Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsdefinitionen
2.1 Schulsozialarbeit
2.2 Transition
2.3 Schuleingangsphase
2.4 Schulfähigkeit
3 Schulsozialarbeit
3.1 Geschichtlicher Hintergrund der Schulsozialarbeit
3.2 Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit
3.2.1 Personelle Rahmenbedingungen
3.2.2 Trägerbezogene Rahmenbedingungen
3.2.3 Finanzielle Rahmenbedingungen
3.2.4 Räumliche Rahmenbedingungen
3.2.5 Materiell-technische und kooperationsbezogene Rahmenbedingungen
3.3 Leitbild und Konzept
3.4 Zielgruppen und Aufgaben der Schulsozialarbeit
3.4.1 Zielgruppen der Schulsozialarbeit
3.4.2 Aufgaben der Schulsozialarbeit
3.5 Zusammenfassung
4 Theoretische Konzepte der Transition
4.1 ökopsychologischer Ansatz
4.2 Stressansatz
4.3 Kritische Lebensereignisse
4.4 Transitionsansatz (nach Niesel und Griebel)
4.4.1 Theoretische Wurzeln des Ansatzes
4.4.2 Ebenen der Entwicklungsaufgaben
4.4.3 Ko-Konstruktion der Transition
4.5 Zusammenfassung
5 Bildungsorte
5.1 Bildungsort Kindergarten
5.2 Bildungsort familiäres Umfeld
5.3 Bildungsort Schule
5.3.1 Schuleingangsphase/flexible Schuleingangsphase
5.3.2 Schulfähigkeit
5.4 Zusammenfassung
6 Die Transitionsbewältigung vom Kindergarten in die Grundschule
6.1 Historischer Hintergrund
6.2 Schulanfang gestalten
6.3 Risiko-und Schutzfaktoren
6.3.1 Personale Schutzfaktoren
6.3.2 Soziale Schutzfaktoren
6.4 Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule
6.5 Erfolgreich bewältigte Übergänge
6.5.1 Kompetenzen
6.6 Nicht erfolgreiche Übergänge
6.7 Zusammenfassung
7 Reflexion/Resümee
I. Quellenverzeichnis I
1 Einleitung
Im Schuljahr 2017/2018 wurden in Deutschland 725.100 Kinder eingeschult. Speziell in Thüringen waren es 18.400 Erstklässler (vgl. statista.com). Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport fördert seit dem Schuljahr 2013/2014 die schulbezogene Jugendsozialarbeit. Hierbei handelt es sich um Angebote in Bezug auf die Problemlagen der Kinder und Jugendlichen innerhalb ihres Lern- und Lebensraumes. Die sozialpädagogischen Angebote unterstützen und ergänzen den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule. Die Schulsozialarbeit ist zum einen ein Teil des Schulentwicklungsprogramms der entsprechenden Schulen. Zum anderen ist es ein Angebot der regionalen öffentlichen Jugendhilfe. Mit diesem Landesprogramm werden bestimmte Ziele verfolgt. Es zielt darauf ab die soziale Integration zu unterstützen und hilft beim Abbau von Bildungsbenachteiligungen. Weiterhin wird die Förderung zum Erwerb von Sozial- und Selbstkompetenzen angestrebt, welche zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen. Die schulbezogene Sozialarbeit stellt Beratungsangebote für Personensorgeberechtigte und für Personen, die im Schulalltag tätig sind, zur Verfügung (vgl. thueringen.de). Im Jahr 2014 wurde die Finanzierung der Schulsozialarbeit vorrangig durch ein Landesprogramm und kommunale finanzielle Mittel gesichert. In diesem Jahr wurden dem Landeshaushalt 10 Millionen Euro für die Schaffung von Arbeitsplätzen der schulbezogenen Sozialarbeit zur Verfügung gestellt (vgl. Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag 2016, S. 17). Das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit und das Organisationsberatungsinstitut Thüringen (ORBIT) führten im Jahr 2014 eine Bestandsanalyse im Hinblick auf die schulbezogene Sozialarbeit durch. Hierzu wurden SchulsozialarbeiterInnen und SchulleiterInnen befragt. Diese Untersuchung ergab, dass eine deutliche Mehrheit der ausgebildeten Fachkräfte (insgesamt 57,2%) an Regelschulen tätig ist. An Thüringer Grundschulen hingegen arbeiten lediglich 13,1% und in Förderzentren nur 3,8%. Weitere Ergebnisse zeigten die Tätigkeit der SozialarbeiterInnen in den vier verschiedenen Thüringer Planungsregionen. Die Regionen umfassen Nord-, Mittel-, Ost- und Südwestthüringen. Demnach arbeiten die meisten Fachkräfte an Schulen in Mittelthüringen. In Nordthüringen hingegen sind laut der Studie 79,4% der SchulsozialarbeiterInnen an Regelschulen, 11,8% an Berufsbildungszentren, 5,9% an Gemeinschaftsschulen und 2,9% an Gymnasien tätig. An Grundschulen in Nordthüringen gibt es gemäß dieser Umfrage keine schulbezogenen Sozialarbeitenden (vgl. thueringen.de).
Hierbei stellt sich folgende zentrale Forschungsfrage, die in dieser schriftlichen Ausarbeitung bearbeitet werden soll. „Ist es notwendig SozialarbeiterInnen an einer Grundschule zu beschäftigen, um Kinder während der Transition vom Kindergarten in die Schuleingangsphase bestmöglich zu begleiten und bei der Bewältigung zu unterstützen?“. Mit dieser Arbeit soll auf die mögliche Notwendigkeit von Sozialarbeitenden hingewiesen werden, mit dem Ziel die Kinder und ihre Familien während der Transition vom Kindergarten in die Grundschule pädagogisch bestmöglich zu begleiten. Die Thematik der Transition lässt sich bis in das 19. Jahrhundert zurückführen. Dieser Themenbereich ist bisher noch kaum empirisch erforscht. Daher wird die Beantwortung der Frage mit Hilfe einer genauen und komplexen Literaturrecherche erfolgen. Im Verlauf dieser Arbeit wird auf folgende Gliederungspunkte eingegangen. Zu Beginn der Arbeit wird ein Überblick über die grundlegenden fachlichen Begrifflichkeiten gegeben. Daraufhin wird ein Einblick in das Arbeitsfeld der Schulsozialarbeit gegeben. Dieser Einblick reicht von dem geschichtlichen Hintergrund und den Rahmenbedingungen über das Leitbild und Konzept bis hin zu den Zielgruppen und Aufgaben der schulbezogenen Sozialarbeit. Im Anschluss werden verschiedene theoretische Konzepte der Transition beschrieben, die als Grundlage für den Transitionsansatz von W. Griebel und R. Niesel dienen. Nachfolgend werden die verschiedenen Bildungsorte dargestellt. Einen großen Teil der schriftlichen Arbeit nimmt die Transitionsbewältigung vom Kindergarten in die Grundschule ein. Dieser Punkt umfasst verschiedene Unterpunkte, die sowohl eine positive als auch eine negative Auswirkung auf den Bewältigungsprozess haben können. Beispielsweise wird auf die Gestaltung des Schulanfangs, auf die Risiko- und Schutzfaktoren in Bezug auf die Bewältigung sowie auf die Kooperation zwischen Kindergarten und der Grundschule eingegangen. Zum Abschluss erfolgt das Fazit, welches die Beantwortung der Forschungsfrage einschließt. Am Ende eines jeden Gesamtgliederungspunktes wird eine kurze Zusammenfassung vorgenommen.
2 Begriffsdefinitionen
2.1 Schulsozialarbeit
Die Schulsozialarbeit richtet sich nach sozialer Gerechtigkeit und dem Schutz vor Diskriminierung. Weiterhin zielt die Schulsozialarbeit darauf ab die soziale und individuelle Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und Problemlösungsstrategien zu vermitteln. Ein weiterer Fokus wird auf die Unterstützung bzw. Begleitung in Konflikt- und Krisensituationen gelegt. In dem schulsozialpädagogischen Feld wird die Rechtsgrundlage des SGB VIII besonders berücksichtig (vgl. Just 2013, S. 17).
Die Schulsozialarbeit ist das Bindeglied zwischen sozialpädagogischen Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe und den Lern- und Bildungsanforderungen der Schule (vgl. Mulot/Schmitt 2011, S. 739). Die schulbezogene Sozialarbeit orientiert sich an niederschwelligen, präventiven und intervenierenden Angeboten (vgl. Thole/Höblich 2015, S. 259 / Speck 2014, S. 37f.). Es werden ,,Methoden und Grundsätze der Sozialen Arbeit in das System Schule“ integriert (Thole/Höblich 2015, S. 259). Nach Müller ist die schulsozialpädagogische Begleitung ,,eine Betrachtungsweise, wonach sozialpädagogisches Handeln bewusste Perspektivwechsel zwischen unterschiedlichen Bezugsrahmen erfordert“ (Müller 1993, S.15). Der Begriff ,,Schulsozialarbeit“ zeigt deutlich die gemeinsame Verantwortung von Sozialer Arbeit und Schule auf (vgl. Speck 2014, S. 37f.). Aus aktueller Sicht kann folgendes zusammengefasst werden. Unter dem Begriff der ,,Schulsozialarbeit wird ein Angebot der Jugendhilfe verstanden, bei dem sozialpädagogische Fachkräfte kontinuierlich am Ort Schule tätig sind und mit Lehrkräften auf einer verbindlich vereinbarten und gleichberechtigten Basis zusammenarbeiten, um junge Menschen in ihrer individuellen, sozialen, schulischen und beruflichen Entwicklung zu fördern“ (Speck 2014, S.44). Die schulbezogene Sozialarbeit strebt die Vermeidung und den Abbau von Bildungsbenachteiligungen an. Weiterhin übernimmt das Arbeitsfeld eine beratende Funktion, denn die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten und LehrerInnen sollen bei der Erziehung beraten und unterstützt werden. Die Beteiligten werden über den Kinder- und Jugendschutz aufgeklärt. Es soll eine schülerfreundliche Umwelt erschaffen werden (vgl. Speck 2014, S.44).
2.2 Transition
Der Begriff ,,Transition“ stammt ursprünglich von dem lateinischen Wort ,,transitus“ ab und bedeutet ,,Übergang“. ,,Als Transition werden komplexe, ineinander übergehende und sich überblendende Wandlungsprozesse bezeichnet, wenn Lebenszusammenhänge eine massive Umstrukturierung erfahren – ein Kind z.B. vom Kindergartenkind zum Schulkind wird.“ (Griebel/Niesel 2004, S. 35). Es sind somit Wendepunkte im Lebenslauf eines Individuums. Transitionen sind Lebensereignisse, die die Bewältigung von Diskontinuitäten auf mehreren Ebenen erfordern, Prozesse beschleunigen, intensiviertes Lernen anregen und als bedeutsame biografische Erfahrungen von Wandel in der Identitätsentwicklung wahrgenommen werden“ (Griebel/Niesel 2011, S. 37f.). Weiterhin werden Transitionen als bedeutende Übergänge im Leben eines Menschen beschrieben, die bewältigt werden müssen. Innerhalb solcher Phasen finden in relativ kurzer Zeit wichtige Veränderungen statt (vgl. herder.de). In einem menschlichen Lebenslauf sind Übergänge ein fester Bestandteil. Sie kennzeichnen den Wechsel von einer Lebensphase in die nächste und sind somit auch immer als Grenze eines Bereichs zu verstehen (vgl. Speck-Hamdan 2006, S. 20). Es ist ein prozessuales Geschehen und beginnt lange Zeit vor der Einschulung. Die Dauer dieser Phase ist individuell sehr unterschiedlich (vgl. Reichmann 2010, S. 13). Durch die Anpassung an eine neue Situation sind die Kinder unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt. Der Übergang wird als kritisches Lebensereignis betrachtet und hat eine starke Auswirkung auf die kindliche Identität (vgl. herder.de / thueringen.de).
2.3 Schuleingangsphase
Die Schuleingangsphase ist eine bildungspolitische Maßnahme zur Strukturierung der Übergangsphase (vgl. Cloos, P./Oehlmann, S./Sitter, M. 2013, S.554).Als Schuleingangsphase wird der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule bezeichnet. In den jahrgangsübergreifenden Klassen werden den Kindern Kenntnisse näher gebracht, die für die ersten zwei Klassenjahre wichtig sind. In dieser Phase ,,können Kinder ein bis drei Jahre verbleiben und nach individuell gestalteten Prozessen innerhalb eines Klassenverbandes lernen“ (vgl. Mulot/Schmitt 2011, S. 734).
2.4 Schulfähigkeit
In den letzten Jahrhunderten war der Begriff ,,Schulreife“ weit verbreitet. Es wurde davon ausgegangen, dass das Kind ausschließlich aufgrund biologischer Vorgänge, reif für die Schule sei. Aus Untersuchungen ergab sich jedoch die Erkenntnis, dass Umwelteinflüsse von größerer Bedeutung für den Kompetenzerwerb als biologische Reifeprozesse sind. Hierzu zählen zum Beispiel die Lernmöglichkeiten in den Kindertageseinrichtungen und in den Familien. Daher wurde der Begriff ,,Schulreife“ durch den Begriff ,,Schulfähigkeit“ ersetzt (vgl. familienhandbuch.de). Allerdings gibt es bis heute keine einheitliche Definition. Im Allgemeinen wird unter ,,Schulfähigkeit“ das ,,Zusammenwirken von persönlichen Voraussetzungen und Vorerfahrungen mit den jeweiligen schulischen Bedingungen und Anforderungen“ verstanden (Weigert/Weigert 1992, S.22). Das heißt, dass die Kompetenzen des Kindes mit den Ansprüchen der Schule übereinstimmen (vgl. familienhandbuch.de). Horst Nickel bezeichnet die Schulreife als ,,Wechselwirkungen zwischen schulischen Anforderungen einerseits und individuellen Lernvoraussetzungen andererseits“ (Nickel/Schmidt-Denter 1995, S. 227). Der Begriff Schulreife wird von Nickel weiterhin verwendet, bezieht sich jedoch nicht auf das traditionelle Schulreifekonzept (vgl. Topsch 2004, S. 49). Schulfähigkeit wird von Kammermeyer ,,als zweiseitige Zielkategorie von Frühpädagogik und Grundschule“ formuliert. Es ist ,,nicht mehr als ein Selektionsbegriff, sondern vielmehr als eine Entwicklungskategorie zu verstehen…“ (Schneider 2013, S. 203). Die Schulfähigkeit ist keine Voraussetzung mehr für die eine Schuleinführung, da die Fähigkeit erst in der Schuleingangsphase vom Kind selbst entwickelt wird (vgl. Topsch 2004, S. 58).
3 Schulsozialarbeit
Die Schule wird als ein Subsystem beschrieben, welches in Verbindung mit anderen Subsystemen, z.B. dem politischem System, dem Freizeitsystem, dem Wirtschafts- oder Beschäftigungssystem steht (vgl. Wiater, W. 2009, S. 66). Die Schulsozialarbeit orientiert sich an der Sozialen Arbeit und deren Handlungsoptionen. Die Methoden der Sozialen Arbeit umfassen zum Beispiel die soziale Einzelfallhilfe, die Gruppen- und Gemeinwesenarbeit, die multiperspektivische Fallarbeit oder die sozialpädagogische Begleitung. In der Schulsozialarbeit besteht die Hauptaufgabe in der Beratung von SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen. Eine konkrete Beratungsmethode existiert allerdings nicht (vgl. Just 2017, S. 20).
3.1 Geschichtlicher Hintergrund der Schulsozialarbeit
Der moderne gesellschaftliche Wandel benötigt für die Bewältigung des Lebensalltags beständige Sozial- und Lebensräume. Es entsteht ein Interventionsbedarf. Die benachteiligten Lebenssituationen der Kinder und Jugendlichen, zum Beispiel durch Armut der Eltern oder durch Vernachlässigung, sollen erfasst und kompensiert werden. Aufgrund der belasteten und sich verändernden Kinder- und Jugendphase entwickelte sich in den 70er Jahren ein Arbeitsfeld in dem grundlegende sozialpädagogische Aufgaben im Mittelpunkt standen. Es handelte sich um einen Arbeitsbereich , der eine vermittelnde Funktion zwischen der Erziehungshilfe und der Schule ausübt (vgl. Mulot/Schmitt 2011, S.739). Zu den historischen Vorläufern der Schulsozialarbeit zählen insbesondere ,,die Armen- und Industrieschulen (im 18.Jh.), die Schulkinderfürsorge (ab 1870), die Schulpflege (ab 1907), die reformpädagogischen Ansätze einer sozialpädagogischen Schule (in der Weimarer Republik) und die Hamburger Schülerhilfe (in den 1930er Jahren). Kritiker hingegen teilen diese Auffassung nicht. Schule und Sozialpädagogik haben sich in ihren Augen historisch getrennt voneinander entwickelt. Sie sind der Überzeugung, dass die höhere Bildung die vorrangige Aufgabe des Schulwesens gewesen sei und es nicht für die Erziehungsfürsorge zuständig war. Unabhängig aller kritischen Meinungen war die Zusammenarbeit von Sozialpädagogik und Schule bis Anfang der 70er Jahre kein relevantes Thema innerhalb des Schul- und Jugenshilfebereiches. Aufgrund von Bildungsreformdebatten Ende der 60er Jahre, in denen es um den steigenden Betreuungsaufwand im Freizeitbereich und um die aufsteigenden Probleme und Verhaltensauffälligkeiten der SchülerInnen geht, erfolgte eine zügige Etablierung der Schulsozialarbeit. Diese diente jedoch der Absicherung des Schulbetriebes (vgl. Speck 2014, S.11f.). In den 80er Jahren wurde der Begriff ,,Schulsozialarbeit“ eingeführt. Unter dieser Bezeichnung wurden alle Kooperationsformen von Jugendhilfe und Schule zusammengefasst. Seit den 90er Jahren wurde die Schulsozialarbeit deutlich ausgebaut. Hierfür gab es zwei ausschlaggebende Gründe. Einerseits entwickelte sich das Problembewusstsein und Aufgabenverständnis in der Schule und in der Jugendhilfe. Andererseits wurde versucht die ungünstigen Folgen des Veränderungsprozesses ,,für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu kompensieren sowie Belastungen und Probleme zu verringern“ ( Speck 2014, S. 13). Im historischen Kontext betrachtet wurde die Schulsozialarbeit Anfang der 70er Jahre von Abels wie folgt definiert ,,Die Schulsozialarbeit kann die Defizite unseres Schulsystems ausgleichen helfen. Vor allem aber ist sie der Beitrag, den die Schule als Kompensationshilfe für die Jugendlichen leisten muss, die […] den sich immer rascher differenzierenden und komplizierenden Anforderungen und Möglichkeiten der Industriegesellschaft nicht gerecht werden“ (Speck 2014, S.37f.). Zu dieser Zeit richtete sich die schulische Sozialarbeit an den Zielvorstellungen der Bildungsreform aus (vgl. Speck 2014, S.44). Die Schulsozialarbeit ist bis heute auf der Suche nach ,,einer eigenständigen Funktion und einem eindeutigen Profil“ (Just 2017, S.19). Die Schule hingegen verfügt über einen präzisen Status. Beide Systeme sind geprägt von verschiedenen Wahrnehmungen sowie Beziehungsdynamiken. Ein hoher Anspruch an die schulische Sozialarbeit ist es, diese Profile miteinander zu verknüpfen. Für die Handlungsebene bedeutet das über fachliche Kenntnisse in zwei differenzierten Lernfeldern und Theorien zu verfügen (vgl. Just 2017, S.19).
3.2 Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit
In der Schulsozialarbeit sind bestimmte Rahmenbedingungen für die professionelle Umsetzung notwendig. Zu diesen Voraussetzungen zählen die personellen, die trägerbezogenen, die finanziellen, die räumlichen, die materiell-technischen und die kooperationsbezogenen Rahmenbedingungen.
3.2.1 Personelle Rahmenbedingungen
An die personellen Bedingungen werden bestimmte Anforderungen gestellt. Um in der Schulsozialarbeit tätig zu sein, ist ein sozialpädagogisches Studium notwendig. Eine ErzieherInnenausbildung ist für diesen Berufszweig aufgrund der signifikanten Anforderungen nicht ausreichend. Die SchulsozialarbeiterInnen sollten grundlegende Kenntnisse zum Schulsystem mitbringen. Ein sozialpädagogisches Berufsverständnis und ein großes Methodenrepertoire sind empfehlenswert. Weiterhin sind die inner- und außerschulische Kooperationsbereitschaft und die Fähigkeit des Perspektivwechsels unerlässlich. Die Beständigkeit der personellen Besetzung ist von größter Bedeutung, um eine stabile Kooperationsbasis zu schaffen, um Mitarbeitern eine personelle Sicherheit zu gewährleisten und um Beziehungsabbrüche zu vermeiden (vgl. Speck 2014, S. 95ff.).
3.2.2 Trägerbezogene Rahmenbedingungen
In den 2010er Jahren wurde in der Fachdebatte stark diskutiert, welches das bestmöglichste Trägermodell für die schulbezogenen Sozialarbeit ist. Zu den Trägermodellen zählen der schulische Träger, die örtlichen Jugendämter und die freien Träger der Jugendhilfe. Die Antwort dieser Debatte hat entscheidenden Einfluss auf die Verantwortlichkeit der Finanzierung, auf die konzeptionelle Ausrichtung und Gestaltung, auf die Gestaltungsspielräume der Fachkräfte und deren Einbindung in die Strukturen der Schule und Jugendhilfe. Unabhängig von den einzelnen Modellen sind die Kompetenzen der jeweiligen Träger ausschlaggebend. Die Träger müssen über fachliche Kompetenzen verfügen, um ein umfassendes und zuverlässiges Konzept entwickeln zu können. Des Weiteren sollten die Träger so kompetent sein, um die schulbezogene Sozialarbeit in den Schulen zu installieren und um eine umfassende Betreuung der pädagogischen Fachkräfte gewährleisten zu können. Weiterhin ist es empfehlenswert, dass die Träger der Schulsozialarbeit über sozialpädagogische Kompetenzen und Erfahrungen verfügen sowie über zeitliche und personelle Ressourcen (vgl. Speck 2014, S. 100ff.).
3.2.3 Finanzielle Rahmenbedingungen
Die Projekte innerhalb der Schulsozialarbeit sind abhängig von den finanziellen Rahmenbedingungen. Diese sind allerdings oftmals eher unzureichend. Es fallen umfangreiche Kosten an, die im Förderungsplan der Jugendhilfe kaum berücksichtigt werden. Die nicht berücksichtigten Kosten umfassen beispielsweise Verwaltungskosten, laufende Sachkosten, Supervisions- und Fortbildungskosten. Frühzeitige Absprachen zwischen der Schule und der Jugendhilfe über die finanzielle Förderung der schulbezogenen Sozialarbeit sind hierbei unumgänglich. Wichtig ist auch die Schulsozialarbeit in den jeweiligen Haushaltsplan der verschiedenen Institutionen zu verankern. Eine langfristig abgesicherte Finanzierungsgrundlage ist unabdingbar für die Netzwerkarbeit, die Motivation der sozialpädagogischen Fachkräfte und für den Aufbau von Beziehungen (vgl. Speck 2014, S.103ff.)!
3.2.4 Räumliche Rahmenbedingungen
Für die Durchführung schulbezogener Sozialarbeit werden geeignete Räumlichkeiten benötigt. Unter anderem zählen hierzu ,,ein eigenes und abschließbares Büro, ein ruhiger Raum für vertrauliche Beziehungsgespräche sowie ein Gruppenraum, in dem offene Angebote und die sozialpädagogische Gruppen- und Projektarbeit durchgeführt werden können“ (Speck 2014, S.106). Die Räume, wie Klassenräume, Werkräume oder die Turnhalle, sollten für die SchulsozialarbeiterInnen mitnutzbar sein. Die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten sollten sich aufgrund des niederschwelligen Zugangs zentral in der Schule befinden und ohne exakte Anforderungen aufzufinden sein. Trotz des niederschwelligen Zugangs muss die Sicherheit der Anonymität gewährt werden. In der schulfreien Zeit (vor und nach dem Unterricht, in den Ferien) können schulsozialarbeiterische Angebote stattfinden und der Zugang hierzu muss gewährleistet sein. Die Räumlichkeiten können von den Fachkräften eigenverantwortlich genutzt und dementsprechend umgestaltet werden (vgl. Speck 2014, S.105f.).
3.2.5 Materiell-technische und kooperationsbezogene Rahmenbedingungen
Die materiell-technischen Rahmenbedingungen knüpfen eng an die finanziellen und räumlichen Bedingungen an. Jeder Räumlichkeit werden andere Kriterien zugeordnet. Beispielsweise sollte ein Büro für administrative Tätigkeiten, die Öffentlichkeitsarbeit u.ä. zur Verfügung stehen. Im Beratungsraum ist angedacht vertrauliche Gespräche in entspannter Atmosphäre zu führen, daher ist es empfehlenswert diesen auch so auszustatten. Der Gruppenraum hingegen sollte ausreichend Platz für 20 bis 25 SchülerInnen aufweisen. Die Grundausstattung dieses Raumes beinhaltet unter anderem methodische Arbeitsmaterialien und altersangemessene Spiel- und Beschäftigungsmaterialien (vgl. Speck 2014, S.107). Für die Schulsozialarbeit sind die kooperationsbezogenen Rahmenbedingungen unerlässlich, da die Zusammenarbeit zwischen den Trägern (Jugendhilfe und Schule) beziehungsweise zwischen den Fachkräften (LehrerInnen und SchulsozialarbeiterInnen) eine konfliktanfällige Schnittstelle darstellt. Zu der Kooperation zählen unterschiedliche Akteure mit verschiedenen Zuständigkeitsbereichen. Die Akteure sind die LehrerInnen, die SchulsozialarbeiterInnen, die Schule, der Schulträger, der Jugendhilfeträger sowie die Jugend- und Bildungspolitik (vgl. Speck 2014, S. 108).
3.3 Leitbild und Konzept
Das Leitbild und das Konzept der Schulsozialarbeit sind eng miteinander verbunden. Das Leitbild umfasst die Grundsätze, die Kultur und die Zielvorstellungen der schulsozialpädagogischen Beratung und Begleitung. Kinder und Jugendliche haben das Recht auf eine individuelle Entwicklung und Entfaltung. Bei schulischen, familiären oder soziokulturellen Differenzen gelangen die Betroffenen häufig an ihre Grenzen der Belastbarkeit. Daher ist eine professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung für alle SchülerInnen unabdingbar. Die Angebote sind ausgerichtet an den Leitlinien, Grundsätzen und Zielen der Jugendhilfe und der Schule (vgl. Just 2013, S.35). Der Schulsozialarbeitende sollte über ein multiprofessionelles Wissen verfügen, da nur so eine institutionelle Beratung und umfassende Begleitung ermöglicht werden kann (vgl. Müller 1993, S.25f.). Das Konzept hingegen beinhaltet die Vorstellungen und Handlungsstrategien. Die schulsozialpädagogsiche Beratung und Begleitung zielt unter anderem auf die positive Begleitung der Betroffenen ab, um eigene Lösungswege zu finden. Hierbei soll die Person befähigt werden intra- und interpersonelle Problemsituationen1 erfolgreich zu bewältigen und ihre Leistungsbereitschaft und -fähigkeit wieder zu erlangen. Weiterhin sollen die Verhaltensauffälligkeiten reduziert werden und die Handlungskompetenzen in Konfliktsituationen erhöht werden. Die schulbezogene Sozialarbeit schafft Entlastung des Lehrpersonals bei der Bewältigung kritischer Situationen. Das Eingreifen in Notsituationen, zum Beispiel bei einem Verdacht der Kindeswohlgefährdung, ist eine sofortige Maßnahme der Schulsozialarbeit. Weitere Ziele sind der Erwerb sozialer Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen und die Reduzierung des sozialen Anpassungsdrucks. Die Schulsozialarbeit weist ein umfangreiches Leistungsangebot auf und beinhaltet verschiedene Präventions- und Interventionsmaßnahmen. Die Angebote richten sich an die Schule, die SchülerInnen und die LehrerInnen mit ihren individuellen Belangen aufgrund von Belastungs- und Problemsituationen. Die Angebote beschreiben Leistungen wie Einzelfall-, Eltern- und Familienberatung, Gruppenberatung, soziales Training, Suchtprävention, Streitschlichterausbildung, Achtsamkeits- und Wertschätzungstraining, Anti-Mobbing-Training und ähnliches. Beispielsweise richtet sich die Eltern- und Familienberatung an SchülerInnen und deren Eltern in Konflikt-und Krisensituationen. Es können sowohl schulische als auch außerschulische Differenzen besprochen werden. Hierbei stehen die systematische Familienberatung und die Hilfe zur Selbsthilfe im Fokus. Das soziale Training ist ein Leistungsangebot für Schulklassen. Dieses kommt meist in herausfordernden Situationen zum Einsatz, z.B. bei Ausgrenzung oder auffälligem Verhalten. Es dient auch als externe Unterstützungsmöglichkeit für LehrerInnen und SchülerInnen. Ziel ist es, dass die Beteiligten den sozialen Umgang innerhalb der Gruppe erkennen und reflektieren und welche Verbesserungsmöglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen (vgl. Just 2017, S.20 / Just 2013, S. 43).
3.4 Zielgruppen und Aufgaben der Schulsozialarbeit
3.4.1 Zielgruppen der Schulsozialarbeit
In der Sozialen Arbeit gelten die Menschen als Zielgruppe, die auf Unterstützung angewiesen sind. In der Fachliteratur werden sie häufig als ,,hilfebedürftig“ beschrieben. In der Schulsozialarbeit hingegen ist die Zielgruppe auf die schulischen Beteiligten begrenzt. LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen aller Schulformen, die sich in Belastungs- und Problemsituationen befinden, haben einen Anspruch auf die Angebote der schulbezogenen Sozialarbeit. Ziel ist es sie bei ihren individuellen Belangen professionell zu unterstützen (vgl. Just 2017, S. 20).
3.4.2 Aufgaben der Schulsozialarbeit
Es werden intervenierende und präventive Angebote zur Verfügung gestellt. Bei Kindern und Jugendlichen wird ein großes Augenmerk auf niederschwellige Angebote und attraktive Kontakt-, Gesprächs- und Freizeitangebote gelegt. Innerhalb dieser Zielgruppe stehen die Förderung sozialer Kompetenzen und eine gelingende Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung im Mittelpunkt. Des Weiteren sollen während akuter Konflikte die schulische und außerschulische Lebensbewältigung der Kinder gefördert werden. Bei der kooperativen Zusammenarbeit ist es wichtig das Vertrauensverhältnis zu den SchülerInnen zu wahren ( vgl. Speck 2014, S.65). Die Zielgruppe der Lehrkräfte soll über geeignete schulbezogene Unterstützungsmöglichkeiten informiert und in gemeinsame Projekte einbezogen werden. Die Schulsozialarbeit zielt darauf ab die LehrerInnen für die kindliche Lebenswelt zu sensibilisieren sowie das in Kenntnis setzen über konkrete Unterstützungsangebote vor Ort. Die Schulsozialarbeit verfügt über eine vermittelnde und beratende Funktion zwischen Lehrenden und SchülerInnen (vgl. Speck 2014, S.65f.). Eine gelingende Unterstützung der SchülerInnen ist meist nur erfolgreich, wenn die Erziehungsberechtigten als wichtige Bezugsperson verstanden werden und in die pädagogische Arbeit involviert werden. Die Erziehungsberechtigten sollen über regionale Hilfsangebote sowie soziale Einrichtungen in Kenntnis gesetzt werden. Weiterhin ist es wichtig sie im Hinblick auf Fragen im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes zu beraten und ihnen Unterstützung bei schulischen Konflikten, beispielsweise zwischen ihrem Kind und den Lehrenden, anzubieten (vgl. Speck 2014, S.66). Die Aufgabe der Schulsozialarbeit umfasst die Aufarbeitung sozialer Problemlagen von Kindern und Jugendlichen. Diese Problemlagen entstehen im Spannungsfeld zwischen Schule, d Familie und dem sozialen Erfahrungsraum. Hierfür werden vorbeugende Ansätze der Jugendhilfe, zum Beispiel die Einzelfallhilfe und der sozialen Gruppenarbeit in der Schule verankert. Konfliktsituationen rücken verstärkt in den Mittelpunkt der Aufarbeitung und Prävention. Dabei stehen die Grundlagen des sozialen Lernens im Fokus der sozialpädagogischen Arbeit (vgl. Mulot/Schmitt 2011, S. 739).
[...]
1 Intrapersonelle Problemsituation: Ein Konflikt der innerhalb einer Person stattfindet (vgl. duden.de)
Interpersonelle Problemsituation: Eine Konfliktsituation an der mindestens zwei Personen beteiligt sind (vgl. duden.de)