Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Begriffsdefinitionen
2.1 Bildungsungleichheit
2.2 Soziale Herkunft
3. Ursachen von Bildungsungleichheit
3.1 Bildungsniveau der Familie
3.2 Regionale Disparitäten
3.3 Einkommen
3.4 Ethnische Herkunft
4. Kapitalsorten nach Bourdieu
4.1 Kapitalsorten
4.1.1 Ökonomisches Kapital
4.1.2 Kulturelles Kapital
4.1.3 Soziales Kapital
4.2 Kapitalumwandlung
5. Bildungsungleichheit aufgrund sozialer Herkunft?
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Unterschiede der Bildung sind heute (...) zweifellos der wichtigste ständebildende Unterschied (...). Unterschiede der Bildung sind - man mag das noch so sehr bedauern - eine der allerstärksten rein innerlich wirkenden sozialen Schranken" (Weber, 1922, S. 247f. zit. n. Becker & Lauterbach, 2007, S.9, Auslassungen im Original).
Seit den 60er Jahren versucht man das Bildungssystem in Deutschland zu verbessern. Durch die Bildungsexpansion und die dadurch resultierende Erweiterung sowie der Ausbau von Schulen in Deutschland konnte man dies zumindest für die Erreichbarkeit von Bildungsinstitutionen sicherstellen. Eine Verbesserung durch die Bildungsexpansion ist vor allem durch die Verteilung der Schülerinnen auf die unterschiedlichen Schulen zu verzeichnen. So besuchten zuvor über drei Viertel der Schülerinnen die Hauptschule (1952: 78 %), ein sehr geringer Teil die Realschule (7%) und nicht mal ein Viertel das Gymnasium (15%). Durch die Bildungsexpansion entstand eine Umverteilung: 1995 besuchte nur noch ein Viertel die Hauptschule (25%). Der Anteil der Realschülerinnen stieg auf 27% und der der Gymnasiastinnen sogar auf 31%. Da zudem die Zahl der Studentinnen und Hochschulbesucherinnen gestiegen ist, kann man im Allgemeinen von einer Höherqualifizierung sprechen (vgl. Choi, 2009, S. 21f.).
Die Bildungsexpansion hat es zwar geschafft den Zugang zu (höheren) Schulen zu verbessern, nichtsdestotrotz ist dieser von verschiedenen Faktoren abhängig und nicht von jedem gleich zu erreichen. Besonders deutlich wird, dass vorwiegend Personen in schlechtergestellten Positionen immer noch größere Hürden überwinden müssen, um den selben Zugang zu Bildung zu haben als besser gestellte Personen. Vor allem die PISAStudie aus dem Jahr 2000 belegt, dass speziell in Deutschland der Bildungserfolg von der sozialen Herkunft bestimmt wird:
„In keinem anderen Industrieland hing der Schulerfolg so von der sozialen Herkunft ab wie in Deutschland. Kinder aus sozial schwachen und Migrantenfamilien taten sich deutlich schwerer als ihre Mitschüler, statt gleiche Chancen zu schaffen, vertieften die deutschen Schulen soziale Ungleichheiten" (Smolka, 2006).
Dass trotz der vermeintlichen Chancengleichheit in Schulen der Bildungserfolg noch von weiteren Faktoren abhängt, möchte ich anhand dieser Hausarbeit darlegen. Dazu werde ich zu Beginn eine Definition von Bildungsungleichheit sowie sozialer Herkunft aufzeigen, um den Leser die Thematik etwas näher zu bringen. Im dritten Kapitel werde ich einige Ursachen schildern, die zu Bildungsungleichheit führen. Im Anschluss möchte ich mit Hilfe der Kapitalsorten von Bourdieu aufzeigen, inwiefern eine ungleiche Verteilung dieser zu ungleichen Chancenbedingungen hinsichtlich Bildung führt. Dazu erfolgt im vierten Kapitel zunächst eine Erläuterung der Kapitalsorten sowie eine Anwendung auf die zuvor genannten Ursachen. Im Fazit möchte ich zudem auf die Beteiligung der Bildungsinstitutionen zur Bildungsungleichheit eingehen und einen möglichen Lösungsansatz darstellen.
2. Begriffsdefinitionen
Da es in der Soziologie verschiedene Definitionen über ein und das selbe Thema gibt, möchte ich in diesem Kapitel kurz darlegen, welche Definition von Bildungsungleichheit und sozialer Herkunft ich verwende.
2.1 Bildungsungleichheit
Bildungsungleichheit ist eine Form von sozialer Ungleichheit. Nach Stefan Hradil spricht man von sozialer Ungleichheit, wenn „[...] die Ressourcenausstattung (zum Beispiel der Bildungsgrad oder die Einkommenshöhe) oder die Lebensbedingungen (beispielsweise die Wohnverhältnisse) von Menschen aus gesellschaftlichen Gründen so beschaffen sind, dass bestimmte Bevölkerungsteile regelmäßig bessere Lebens- und Verwirklichungschancen als andere Gruppierungen haben. "Besser" sind Lebens- und Verwirklichungschancen dann, wenn Ressourcenausstattungen oder Lebensbedingungen bestimmten Menschen nach den jeweils geltenden gesellschaftlichen Maßstäben (zum Beispiel bezüglich Sicherheit, Wohlstand, Gesundheit) die Möglichkeit zu einem "guten Leben" und zur weiten Entfaltung der eigenen Persönlichkeit bieten, anderen Menschen jedoch nicht. Inwieweit diese Möglichkeiten individuell genutzt werden, steht dahin. Der Begriff soziale Ungleichheit schließt somit nicht aus, dass Menschen mit vorteilhaften Bedingungen ein elendes Leben führen" (Hradil, 2012, S. 156, Auslassung: A.H., Hervorhebungen im Original).
Soziale Ungleichheit beeinflusst somit in verschiedenen Bereichen das Leben, dazu gehört ebenfalls der Bereich der Bildung. Unter Bildungsungleichheit versteht man also, dass der Zugang zu Bildung nicht für Menschen aller Schichten gleich ist, sondern durch unterschiedliche Ressourcenausstattungen eingeschränkt sein kann oder komplettverwehrt bleibt. Da letzteres in Deutschland durch staatliche Regelungen nicht der Fall sein kann, möchte ich mich in dieser Arbeit bei dem Begriff der Bildungsungleichheit darauf beschränken, dass jeder zwar Zugang zu Bildung hat, dieser jedoch nur formal gleich bzw. gerecht ist. Im weiteren Verlauf werde ich einige Faktoren darstellen, die den Zugang zu Bildung einschränken bzw. beeinflussen.
2.2 Soziale Herkunft
Die soziale Herkunft, in die eine Person hineingeboren wird, stellt ein Gefüge von historisch sowie gesellschaftlich bedingten Werten und Normen dar. Diese werden durch Sozialisation verinnerlicht. Das heißt, dass jedes Milieu und jede Schicht eine eigene „Art" bildet, die durch bestimmte Vor- und Nachteilen, Partizipationsmöglichkeiten sowie Vorlieben innerhalb der Gesellschaft geprägt ist. Dies bezeichnet Pierre Bourdieu als Habitus. Gleichzeitig bildet sich ein spezifischer Zugang zu verschiedenen Ressourcen aus, der von der sozialen Herkunft abhängig ist (vgl. Bourdieu, 1983).
Um Unterschiede zwischen der sozialen Herkunft zu treffen, werden beispielsweise Bildungsabschlüsse, Einkommen, Wohnregion und die ethnische Herkunft ausgewertet.
3. Ursachen von Bildungsungleichheit
Wie oben deutlich wird, ist der Zugang zu Bildung nicht immer uneingeschränkt. Im Folgendem werde ich einige Faktoren aufzeigen, die die Bildungschancen von verschiedenen Personengruppen beeinflussen und schichtspezifische Benachteiligungen hervorrufen. Des Weiteren möchte ich auch darauf hinweisen, dass es mehr Einflussfaktoren gibt, die ich hier aufgrund der Länge nicht nennen bzw. erläutern werde.
3.1 Bildungsniveau der Familie
Zum einen ist das Bildungsniveau der Herkunftsfamilie ein wichtiger Indikator für die schulische Lauf- und Bildungsbahn einer Person. Laut dem Bildungsbericht der Bundesregierung von 2018 besteht im Allgemeinen ein Trend zur Höherqualifizierung. So heißt es: „Junge Menschen verfügen häufiger über eine Hochschulreife und einen Hochschulabschluss als die ältere Generation" (Kai Maaz et al., 2018, S.4). Hier könnte man meinen, dass die jüngere Generation die „soziale Vererbung" überwunden hat; dennoch heißt es im selben Artikel, dass die
„[.] sozialen und regionalen Disparitäten jedoch bestehen bleiben. So besuchen Schülerinnen und Schüler aus Haushalten mit hohem Bildungsstand häufiger allgemeinbildende Schulen, die auch zur Hochschulreife führen, als solche aus Haushalten mit niedrigerem Bildungsstand" (ebd., 2018, S.4, Auslassung: A.H.).
Hier wird deutlich, dass das Bildungsniveau der Familie zwar an Einfluss verloren hat[1], dies aber nur geringfügig der Fall ist und aufgrund dessen weiterhin eine bedeutende Rolle spielt. Dieser Meinung sind nach Frauke Choi ebenfalls Picht, Dahrendorf und Pei- sert, die darauf hingewiesen haben, dass die Bildungsbeteiligung unter anderem stark vom Bildungsstand der Eltern abhängig ist (vgl. Choi, 2009, S. 22).
3.2 Regionale Disparitäten
Neben dem Bildungsniveau der Eltern, stellt die Region in der man aufgewachsen ist, einen wichtigen Aspekt dar. Wo heute zumeist eine gute Infrastruktur zwischen ländlichen und städtischen Gebieten vorherrscht, war es früher für die meisten Kinder kaum möglich eine Schule in der Stadt zu besuchen. Dort war das Angebot an weiterführenden Schulen und Hochschulen jedoch größer. So hat man während der Bildungskampagne in den 60er Jahren herausgefunden, dass Kinder aus ländlichen Regionen seltener höhere Schulen besucht haben, als solche aus der Stadt (vgl. Hradil & Schiener, 2001, S. 168f.). Neben der Erreichbarkeit waren auch die Erwerbschancen unterschiedlich, wobei hohe Qualifikationen eher in der Stadt als auf dem Land gesucht wurden und somit die Bildungsaspiration für letztere deutlich geringer war (vgl. ebd., S. 168f.).
Durch die Bildungsexpansion in den 60er Jahren hat sich das Schulwesen auch auf die ländlichen Ebenen ausgebreitet, indem es zu einem Ausbau an Bildungseinrichtungen kam (vgl. Choi, 2009, S.23). Hier wurden die Zahlen der Schulen im Allgemeinen sowie der der Angebote zur Erreichung des Realschulabschlusses und Hochschulreife ausgebaut. Neuere Untersuchungen haben ergeben, „[...] daß sich die Bildungsbeteiligung in ganz Deutschland sowohl auf dem Lande als auch in der Stadt beträchtlich erhöht hat. Die Disparitäten zwischen Stadt und Land sind zwar geschrumpft, aber geblieben" (Hradil & Schiener, 2001, S. 169, Auslassung: A.H.).
Des Weiteren gibt es immernoch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Ein gutes Beispielt stellen dafürdie unterschiedlichen Schulsysteme dar. Sogenannte Gesamtschulen sind zumeist in den neuen Bundesländern vertreten und stellen im Westen eher eine Seltenheit dar.
3.3 Einkommen
Ein weiterer Grund wieso Bildungsungleichheit reproduziert wird, ist das Einkommen (der Eltern). Die Chance eine höhere Schule zu besuchen ist bei den Personen deren Eltern über 2.360 Euro monatlich verdienen am höchsten (vgl. Choi, 2009, S. 136f.). Des Weiteren lässt sich feststellen, dass bei einem Verdienst von 1.261 bis 1.660 Euro monatlich, eher die Tendenz „[...] zu einer geringeren Beteiligung an der höheren Schule" (ebd., 2009, S. 137, Auslassung: A.H.) besteht. Der Einfluss des Einkommens auf die Bildung fängt jedoch schon viel früher an. Kinder aus Einkommensschwachen Familien erfahren geringere Erwartungen von Seiten der Eltern bezüglich des Bildungsprozesses, weswegen dieser sinkt. Des Weiteren ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass diese Familien in schlechteren Wohnvierteln leben, die „[...] anregungsarm, vielleicht sogar bedrohlich sind" (Rabe-Kleberg, 2011, S.51, Auslassung: A.H.) und somit den Bildungsprozess einschränken.
3.4 Ethnische Herkunft
Neben dem Bildungsniveau, der Region und des Einkommens, spielt die ethnische Herkunft eine entscheidende Rolle im Bildungsprozess und beeinflusst die Bildungschancen meist negativ. Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund stehen schon zu Beginn durch das bilinguale Aufwachsen höheren Herausforderungen ausgesetzt als Kinder ohne Migrationshintergrund. Geringere Kompetenzen in der Sprache sind durch die Pisa-studien bei der Untersuchung auf Lesekompetenzen aufgefallen (vgl. Geißler & Weber- Menges, 2008, S.2). Hier stellte sich heraus, dass vor allem Kinder mit ausländischen Wurzeln geringere Lesefähigkeiten aufweisen als deutsche[2] (vgl. Olczyk, Seuring, Will, & Zinn, 2016 S. 54; Geißler & Weber- Menges, 2008, S.2), was sich wiederum negativ auf den Unterricht auswirken kann. Hierzu mehr in Kapitel 5.
Des Weiteren lassen sich ethnische Diskriminierungen bei den Schulübergängen aus Seiten der Lehrerentscheidungen beobachten, was jedoch auf die zumeist geringe soziale Herkunft zurückzuführen ist (vgl. Diehl, Hunkier, & Kristen, 2016, S. 26).
Auch bezüglich der Aspiration gibt es unterschiede zwischen Familien mit und ohne Migrationshintergrund.
[...]
[1] Der Bericht vergleicht lediglich die erhobenen Daten aus den Jahren von 2006 bis 2018. Dennoch lässt sich auch in den Jahren zuvor ein deutlicher Einfluss des Bildungsniveaus der Familie auf z.B. die Wahl des Studiums ausmachen. Laut Frauke Choi tendieren Personen aus höheren eher zu einem Studium als Personen aus niedrigeren Milieus (vgl. Choi, 2009, S.19).
[2] Hierbei muss man jedoch zwischen verschiedenen Nationalitäten unterscheiden, wobei Personen mit z.B. türkischer Abstammung eher geringere Leistungen erbringen, als z.B. Personen mit sowjetischem Hintergrund (vgl. Olczyk, Seuring, Will, & Zinn, 2016, S. 65)