Armut verhindert Bildung? Einfluss des sozialen Milieus auf die schulischen Bildungschancen


Bachelorarbeit, 2019

58 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsklärung
2.1 Bildung
2.2 Bildungschance
2.3 Soziale Ungleichheit
2.4 Soziales Milieu

3 Armut
3.1 Absolute Armut
3.2 Relative Armut
3.2.1 Ressourcenansatz
3.2.2 Lebenslagenansatz

4 Bourdieus Theorie zu den Ursachen sozialer Ungleichheit
4.1 Kapitalsorten
4.2 Habitus
4.3 Der soziale Raum
4.4 Bildungsungleichheit im Bildungswesen

5 Einflussgrößen von Bildungschancen
5.1 Ökonomische Einflussgrößen
5.1.1 Haushaltsnettoeinkommen
5.1.2 Verfügbarer Wohnraum
5.1.3 Zwischenfazit der ökonomischen Einflussgrößen
5.2 Soziale Einflussgrößen
5.2.1 Sozialisation im Elternhaus
5.2.2 Soziale Netzwerke
5.2.3 Zwischenfazit der sozialen Einflussgrößen
5.3 Kulturelle Einflussgrößen
5.3.1 Familie als Bildungsort
5.3.2 Bildungs- und Berufsstand der Eltern
5.3.3 Qualität von Bildungseinrichtungen
5.3.4 Zwischenfazit der kulturellen Einflussgrößen

6 Zusammenhang: soziales Milieu, Armut und Bildungschancen
6.1 Zusammenhang: Bildungschancen und hoher Kapitalbesitz
6.2 Zusammenhang: Bildungschancen und geringer Kapitalbesitz
6.3 Zusammenhang: soziales Milieu und Bildungschancen
6.4 Zusammenhang: Armut und Bildungschancen

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Karikatur von Traxler

Abbildung 2: Der soziale Raum nach Bourdieu in vereinfachter Abbildung

Abbildung 3: Pfadmodell zum Einfluss des kulturellen Kapitals

1 Einleitung

Zu Beginn dieser Bachelorarbeit erfolgt zunächst ein kleines Gedankenexperiment. Hierbei sind Sie Lehrkraft an einer beliebigen Grundschule. Im Rahmen des Sachunterrichts in Klasse 3 behandeln Sie das Thema Berufe. Alle Kinder dieser heterogenen Lerngruppe erhalten den Auftrag ihren Traumberuf auf ein Blatt Papier zu malen oder zu schreiben. Am Ende der Unterrichtseinheit stellen die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse kurz und präzise der Klasse vor. Die Kinder haben klare und sehr unterschiedliche Traumberufe1. Tierärztin, Fußballspielerin, Polizistin, Krankenpfleger, Lehrer, Pilotin und „Chefin“ sind die Berufe, welche am häufigsten von den Schülerinnen und Schülern Ihrer Klasse genannt werden. Sie als Lehrkörper erklären den Kindern daraufhin ­­­– nach dem Motto „from rags to riches2 “ –, dass man alles im Leben erreichen kann, wenn man nur hart genug dafür kämpft und die Schülerinnen und Schüler demnach später jeden Beruf ausüben können, den sie möchten.

Nach den gesetzlich geregelten Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland ist die Äußerung, welche Sie tätigen, völlig legitim. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass Bildung Teil der Menschenrechtskonventionen ist, was so viel bedeutet, als das jeder Mensch, weil er Mensch ist, und ohne etwas Besonderes zu leisten, dieselben Rechte zugesprochen bekommt (vgl. Wendt 2017, S. 27). Das vorliegende Zitat bringt zum Ausdruck, welcher hohen Bedeutung die Bildung des Einzelnen zukommt.

„Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. […]. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muß allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen.“ (UN-Vollversammlung 1948, Artikel 26 Absatz 1)3

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) verdeutlicht in den Grundrechten zudem die Relevanz von Gleichheit vor dem Gesetz.

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 1949, Artikel 3 Absatz 3)

Die Bundesrepublik Deutschland stützt sich auf die genannten Menschen- und Grundrechte.

Auf Basis dieser zwei Gesetze bedeute dies, dass jeder deutsche Staatsbürger, ganz gleich welche Weltanschauung er besitzt oder welcher Herkunft er entstammt, ein Recht auf Bildung hat und er demnach im Rahmen seiner Bildungsteilhabe nicht aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften und Anlagen benachteiligt werden darf. Dieser rechtlichen Verankerungen stehen jedoch zahlreiche Forschungsergebnisse gegenüber, welche seit Jahrzehnten über den Zusammenhang zwischen sozialem Milieu, Armut und Bildung berichten (vgl. u.a. Bos et. al. 2017, S. 20-23; OECD 2016, S. 4-9).

Die vorliegende Arbeit widmet sie sich der Fragestellung, ob, und inwieweit, das soziale Milieu, sowie die Armutslagen von Kindern und Jugendlichen in der Bundesrepublik, Bildungschancen nachhaltig prägt. Dabei wird der eben getätigten Annahme – jedes Individuum habe eine Chance auf Bildung – nach der deutschen Gesetzeslage, nachgegangen.

Die Arbeit ist in sieben Kapitel aufgegliedert, welche im Folgenden näher beschrieben werden.

Das zweite Kapitel dieser Bachelorarbeit widmet sich der Begriffsklärung, da das grundlegende Verständnis von ausgewählten Begriffen die Grundlage für die weiteren Kapitel bildet. Im Fokus des dritten Kapitels steht die Definition sowie die nähere Bestimmung von Armut. Im Rahmen der Komplexität dieser Thematik erhält diese Begrifflichkeit ein eigenes Kapitel. Innerhalb dieses Abschnittes werden zwei unterschiedliche Ansätze zur Annäherung an den Begriff beleuchtet. Im Anschluss daran folgt im vierten Kapitel die Theorie von Pierre Bourdieu, welche wiederum in ihren einzelnen Bestandteilen in einem jeweiligen Unterkapitel separat betrachtet wird. Diese Theorie bildet die Basis dieser Arbeit, da im weiteren Verlauf häufig Rückschlüsse auf den theoretischen Ansatz von Bourdieu gezogen werden. Darauf aufbauend werden im fünften Kapitel die Einflussgrößen, welche Bildungschancen beeinflussen, untersucht. Dieses Kapitel stützt sich auf die Grundzüge der Theorie von Pierre Bourdieu und ermöglicht dadurch einen besseren Überblick für den Leser. Im sechsten Kapitel wird das soziale Milieu und dessen Einfluss auf die Bildungschancen von Schülerinnen und Schülern genauer betrachtet. Außerdem wird der Frage nachgegangen, ob Armut tatsächlich Bildung verhindert. Dies erfolgt auf Grundlage des fünften Kapitels. Das Fazit in Kapitel sieben schließt die vorliegende Arbeit ab und beantwortet die Frage nach der Wechselwirkung zwischen dem sozialen Milieu und der Bildungsteilhabe, sowie der Armutslage der Herkunftsfamilie mit den Bildungschancen der Schülerinnen und Schüler.

2 Begriffsklärung

Um den Sachverhalt, welcher in den folgenden Kapiteln dargelegt wird, besser erfassen zu können, gilt es zunächst, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit relevanten Begrifflichkeiten zu erörtern.

2.1 Bildung

Im Laufe der Geschichte der Bildung gab es zahlreiche unterschiedliche Auffassungen der Begrifflichkeit Bildung. Wohingegen der Bildungsbegriff des 18. Jahrhunderts vordergründlich von Immanuel Kant definiert wurde und sich an den drei Prinzipien Vernunft, Emanzipation und Mündigkeit orientiert, wird Bildung im Neuhumanismus – Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts – als Selbstzweck angesehen. Diese Gegebenheit ist hauptsächlich auf Wilhelm von Humboldt zurückzuführen (vgl. Kant 1784, S. 481; Humboldt 1809a, S. 175-176; Humboldt 1908b, S: 191-192). Im darauffolgenden 20. Jahrhundert prägt vor allem Wolfgang Klafki den Bildungsbegriff im Sinne seiner Auffassung nach Allgemeinbildung (vgl. Klafki 1991, S.49-56).

Heutzutage, in der empirischen Bildungsforschung, dienen hauptsächlich zwei Indikatoren zur Identifikation von Bildung. Den ersten Indikator bildet der Schulabschluss einer Person. Der zweite umfasst die kognitiven Kompetenzen, wie beispielsweise das Lesen und das Beherrschen von Naturwissenschaften4 (vgl. Allmendinger 2013). Des Weiteren sind die angeborenen Fähigkeiten des Individuums, sowie die „Qualität der Umwelt“ (Laewen 2009, S.32), wie beispielsweise die Familie oder die Kultur des Einzelnen, für das Gelingen oder Nichtgelingen von Bildungsprozessen entscheidend. Es lässt sich daraus schlussfolgern, dass Bildungsprozesse durch äußere Einflüsse begrenzbar sind (vgl. Laewen 2009, S.32).

Der Bildungsbegriff des 21. Jahrhunderts lässt sich in die drei Formen der formellen, non-formellen und informellen Bildung differenzieren. Formelle Bildung ist verpflichtend und meist durch ein Curriculum5 vorgegeben. Diese Form von Bildung prägt Institutionen, wie beispielsweise Schule oder Hochschule, da dort Leistungsbewertungen erfolgen (vgl. Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten, S. 21).

Die non-formelle Bildung unterscheidet sich insofern von der formellen Bildung, als dass keine Bewertung stattfindet. Außerdem basieren non-formelle Bildungsprozesse auf Freiwilligkeit durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ungeplante Lernprozesse, die zufällig innerhalb der Familie oder im alltäglichen Leben stattfinden, bezeichnet man als informelle Bildungsprozesse (vgl. Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten, S. 21).

Allen Definitionen liegt die Tatsache zugrunde, dass der Einzelne über Bildung verfügen kann, denn Bildung ist ein Prozess und bezeichnet die Selbstbildung des Menschen. Jedes Individuum kann sich nur bilden, wenn das Individuum das auch zulässt, da Bildung aus eigenem Entschluss stattfinden muss (vgl. Krautz 2007, S. 14). Außerdem wirkt sich Bildung auch auf das subjektive Wohlbefinden des Einzelnen aus. Ein besserer Bildungsgrad führt zu günstigeren Lebensvoraussetzungen sowie einer besseren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Gesundheit des Individuums aus, wie die deskriptive Analyse von Hadjar, Haunberger und Schubert bestätigen kann (vgl. Hadjar, Haunberger & Schubert 2008, S. 371-372).

2.2 Bildungschance

Die Begrifflichkeit Bildungschance beschreibt die Möglichkeit des Einzelnen, unbehindert seiner sozialen Herkunft „eine seiner Begabung […] entsprechende (Schul-) Bildung zu erwerben“ (Tenorth & Tippelt 2012, S.98-99).

Es ist von Relevanz den Begriff der Bildungschance von der Begrifflichkeit der Chancengleichheit abzugrenzen. Wohingegen eine Bildungschance lediglich die Teilnahme an Bildungsangeboten beschreibt, meint Chancengleichheit im Bildungswesen, dass jeder Person die gleichen Chancen bezüglich der Teilnahme an Bildung zukommen (vgl. Geißler 2014). An dieser Stelle muss hervorgehoben werden, dass Chancengleichheit nicht immer mit einer Gerechtigkeit einhergeht. Chancengerechtigkeit hingegen impliziert bei der Verteilung von Chancen die Fähigkeiten, Begabungen, Lernwege, Lernzeiten, Vorerfahrungen und Leistungen des Einzelnen. Chancengerechtigkeit zielt in der Theorie auf die Entkopplung von sozialer Herkunft und der Teilhabe an der Gesellschaft oder an Bildungsprozessen ab (vgl. Heid 2016, S. 95-107). Zahlreiche wissenschaftliche Studien und Quellen verdeutlichen jedoch, dass die Bildungschancen sowie die Chancengleichheit in Deutschland ungleich verteilt sind (vgl. Jungkamp & John-Ohnesorg 2016, S. 25). Eine tiefere Betrachtung dieser Problematik erfolgt in Kapitel sechs.

Die vorliegende Karikatur von Hans Traxler soll an dieser Stelle nochmals die bereits dargelegte Problematik skizzieren. Die Karikatur – in Abbildung 1 – bildet sieben verschiedene Tiere ab. Zu ihnen zählen Vogel, Affe, Pinguin, Elefant, Fisch, Robbe und ein Hund. Ein Mann erteilt den Auftrag, dass alle Tiere auf den Baum klettern sollen.

Die vorliegende Illustration von Traxler erweckt zunächst den Eindruck, als sei die Aufgabe gerecht, da alle Tiere dieselbe Prüfung leisten müssen. Es fällt jedoch auf, dass die gestellte Aufgabe von den einzelnen Tieren unterschiedlich gut zu erfüllen ist, da jedes Tier unterschiedliche Voraussetzungen, so genannte Anlagen, mitbringt, welche bei der Aufgabenverteilung nicht berücksichtigt werden. Aus diesem Grund kann an dieser Stelle nicht von Chancengerechtigkeit, sondern lediglich von Chancengleichheit, gesprochen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Karikatur von Traxler 1971 (Schroedel Verlag GmbH 2001, S. 1)

2.3 Soziale Ungleichheit

Soziale Ungleichheit beschreibt ein Phänomen, welches sich schon seit Jahrtausenden in den zwischenmenschlichen Beziehungen unserer Gesellschaft widerspiegelt und in unterschiedlichen Formen sichtbar wird (vgl. Hradil 2005, S. 16-24). Es handelt sich dabei um eine regelmäßige, keine einmalige, unausgewogene Verteilung von Gütern. Dies betrifft Güter, welche von der Gesellschaft als wertvoll oder erstrebenswert erachtet werden. (vgl. Hradil 2005, S. 29-30). In jeder Gesellschaft gibt es unterschiedliche erstrebenswerte Güter, da diese in Abhängigkeit zu den vorherrschenden Werten stehen (vgl. Kluckhohn 1951, S. 388-433). Dazu zählen in Deutschland beispielsweise der Besitz von Einkommen, Macht, und Herrschaft, oder ein hohes soziales Prestige (vgl. Merkel 2015, S. 19).

Umso mehr wertvolle Güter das Individuum besitzt, desto vorteilhafter sind dessen Lebensbedingungen. Außerdem verbessern sie die Lebensqualität des Einzelnen (vgl. Joas 2007, S. 242). Durch die Ungleichverteilung wertvoller Güter in der Gesellschaft erscheint der Einzelne als besser oder höhergestellt.

Zufällige oder natürliche Ungleichheiten wie die Nachtteile, welche der Mensch beispielsweise durch eine angeborene Behinderung erfährt, werden nicht als soziale Ungleichheit definiert (vgl. Hradil 2005, S. 27-28).

Hradil bringt in seinem 2005 veröffentlichten Werk zum Ausdruck, dass das soziologische Verständnis des Begriffes der sozialen Ungleichheit nicht zwangsläufig davon ausgeht, dass diese ungleiche Verteilung „ungerecht“ ist. Die Soziologie lässt sich durch die eher offene Formulierung den Freiraum, individuell darüber zu entscheiden, ob, und inwieweit die Ungleichverteilung von Gütern als Ungerechtigkeit oder als gerechtfertigt erscheint (vgl. S. 29).6

2.4 Soziales Milieu

In den Sozialwissenschaften bezeichnet das soziale Milieu eine Personengruppe, welche durch äußere, ähnliche Einflüsse geprägt ist und demnach unter ähnlichen Umständen das alltägliche Leben führt. Dazu zählen beispielsweise Einkommenshöhe, Bildungsgrad, Erwerbstätigkeit, Wertehaltung, Grundeinstellungen und Prinzipien der Lebensgestaltung einer bestimmten Gruppierung von Personen. Menschen innerhalb eines sozialen Milieus konsumieren oftmals ähnliche Konsumgüter und sind oft Befürworter von Parteien, welche sich in ihren Grundzügen ähneln (vgl. Hradil 2006). Einige Identitätstheorien sind der Auffassung, dass das soziale Milieu sich aus dem Verlangen entwickelt, die eigene soziale Identität zum Ausdruck zu bringen (vgl. Hradil 2006). Durch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen Milieu, grenzt man sich freiwillig und bewusst von einer anderen Gruppierung von Individuen ab (vgl. Hradil 2006). Empirische Befunde zu dieser Thematik bringen zum Ausdruck, dass die Zugehörigkeit zu einem sozialen Milieu in Deutschland oftmals von der Schichtstruktur 7 abhängig ist. Diese gibt dennoch keine ausreichende Auskunft über die Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen Milieu, da oftmals auch „mehrere Milieus nebeneinander“ (Hradil 2006) bestehen. In der Regel wird das soziale Milieu eines Individuums im Laufe seines Lebens nicht gewechselt (vgl. Hradil 2006).

3 Armut

Wie Butterwegge in seinem 2016 erschienenen Werk deutlich macht, ist die vorliegende Begrifflichkeit Armut sehr vielschichtig und komplex (vgl. Butterwegge 2016, S.12). Eine klare Definition des Begriffes, sowie die Festlegung von Armutsgrenzen fällt demnach schwer und wird auch in der Wissenschaft häufig kontrovers erörtert (vgl. Zimmermann 2001, S.36). Dennoch ist es für die vorliegende Bachelorarbeit von Relevanz, eine Definition herauszuarbeiten, deren sich die Autorin der Arbeit im Folgenden bedienen kann.

3.1 Absolute Armut

In der Wissenschaft und Forschung gibt es zu einem die Differenzierung nach absoluter und relativer Armut. Unter absoluter Armut versteht sich, dass das Individuum seine existenziell, unbedingt erforderlichen Bedürfnisse, wie das Bedürfnis nach Nahrung, Trinken, Kleidung und einer sicheren Unterkunft, nicht befriedigen kann. Diese Form der Armut herrscht vor allem in den Entwicklungsländern vor (vgl. Hanesch 2005, S. 81). Robert Strange McNamara, ehemaliger Präsident der Weltbank, definiert den Begriff der absoluten Armut in der Nairobi Rede von 1973 wie folgt:

„Armut auf absolutem Niveau […] ist Leben am äußersten Rand der Existenz. Die absolut Armen sind Menschen, die unter schlimmen Entbehrungen und in einem Zustand von Verwahrlosung und Entwürdigung ums Überleben kämpfen, der unsere […] Vorstellungskraft übersteigt.” (McNamara 1973)

In den westlichen Ländern, somit auch in Deutschland, kann man nach Christoph mit einem „Verschwinden von Armut“ (Christoph 2015, S. 20) im Sinne der absoluten Armutsdefinition rechnen. Dies bestätigen auch Klocke und Hurrelmann (vgl. 2001, S. 12).

3.2 Relative Armut

Für die Arbeit von größerer Bedeutung ist, entsprechend obiger Ausführung, die relative Armutsdefinition, da diese die in Deutschland verbreitetste Form von Armut ist. Insofern eine Differenz zwischen der eigenen materiellen, kulturellen und sozialen Lebenslage in Hinblick auf das gesamtgesellschaftliche Wohlstandniveau besteht, gilt eine Person als arm, da ihr dadurch die Teilhabe an der Gesellschaft verwehrt bleibt (vgl. Christoph 2015, S. 20; Klocke & Hurrelmann 2001, S. 11-12). Um eine nähere Betrachtung des Armutsbegriffes nach relativer Auffassung zu erlangen, ist es unabdingbar, die Herangehensweisen des Ressourcenansatzes und des Lebenslagenansatzes genauer zu erforschen (vgl. Zimmermann 2001, S. 36).

3.2.1 Ressourcenansatz

Der eindimensionale Ressourcenansatz berechnet durch die Erfassung des Einkommens und des Vermögens einer Person, ob das Erreichen des ökonomischen und soziokulturellen Existenzminimums des Individuums beeinträchtigt wird. Diese Erfassung orientiert sich dabei allein an den finanziellen Ressourcen des Einzelnen. Der Ressourcenansatz geht davon aus, dass alles, was zur Erfüllung des ökonomischen und soziokulturellen Existenzminimums beiträgt, durch finanzielle Ressourcen und Güter abgesichert werden kann (vgl. Zimmermann 2001, S. 37).

Die Armutsmaße, welche in der Bundesrepublik Deutschland am häufigsten zu Armutsmessungen herangezogen werden, sind zum einen die Armutsgefährdung, und zum anderen die Sozialhilfegrenzen, welche sich an dem Ressourcenansatz orientieren (vgl. Butterwegge, Klundt, & Belke-Zeng 2008, S. 27; Zimmermann 2001, S. 37).

Die Definition des relativen Armutsbegriffes, vorgenommen durch die Europäische Union (EU), geht davon aus, dass ein Individuum von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht ist, wenn wenigstens eines von drei Indikatoren auf es zutrifft. Die dabei herangezogenen Aspekte sind die erhebliche materielle Entbehrung, geringe Erwerbsbeteiligung und Armutsgefährdung. Letzteres ist für die vorliegende Ausarbeitung relevant, wohingegen die zwei anderen Kriterien bei weiterer Betrachtung entfallen.8 Insofern das Einkommen einer Person unter der Armutsgefährdungsgrenze liegt, gilt diese laut der EU als armutsgefährdet. Der Indikator der Armutsgefährdungsgrenze misst die relative Armut (vgl. Aust et al. 2018, S. 8; Destatis. Statistisches Bundesamt 2018). Er beschreibt den Anteil der Menschen, deren Äquivalenzeinkommen9 weniger als 60% des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung beträgt. Um das mittlere Einkommen zu ermitteln, bedient man sich des Medians.10 Der Median kann auch als Schwellenwert der Armutsgefährdung bezeichnet werden und lag 2017 bei alleinlebenden Personen bei 1096 Euro pro Monat (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2018). Im Jahr 2017 lag das Einkommen von 16,1 % der Deutschen unter dieser Armutsgrenze. Daraus lässt sich ableiten, dass 13,1 Millionen Menschen im Jahre 2017 von Armut – nach der Armutsgefährdungsgrenze – betroffen waren (vgl. Destatis. Statistisches Bundesamt 2018).

Die sozialen Transferleistungen der Bundesregierung im zwölften Buch (XII) des Sozialgesetzbuches (SGB) unter §19 Leistungsberechtigte besagen Folgendes:

„Hilfe zum Lebensunterhalten nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können“ (§19 SGB XII Absatz 1).

Die Aktualität dieser Thematik, sowie die Problematik in der Bundesrepublik, bestätigt sich durch die steigenden Armutszahlen von Kindern unter 18 Jahren. Heutzutage ist jeder fünfte junge Mensch armutsbetroffen. Vor allem die Kinder, die in alleinerziehenden Haushalten oder in Familien mit zwei oder mehr Geschwistern aufwachsen, sind von Armut bedroht (vgl. Aust et. al. 2018, S. 14). Im Jahr 2016 waren 14,3% der Kinder im Alter von unter sechs Jahren, 14.1% der Kinder zwischen sechs und elf Jahren sowie 17,9% der Kinder und Jugendlichen armutsgefährdet11 (vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis) & Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) 2018, S. 233). Eine ausführliche Auswertung über die Risikofaktoren, welche Armut auf die Entwicklungs- und Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen hat, erfolgt in Kapitel 6.

3.2.2 Lebenslagenansatz

Entgegen des Ressourcenansatzes, welcher aufgrund seiner eindimensionalen Betrachtungsweise häufiger Kritik unterliegt, kann in der Armutsforschung auch der multidimensionale Lebenslagenansatz herangezogen werden (vgl. Palentien 2004, S. 72). Der grundlegende Unterschied zwischen den zwei Ansätzen ist, dass Armut nicht nur an materiellen Ressourcen gemessen wird, sondern dass weitere Parameter in die Betrachtung mit eingebunden werden. Diese Indikatoren sind beispielsweise Bildung, Erwerbstätigkeit, Wohnsituation, soziale Netzwerke und Gesundheit des Individuums. Auf diese Weise zieht der Lebenslagenansatz Rückschlüsse auf die Lebenslage12 des Einzelnen, indem er mehrere Lebensbereiche auf einmal betrachtet.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Armut im Sinne des Lebenslagenansatzes, im Gegensatz zum Ressourcenansatz, aus einer multidimensionalen Sichtweise betrachtet wird und eine monokausale Begründung bei diesem Ansatz keinerlei Beachtung findet (vgl. Palentien 2004, S. 72-76; Engels 2008, S. 643).

Dies bedeutet explizit auf die Armutsforschung bezogen, dass der eindimensionale, am ökonomischen Kapital bemessenen Ressourcenansatz, um die Betrachtung der gesamten Lebenslage der Person erweitert wird. Eine Person gilt nach dem Verständnis des Lebenslagenansatzes dann als arm, insofern eine Unterversorgung in verschiedenen Lebensbereichen, und nicht nur hinsichtlich ihrer finanziellen Güter, festgestellt werden kann (vgl. Engels 2008, S. 643).

Obwohl der Lebenslagenansatz Kritik bezüglich der Objektivität der Messbarkeit von Armut erfährt (vgl. Butterwegge et al. 2008, S. 137-138), ist er für das Armutsverständnis der vorliegenden Arbeit zentral. Die Verfasserin der Arbeit wird im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung Rückschlüsse auf das Armutsverständnis im Sinne des Lebenslagenansatzes ziehen, dies erfolgt insbesondere im Kapitel sechs.

4 Bourdieus Theorie zu den Ursachen sozialer Ungleichheit

Im Laufe der Geschichte kamen vermehrt Fragen nach den Gründen für die Entstehung sozialer Ungleichheit in der Gesellschaft auf. Die Theorie, welche in diesem Kapitel vorgestellt wird, versucht diese Ursachen zu beleuchten und eine Antwort auf diese Fragen zu liefern. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann an dieser Stelle lediglich eine der mit dieser Thematik verbundenen Theorie vorgestellt werden13. Im Folgenden werden nun die Bestandteile der Theorie des französischen Soziologen Pierre Félix Bourdieu vorgestellt. Dieser prägte den Milieubegriff durch seine Kapital- und Habitus Theorie, welche für die weiteren Kapitel dieser Arbeit grundlegend sind.

4.1 Kapitalsorten

Der Begriff des Kapitals, der üblicherweise aus der Ökonomie entstammt, bezeichnet im Regelfall den Geld- und Sachwert einer Person (vgl. Treibel 2000, S. 214). Laut des Soziologen umfasst die Begrifflichkeit des Kapitals jedoch mehr als finanzielle Ressourcen. Nach Bourdieu ist Kapital eine Ressource, die das Individuum nutzbar machen kann, um die eigenen Absichten, Bedürfnisse und Interessen durchzusetzen und sich sozial zu behaupten. Folge dessen ist, dass der ausreichende Besitz von Kapital, mit „Macht“ gleichzusetzen ist (vgl. Bourdieu 1992a, S. 49-50). Analog hierzu begründet er den Begriff der sozialen Ungleichheit durch eine ungleiche Verteilung von Kapital, also von „Macht“. Das Kapital wird nach Bourdieu in drei Ressourcenarten differenziert (vgl. Hradil 2005, S. 90; Hradil 2006). Diese bezeichnet er als das ökonomische Kapital, das kulturelle und das soziale Kapital.

Das ökonomische Kapital umfasst alles, was den materiellen Besitz eines Menschen ausmacht. Hierzu zählen beispielsweise Geld, Eigentum oder Vermögen. Des Weiteren gilt an dieser Stelle zu vermerken, dass diese Kapitalart und die damit verbundenen finanziellen Ressourcen als vererbbar angesehen werden (vgl. Bourdieu 1992b, S. 2-6; Hradil 2005, S. 90; Hradil 2006; Treibel 2000, S. 215).

Die zweite Ressourcenart, das kulturelle Kapital, kann als Bildungskapital eines jeden Individuums bezeichnet werden. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass Bourdieu davon spricht, dass diese Kapitalform ebenfalls vererbbar ist. Das kulturelle Kapital kann nochmals in drei verschiedene „Ausprägungen“ (Treibel 2000, S. 215) unterteilt werden.

Als inkorporiertes kulturelles Kapital bezeichnet es verinnerlichte Bestandteile des Menschen, wie Kenntnisse und Fähigkeiten. Diese erfordern in ihrer Aneignung Zeit und Aufwand und können nicht an Fremde weitergegeben werden (vgl. Bourdieu 1992b, S. 2-6; Hradil 2005, S. 90; Hradil 2006; Treibel 2000, S. 215). Bücher, Instrumente und Gemälde zählen zu dem objektivierten kulturellen Kapital. Dieses Kapital ist materiell übertragbar. Das institutionalisierte kulturelle Kapital tritt vor allem in Form von Bildungszertifikaten und akademischen Titeln auf (vgl. Bourdieu 1992b, S. 2-6; Hradil 2005, S. 90; Hradil 2006; Treibel 2000, S. 216). Die dritte Kapitalform des Klassikers der Soziologie ist das soziale Kapital (vgl. Treibel 2000, S. 216). Damit ist die Gesamtheit aller Beziehungen zu anderen Menschen in Form eines sozialen Netzwerkes gemeint. Beispiele hierfür sind die Ressourcen, auf die das Individuum innerhalb seiner Familie, Klasse oder Partei zurückgreifen kann. Die Aufrechterhaltung dieser Beziehung erfordert Zeit (vgl. Bourdieu 1992b, S. 2-6; Hradil 2005, S. 90; Hradil 2006; Treibel 2000, S. 216).

Die Ansammlung, auch Akkumulation genannt, der dargelegter Kapitalformen benötigt Zeit und ist mit Aufwand verbunden. Bei der Akkumulation spielt vor allem die „Primarerziehung“ (Bourdieu 1992b, S.8) in der Familie eine große Rolle. Die Bildungszeit in der Familie kann entweder als positiver oder als negativer Faktor betitelt werden, je nachdem ob die Erfahrungen innerhalb der Familie einen Vorteil hinsichtlich der Entwicklung des Kindes mit sich ziehen, oder nicht (vgl. Bourdieu 1992b, S. 8). Einige der eben erläuterten Kapitalarten sind laut Bourdieu durch Aufwand und Arbeit zum Teil ineinander transferierbar (vgl. 1992a, S. 70-71). Ein Beispiel hierfür ist, dass institutionalisiertes kulturelles Kapital, in Form einer guten beruflichen Ausbildung, in ökonomisches Kapital verwandelbar ist, indem das Individuum durch materiellen Besitz damit belohnt wird. Umgekehrt hingegen funktioniert der Transfer nicht. Mit materiellem Besitz, demnach ökonomischem Kapital, lassen sich Bildungszertifikate oder akademische Titel in der Regel nicht kaufen.

Einige Kapitalsorten sind laut Pierre Bourdieu vererbbar. Diese Tatsache ist für diese Arbeit grundlegend, da die Vererbung zum Ausdruck bringt, weshalb soziale Ungleichheit – siehe Kapitel 2.3 – immer wieder reproduziert wird. Durch die Darstellung Bourdieus über die Kapitalformen wird deutlich, dass soziale Ungleichheit, demnach auch ungleiche Bildungschancen, nicht nur durch Kapital nach ökonomischem Verständnis, sondern auch durch soziale und kulturelle Einflussfaktoren bedingt wird. Diesem Ansatz wird insbesondere in Kapitel fünf nachgegangen.

4.2 Habitus

Der Begriff des Habitus ist ein grundlegendes Element in der Sozialtheorie von Pierre Bourdieu. Der Habitus wird von Bourdieu als „Grundhaltung gegenüber der Welt“ (Bourdieu 1983) bezeichnet. Die Komplexität des Begriffes lässt sich wie folgt zusammenfassen:14

Im Habitus eines Menschen kommt das zum Vorschein, was ihn zum gesellschaftlichen Wesen macht: seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder Klasse und die „Prägung“, die er durch diese Zugehörigkeit erfahren hat“ (Treibel 2000, S. 212).

Demnach ist der Habitus auf die „Aneignung sozialer Handlungsformen“ (Rehbein 2016, S. 85) zurückzuführen. Der Habitus wird durch unterschiedliche Faktoren, wie Geschlecht, soziale Stellung, soziale Herkunft und ethnische Zugehörigkeit geprägt (vgl. Treibel 2000, S. 213). Da Individuen in ihren sozialen Klassen aufwachsen und durch verschiedene Lebensbedingungen beeinflusst werden, entstehen unbewusste und klassenspezifische Formen des Habitus (vgl. Hradil 2006).

Die in diesem Abschnitt dargelegte Habitus Theorie kann – wie auch schon die Kapital Theorie – als eine mögliche Erklärung für die über Generationen bestehende soziale Ungleichheit, die bereits in Kapitel 2.3 beleuchtet wurde, dienen. Nach Auffassung der Autorin bedingt der Habitus eines jeden Individuums, welcher durch das soziale Milieu geprägt ist, soziale Unterschiede. Aus diesem Grund ist er für die Arbeit von Bedeutung.

4.3 Der soziale Raum

Pierre Bourdieus Konstrukt des sozialen Raumes, das in den 1970er Jahren entwickelt wurde, dient ebenfalls der Beschreibung sozialer Ungleichheit, welche bereits in Kapitel 2.3 betrachtet wurde, und basiert auf dem Kapitalbegriff aus Kapitel 4.1. Das vorliegende Konzept ist nach Bourdieu für alle modernen Gesellschaften geltend, wie er in seinem bekanntesten Werk deutlich macht (vgl. Bourdieu 1982, S. 12 und 277). Der soziale Raum beschreibt die vorherrschende Sozialstruktur in der Gesellschaft (vgl. Bourdieu 2001, S. 128). Grundannahme des Soziologen ist es, dass die Position innerhalb dieser Sozialstruktur über das verfügbare Kapital eines Menschen bestimmt wird (vgl. Rehbein 2016, S. 160-161).

Nach Bourdieu kann die gesellschaftliche Struktur durch eine vertikale und horizontale Gliederung beschrieben werden, welche in Abbildung 2 aufgeführt ist (vgl. Bourdieu 1982, S.212-213). Dieses Schaubild symbolisiert nach Bourdieu die „Erzeugungsbedingungen des Habitus“ (Bourdieu 1982, S. 195).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Der soziale Raum nach Bourdieu in vereinfachter Abbildung (eigene Darstellung nach: Wössner 2016, S. 11)

Wie dem Schaubild in Abbildung 2 zu entnehmen ist, strukturiert der soziale Raum das Kapitalvolumen vertikal, demnach in Form einer y-Achse. Nach oben hin nimmt das Kapitalvolumen zu. Horizontal auf der x-Achse stellt der soziale Raum das Verhältnis zwischen kulturellem und ökonomischem Kapital dar. Je nachdem ob eine Person viel kulturelles und wenig ökonomisches Kapital, oder wenig kulturelles und viel ökonomisches Kapital besitzt, befindet sich diese Person weiter links, oder dementsprechend weiter rechts auf der x-Achse (vgl. Bourdieu 1982, S. 212-213; Rehbein 2016, S. 163-164). Das bringt zum Ausdruck, dass ein „Übergewicht“ (Rehbein 2016, S. 165) des einen oder des anderen Kapitals vorliegt. Umso näher die Position eines Individuums mittig auf der x-Achse liegt, desto mehr entsprechen sich kulturelles als auch ökonomisches Kapital. Indem sowohl die y-Achse sowie die x-Achse betrachtet werden, ergibt sich die Position einer Person im sozialen Raum. Dies gibt Aufschluss, über die Handlungsmöglichkeiten und Erfolgschancen der einzelnen Akteure im sozialen Gefüge (vgl. Bourdieu 1982, S. 182).

Wichtig ist, dass das gesellschaftliche Schemata veränderbar ist, was so viel heißt, als dass Veränderungen während der sozialen Laufbahn vollzogen werden können, weshalb ein bestehender Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Klassen besteht (vgl. Bourdieu 1982, S. 209; Bourdieu1983).

4.4 Bildungsungleichheit im Bildungswesen

Pierre Bourdieu macht in seinem Werk „Wie die Kultur zum Bauern kommt“ deutlich, dass die Schule ein Ort ist, welcher die soziale Herkunft und den Bildungsgrad, sowie die Wertehaltung des Einzelnen, aufrechterhält und reproduziert. Nach Bourdieu ist es Schülerinnen und Schülern demnach nicht möglich ihrem sozialen Milieu zu entfliehen. Bourdieu spricht auch von „Ausschlussmechanismen“, die dazu führen, dass bestimmte Individuen von Bildungsprozessen ausgeschlossen werden. Aus dem vorliegenden Werk geht hervor, dass man im Bildungswesen nicht von Chancengleichheit15 sprechen kann. Für die Chancenungleichheit im Bildungswesen und die unterschiedlichen Erfolgsquoten der Schülerinnen und Schüler macht Bourdieu vordergründlich das vererbbare kulturelle Kapital, demnach das Bildungskapital aus Kapitel 4.1, verantwortlich. Grund hierfür ist, dass da die Kinder ihre Bildungsvoraussetzungen – geprägt durch das soziale Milieu – in die Schule mitbringen. Die Schule ist nicht in der Lage diese Voraussetzungen zu kompensieren, um so den Schülerinnen und Schülern dieselben Bildungschancen zu ermöglichen (vgl. Bourdieu 2006, S. 10 und S. 25-26).

5 Einflussgrößen von Bildungschancen

Die vorliegende Arbeit thematisiert in ihrem Titel und in ihrer Zielsetzung die Frage nach dem Zusammenhang des sozialen Milieus und den Bildungschancen von Schülerinnen und Schülern. Die Eingrenzung der Thematik durch die Fragestellung „Armut verhindert Bildung?“, wurde von der Autorin bewusst gewählt, so dass Armut den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet. Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst erklärt werden, welchen Einflussgrößen die Bildungschancen generell unterliegen. Um dieser Wechselwirkung besser nachgehen zu können, werden die Einflüsse analog zu der Theorie von Bourdieu in Kapitel vier, den einzelnen Kapitalsorten zugeordnet. Die nähere Betrachtung erfolgt, indem die einzelnen Einflüsse – ökonomische, soziale und kulturelle Einflussgrößen – herausgegriffen und unabhängig voneinander beleuchtet werden, um so die Frage nach den Einflüssen auf die Bildungsteilhabe zu beantworten. Im Rahmen dieser Analyse werden sowohl materielle als auch immaterielle Einflüsse untersucht.16

5.1 Ökonomische Einflussgrößen

Gemäß der Menschenrechtskonvention und dem deutschen Grundgesetz – vorangehend in Kapitel eins betrachtet – ist Grundschulunterricht sowie die grundlegende Bildung unentgeltlich. Außerdem darf keine Person aufgrund ihrer Herkunft17 in jeglicher Form benachteiligt werden. Auf die ökonomische Einflussgröße bezogen bedeutet dies, dass jedes Individuum, ganz gleich wie hoch oder niedrig sein ökonomisches Einkommen sowie sein Vermögen ausfällt, die Chance hat, an grundlegenden Bildungsprozessen sowie am Grundschulunterricht teilzunehmen, ohne durch die ihm zur Verfügung stehenden ökonomischen Ressourcen in jeglicher Form benachteiligt zu sein. Ob, und inwieweit das ökonomische Kapital Einflüsse auf den Erwerb von Bildung hat, wird im folgenden Kapitel erörtert.

5.1.1 Haushaltsnettoeinkommen

Die Bedeutung von ausreichenden finanziellen Gütern hinsichtlich der Bildungschancen des Einzelnen ergibt sich durch die Tatsache, dass der Besitz von ausreichend ökonomischem Kapital impliziert, dass ein Haushalt demnach mehr Geld für Bildungsausgaben zur Verfügung hat. Außerdem können größere Summen finanzieller Mittel in Gesundheitsausgaben investiert werden (vgl. Seyda & Lampert 2009, S. 2). Beispielsweise sind für den Besuch von frühkindlichen Bildungsangeboten wie Babyschwimmen oder Krabbel- und Spielgruppen, finanzielle Mittel von Notwendigkeit (vgl. Holz, Laubstein & Seddig 2016, S. 34). Die Folgen von geringem ökonomischem Kapital liefern die Forschungsergebnisse von Hacket, Preißler und Ludwig-Mayerhofer. Im Vergleich zu den Kindern deren elterliches Haushaltseinkommen 60-100% des Durchschnittseinkommens beträgt, sind Kinder, welche in einem Haushalt mit niedrigerem Einkommen aufwachsen, deutlich benachteiligt. Die Folgen und Auswirkungen von geringem ökonomischem Kapital sind vielschichtig. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen erleben als häufigste Folge materiellen Mangel und Verzicht. Dies wiederum äußert sich in schlechteren Wohnsituationen, einer eingeschränkten Grundversorgung und einer eingeschränkten sozialen Teilhabe (vgl. Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. 2012, S. 12-20). Eben erwähnte Kinder aus einem Haushalt mit hohem Einkommen werden nach Beendigung der Grundschule mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit die Hauptschule sowie mit einer 12-prozentig höheren Wahrscheinlichkeit das Gymnasium besuchen (vgl. Hacket, Preißler & Ludwig-Mayerhofer 2001, S. 107).

Allgemein lässt sich festhalten, dass das ökonomische Kapital in unserer Gesellschaft ungleich verteilt ist, was bereits in Kapitel 4.1 beleuchtet wurde. Dies lässt sich auf mehrere Gründe zurückführen. Zum einen besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Einkommen und Bildungsstand18. Umso höher der Bildungsstand eines Menschen, desto besser ist dessen Beschäftigungsmöglichkeit, was wiederum zu einem höheren Einkommen führt. Außerdem haben Personen mit höherem Bildungsabschluss mehr Aufstiegschancen und demnach bessere Chancen ein höheres Einkommen im Laufe ihres Berufslebens zu erwirtschaften (vgl. OECD 2018, S. 107-108).

Zum anderen weiten sich die sozialen Grenzen in Deutschland durch Erbschaften aus, da Personen mit höherem Bildungsstand in den meisten Fällen größere Summen erben als Menschen aus einer niedrigeren Bildungsschicht. Dieses Phänomen wird auch durch Heirat weitergegeben.

Individuen, welche über weitreichendes ökonomisches Kapital verfügen, heiraten meist Individuen, welche Teil ihres sozialen Milieus sind oder in einem ähnlichen sozialen Milieu heranwachsen (vgl. Klundt 2017, S. 42). Hinzu kommt, dass das Pro-Kopf-Einkommen im Haushalt durch die Geburt eines Kindes sinkt. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die Unterbrechung der Berufstätigkeit durch mindestens einen Elternteil das monatliche Einkommen minimiert. Außerdem bedarf es zusätzlichen finanziellen Mitteln, um dem Neugeborenen einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. Bäcker 2000, S. 246-250).

Zahlreiche Intentionen der Bundesrepublik, die darauf abzielen Familien mit nicht ausreichenden finanziellen Gütern zu fördern und unterstützen, versagen häufig. An dieser Stelle wird beispielhaft das Bildungs- und Teilhabepaket aufgeführt. Die Aufgabe dieser finanziellen Hilfe ist es, den Betroffenen ausreichende Chancen für Lernförderungen zur Verfügung zu stellen. Vor allem der mühevolle bürokratische Antrag sowie diverse Bedingungen, welche die Antragstellerin oder den Antragsteller überfordern, haben zur Folge, dass die Gelder nicht bei den Kindern ankommen (vgl. Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 2018, S.50).

5.1.2 Verfügbarer Wohnraum

Die Qualität der Wohnbedingungen beeinflusst das Familienleben sowie die Entwicklung von Kindern und steht in Abhängigkeit mit dem ökonomischen Kapital der Familie (vgl. Chassé, Zander, Rasch 2010, S. 125-126). Dies liegt auf der Tatsache begründet, dass sich die räumliche Begrenzung auf den gesamten Alltag, sowie die Gesundheit der Familie auswirkt. Der verfügbare Wohnraum beeinflusst die Beziehung der Familienmitglieder untereinander, deren Umgang miteinander und das Erziehungsverhalten der Eltern gegenüber ihren Kindern (vgl. Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg 2013, S. 6 und 19).19

Eine gute Wohnqualität ist durch mehrere Faktoren charakterisiert. Die Größe des Zuhauses ist durchaus wichtig, so dass jedes Mitglied des Haushaltes über genügend Raum für Bewegung, Spiel, Kommunikation sowie Ruhephasen verfügt. Außerdem ist auch die Lage des Wohnraumes entscheidend. Beispielsweise sind Netzwerke innerhalb der Nachbarschaft für die Entwicklung des Kindes und das Wohlbefinden aller Haushaltsmitglieder förderlich.

Sie bilden die Basis für ein familiengerechtes Wohnen (vgl. Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg 2013, S. 18). Problematisch verhält sich die Wohnraumsituation vor allem in den sozialen Brennpunkten. Das sind Wohngebiete, welche sich durch eine Benachteiligung und Problemlage charakterisieren lassen und zugleich zu einer Segregation20 von der restlichen Bevölkerung führen (vgl. Baum 1998, S.60). „[…] Diese Einzugsgebiete sind weder ökonomisch noch sozial oder soziokulturell attraktiv […]“ (Baum 1998, S.61) und führen dazu, dass die zunächst ausschließlich räumliche Segregation anschließend einer sozialen Segregation gleicht. Dieses Phänomen lässt sich jedoch ausschließlich in Städten beobachten (vgl. Baum 1998, S. 62).21

5.1.3 Zwischenfazit der ökonomischen Einflussgrößen

Für die persönliche Entwicklung eines jeden Kindes ist es wichtig, dass das Haushaltsnettoeinkommen ausreichend ist, um den jungen Menschen in seiner Entwicklung zu fördern. Die verfügbaren finanziellen Mittel in der Familie sind nicht nur für Wohnraum, Nahrung und Kleidung eine der wichtigsten Grundlagen. Daneben ist ökonomisches Kapital, wie Bourdieu es nennt, sowohl für Schulmaterialien und Exkursionen als auch für Urlaube oder Vereinsaktivitäten eine wichtige Ressource. Es steht außer Zweifel, dass das Haushaltsnettoeinkommen einer Familie einen deutlichen Einfluss auf die Bildungsbeteiligung von Schülerinnen und Schülern hat, da das ökonomische Kapital eines jeden Haushalts und die Bildungschancen sich, basierend auf vorangegangenen Studien, gegenseitig beeinflussen.

5.2 Soziale Einflussgrößen

Gemäß der Menschenrechtskonvention und dem deutschen Grundgesetz – vorangehend in der Einleitung dieser Arbeit beleuchtet – hat jeder Mensch ein Recht auf Bildung. Außerdem darf keine Person aufgrund ihrer Herkunft22 in irgendeiner Form benachteiligt werden.

Auf die sozialen Einflussgrößen bezogen bedeutet dies, dass jedes Individuum, ganz gleich wie positiv oder negativ die sozialen Einflüsse die Entwicklung von Kindern bedingen, die Chance hat, Bildungsteilhabe gemäß seinen Begabungen zu erfahren. Dabei darf der Einzelne nicht durch sein verfügbares soziales Kapital in irgendeiner Form benachteiligt werden. Ob, und inwieweit das soziale Kapital Einflüsse auf den Erwerb von Bildung hat, wird im folgenden Kapitel erörtert.

5.2.1 Sozialisation im Elternhaus

Das Elternhaus eines jeden Kindes ist die wichtigste Lebenswelt der Kinder, da junge Menschen dort ihre ersten Sozialisationserfahrungen machen. Durch die Sozialisation im Elternhaus entsteht der Habitus eines jeden Menschen. Der Begriff Habitus geht auf Bourdieu zurück und wurde bereits in Kapitel 4.2 betrachtet. Durch verschiedene Impulse, Erfahrungen und Erkenntnisse, welche ein Mensch im Laufe seines Lebens in seinem Elternhaus erfährt, formt sich der menschliche Habitus (vgl. Büchner & Brake 2007, S. 201). Außerdem sind diverse Faktoren innerhalb der Sozialisationsinstanz Familie für die Ausbildung von Kompetenzen und Ressourcen der darin heranwachsenden Kinder relevant (vgl. Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. 2012, S. 13-15).

Die empirische Forschung kann nachweisen, dass familiärer Zusammenhalt, auch Kohäsion genannt, in der Bildungsbiografie zu größerer Lernbereitschaft während der Schulzeit führt. Familiale Kohäsion wirkt sich ebenfalls positiv auf das Aggressionspotential, die Schulunlust, die Prüfungsangst und auf das Selbstwertgefühl von Kindern und Jugendlichen aus (vgl. Weiss & Brauer 1998, S. 136; Binz, Schneider & Seiffge-Krenke 2010, S. 286). Das Zusammengehörigkeitsgefühl kann beispielsweise durch regelmäßige gemeinsame Unternehmungen innerhalb der Familie gefördert werden (vgl. Knörzer, Grass & Schumacher 2007, S. 37).

Des Weiteren konnten wissenschaftliche Befunde nachweisen, dass zwischen dem Familienklima und der Schulform von Schülerinnen und Schülern eine Wechselbeziehung besteht. Wohingegen Hauptschülerinnen und Hauptschüler häufig in einer Familie aufwachsen, in welcher das Familienklima weniger gut ausgeprägt ist, wachsen Jugendliche, welche das Gymnasium besuchen, häufig mit einem positiv geprägten Familienklima auf. Welcher Faktor nun den jeweilig anderen beeinflusst, konnte die Querschnittstudie von Meier aus dem Jahr 2004 nicht nachweisen (vgl. Binz et. al. 2010, S. 286).

Neben dem Zusammenhalt und dem Klima innerhalb der Familie hat auch das Erziehungsverhalten einen bedeutenden Einfluss auf die Schülerleistungen.

Hinsichtlich der autoritativen23, permissiven24, autoritären25 sowie der vernachlässigenden26 Erziehung sind folgende Forschungsergebnisse von Relevanz für die vorliegende Arbeit. Während die autoritative Erziehung einen positiven Einfluss27 auf Schülernoten, Lernstrategien, Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, Depressionsneigungen und Schulengagement hat, wirkt sich der Einfluss der anderen drei Erziehungsstile negativ auf die Entwicklung des Kindes aus. Dies trifft in höchstem Maße auf den vernachlässigenden Erziehungsstil zu, dessen Auswirkungen zu Schwierigkeiten in der Bildungskarriere von Schülerinnen und Schülern führen kann (vgl. Binz et. al. 2010, S. 286).

Des Weiteren sind insbesondere die Interaktionen zwischen Sorgeberechtigten und Kindern für den Zugang zu Bildungschancen von Bedeutung (vgl. Binz et. al. 2010, S. 289). In diesem Zusammenhang ist auch ein geregelter Tagesablauf essenziell für das Wohlbefinden der Kinder. Dazu zählt neben morgendlichem Wecken, ausreichendem Schlaf und regelmäßige Versorgung durch Mahlzeiten auch die Körperpflege des Kindes (vgl. Chassé et. al. 2010, S. 184 und 147). Um den Kindern das Gefühl von Zufriedenheit innerhalb der Familie zu vermitteln, sind vor allem regelmäßiges Loben und das Gefühl von Stolz durch die Eltern von Bedeutung (vgl. Knörzer et. al. 2007, S. 37).

Die AWO-ISS-Studie, durchgeführt zwischen 2009 und 2012, konnte nachweisen, dass die Familie für Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren von besonderer Bedeutung ist. Dies trifft vor allem auf die Rolle der Mutter zu (vgl. Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. 2012, S.19). Falls die jungen Menschen jedoch vonseiten der Eltern mangelnde Zuwendung erfahren, belastet dies die Kinder erheblich. Dieses Phänomen ist eher in Familien, welche von Arbeitslosigkeit betroffen sind, zu beobachten. Die Studie von Hurrelmann, Andresen und Schneekloth von 2011 macht deutlich, dass das Nachgehen einer Erwerbstätigkeit sowie die Zuwendung zu den Kindern in keinem Widerspruch zueinandersteht – sondern im Gegenteil – die Lebensverhältnisse in der Familie stärkt und stabilisiert (vgl. Hurrelmann, Andresen & Schneekloth 2011, S. 226).

5.2.2 Soziale Netzwerke

Soziale Kontakte sind persönliche Ressourcen, da sie vielfältige „Hilfe- und Unterstützungsfunktionen“ (Chassé et. al. 2010, S. 168) übernehmen. Grund hierfür ist, dass soziale Kontakte einen positiven Nutzen für den Einzelnen haben. Kontakte liefern beispielsweise Informationen und „die Möglichkeit des Austausches ähnlicher Gefühle und Erfahrungen“ (Weiss & Strodl 2007, S. 98). Darüber hinaus erfolgen durch den Kontakt mit Gleichaltrigen28 informelle Bildungsprozesse, welche bereits in Kapitel 2.1 beschrieben wurden (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, S. 110). Allgemein lässt sich festhalten, dass die soziale Teilhabe innerhalb der Familie, der Klasse oder eines Freundeskreises deutlich mit dem Wohlbefinden29 von Kindern und Jugendlichen korreliert (vgl. Klocke 2001, S. 307-308). An dieser Stelle ist es von Notwendigkeit, sich der Tatsache bewusst zu werden, dass das Führen einer Freundschaft als Kompetenz bezeichnet werden kann, über welche nicht jeder Mensch verfügt. Das Pflegen einer Freundschaft bedarf grundlegender Fähigkeiten, wie zum Beispiel Empathie, Sensibilität sowie Perspektivübernahme (vgl. Grundmann et. al. 2016, S. 65).

Eben genannte Befähigungen müssen entwickelt werden und sind oftmals „das Produkt familialer Sozialisationsbedingungen“ (Grundmann et. al. 2016, S. 65), da Einflüsse des Elternhauses bei der Ausbildung dieser Fähigkeiten eine Rolle spielen (vgl. Grundmann et. al. 2016, S. 65). Diese Wechselwirkung wurde bereits in Kapitel 5.2.1 dargestellt. Der Mangel an eben erwähnten Fähigkeiten, je nach Sozialisation, konnte auch in Hinblick auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen innerhalb des Klassenverbandes beobachtet werden (vgl. Lampert 2010, S. 241). Laut einer Untersuchung des Deutschen Jugendinstituts besteht ebenfalls ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Freunde und der Wohnqualität der Familie (vgl. Chassé et. al. 2010, S. 176).

5.2.3 Zwischenfazit der sozialen Einflussgrößen

Für die persönliche Entwicklung eines jeden Kindes ist es unabdingbar, dass junge Wesen sowohl für das geistige als auch für das soziale Heranwachsen liebevolle Zuwendung und Akzeptanz durch Erwachsene, insbesondere ihre Sorgeberechtigten, erfahren.

Diese stehen in der Pflicht einen respektvollen Umgang mit den Kindern zu pflegen und sie in unterschiedlichen Bereichen in ihrer Entwicklung anzuregen (vgl. Grundschulverband e.V. 2016, S. 42; Speck-Hamdan 2011, S. 17). Die Basis von alledem ist ein Wohnraum – siehe Kapitel 5.1.2 – in welchem der Einzelne seine Entwicklung entfalten kann. Dafür bedarf es ein entsprechendes Familienklima, um damit das Wohlbefinden des Einzelnen zu fördern. Auf Grundlagen obiger Ausführungen lässt sich an dieser Stelle vermerken, dass ein unverkennbarer Zusammenhang zwischen den sozialen Rahmenbedingungen und der Bildungsbeteiligung von Schülerinnen und Schülern besteht. Außerdem bestehen zwischen den einzelnen Einflüssen Wechselwirkungen, was dazu führt, dass diese sich gegenseitig beeinflussen.

5.3 Kulturelle Einflussgrößen

Gemäß der Menschenrechtskonvention und dem deutschen Grundgesetz – vorangehend in Kapitel eins betrachtet – hat jeder Mensch ein Recht auf Bildung. Außerdem ist es nicht gestattet, dass eine Person aufgrund ihrer Herkunft30 in irgendeiner Form benachteiligt wird. Auf die kulturellen Einflussgrößen bezogen bedeutet dies, dass jedes Individuum die Chance hat, an Bildungsprozessen teilzunehmen, ohne in irgendeiner Form benachteiligt zu werden – ganz gleich wie positiv oder negativ die kulturellen Einflüsse ausgeprägt sind.

Ob, und inwieweit das kulturelle Kapital Einflüsse auf den Erwerb von Bildung hat, wird im folgenden Kapitel erörtert.

5.3.1 Familie als Bildungsort

Die Familie ist einer der wichtigsten Bildungsorte von Heranwachsenden, da dort viele Grundlagen für die weitere Entwicklung des Kindes gelegt werden. Außerdem ist die Familie die längste, gleichbleibende Bildungsinstanz im Leben der Kinder (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, S. 62).31

Die Familie prägt die Entwicklung insofern, als dass Kinder je nach Förderung, Unterstützung sowie Anregungspotentialen durch die Familie unterschiedliche Kompetenzen, Fertigkeiten und Lerndispositionen erlangen.

Diese können dazu führen, dass wichtige Vorkenntnisse für die institutionellen Bildungseinrichtungen, entwickelt werden (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, S.62). Eine emotionale Bindung32 zwischen einem Kind und dessen Eltern – beziehungsweise dessen Sorgeberechtigten – ist Grundvoraussetzung für erfolgreiche familiale Bildungsprozesse (vgl. Böhnisch 2016, S.6). Wie bereits in Kapitel 2.1 betrachtet, lassen sich Bildungserfahrungen durch die Wechselwirkung aus Genetik und Bildungsangeboten innerhalb ihrer Umwelt erklären. Gerade aus diesem Grund sind Anregungen vonseiten der Umwelt – in diesem Abschnitt vor allem die Anreize vonseiten der Familie – für die Entfaltung der angeborenen Fähigkeiten sowie der Aneignung von Kompetenzen entscheidend (vgl. Speck-Hamdan 2011, S.19; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, S. 62). Je nach Qualität der familiären Impulse kann sich der familiäre Habitus entweder positiv oder negativ auf die Bildungserfahrungen der Kinder auswirken (vgl. Lange 2012, S. 228). Diese Meinung teilte Pierre Bourdieu bereits 1992, wie in Kapitel 4.1 erörtert. Die Bildung der Familie ist hauptsächlich von informellen Bildungsprozessen gekennzeichnet, welche bereits in Kapitel 2.1 betrachtet wurden.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage inwieweit die familiäre Lernumwelt (HLE) die Bildungschancen von Schülerinnen und Schülern beeinflusst. Allgemein lässt sich feststellen, dass die HLE einen besonders großen Einfluss auf sprachliche Kompetenzen sowie auf schriftsprachliche Vorläuferfertigkeiten von jungen Wesen im Kindergartenalter hat. Diese Tatsache konnten Frank Niklas und Wolfgang Schneider durch eine Erhebung mittels Fragebögen belegen (vgl. Niklas & Schneider 2010, S. 161). Später wirken sich die Kompetenzen, welche auf die familiäre Lernumwelt im Elternhaus zurückführen sind, positiv auf Schulleistungen aus (vgl. Grundmann et. al. 2016, S. 85). Weitere bildungsförderlichen Aktivitäten, welche durch die Familie erfolgen können, sind regelmäßiges Vorlesen, Beschäftigungstätigkeiten, die sowohl Zahlen sowie Malen, Zeichnen und Basteln umfassen, oder das Erlernen von Liedern, Reimen und Gedichten (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, S. 65).

5.3.2 Bildungs- und Berufsstand der Eltern

Das vorliegende Pfadmodell in Abbildung 3 veranschaulicht den Einfluss des kulturellen Kapitals bis ins mittlere Erwachsenenalter. Es basiert auf der eigenen Berechnung nach der exploratorischen Analyse durch Werner Georg, wobei dieser sich auf die bereits erhobenen Daten einer Befragung von Schülerinnen und Schülern von Fend zwischen 1979 und 1983 stützt (vgl. Georg 2005, S. 190).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Pfadmodell zum Einfluss des kulturellen Kapitals (eigen Darstellung nach Georg 2005, S. 193)

Die Abbildung bildet die Wechselwirkungen zwischen den Einflüssen der Herkunftsfamilie und der Bildungs- und Berufskarriere des Kindes ab (vgl. Georg 2005, S. 192).

Zwischen dem Schulabschluss der Eltern und dem Schulabschluss des Kindes konnte eine Wechselwirkung festgestellt werden, dies bestätigt auch PISA (vgl. Georg 2005, S. 196; OECD 2018, S. 27). Der Bildungsstand der Eltern beeinflusst die kulturellen Aktivitäten und Gespräche mit ihrem Kind.

Diese Gegebenheit korreliert im Vergleich zu der kulturellen Praxis33 des Kindes, nicht mit dem Schulabschluss des Kindes. In dem Pfadmodell wird deutlich, dass die kulturelle Praxis des Kindes in keinerlei Zusammenhang mit dem Bildungsstand der Eltern steht. Die Lesekultur ist die einzige Einflussgröße, welche sehr stark an den Bildungshintergrund der Eltern gekoppelt ist. Man spricht auch von einem Reproduktionseffekt. Außerdem wirkt sich das Leseverhalten am zweitstärksten auf den Schulabschluss des Kindes aus. In dem vorliegenden Pfadmodell wird ersichtlich, dass der erzielte Schulabschluss des Kindes dessen ersten Beruf determiniert.

Der Schulabschluss der Eltern übt weniger Einfluss auf den ersten Beruf, als auf den Schulabschluss des Kindes aus. Die gegenwärtige Beschäftigung des Einzelnen wird am stärksten von dem ersten Beruf determiniert. Wohingegen der Schulabschluss der Eltern keinerlei Einfluss auf den gegenwärtigen Beruf des Kindes hat, übt die Lesekraft des Elternhauses Einfluss aus (vgl. Georg 2005, S. 194). Das Pfadmodell macht demnach ersichtlich, dass sich Einflüsse der Herkunftsfamilie auf die Höhe des Schulabschlusses auswirken (vgl. Georg 2005, S. 195). Im weiteren Verlauf verlieren die Vererbungseffekte an Einfluss und „institutionsinterne Selektionsmechanismen“ (Georg 2005, S. 195) setzen sich durch. An dieser Stelle muss jedoch erwähnt werden, dass die Datenlage nach eigener Angabe von Werner Georg unvollständig war. Demnach ist es fraglich, inwieweit die vorliegenden Befunde aussagekräftig sind (vgl. Georg 2005, S. 192).34

Von besonderer Relevanz für die Bildungslaufbahn der Kinder ist die Anzahl der Bücher im Haushalt der Familie. Dies gilt nach Aussage von Werner Georg als der wichtigste Indikator für Bildung (Vgl. Georg 2006a, S. 137). Diese Angabe wird von der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung ( IGLU) ebenfalls bestätigt.

IGLU wird alle fünf Jahre durchgeführt und liefert Ergebnisse bezüglich des Leseverständnisses, dem Leseverhalten allgemein und den Faktoren, welche Lesekompetenz positiv beeinflussen (vgl. Bos et. al. 2017, S. 20-21). Neben der Anzahl der Bücher ist auch das Leseverhalten der Eltern für die Bildungsbeteiligung ihrer Kinder von großer Bedeutung.

Das Lesen von Unterhaltungsliteratur ist nach Graaf und Graaf ein bedeutender Einflussfaktor für die Bildungschancen der Kinder, wohingegen das Lesen von literarisch anspruchsvollen Werken nicht statistisch signifikant ist (vgl. Graaf & Graaf 2006, S. 162-163). Auch in Hinblick auf Mathematikleistungen von Schülerinnen und Schülern konnte zweifelsfrei belegt werden, dass ein guter Bildungsabschluss der Eltern positive Auswirkungen auf Mathematikleistungen der Kinder zeigt (vgl. Jungbauer-Gans 2006, S.188). Dass die Bildung der Mutter für die Bildungschancen ihrer Kinder von höherer Relevanz ist als der Bildungsgrad des Vaters, ist ebenfalls empirisch fundiert (vgl. Hinz & Groß 2006, S. 216).

5.3.3 Qualität von Bildungseinrichtungen

Durch die Ergebnisse der Kindheitsforschung lässt sich herauskristallisieren, dass sich nicht nur familiäre Einflüsse, sondern auch außerfamiliäre Ressourcen auf die Entwicklung des Kindes auswirken (vgl. Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. 2012, S. 14). Demnach müssen außerfamiliäre Förderinstitutionen wie Kindertagesstätten35 (KiTa) und Schulen sich ihrer immer größer werdenden Verantwortung als Sozialisationsinstanzen bewusst sein (vgl. Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. 2012, S. 13-15). Dass die Institution KiTa sowie die Schule für die Kinder zum einen eine wichtige Bildungsumwelt, zum anderen einen wichtigen Lebensraum darstellt, ergibt sich durch die Gegebenheit, dass die Kinder dort sehr viel Zeit verbringen, insbesondere durch den Ausbau von Ganztagesschulen und die Verlängerung der KiTa Öffnungszeiten (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, S. 39 und 97).

Daraus wird ersichtlich, dass die Bildungs- und Erziehungsinstitutionen in ihren Ansätzen und der Qualität ihrer Arbeit die Kinder fördern sollen, so dass sich die jungen Menschen Schutzfaktoren36 für ihre weitere Entwicklung aneignen, sowie erfolgreiche Bildungsprozesse absolvieren können (vgl. Institut für Sozialpädagogik und soziale Arbeit e.V. 2012, S. 13-15; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, S. 42).

[...]


1 Die Traumberufe werden im Folgenden entgegen ihrer geschlechtsspezifischen alltäglichen Bezeichnung aufgeführt. Sie implizieren sowohl die weibliche als auch die männliche Form.

2 In deutscher Übersetzung bedeutet from rags to riches: vom Tellerwäscher zum Millionär.

3 Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in englischer Originalsprache kann referiert werden in: UNITED NATIONS 1948.

4 Das Vorhandensein eines Indikators impliziert nicht, dass der andere Indikator ebenfalls vorhanden ist. So kann ein Individuum trotz nicht vorhandenem Schulabschluss, ein entsprechendes Maß an kognitiven Kompetenzen aufweisen. Dasselbe gilt auch umgekehrt (vgl. Allmendinger 2013).

5 Ein Curriculum bezeichnet den „Ablauf eines Lehr-/Lernprozesses“ (Tenorth & Tippelt 2012, S.137). Meistens richten Pädagoginnen und Pädagogen in Bildungseinrichtungen ihr Handeln nach dem Curriculum aus (vgl. Tenorth & Tippelt 2012, S. 137). Es dient demnach als Orientierung. Außerdem umfasst ein Curriculum die „Rahmenbedingungen des Lernens“ (Tenorth & Tippelt 2012, S. 138).

6 Basierend auf diversen wissenschaftlichen Quellen bedient sich die Verfasserin der vorliegenden Arbeit hinsichtlich des sozialen Milieus, der Synonyme sozialer Status und Sozialstatus.

7 Die Schichtstruktur in Deutschland orientiert sich an Unter-, Mittel- und Oberschicht (vgl. Hradil 2006).

8 Weiterführende Literatur bezüglich der Definition der EU findet sich in: Destatis. Statistisches Bundesamt 2018.

9 Das Äquivalenzeinkommen ist das Pro-Kopf-Einkommen jedes Haushaltsmitgliedes (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2018).

10 Der Median ist der Mittelwert – nicht der Durchschnittswert – des Einkommens aller Deutschen (vgl. Destatis. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2018).

11 Die Definition des Begriffes armutsgefährdet orientiert sich an dieser Stelle am Ressourcenansatz. Eine Person gilt als armutsgefährdet, insofern der Schwellenwert der Armutsgefährdungsgrenze unterschritten wird.

12 Die Lebenslage beschreibt die Gesamtheit aller äußerer Bedingungen, unter welchen ein Individuum aufwächst, lebt und sich weiterentwickelt (vgl. Engels 2008, S. 643).

13 Um sich über weiterführende Theorien zu informieren, empfiehlt sich Kapitel 3 zu referieren in: Hradil 2005.

14 In dem vorliegenden Kapital kann die Tiefe des Habitusbegriffes, wie ihn beispielsweise Krais und Gebauer betrachten, nicht berücksichtigt werden. Bei Interesse bezüglich dieser Thematik empfiehlt es sich zu referieren in: Krais & Gebauer 2002.

15 Obwohl Bourdieu von Chancengleichheit spricht, ist nach Auffassung der Autorin, der Begriff Chancengerechtigkeit, der bereits in Kapitel 2.2 betrachtet wurde, an dieser Stelle treffender.

16 Die Analyse in diesem Kapitel umfasst die Bildungschancen von Schülerinnen und Schülern bis zum Ende der Sekundarstufe II. Andere Bildungszweige wie beispielsweise die Erwachsenenbildung oder die Bildung an Universität oder Fachhochschule können im Rahmen dieser begrenzten Arbeit nicht beachtet werden.

17 An dieser Stelle der Arbeit ist lediglich die Herkunft des Individuums relevant. Deshalb werden die anderen Faktoren, wie Religion oder Weltanschauung, welche ebenfalls nicht zu einer Form von Benachteiligung führen dürfen, nicht nochmals aufgeführt. Diese wurden bereits in Kapitel eins beleuchtet und können dort nochmals genauer nachgelesen werden.

18 Laut OECD bezeichnet der Bildungsstand den höchsten Abschluss einer Person (vgl. OCED 2018, S. 117).

19 Der verfügbare Wohnraum wird den ökonomischen Einflussgrößen zugeordnet, da er vom ökonomischen Kapital abhängig ist. Eine Zuordnung fiel der Autorin jedoch schwer, da die Wohnqualität hauptsächlich die sozialen Einflüsse auf Bildungsprozesse bedingt.

20 Segregation kann auf Basis von Baum 1998 als Trennung bezeichnet werden (vgl. S. 60-62).

21 Die Thematik der Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit, welche an dieser Stelle interessant wäre, kann im begrenzten Rahmen dieser Bachelorarbeit nicht betrachtet werden. Zur weiterführenden Recherche empfiehlt sich: Lutz 2000; Flick & Röhnsch 2006.

22 An dieser Stelle der Arbeit ist lediglich die Herkunft des Individuums relevant. Deshalb werden die anderen Faktoren, wie Religion oder Weltanschauung, welche ebenfalls nicht zu einer Form von Benachteiligung führen dürfen, nicht nochmals aufgeführt. Diese wurden bereits in Kapitel eins beleuchtet und können dort nochmals genauer nachgelesen werden.

23 Autoritative Erziehung lässt sich durch ein Gleichgewicht von Struktur sowie Wärme beschreiben (vgl. Binz et. al. 2010, S. 286).

24 Die permissive Erziehung ist von einem Übergewicht an Wärme gekennzeichnet. Die Struktur und Kontrolle wird im permissiven Erziehungsstil vernachlässigt (vgl. Binz et. al. 2010, S. 286).

25 Der autoritäre Erziehungsstil umfasst ein Übergewicht an Kontrolle gegenüber dem Kind. Wärme und Unterstützung kommen in geringem Maße vor (vgl. Binz et. al. 2010, S. 286).

26 Vernachlässigende Erziehung ist sowohl von mangelnder Struktur und Kontrolle als auch von Wärme und Unterstützung geprägt (vgl. Binz et. al. 2010, S. 286).

27 Dieser positive Einfluss kann sich auch positiv auf die Resilienz des Einzelnen auswirken. Resilienz beschreibt die „seelische Widerstandsfähigkeit“ des Menschen, welche durch positive Erfahrungen oder Erlebnisse entwickelt wird. Insbesondere in belastenden Lebenssituationen kann die Resilienz für das Wohl des Einzelnen förderlich sein (vgl. Zander 2009, S.9).

28 Der Kontakt mit Gleichaltrigen kann auch mit dem Begriff der Peergruppe umschrieben werden. Peer ist die englische Begrifflichkeit und umfasst Personengruppe von gleichaltrigen als auch gleichrangigen Menschen. Die Kontakte innerhalb der Peergruppe können zu einer Weiterentwicklung von sozialen Fähigkeiten, wie Perspektivübernahme oder Moral, sowie zu einer Förderung von kognitiven Fähigkeiten, führen (vgl. Schrenk 2005, S. 6-9).

29 Die Querschnittsstudie von Lampert zielte auf die Erhebung der Daten bezüglich des Gesundheitsverhalten sowie der Schulbildung der Kinder. Eine Aussage über die Richtung der Zusammenhänge konnte jedoch nicht erfolgen. Lampert vermutet dennoch, dass schulischer Erfolg die Gesundheit eines Menschen verbessern kann. Außerdem kann nach Lampert ein negatives Gesundheitsverhalten die Schulkarriere des Einzelnen verschlechtern (vgl. Lampert 2010, S. 244).

30 An dieser Stelle der Arbeit ist lediglich die Herkunft des Individuums relevant. Deshalb werden die anderen Faktoren, wie Religion oder Weltanschauung, welche ebenfalls nicht zu einer Form von Benachteiligung führen dürfen, nicht nochmals aufgeführt. Diese wurden bereits in Kapitel eins beleuchtet und können dort nochmals genauer nachgelesen werden.

31 Die Familie als Sozialisationsinstanz wurde bereits in Kapitel 5.2.1 als soziale Einflussgröße betrachtet. Hinsichtlich der Aneignung von Bildungsprozessen muss sich die Familie ebenfalls einer besonderen Herausforderung stellen. Aus diesem Grund wird die Familie in diesem Kapitel nochmals untersucht. Dies erfolgt unter kulturellen, anstatt wie in Kapitel 5.2.1 unter sozialen Gesichtspunkten.

32 „Bindung bezeichnet […] den primären, anthropologischen und darin vorsprachlich entwickelten Bedürfnis nach Nähe, Schutz und Geborgenheit“ (Böhnisch 2016, S.6).

33 Unter kultureller Praxis fasst Werner Georg mehrere Faktoren zusammen. Dazu zählen Gespräche über die Weltanschauung wie beispielsweise das Thema der Religionen. Daneben impliziert der Begriff das Malen, Lesen und Musik hören in der Freizeit (vgl. Georg 2005, S. 191-192).

34 Vor allem in Kapitel sechs werden häufig Rückschlüsse auf die Erhebung von Werner Georg gezogen. Die Autorin dieser Arbeit teilt die Annahme, dass die Daten trotz unvollständiger Datenlage, dennoch eine Tendenz abbilden, weshalb die Ergebnisse in dieser Arbeit Verwendung finden.

35 Der Begriff Kindertagesstätte umfasst in dieser Arbeit die Bildungsinstitutionen in den Altersbereichen zwischen null und sechs Jahren.

36 Die positiven Faktoren, welche für die Entfaltung von Resilienz notwendig sind, können auch als Schutzfaktoren bezeichnet werden, da diese ebenfalls das Wohlbefinden des Menschen in schwierigen Lebensphasen fördern können (vgl. Zander 2009, S.9).

Ende der Leseprobe aus 58 Seiten

Details

Titel
Armut verhindert Bildung? Einfluss des sozialen Milieus auf die schulischen Bildungschancen
Hochschule
Pädagogische Hochschule Karlsruhe  (Institut für Transdisziplinäre Sozialwissenschaft)
Veranstaltung
Bildung und soziale Ungleichheit
Note
1,0
Jahr
2019
Seiten
58
Katalognummer
V504868
ISBN (eBook)
9783346046376
ISBN (Buch)
9783346046383
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziologie, Pierre Bourdieu, soziale Ungleichheit, Armut, soziales Milieu, Habitus, Kapitalsorten, Bildung, Bildungschancen, soziale Herkunft, Bildungsteilhabe
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Armut verhindert Bildung? Einfluss des sozialen Milieus auf die schulischen Bildungschancen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/504868

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