissen zwischen den Transaktionspartnern kommt“ (Picot / Reichwald / Wigand 1998: 42). Als Ergebnis lasse sich dann anführen, dass für Leistungen geringer Spezifität Märkte, für Leistungen mit einem hohen Spezifitätsgrad dagegen hierarchische Koordinationsformen als die effizientesten angesehen werden könnten. Für Aufgaben, die sich im mittleren Bereich abspielen, würden „Zwischenformen“ in Betracht kommen wie „Unternehmenskooperationen, strategische Allianzen, Joint Ventures, Franchisingsysteme, Linzenzvergaben an Dritte, dynamische Netzwerke sowie langfristige Abnahme- und Belieferungsverträge“ (Picot / Reichwald / Wigand 1998: 45). Bei Netzwerken handle es sich somit um Koordinationsmechanismen, die aufgrund ihres mittleren Spezifitätsgrades zwischen den Koordinationsformen des Marktes und der Hierarchie anzusiedeln seien[39].

Die theoretischen Implikationen der Insitutionenökonomie seien hier noch einmal zusammengefasst: In der gesamten Institutionenökonomie und damit auch in der Transaktionskostentheorie werden Organisationen als Akteure konzipiert. Diese Akteure seien in ihrer Rationalität begrenzt und treffen in Bezug auf ökonomisches Handeln ihre Entscheidungen nach Maßgaben ihres eigenen Nutzens und scheuen dabei auch nicht vor Arglist und Betrug zurück. In einem „perfekten“ Markt, in dem Informationen für alle zugänglich sind, reguliere sich das opportunistische Verhalten jedoch, da ein Transaktionspartner bei Missfallen einfach zu einem anderen Partner wechseln könne. Je nach Spezifität einer Transaktion würden jedoch Kosten auftreten, die eine Regulierung auf dem „Markt“ als zu kostspielig erscheinen lassen. Für diesen Zweck hätten sich verschiedene Formen von Institutionen etabliert, die das opportunistische Verhalten unterdrücken, indem alle Beteiligten den Nutzen der Konvention anerkennen.

In der Kontingenztheorie spielen vor allem strukturelle Lösungen eine Rolle, die das situative Verhältnis von Input und Output betreffen. Es wird danach gefragt, in welcher Situation, welche Form von Struktur die richtige sei, um die Umweltkomplexität (effizient) zu reduzieren. In der Institutionenökonomie ist dagegen die Umwelt als gegeben vorausgesetzt, wobei lediglich der Staat einen Rechtsrahmen für verbindliche Verträge garantiert. Strukturen werden hier als statische Rahmenbedingungen (Institutionen) verstanden, auf die man sich einigen könne und die dann das Handeln leiten. Es geht dann nur noch um die Frage, für welche Art von Handlung welcher Vertrag der effizienteste ist.

3.3. Die neoinstitutionalistische Kritik an der Institutionenökonomie und der Kontingenztheorie

Das Fit-Problem auf der einen und das „atomistische“ Verständnis von Akteuren mit der „zu optimistischen“ Vorstellung über das Ordnungspotential von Institutionen auf der anderen Seite, sind im Folgenden zentrale Kritikpunkte der „neuen Institutionentheorie“. Der zuletzt genannte Aspekt betrifft vor allem die Transaktionskostentheorie, wie sie durch Williamson vertreten wird und spiegelt sich hauptsächlich in einer Arbeit von Granovetter (1985) wider. Im nächsten Abschnitt erfolgt somit zunächst eine Rezeption dieser Kritik. In den darauf folgenden beiden Abschnitt wird weiterhin eine Kritik des neuen Institutionalismus an der Vorstellung des Kontinuums zwischen Markt und Hierarchie und schließlich auch an der Kontingenztheorie dargestellt. Zuletzt wird auch auf das Verständnis von „Netzwerken“ und dem Verhältnis von Organisation und Umwelt im neuen Institutionalismus selbst eingegangen.

3.3.1. Das Problem der „sozialen Einbettung“

1985 erscheint ein bis heute einflussreicher Artikel von Mark Granovetter zum Problem der „Einbettung“ (embeddedness). Er argumentiert darin, dass soziale Beziehungen zwischen Akteuren im ökonomischen Handeln nicht nur eine periphere oder störende, sondern im Gegenteil eine zentrale Rolle einnehmen würden. Granovetter kritisiert in diesem Zusammenhang auch an der Soziologie, dass sie den ökonomischen Annahmen bis zu diesem Zeitpunkt zu sehr gefolgt sei und den „Marktprozess“ nicht als eine soziale, sondern als eine ökonomische Begebenheit angesehen hätte. Damit sei sie vor dem Thema unnötigerweise zurückgeschreckt (vgl. Granovetter 1985: 505). Anhand der Kritik der Institutionenökonomie will Granovetter dabei deutlich machen, wie eine soziologische Form der Analyse ökonomischen Verhaltens aussehen kann. Dabei stellt er die Frage neu, welche Transaktionen im Hinblick auf die Transaktionskosten effizienter am Markt und welche effizienter in der Hierarchie vollzogen werden sollten. Gerade damit will er den Bedarf des Einbezugs sozialer Aspekte verdeutlichen (vgl. Granovetter 1985: 505).

Die „über-“ und „untersozialen“ Vorstellungen von ökonomischen Transaktionen:

Ausgangspunkt für seine Analyse ist die nach seiner Ansicht zu starke „Über-“ bzw. „Untersozialisierung“ („over- and undersocialized conceptions“) in den Theorien über ökonomisches Verhalten (Granovetter 1985: 483). „Übersozial“ ist das theoretische Verständnis, wenn soziale Regelungen wie Normen oder Werte zu restriktiv als handlungsleitend verstanden werden. Der Mensch wird dabei als übersensibel gegenüber der Meinung anderer und dem Diktat der (im Konsens erzeugten) Normen unterworfen dargestellt. Dadurch, dass die Normen und Werte „internalisiert“ werden, erfahren sie diese zudem nicht als Bürde, sondern als selbstverständlich und handeln automatisch nach ihnen. Nach Granovetter ist diese Form der Soziologie vor allem auf Talcott Parsons zurückzuführen. Parsons habe bei der durch Thomas Hobbes aufgeworfenen Frage nach dem Ursprung sozialer Ordnung von einem Verständnis, in dem soziale Aspekte keine Rolle spielen, umgeschwenkt auf ein Verständnis, das nur soziale Aspekte, also nur die Kultur, nur die Normen und nur soziale Rollen als Ordnungsmechanismen betone. (Vgl. Granovetter 1985: 483).

Auf Hobbes bezieht sich schließlich dann auch die Kritik Granovetters an den „untersozial“ konstruierten Theorien. In einem ursprünglichen „state of nature“, in dem keinerlei Regelungen vorherrschen, komme es Hobbes zufolge nur deswegen zu Unordnung, weil Menschen ihren Nutzen maximieren wollen und sich nicht „mit dem zufrieden geben“, was sie haben. Konfliktfreies Handeln basiere aber auf Vertrauen und der Tatsache, dass nicht betrogen wird. Dass das Handeln konfliktfrei bleibe, sei dann jedoch unwahrscheinlich. Die Lösung bei Hobbes sei dann der Staat, der die Macht innehat und durch seine Regelungen, die alle gleichermaßen betreffen, das Allgemeinwohl garantiert. In der ökonomischen Literatur, so Granovetter weiter, sei der Ausgangspunkt für den „Markt“ eben dieser „state of nature“, nur dass dieser sich selbst reguliere. Wird man von einem Marktteilnehmer enttäuscht, so geht man zu einem anderen, der nach „Marktregeln“ handelt. Nach Granovetter würde der Staat im insitutionenökonomischen Verständnis auch nur störend auf den „reinen“ Marktprozess einwirken. (Vgl. Granovetter 1985: 483).

An diesem Verständnis ökonomischen Handelns kritisiert Granovetter nun die Tatsache, dass soziale Aspekte schon in den Grundannahmen ausgeblendet würden. Der Einfluss sozialer Beziehungen auf Produktion, Distribution oder Konsum werde dadurch völlig vernachlässigt. So wie sich der Staat auch nur in den Marktprozess „einmischen“ könne, so würden in der ökonomischen Theorie auch soziale Aspekte wie Arglist oder Misstrauen immer nur in Form von Störungen auftreten. Adam Smith spreche in diesem Zusammenhang sogar von „konspirativen“ Beziehungen, die den natürlichen Fluss des Marktes stören und ein Ungleichgewicht schaffen. (Vgl. Granovetter 1985: 484).

In diesem klassischen Konzept des Marktes treffe also ein gleichsam „atomisierter“ Mensch, der frei ist von sozialen Beziehungen und seiner sozialen Umgebung, auf den Anderen. Dass dies unterkomplex sei, habe die ökonomische Theorie recht schnell erkannt und daher versucht, unter Einbezug sozialer Normen das Konzept anzupassen. Dabei komme es, wie Granovetter es nennt, zu einem „ironic merger“ von „unter-“ und „übersozialen“ Vorstellungen (vgl. Granovetter 1985: 484). Im Utilitarismus Hobbes’scher Prägung sei offen gelassen, was die Quelle der Handlungsvorgaben für die Menschen letztlich ist. Es sei damit Raum geblieben für konsensuell erzeugte Normen, welche als handlungsanleitend verstanden wurden. In der neuen Institutionenökonomie würden dann schließlich die „Institutionen“ genau diese Funktion übernehmen. Doch der Ausgangspunkt, aus dem heraus sich erklären lasse, weshalb Institutionen notwendig werden, sei der gleiche geblieben. Soziales trete als Störung auf. Opportunismus und ungenügende Rationalität seien noch immer der Grund, weshalb sich Menschen mit Institutionen, wie zum Beispiel Arbeitsverträgen in Unternehmen oder Kooperationsverträgen zwischen Unternehmen abhelfen müssen. Mit dem Unterton der strukturfunktionalistischen Soziologie der 1960er Jahre (Parsons) werde danach gefragt, welche Institutionen für welche Form der Transaktion die effizientesten sind. Die sozialen Strukturen, die vormals keine Rolle gespielt hatten, würden nun dazu dienen, opportunistisches Verhalten zu verhindern, womit zwar kein Vertrauen, aber ein funktionales Äquivalent zu Vertrauen geschaffen würde. Nur der Markt, der sich selbst reguliert und in dem soziale Begebenheiten keine Rolle spielen, bleibt davon unberührt. (Vgl. Granovetter 1985: 489).

[...]


[1] Zum Beispiel Powell / Brantley (1992), Powell / Smith-Doerr (1994), Powell (1996), Powell et al. (1996) und Powell et al. (1999).

[2] Es gibt Forschungen über Netzwerke in zahlreichen Bereichen, wie der Bauindustrie (z.B.: Eccles 1981; Ebers et al 2000), Automobilindustrie (Helper 1991; Sabel / Kern / Herrigel 1991; Sauer / Döhl 1994a, 1994b; Köhler 2000), Elektronikindustrie (Saxenian 1990, Voskamp / Wittke 1994), Bekleidungsindustrie (Uzzi 1996; 1997), Unterhaltungsindustrie (Faulkner / Anderson 1987; Jones 1996; Starkey / Barnatt 1997; Windeler / Lutz / Wirth 2000; Sydow / Windeler 2004) und Finanzdienstleistung (Buono / Hachey 1993; Podolny 1993). Neben den Branchen sind aber auch Untersuchungen über bestimmte Typen von Netzwerken anzutreffen wie Franchisingnetzwerke (Felstead 1993; Sydow / Kloyer 1995; Wirth 1999a), Logistiknetzwerke (Kleer 1995; Stahl 1995; Plehwe 1998; Wirth 1999b), Netzwerke zwischen Handelsunternehmen wie Marks&Spencer (Richardson 1972; Braham 1985), Benetton (Jarillo 1993; Sauer 1999) oder Produzenten wie Nike und Reebok (Tully 1993). Und auch Forschungen über Kooperationen zwischen Industrie und Handel (Laurent 1996; Bieber 1997; Heidling 1997) und regionalen Netzwerken, bzw. industriellen Distrikten (Piore / Sabel 1985 [1984]; Amin / Thrift 1992; 1994; Grabher 1993b; Pyke 1994; Saxenian 1994; Heinze et al. 1995; 1998; OECD 1996; Braczyk / Cooke / Heidenreich 1997; Wegge 1999) sowie virtuelle Unternehmungen (Mertens 1994; Wellmann et al. 1996; Krystek / Redel / Reppegather 1997; Sieber 1998; Kortzfleisch 1999; Klein 1994; Klein / Werthner 2000; Sydow / Windeler 2000). Vergleiche auch Windeler 2001: 13 Anmerkung 1.

[3] Vgl. oben Kap. 2

[4] Z.B. Picot / Reichwald / Wigand (1996).

[5] So z.B. Windeler (2001).

[6] Tacke (1997) sieht darin einen grundlegenden Trend in den entsprechenden Bereichen. Grenzstellen seien demnach heute nicht nur dazu da, einen eher technischen Prozess des Austausches zu bedienen, bei dem hauptsächlich darauf geachtet werde, dass der „Kern“ der Organisation von der Umwelt unberührt bleibt. Vielmehr würden Grenzstellen heute auch dazu dienen, Interessen der Gesellschaft, außenstehender Organisationen oder auch das Know-How der Wissenschaft (F&E Abteilung) in eine Form zu bringen, die durchaus Druck ausübe und Unruhe in die Struktur der Organisation bringe. Gerade das ermögliche jedoch andererseits auch organisationales Lernen und Wandel.

[7] Zum Beispiel: Alter / Hage (1993), Auster (1994), Axelsson / Easton (1992), Burt (1992a), Contractor / Lorange (1988), Ebers (1997), Ebers / Jarillo (1998), Grabher (1993a), Grandori / Soda (1995), Gulati (1995), Håkonson / Snehota (1995), Hirsch- Kreinsen (2002), Jarillo (1993), Koza und Lewin (1998), Li (1998), Mizruchi (1994), Mizruchi / Galaskiewicz (1993), Nohria / Eccles (1992), Oliver (1990), Oliver und Ebers (1998), Osborn / Hagedoorn (1997), Powell / Smith-Doerr (1994), Staber et al (1996), Swedberg (1997), Sydow (1992; 1996; 1999) und Windeler (2001).

[8] Siehe dazu die auf Parsons rekurierenden Untersuchungen von Levine / White (1960).

[9] Nach Angaben der Autoren ist die Auswahl der Zeitschriften so gewählt worden, dass eine möglichst breite Spannweite an wissenschaftlichen Herangehensweisen und zugleich der „state of the art“ der Netzwerkliteratur eingefangen werden konnte. Beispielsweise wurden die Daten auch auf folgende Einflüsse hin kontrolliert: Handelt es sich um US- oder außeramerikanischen Verlage, sind die Verlage staatlich subventioniert oder unabhängig, handelt es sich um Zeitschriften, welche eher qualitativ oder quantitative Arbeiten veröffentlichen und haben die Zeitschriften eine soziologische oder eine eher betriebswirtschaftliche Ausrichtung. (Vgl. Oliver / Ebers (1998: 573).

[10] Zum Beispiel Pfeffer / Salancik (1978).

[11] Zum Beispiel Zald / Denton (1963).

[12] Hier sind auch „Institutionalisten“ gemeint wie zum Beispiel Powell, Burt, Bradach und Eccles.

[13] Zum Beispiel Hannan / Freeman (1977; 1989).

[14] In Zusammenhang mit „Netzwerken“ vor allem Williamson 1975, 1990 [1985]; Picot et al. 1996. Dazu auch später mehr. Vgl. Kapitel 3.2 Institutionenökonomische Ansätze, S. 28.

[15] Bedingungen die nach Oliver und Ebers am häufigsten untersucht werden sind Variablen wie materielle und immaterielle Ressourcen, Abhängigkeit, Netzwerkposition, Zielkongruenz und Großzügigkeit bezüglich Ressourcen. Obwohl in der Literatur häufig genannt, werden dagegen die Variablen Vertrauen und Opportunismus selten tatsächlich hinterfragt. Die Auswirkungen beziehen sich dann vor allem auf Aspekte wie Macht/Kontrolle, Verbreitung und Erfolg. Auf der anderen Seite bleiben jedoch Variablen wie Konflikte, Kosten, Gewinne, Auflösung, Lernen und Innovation konzeptionell stark unterbelichtet. Sieht man von der Ebene der Organisation ab, so wird zudem sehr viel Augenmerk auf regionale oder industrielle Einflüsse in Bezug auf die Konstitution und Form von Netzwerken, sowie die daraus resultierenden Folgen gelegt. Jedoch, so Oliver und Ebers, sei auch hier überraschend, wie wenig man dennoch über die tatsächlichen Zusammenhänge zwischen Netzwerkbildung und regionale Einflüsse wisse (Oliver / Ebers 1998: 567). Ein theoretischer Zusammenhang sei selten erforscht worden, vielmehr gebe es in Zusammenhang mit regionalen Untersuchungen zumeist nur Einzelfallstudien. Dies seien zum Beispiel Brusco (1982), Grabher (1993c), Liebeskind et al (1996), Powell et al (1996), Pyke et al. (1990). Auch gebe es eine starke Betonung von „Motivation“ und „Intention“ in der Literatur zum Beispiel bei: Contractor / Lorange (1988), Glaister / Buckley (1996), Jarillo (1993), Mariti / Smiley (1983). Intentionen werden dann in diesem Zusammenhang als Erklärungsschema für die Vernetzung herangezogen. „Nicht-intendierte“ Auswirkungen bleiben, wie Oliver und Ebers hier anmerken, dabei jedoch völlig ausgeblendet. (Vgl. Oliver / Ebers 1998: 567).

[16] So auch Powell / Smith-Doerr (1994), Windeler (2001) und Hirsch-Kreinsen (2002).

[17] Hierauf wird weiter unten noch genauer eingegangen.

[18] Gemeint sind damit die letzten beiden Segmente, die jeweils mit einem Begriff der „Institution“ arbeiten.

[19] Diese Literatur ließe sich im vierten Segment („institutional economics / strategy“) der Einteilung von Oliver und Ebers einordnen.

[20] Vgl. auch den Überblick über Netzwerkforschung geordnet nach Branchen in Anmerkung 2 auf S.4.

[21] Auch hiervon wird später noch die Rede sein.

[22] Folgt man den Ausführungen von Stefan Kühl (2004: 148) so kann man, neben der Rückkehr zu Marx’schen Kategorien oder der „Enttheoretisierung“ dies als eine zweite Entwicklungsrichtung ansehen, die sich in der Industriesoziologie überhaupt abzeichnet. Hierbei geht es darum, mit Hilfe von Theorien „mittlerer Reichweite“ (in diesem Fall wäre das die Strukturationstheorie von Anthony Giddens) auf Veränderungen, die in der Gesellschaft seit der „Klassengesellschaft“ offensichtlich werden, theoretisch zu reagieren. Ob dies ausreicht um die gesamtgesellschaftlichen Implikationen der Marx´schen Theorie zu ersetzen, erscheint Kühl dabei fraglich. Es sei daher eher eine Gesellschaftstheorie nötig, welche auf die funktionale Differenzierung der Gesellschaft abstellt. (Vgl. Kühl 2002: 151f).

[23] Einführend zur Strukturationstheorie zum Beispiel Walgenbach (2002).

[24] Das bezieht sich vor allem auf Arbeiten von Bertalanffy (1956).

[25] Im Gegensatz zu „offenen“ Systemen werden „geschlossene“ Systeme in dieser Tradition als Grenzfall behandelt. Dabei handelt es sich um Systeme, für die die Umwelt gar nicht oder nur über spezifische Kanäle von Bedeutung ist. In der neueren Systemtheorie nach Luhmann wird dagegen mit einem gegenteiligen, auf Kommunikation basierenden Konzept, der selbstreferentiellen Schließung von Systemen gearbeitet (vgl. Luhmann 1987: 24). Mehr dazu unter Kap. 4.3.

[26] Im Englischen hat sich die Bezeichnung „contingency approach“ eingebürgert, was im Deutschen dann als „Kontingenztheorie“ oder auch „Kontingenzansatz“ übernommen wurde. Mit Kontingenz ist dabei begrifflich vor allem eine Relativierung des Taylorschen „one best way“ der Organisationsstruktur gemeint. Der andere begriffliche Aspekt von Kontingenz der das „So-und-auch-anders-möglich-Sein“ meint, wird hierbei ausgeblendet (vgl. Windeler 2001: 55, Anm. 35). Staehle (1973) oder auch Kieser (2002) verwenden für kontingenztheoretische Ansätze den Begriff „situativer Ansatz“.

[27] Damit ist die Gliederungsbreite im Sinne der Stellendefinition in einer Aufbauorganisation gemeint. Mit der Breite steigt die Anzahl an direkten Untergebenen.

[28] Vgl. Kapitel 2.2

[29] So wird bei Knight (1921) der Unternehmer personifiziert als oberste Leitung des Unternehmens, da er in letzter Instanz für alle Handlungen des Unternehmens verantwortlich ist. Kirzner (1978) erweitert dies zu einer „Arbitragefunktion des Unternehmertums“ und weist darauf hin, dass neben dem ökonomischen auch ein „außerökonomisches“ Verhalten den „Unternehmer“ charakterisiere. Dieser „soziale“ Aspekt mache letztlich auch die „Findigkeit“ des Unternehmers aus (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 31).

[30] Der Nutzen ist dabei nicht auf materielle Vorteile allein beschränkt, auch altruistische Wohltaten können nach dieser Ansicht den individuellen Nutzen steigern (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 38).

[31] Allerdings wird ein abgeschwächtes kontingenztheoretisches Argument des Einflusses der Umwelt insofern übernommen, da von „tief greifenden Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen“ gesprochen wird. Diese Veränderungen seien vor allem Folge der zunehmenden Globalisierung der „Güter-, Arbeits- und Informationsmärkte“ (Picot / Reichwald / Wigand 1998: 2). Die Techniken der Informations- und Kommunikationsübertragung (IuK) würden dabei einen besonderen Stellenwert einnehmen. Insbesondere Leistungs- und Kapazitätssteigerungen seien die Merkmale einer Entwicklung hin zu einer „Informationsgesellschaft“, welche geprägt sei durch innovative Technologien, neue Formen der Leistungserbringung sowie neue Kooperationsformen in und zwischen Unternehmen. Angesprochen sind damit „Teamkonzepte, Gruppenarbeit, modulare Organisationen, Arbeit in mobilen Büros oder in dezentralen Arbeitsstätten, Telekooperation und virtuelle Unternehmen“ (Picot et al 1998: 6). Die Technik ermögliche dabei vielfältige Chancen Kommunikationswege zu verkürzen, Partnerschaften zu etablieren, Ressourcen flexibel einzubinden, auf Wissensbestände unabhängig von Ort und Zeit zu zugreifen und letztlich sogar durch „Bündelung von Vernetzungsmöglichkeiten von Prozessen und Personen“ die Begrenztheit der Spezialisierung und Qualifizierung von Menschen in Organisationen zu überwinden. Diese Veränderungen haben nach Picot / Reichwald / Wigand (1998) dabei auch Auswirkungen auf die Grenzen von Organisationen. Aus der Entwicklung folgern sie, dass eine „Differenzierung zwischen innen und außen zusehends verschwinde(t)“ (Picot / Reichwald / Wigand 1998:6).

[32] Die „Marktprozesstheorie“ basiert dabei vor allem auf Arbeiten der „österreichischen Schule“ mit Menger, Mises, Schumpeter, von Hayek, Kirzner und Lachmann als ihren Hauptvertretern (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 26).

[33] In der älteren neoklassischen Mikroökonomie wird dagegen nur der Preismechanismus betrachtet. Preise bilden sich nach dieser Ansicht ohne Zeit- und Ressourcenaufwand und reflektieren so schon alle relevanten Informationen bezüglich des Endergebnisses. Da jedoch ein großer Teil der Handlungen auf Transaktionskosten anfalle, wird von den Vertretern der Institutionenökonomie angenommen, dass der neue Ansatz der Realität weitaus näher komme (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 26, Ebers / Gotsch 2002: 207).

[34] Die Entstehung wird dann spieltheoretisch am Beispiel des Gefangenendilemmas erklärt. Dabei handelt es sich um ein Arrangement, in dem Akteure zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten frei wählen können, die Konstellation der zu erwartenden Handlungsergebnisse aber so gestaltet ist, dass die für alle Beteiligten beste Lösung systematisch verfehlt wird. Grund ist, dass jeder Akteur versucht, das für ihn individuell beste Ergebnis zu erzielen. Würden sich die Akteure innerhalb dieses Arrangements dagegen an eine kooperative Abmachung halten, so würde ein für sie insgesamt besseres Ergebnis herauskommen. Im Beispiel handelt es sich um zwei Diebe, die getrennt voneinander verhört werden. Jeder Dieb hat dabei die Möglichkeit die Aussage zu verweigern oder den anderen Dieb zu verraten und damit die „Kronzeugenregelung“ in Anspruch zu nehmen. Je nachdem, ob beide schweigen, nur einer oder beide „auspacken“, müssen beide nur drei Jahre oder einer ein Jahr, der andere aber zehn Jahre oder eben beide für sieben Jahre ins Gefängnis. Da jeder Dieb antizipiert, dass der andere opportunistisch handeln wird, werden beide gestehen und sich somit in die für beide insgesamt schlechteste Position bringen und damit beide für sieben Jahre ins Gefängnis gehen. (Vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 36f.).

[35] Literatur dazu zum Beispiel: Williamson (1985), Mathews (1986), Dietl (1993) sowie die bei Picot / Reichwald / Wigand (1998: 35) und Ebers / Gotsch (2002:199) angegebene Literatur.

[36] Wie oben erwähnt folgern Oliver und Ebers (1998: 575) daraus, dass die Theorie deswegen häufig auch als „Verbindungsglied“ dient für andere Theorien und Ansätze. Dies könne ihr je nachdem als Mangel oder auch als Stärke ausgelegt werden.

[37] Jeder Ansatz behandelt dabei jeweils eine spezifizierte Institution. Mit Verfügungsrechten sind zum Beispiel Rechte an Ressourcen gemeint und die Art und Weise wie ein Inhaber von solchen Rechten legitimerweise damit umgeht (vgl. Ebers / Gotsch 2002: 209). In der Agenturtheorie ist die Institution der Vertrag. Hierbei werden Austauschbeziehungen zwischen einem Auftraggeber (Principal) und einem Auftragnehmer (Agent) in Bezug auf die asymmetrische Verteilung von Information, Unsicherheit über das Eintreten bestimmter Umweltzustände und das Verhalten des Vertragspartners untersucht (Picot / Reichwald / Wigand 1998: 47).

[38] Dazu genauer unten S.34.

[39] Auch in der soziologischen Literatur finden diese „Bedingungskonstellationen“ Anwendung. Siehe zum Beispiel Hirsch-Kreinsen (2002: 118f.).

Fin de l'extrait de 174 pages

Résumé des informations

Titre
Organisationsgrenzen in dynamischen Umwelten - Eine Revision der 'Netzwerktheorien' am Beispiel von Biotechnologie- und Pharmakologieunternehmen
Université
LMU Munich  (Institut für Soziologie München)
Note
1,5 (sehr gut)
Auteur
Année
2005
Pages
174
N° de catalogue
V50247
ISBN (ebook)
9783638465014
ISBN (Livre)
9783656887218
Taille d'un fichier
1136 KB
Langue
allemand
Annotations
Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Antworten, die in den vorherrschenden 'Netzwerktheorien' auf die zum Beispiel in der Biotechnologie zu beobachtenden Phänomene der 'Dynamik' gegeben werden, grundsätzlich zu hinterfragen. Die Annahme, die in dieser Arbeit den Vorstellungen der 'Netzwerktheorien' gegenübergestellt werden soll, lautet, dass die Umwelt eine Konstruktion ist, die im System selbst produziert und reproduziert wird. Empirie: Qualitative Interviews (Biotech- und Pharmaunternehmen)
Mots clés
Organisationsgrenzen, Umwelten, Eine, Revision, Netzwerktheorien, Beispiel, Biotechnologie-, Pharmakologieunternehmen
Citation du texte
Martin Rafailidis (Auteur), 2005, Organisationsgrenzen in dynamischen Umwelten - Eine Revision der 'Netzwerktheorien' am Beispiel von Biotechnologie- und Pharmakologieunternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50247

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