Corporate Governance in Europa. Großbritannien, Frankreich, Polen, Tschechien, Schweden und die Schweiz


Seminar Paper, 2019

30 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Corporate Governance
2.1 Begriff und Ursprung
2.2 Was ist Corporate Governance
2.3 Gründe für die Notwendigkeit von Corporate Governance

3. Corporate Governance in anderen Ländern Europas
3.1 Geschichtliche Einordnung
3.2 Gemeinsamkeiten der europäischen CG
3.3 Unterscheidung europäischer Kodizes
3.3.1 Monistisches System
3.3.2 Dualistisches System
3.3.3 Aktionärsschutzregeln

4. Combined Code UK
4.1.Geschichtliche Entwicklung des Combined Code
4.2 Grundlagen des englischen Rechtssystems
4.3 Ziele und Regelungen des Combined Code

5. Frankreichs Viénot Berichte
5.1 Geschichtlicher Kontext
5.2 Rechtlicher Rahmen
5.3 Besonderheit der französischen CG

6. CG in Ostmitteleuropa, insbesondere Polen und Tschechien
6.1 Liberale Marktwirtschaft
6.1.1 Tschechien
6.1.2 Polen
6.2 Einfluss durch die EU
6.3 Rechtliche Grundlage der ostmitteleuropäischen CG
6.4 CG in Polen und Tschechien

7. Swiss Code of Best Practice
7.1 Geschichtlicher Kontext
7.2 Rechtliche Rahmenbedingungen
7.3 Inhalte und Besonderheiten der schweizerischen CG

8. Kurzbetrachtung der schwedischen CG

9. Eigene Stellungnahme

10. Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Mit Blick auf die Globalisierung von Unternehmen, Finanzmärkten und gleichzeitig starker Einflussnahme der EU auf die europäische Wirtschaft, steht ein Begriff im Zentrum vieler wissenschaftlicher und politischer Diskussionen: Corporate Governance (im Folgenden CG).

Bereits in den 90er Jahren entstand eine Debatte um CG, aufgrund der steigenden Anzahl von Unternehmensskandalen auf nationaler sowie internationaler Ebene. Nennenswert sind hier beispielsweise der Skandal um Bilanzfälschungen beim ehemalgien Energiekonzern Enron in den USA oder die Holzmann AG Pleite.1

Diese Unternehmensskandale warfen die Frage auf, ob nicht Kodizes und Regeln von Nöten sind, welche ergänzend zu den rechtlich bestehenden Regelungen eine gute und effiziente Unternehmensführung und -überwachung ermöglichen. Dies bildet die Basis für die Schaffung von CG Kodizes.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit den verschiedenen nationalen CG Kodizes der Länder Europas.

Zunächst wird der Begriff CG erläutert und im geschichtlichen Kontext eingeordnet.

Sodann soll geklärt werden was CG ist und warum CG notwendig ist.

Im Mittelpunkt der Betrachtung dieser Arbeit steht CG in anderen Ländern Europas. Hier sollen zu Beginn Gemeinsamkeiten der nationalen CG Kodizes aufgezeigt werden. Anschließend geht es um die Frage der Unterscheidungskriterien der nationalen Kodizes und es folgt eine genauere Betrachtung der Kodizes der Länder Großbritannien, Frankreich, Polen, Tschechien, Schweiz und Schweden.

Sodann folgt eine eigene Stellungnahme, abschließend wird ein Fazit gezogen.

2. Corporate Governance

2.1 Begriff und Ursprung

Seinen Ursprung findet der Begriff als solcher in den USA in den 1970er Jahren, während einer Debatte über Aktionärsrechte.2

Der Begriff Governance als solcher steht hierbei für alle „[…] Formen und Mechanismen der Koordinierung zwischen mehr oder weniger autonomen Akteuren, deren Handlungen interdependent sind, sich also wechselseitig beeinträchtigen oder unterstützen können.“3 Dabei ist zu beachten, dass hinsichtlich der Definitionsbestimmung von CG zwei zentrale CG Systeme vorzufinden sind, mit jeweils unterschiedlichen Ansätzen. Das kontinental- europäische sowie das anglo-amerikanische System bringen konträre Definitionen hervor.4 Hiermit ist gemeint, dass in den beiden Systemen die Anspruchsgruppen (Stakeholder) unterschiedlich berücksichtigt werden und sie darüber hinaus unterschiedlich starken Einfluss auf die Unternehmenspolitik ausüben können.

Bei Versuchen den Begriff Corporate Governance ins Deutsche zu übersetzen, werden zumeist Schlagwörter wie „Unternehmensverfassung“, „Unternehmensüberwachung“ oder „Unternehmensführung und -kontrolle“ genannt.5 Diese Übersetzungen sind jedoch nicht ausreichend, um den Begriff hinreichend zu beschreiben, beziehungsweise umschreiben zu können. Daher wird meist auf die englische Fassung zurückgegriffen und der Begriff CG ist als solcher anerkannt.6

2.2 Was ist Corporate Governance

Fraglich ist, worum es sich bei CG explizit handelt. CG Kodizes schaffen primär einen rechtlichen sowie faktischen Ordnungsrahmen, hinsichtlich der Strukturen für die Leitung und Kontrolle von Unternehmen.7 Darüber hinaus regelt CG die Frage, welche Interessen welcher Akteure die mittelbar oder unmittelbar an der Entscheidungsfindung innerhalb eines Unternehmens beteiligt sind, im Vordergrund zu stehen haben.8

Somit zielt CG darauf ab, Interessenkonflikte zwischen den Aktionären (Prinzipalen) und Managern (Agenten) zu regeln, indem Regeln für eine gute und effiziente Unternehmensführung und -überwachung etabliert werden.9 Dieser Konflikt zwischen Prinzipalen und Agenten wird in der Wissenschaft unter der Principal Agent Theorie zusammengefasst.10

2.3 Gründe für die Notwendigkeit von Corporate Governance

Die Notwendigkeit von Grundsätzen wie solche die durch durch CG aufgestellt werden, wurde schon früh erkannt. Dies resultiert zum einen aus der zuvor genannten Principal Agent Theorie.11

Bereits 1776 schrieb Adam Smith in seiner Abhandlung „Wohlstand der Nationen“, dass Vorstände einer AG mit dem durch die Kapitalgeber zur Verfügung gestelltem Geld verschwenderisch und nachlässig umgehen würden, da es sich nicht um ihr eigenes Kapital handele.12

Doch auch die Globalisierung sowie die Europäisierung der Wirtschaft und Finanzmärkte sind treibende Faktoren der Forderung nach verbesserter CG. Große, international tätige Unternehmen und Konzerne erlangen immer größere Macht bei gleichzeitig steigender Intransparenz für Stakeholder.13 Die darüber hinaus bestehende Verpflichtung international tätiger Konzerne den Haftungs- und Rechnungslegungsstandards der Länder, in welchen sie tätig sind, gerecht zu werden, bestätigen den Bedarf von CG Kodizes. Der Fortbestand geltender HGB Regeln nebst IFRS oder auch dem US-amerikanischem US-GAAP trägt dazu bei, dass Investoren aller Art den Überblick über die Anzahl von divergierenden Jahresabschlüssen mit unterschiedlichen Kennzahlensystemen verlieren und somit das Vertrauen in eben diese internationalen Märkte verlieren.14 Zudem verstärkten die in der Einleitung genannten Unternehmenspleiten und Skandale der letzten Jahre den Bedarf von guter CG nachweislich.15

CG Kodizes sollen dazu beitragen, dass Unternehmen länderspezifisch eine verantwortungsbewusstere Unternehmensführung anstreben. Dabei ist jedoch zu beachten, dass diese Regelwerke, bis auf einige Ausnahmen wie die OECD16 (Organisation for Economic Co-operation and Development) -Principles nicht international anerkannt sind. Sie gelten vielmehr länderspezifisch oder ggf. branchenspezifisch.17

3. Corporate Governance in anderen Ländern Europas

CG findet nicht nur in Deutschland immer mehr Zuspruch, sondern gewinnt auch in anderen Ländern Europas zusehends an Bedeutung. Auch die Europäische Union (im Folgenden EU), ist sich der Bedeutung von CG bewusst und reagierte im Jahr 2003 mit dem Aktionsplan „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union“.18

Länder wie Großbritannien mit dem Combined Code, Frankreich mit den Viénot Berichten als auch die Schweiz mit dem Swiss Code of Best Practice, sind immer stärker an einer guten CG interessiert.

Dahingehend folgt nun eine Untersuchung der nationalen Kodizes hin auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede, mit einer genaueren Betrachtung der Kodizes der Länder Großbritannien, Frankreich, Schweiz, Polen, Tschechien und Schweden.

3.1 Geschichtliche Einordnung

Wie zuvor bereits unter Punkt zwei thematisiert, wurde das Verlangen nach Einheitlichen Regelungen und mehr Transparenz gerade im Hinblick auf die Internationalisierung von Unternehmen und der Finanzbranche immer bedeutender und ist für die Entwicklung von CG mitverantwortlich. US -amerikanische Pensionsfonds suchten in den 80er Jahren nach neuen Investitionsprojekten im Ausland, forderten jedoch von diesen gleiche oder zumindest vergleichbar hohe Standards und trieben somit die Entwicklung von CG voran.19

Der erste CG Kodex, mit wesentlichen Bestimmungen des nationalen Marktes für ausländische Investoren wurde 1992 unter Lord Cadbury in Großbritannien erstellt.20

Es folgte Frankreich im Jahr 1995 mit den Viénot-Berichten und weitere Länder Europas, wie die Schweiz mit dem Swiss Code of Best Practice im Jahr 2002 oder Schweden im Jahr 2005 mit dem Schwedischen CG Kodex.

3.2 Gemeinsamkeiten der europäischen CG

Gemeinsamkeit aller bestehenden CG Kodizes innerhalb der EU ist es, einen Interessenausgleich zwischen Stakeholdern und dem Management eines Unternehmens herbeizuführen.21

Ein Großteil der nationalen CG Kodizes basiert auf den Harmoniebestrebungen der OECD oder orientiert sich zumindest an diesen, sowie an weiteren internationalen Annäherungsbestrebungen hinsichtlich der Unternehmensverfassung, wie dem International Corporate Governance Network (ICGN) oder Handelsabkommen wie NAFTA und APEC.22 Erwähnenswert sind hier die Principles des ICGN, mit Fokus auf dem Dialog zwischen sämtlichen Interessengruppen eines Unternehmens sowie einer globalen, guten CG-Struktur.23 Insbesondere die OECD-Principles legen ihren Schwerpunkt auf die Aktionärsrechte, sowie die Gleichbehandlung von Aktionären24 und versuchen das Verhältnis zwischen Managern auf internationaler Ebene zu regeln. Länder, die nicht Mitglied der OECD sind, sollen durch die Principles of Corporate Governance (PoCG) eine Hilfestellung erhalten, um einen gesetzlichen, institutionellen und politischen Rahmen für eine gute CG zu schaffen.25

Darüber hinaus ist insbesondere bei den Mitgliedsstaaten der EU auf die Supranationalität des EU-Rechts hinzuweisen. Durch die Entwicklung europäischer Rechtsformen wie der SE oder durch die Bestimmungen der Niederlassungsfreiheit der Aktiengesellschaften, wird CG stark beeinflusst und schlussendlich innerhalb Europas zusehends harmonisiert.26

Gemeinsamkeit aller CG ist das angestrebte Hauptziel von Transparenz, beziehungsweise zwischen den verschiedenen Anspruchsinhabern einen Interessenausgleich zu schaffen, unter der Beachtung der nationalen Gesetzgebung.

Die Einhaltung der Regelungen von CG sind, abgesehen von den auf Börsengesetzen basierende Richtlinien, nicht verpflichtend, sondern stellen vielmehr einen gewissen Handlungsrahmen auf. Hierbei kann der Schwedische Corporate Governance Kodex (im Folgenden „SCGC“) als Beispiel herangezogen werden. Es werden Formulierungen wie „is to“ (soll) und „may“ (darf) verwendet, welche nicht rechtlich verpflichtend sind.27

Zudem müssen Unternehmen, die unter die Bestimmungen von CG fallen, meist eine sogenannte Entsprechenserklärung abgeben. Diese erklärt die Einhaltung, teilweise Einhaltung oder nicht Einhaltung der CG und basiert auf dem sogenannten „comply or explain“ Prinzip. Dies bedeutet, die betreffenden Unternehmen haben den Anforderungen der Kodizes zu entsprechen und bei Abweichung oder nicht Einhaltung Gründe hierfür zu nennen. Diese Entsprechenserklärung ist meist in den jeweiligen Ländern gesetzlich normiert und für die Unternehmen verpflichtend.28

Weiterer gemeinsamer Bestandteil der nationalen CG ist die Sanktionierungsregelung bei Zuwiderhandlung, welche zumeist über das „voting by feet“ erfolgt.29 Dieses Prinzip sagt aus, dass an sich keine rechtliche Sanktionierung stattfindet, sondern der Kapitalmarkt bzw. deren Akteure sich im Falle eines Verstoßes gegen die Kodizes von dem verletzenden Unternehmen abwenden.30

Die einzig rechtliche Sanktionierung ist erst dann möglich, wenn Corporate Governance Kodizes in die nationalen Börsenzulassungen mitaufgenommen werden. Sodann kann bei Fehlverhalten ein delisting stattfinden,31 also der Widerruf der Börsenzulassung durch die Aufsichtsbehörde.32 Folglich wird den Unternehmen die Fähigkeit zugesprochen, selbst zu erkennen, ob die Einhaltung von CG für ihr Unternehmen oder die Branche in der sie tätig sind, zielführend bzw. notwendig ist.

3.3 Unterscheidung europäischer Kodizes

Kriterien, die zur Unterscheidung nationaler Kodizes herangezogen werden können, sind vielfältig. Es gibt jedoch keinen wissenschaftlichen Ansatz, welcher eine leitende Kategorisierung vornehmen kann.33 Mögliche Unterscheidungskriterien sind die einzelnen Wirtschaftssysteme, welche sich in Jahrzehnten entwickelt haben, sowie die nationale Gesetzgebung der im folgenden thematisierten Länder. Die Gesetzgebung hat einen fundamentalen Einfluss auf die Ausgestaltung der jeweiligen CG und gibt gewisse Rahmenbedingungen vor, von denen nicht abgewichen kann, ohne gegen nationale Gesetze zu verstoßen. Grundlegend unterschieden werden muss somit zunächst die rechtliche Basis auf denen die CG beruht oder von der sie zumindest nicht abweichen darf.

Insbesondere die verschiedenen Strukturen bzw. Vorgaben der Verwaltungs-, Aufsichtsrats-, und Aktionärsstruktur sind hierbei anzuführen. Grundlegend sind zwei Leitungs- und Kontrollmodelle der Verwaltungsstruktur zu unterscheiden: Das in Deutschland vorherrschende dualistische- sowie das in angelsächsischen Ländern vorzufindende monistische Modell.34

Leitungsmodelle beschreiben hierbei, welche Rechte und Befugnisse die einzelnen Organe einer Gesellschaft haben und legen fest, welche Organe die Unternehmensführung wahrnehmen.35

3.3.1 Monistisches System

Das monistische System, auch „One-Tier-Modell“ genannt, ist in Ländern wie Großbritannien, Schweiz, Schweden, Spanien oder Belgien vorherrschend. Diese Länder legen großen Wert auf eine freie Marktwirtschaft, mit einer im Vordergrund stehenden Bedienung des Eigenkapitals.36

In dem monistischen Leitungssystem findet keine Unterteilung der Unternehmensleitung und Unternehmensaufsicht in Vorstand und Aufsichtsrat statt, sondern wird vielmehr zu einem Organ der Unternehmensführung zusammengefasst. Dieses Organ wird zumeist als Board of Directors bezeichnet und setzt sich zusammen aus Outside Directors also unternehmensexternen Mitgliedern und den Inside Directors, unternehmensinternen Mitgliedern.37

3.3.2 Dualistisches System

Das duale Modell hingegen, auch „Two-Tier-Modell“ genannt, basiert mehr auf einer sozialen Marktwirtschaft, nebst wirtschaftlicher Erfolgsabsichten wie Liquidität oder Gewinn. Die Verbreitung des dualen Systems ist durchaus geringer als die des monistischen Systems, hat jedoch in Ländern wie Deutschland, den Niederlanden oder Österreich eine lange Tradition.38

Kennzeichnend für das duale Modell ist die Unterteilung in Führungs- und Überwachungsorgane innerhalb eines Unternehmens. Diese Unterteilung orientiert sich an dem staatstheoretischen Modell der Gewaltenteilung.39

In Deutschland wird der Vorstand der Gesellschaft vom Aufsichtsrat bestimmt und nimmt die Aufgaben der Unternehmensführung wahr. Der Aufsichtsrat wird, abhängig von der Größe des Unternehmens, anhand der Vorschriften des DrittelbG oder des MitbestG unter Zuhilfenahme des WOMitbestG bestimmt. Ähnliche Gesetze bezüglich dieser Wahlbestimmungen finden sich auch in anderen Ländern mit einem dualistischen Leitungs- und Kontrollsystem.

3.3.3 Aktionärsschutzregeln

Auch sind Aktionärsschutzregeln bezüglich der Unterscheidungsmerkmale von CG anzuführen. Je schwacher der Schutz der Aktionäre innerhalb eines Landes geregelt ist, desto eher lässt sich erkennen, dass Aktionäre durch den massiven Ankauf von Aktien versuchen ihre Stimmgewichtung hochzuhalten und damit einem Missbrauch ihres eingesetzten Kapitals vorbeugen wollen.40

Hierbei ist auch der Unterschied zwischen dem Stakeholder-Ansatz und dem Shareholder-Ansatz zu berücksichtigen. Share- und Stakeholder Ansatz weisen eine unterschiedliche Zielsetzung hinsichtlich von CG auf. Eminent ist, dass beim Shareholder-Ansatz die Aktionäre im Vordergrund stehen, während beim Stakeholder-Ansatz sämtliche Interessengruppen zu berücksichtigen sind, welche von Unternehmensentscheidungen betroffen sind.41 Es folgt nun auf Basis der zwei vorgestellten Leitungssysteme eine detaillierte Betrachtung einzelner CG Systeme in verschiedenen Ländern Europas, unter zusätzlicher Beachtung der Share- und Stakeholder-Ansätze innerhalb der jeweiligen CG.

4. Combined Code UK

4.1.Geschichtliche Entwicklung des Combined Code

Das Vereinigte Königreich war Mitbegründer der CG in Europa, was letztlich vor allem auf die fortgeschrittenere Entwicklung des Kapitalmarktes im 17. Jahrhundert im Vergleich zu anderen Ländern Europas zu schließen ist. Bereits zu dieser Zeit war es möglich, Börsenhandel zu betreiben und Anleger genossen im Vereinigten Königreich hohen Schutz.42 Von Beginn an wurden auch Minderheitsaktionäre durch neu gegründete Institutionen geschützt. Unternehmenseigentümer durften demnach nur einen geringen Anteil am Unternehmen halten, ohne jedoch zu stark in ihren Kontroll- und Einflussrechten beschränkt zu werden.43

Dies sind historisch gewachsene Grundregeln, welche einen starken Einfluss auf den englischen Corporate Governance Kodex, nachfolgend Combined Code (CC) genannt, ausüben.

4.2 Grundlagen des englischen Rechtssystems

Der zuvor genannte Aktionärsschutz wird folglich auch in Teilen des CC wieder aufgegriffen.

Um jedoch die Ausgestaltung des CC tiefergehend zu verstehen, ist eine kurze Analyse des englischen Rechtssystems, welches auf Case- beziehungsweise Common Law basiert, vorzunehmen. Rechtssysteme basierend auf Case Law, beziehungsweise Common Law, sind mehrheitlich aufgebaut aus einzelnen, wiederum aufeinander aufbauenden Fallentscheidungen und enthalten weniger kodifiziertes Recht. Folglich ist die Unternehmensverfassung und das Gesellschaftsrecht nicht in solchem Umfang wie in Deutschland gesetzlich fixiert. Vielmehr baut die Regulierung der Unternehmensverfassung auf Richtlinien und Empfehlungen auf, welche nicht von staatlichen Institutionen stammen und orientiert sich an denen als richtig angesehen Geschäftssitten.44

Britische Aktiengesellschaften orientieren sich an dem monistischen Modell und sind als solche aufgebaut. Folglich existiert zwar eine Generalversammlung, ähnlich der deutschen Hauptversammlung, jedoch sind die Funktionen der Unternehmensführung und Unternehmensüberwachung einem Organ gewidmet. Dem Board of Directors kommen eben diese Aufgaben zu. Daraus lässt sich ableiten, dass innerhalb dieses Organs eine klare Shareholder Dominanz vorliegt.45

4.3 Ziele und Regelungen des Combined Code

Die Basis des CC bilden drei sogenannte Reports aus den Jahren 1992, 1995 und 1998.46 Der Cadbury Report, der Greenbury Report sowie der Hampel Report. Gemeinsames Ziel dieser Reports war eine Verbesserung der Überwachungsfunktion innerhalb des Board of Directors, durch eine Erhöhung der Anzahl der Non executive Directors (Outsider) und durch die Einführung von Regularien bezüglich der Arbeitsweise des Boards. Auch sollten die Aktionäre mehr Informationen bereitgestellt bekommen.47

Hierzu der Hampel Report: „The board should present a balanced and understandable assessment of the state of the company’s position and prospects.“48

Der Cadbury Report erweiterte die Transparenz- und Offenlegungspflichten: “The principles of disclosure are that financial reporting should meet the traditional test of being true and fair, and that boards should present a balanced and understandable assessment of the state of their companies […] including an explanation of the factors likely to influence the company’s future progress.”49

Der aus drei Teilen bestehende Cadbury Report wurde 1992 durch das sogenannte Cadbury Komitee veröffentlicht. Der 1995 veröffentlichte Greenbury Report adressierte vor allem wachsende Bedenken hinsichtlich der steigenden Vorstandsgehälter50, während der Hampel Report von 1998 darauf abzielte, einen Großteil der Forderungen des Cadbury Reports und des Greenbury Reports in den heute bekannten CC zusammenzufassen. Der so entstehende Combined Code präzisierte und verschärfte viele Vorgaben aus den vorherigen Codes.51

[...]


1 Peemöller/Hofmann, Bilanzskandale, S.29 ff. /S. 108 ff.

2 Warncke, Prüfungsausschuss, S.25.

3 Stiglbauer, Corporate Governance Berichterstattung, S.9.

4 Stiglbauer, Corporate Governance Berichterstattung, S.9.

5 Lattemann, Corporate Governance im globalisierten Informationszeitalter, S.4.

6 Warncke, Prüfungsausschuss, S.25.

7 Spennlingwimmer, Public Corpoate Governance, S. 22 ff.; Hüffer/Koch AktG, § 161 RdNr. 2.

8 Dörner/Orth, Deutscher Corporate Governance Kodex, S. 6 f.

9 Bress, Corporate Governance in Deutschland, S. 15.

10 Alparslan, Strukturalistische Prinzipal-Agent-Theorie, S.2.

11 Bress, Corporate Governance in Deutschland, S.3.

12 Bress, Corporate Governance in Deutschland, S.3.

13 Gruson/Kubicek, Der Sarbanes-Oxley Act, S. 1 ff.

14 Auer, International harmonisierte Rechnungslegungsstandards, S. 115 ff.

15 Tshang, Corporate Governance bei Organisationskomplexität, S.1.

16 Das Ziel der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist es, eine Politik zu befördern, die das Leben der Menschen weltweit in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht verbessert. Vgl. http://www.oecd.org/berlin/dieoecd/ [abgerufen am 25.02.2019].

17 Hopt/Roth, Der Aufsichtsrat, I. Grundlagen zu den §§ 95-116, Rn. 21.

18 Der Betrieb, Corporate Governance, vom 29.10.2004, Heft 44, Seite XVII.

19 Baums, Corporate Governance – aktuelle Entwicklungen, S.4.

20 Cadbury, Thoughts on Corporate Governance; Boyd, Ethcis and corporate governance.

21 Zöllner, Interne Corporate Governance Entwicklung einer Typologie, S.14.

22 Vgl. bspw. OECD (2004).

23 Vgl. ICGN Global Governance Principles, 2017, 5. Edition, Präambel.

24 Zöllner, Interne Corporate Governance Entwicklung einer Typologie, S.14.

25 Mendrzyk, Das deutsche Aktienrecht verglichen mit den Principles of Corporate Governance der OECD, S.14.

26 Zöllner, Interne Corporate Governance Entwicklung einer Typologie, S.14.

27 Welge/Eulerich, Corporate Governance Management, 2. Aufl., S. 179; Vgl. SCGC (2016).

28 Vgl. Combined Code, Swiss Code of Best Practice, Swedish Corporate Governance Codex u.w.

29 ebd.

30 Xu/Wang, Ownership Structure, S. 42.

31 Calder, Corporate Governance- A Practical Guide, S. 50.

32 Schlößer, Delisting auf Initiative des Emittenten, S. 7 f.

33 Berrar, Die Entwicklung der Corporate Governance, S. 36.

34 Welge/Eulerich, Corporate Governance-Management, 1. Aufl., S.81.

35 Schewe, Unternehmensverfassung, S. 66.

36 Nagy, Corporate Governance in der Unternehmenspraxis, S. 77.

37 Berrar, Die Entwicklung der Corporate Governance, S. 37; Macharzina, Unternehmensführung, S. 162.

38 Nagy, Corporate Governance in der Unternehmenspraxis, S. 77 f.

39 Bleicher/Leberl/Paul, Unternehmensverfassung, S. 29 f.

40 Goergen/Renneboog, Levels of control, Goergen 1 f., Goergen 24 ff.

41 Welge/Eulerich, Coporate -Governance-Management, 1. Aufl. 2012, S. 104, 190.

42 Mann, Corporate Governance Systeme, S. 223.

43 Roe, Political Determinants of Corporate Governance, S. 102.

44 Mann, Corporate Governance Systeme, S. 221.

45 Leem, Einheitliche Corporate Governance, S. 94.

46 Vgl. Cadbury Report (1998), Greenbury Report (1995) und Hampel Report (1998).

47 Varga von Kibed, Konflikte zwischen Aktionären und Managern, S. 202 f.

48 Vgl. Hampel Report (1998), Nr. D Accountability, 2.18, I Financial Reporting.

49 Vgl. Cadbury Report (1992), Abschnitt Financial Reports Nr. 4.5’1, 4.53.

50 Rode, Der Deutsche Corporate Governance Kodex, S. 65 f.

51 Ebd. S.68.

Excerpt out of 30 pages

Details

Title
Corporate Governance in Europa. Großbritannien, Frankreich, Polen, Tschechien, Schweden und die Schweiz
College
Cologne University of Applied Sciences  (Schmalenbach Institut)
Grade
1,3
Author
Year
2019
Pages
30
Catalog Number
V503391
ISBN (eBook)
9783346059024
ISBN (Book)
9783346059031
Language
German
Keywords
Wirtschaftsrecht, Unternehmensrecht, Corporate Governance, Corporate Governance in anderen Ländern Europas, Europäische Corporate Governance, Combined Code UK, Viénot Berichte, Swiss Code of Best Practice, Schwedische Corporate Governance, Sarbanes Oxley Act, Monistisches System, Dualistisches System
Quote paper
Leon Orth (Author), 2019, Corporate Governance in Europa. Großbritannien, Frankreich, Polen, Tschechien, Schweden und die Schweiz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/503391

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