Was hilft gegen den Fachkräftemangel in der Altenpflege? Ursachen und Maßnahmen gegen das schlechte Image der Pflegebranche


Livre Spécialisé, 2020

74 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Pflegebedürftigkeit in Deutschland
2.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen
2.2 Entwicklung der Anzahl von Pflegebedürftigen

3 Personalentwicklung in der Altenpflege
3.1 Zahl der Absolventinnen und Absolventen der Altenpflegeausbildung

4 Ursachen für den Fachkräftemangel in der Altenpflege
4.1 Berufsbild und Image
4.2 Auswirkungen der Ökonomisierung des Pflegemarktes
4.3 Arbeits- und Rahmenbedingungen in der Altenpflege
4.4 Folgen der Arbeitssituation der Altenpflegekräfte
4.5 Demographische Entwicklung in Deutschland

5 Maßnahmen um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken
5.1 Allgemeine Ansätze gegen den Fachkräftemangel
5.2 Maßnahmen speziell gegen den Fachkräftemangel in der Altenpflege

6 Schluss

Literaturverzeichnis

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum:

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Abstract

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem komplexen Thema des Fachkräftemangels im Bereich der Altenpflege in Deutschland. Zu Beginn wird ein Überblick über die sich ändernde Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland sowie der Personalentwicklung in der Altenpflege, gegeben. Aus der festzustellenden Diskrepanz zwischen der Anzahl der Pflegebedürftigen und den vorhandenen Altenpflegekräften lässt sich ein Fachkräftemangel in der Altenpflegebranche ableiten. Zahlreichen Prognosen zufolge wird sich dieser in Zukunft weiter verschärfen. Als zentrales Thema der Arbeit wird im vierten Kapitel der Frage nachgegangen, welche Ursachen konkret dieses Missverhältnis zwischen der Anzahl von Pflegepersonal und den zu Pflegenden bedingen. Beispielsweise ziehen das schlechte Image des Altenpflegeberufes sowie unzureichende Arbeits- und Rahmenbedingungen der Pflegearbeit, Folgen wie den Berufsausstieg von Pflegekräften oder der Abwanderung von Fachpersonal ins Ausland nach sich. Die demographische Entwicklung Deutschlands begünstigt den Fachkräftemangel zusätzlich. Abschließend wird eine Auswahl an allgemeinen und speziellen Maßnahmen vorgestellt, mit welchen dem Fachkräftemangel begegnet werden kann.

Die Arbeit wurde auf Grundlage von Recherche und Auswertung geeigneter Fachliteratur erstellt. Die aktuelle Relevanz des Themas ist insofern gegeben, als dass der sich zuspitzende Fachkräftemangel in der Pflegebranche eine schnelle Intervention, durch geeignete Maßnahmen fordert, um dem vorherrschenden Notstand entgegenwirken zu können. Dazu ist es notwendig im Vorfeld entsprechende Ursachen für den Mangel an Fachkräften herauszuarbeiten, um zielführende Maßnahmen ableiten zu können.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entwicklung der Altersverteilung in Deutschland

Abbildung 2: Entwicklung der Anzahl von Pflegebedürftigen in Deutschland

Abbildung 3: Absolventinnen und Absolventen der Altenpflegeausbildung

Abbildung 4: Notwendige Absolventinnen und Absolventen der Altenpflegeausbildung zum Ausgleich der Fachkräftelücke

Abbildung 5: Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten in der Altenpflege, Anzahl der Befragten Personen: 603

Abbildung 6: Gender Pay Gap im Pflegeberuf

Abbildung 7: Bruttomonatsgehälter von Pflegeberufen, in Euro

Abbildung 8: Unterschiede des Monatsbruttogehalts von Pflegeberufen, in Euro

Abbildung 9: Tarifbindung nach Pflegeberuf, in Prozent

Abbildung 10: befristete Beschäftigungsverhältnisse verschiedener Pflegeberufe, in Prozent

Abbildung 11: Darstellung der Arbeitszufriedenheit anhand verschiedener Aspekte

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Ich liebe meinen Beruf!“

„…aber unter diesen Bedingungen habe ich keine Lust mehr zu pflegen.“

(Jansen, 2011, S. 62)

Diese Art ‚Liebes‘-Bekenntnisse dem Pflegeberuf gegenüber, relativiert durch das Wörtchen ‚aber’, bekommt man zunehmend von den Angehörigen des Berufsfeldes der Pflege zu hören (vgl. Jansen, 2011, S. 62).

Als zentrale Motive für die Berufswahl bei Pflegekräften gelten die gesellschaftlichen Leitbilder der Pflege – nämlich der Wunsch zu helfen sowie der Wunsch mit Menschen zu arbeiten (vgl. Dunkel, 2005 zitiert nach Marrs, 2007, S. 504). Häufig stimmt jedoch das in der Ausbildung gewonnene Bild des Pflegeberufes nicht mit den tatsächlich herrschenden Bedingungen in der Pflegearbeit überein. Dies bewegt vor allem jüngere Fachkräfte zum vorzeitigen Berufssaustieg. Aufgrund der hohen Berufsabbruchrate der Beschäftigten im Pflegebereich, liegt die durchschnittliche Berufsverweildauer von Pflegekräften bei lediglich 8,4 Jahren (vgl. Hackmann, 2009, S. 19 f.).

Der Verschiebung der Altersstruktur in Deutschland geschuldet, hin zu einer immer älter werdenden Bevölkerung (vgl. Lehr, 2007, S. 3), erhöht sich in Zukunft, um die Versorgung aller Pflegebedürftigen zu gewährleisten, der Bedarf an Pflegepersonal. Laut Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit sind bereits derzeit nicht ausreichend Pflegekräfte vorhanden um die offenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt zu besetzen (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, 2015d). Die Prognosen zur Personalentwicklung in der Pflegebranche deuten auf einen sich in Zukunft zuspitzenden Personalmangel im Pflegebereich hin. Dem Statistischen Bundesamt zu Folge, werden bereits 2025 über 150.000 Pflegekräfte in der Altenpflege, sowie in Krankenhäusern, fehlen (vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland, 2010 zitiert nach Beske, 2011, S. 33).

Im Rahmen dieser Arbeit werden als zentrales Thema, die Ursachen welche den Fachkräftemangel begünstigen, ergründet. Es soll unter anderem herausgefunden werden, welche ‚Bedingungen‘ konkret mit der Aussage: „…aber unter diesen Bedingungen habe ich keine Lust mehr zu pflegen.“ (Jansen, 2011, S. 62) zu verstehen sind.

Scheinbar werden diese von den Altenpflegekräften als enorm belastend empfunden, dass sie es sogar vermögen den Pflegekräften die ‚Lust‘ an ihrer ‚geliebten‘ Arbeit nehmen. Der daraus möglicherweise resultierende Berufsausstieg der Pflegekräfte, kann den Fachkräftemangel begünstigen.

2 Pflegebedürftigkeit in Deutschland

Im hinführenden Kapitel wird der Begriff der Pflegebedürftigkeit anhand des § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) definiert und die Entwicklung des Pflegebedarfs im Allgemeinen in Deutschland dargestellt. Diese Arbeit befasst sich in den nächsten Kapiteln insbesondere mit der zu pflegenden Personengruppe, welche im Speziellen dem Bereich der Altenpflege zuzuordnen sind.

2.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Als fünfte Säule der Sozialversicherung in Deutschland, wurde 1995/1996 das Pflegeversicherungsgesetz im Sozialgesetzbuch, Elftes Buch eingeführt. Es sollte die Rechte älterer Menschen stärken und zur Gewinnung professioneller Pflegekräfte beitragen. In erster Linie wird mit diesem Gesetz, der ambulanten Pflege Vorrang vor der stationären Altenpflege eingeräumt (vgl. Büssing u.a., 2001 zitiert nach Schweiger, 2011, S. 43). Die Pflegekassen, als Träger der Pflegeversicherung, sind den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen unterstellt; sie verwalten Gelder und genehmigen sozialstaatliche Leistungen, welche konkret in der Pflegeversicherung festgesetzt sind (vgl. Schweiger, 2011, S. 43).

Im § 14 Abs. 1 SGB XI wird der Begriff der Pflegebedürftigkeit wie folgt definiert:

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen. (Sozialgesetzbuch Elftes Buch, 2014, S. 1458)

Es gibt zahlreiche Gesetze und Regelungen die Pflegebedürftigen betreffend. Eines der jüngsten ist das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II), auf welches im Verlauf der Arbeit noch detaillierter eingegangen wird.

2.1.1 Feststellung der Pflegebedürftigkeit

Die Feststellung und Einordnung der Pflegebedürftigkeit einer Person, je nach Schweregrad, in drei verschiedene Pflegestufen der Pflegebedürftigkeit (gültig bis zur Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs ab Januar 2017), erfolgt durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dabei werden die Aktivitäten Körperpflege, Nahrungsaufnahme und Mobilität der betroffenen Person, nicht aber soziale Aspekte, wie beispielsweise die Kommunikation, beurteilt. Durch die Pflegekassen, wird die Versorgung der Person, anhand der ermittelten Pflegestufe, mit Hilfe von Pflegesätzen, pauschal vergütet. Aufgrund der Nichtbeachtung von Aspekten nötiger sozialer Betreuung und Zuwendung, der ausschließlichen finanziellen Deckung pflegerischer Basisversorgung, ist eine klare Tendenz zu einer lediglichen Mindestversorgung von Pflegebedürftigen festzustellen (vgl. Schweiger, 2011, S. 43).

Diesem Missstand soll durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz entgegengewirkt sowie die Versorgung von Pflegebedürftigen im Gesamten verbessert werden.

In dem am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Zweiten Pflegestärkungsgesetz, wurde der Begriff der Pflegebedürftigkeit neu definiert. Es gibt statt bisher drei Pflegestufen, aktuell fünf für alle Pflegebedürftigen einheitlich geltende Pflegegrade. Ziel des Gesetzes ist es unter anderem, dass im Rahmen der Einstufung körperliche, geistige und psychische Einschränkungen einbezogen werden. So wird für alle Pflegebedürftigen ein gleichberechtigter Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung ermöglicht. Auch wurden in diesem Gesetz Änderungen vorgenommen, welche zu einer Verwaltungsvereinfachung führen und somit den bürokratischen Aufwand der Versicherten schmälern. Ab dem 1. Januar 2017 soll das neue Begutachtungsverfahren, sowie die Umstellung der Leistungsbeiträge der Pflegeversicherung umgesetzt werden. Um die Leistungsänderungen welche damit einhergehen finanzieren zu können, steigt zur gleichen Zeit der Beitrag der Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, 2015c).

Mit dem PSG II hat die Bundesregierung unter dem Blickwinkel der gerechteren Verteilung der Leistungen der Pflegeversicherung sowie der umfassenderen Versorgung Pflegebedürftiger einen großen Schritt auf diese zu getan.

2.2 Entwicklung der Anzahl von Pflegebedürftigen

Nachdem unter Punkt 2.1 der Begriff der Pflegebedürftigkeit erklärt wurde, wird im Folgenden auf die Entwicklung der Anzahl von Pflegebedürftigen in Deutschland eingegangen. Zu Beginn werden die demographischen Veränderungen der deutschen Bevölkerung betrachtet.

2.2.1 Die demographische Entwicklung in Deutschland

Für die Entwicklung einer Bevölkerung bestimmend, ist die Anzahl der Menschen, welche geboren werden und welche sterben. Die Verwendung der Bezeichnung ‚demographischer Wandel‘, statt demographische Entwicklung im öffentlichen Diskurs, deutet bereits an, dass es grundsätzliche Veränderungen in der Bevölkerungsentwicklung gibt (vgl. Beske, 2011, S. 19).

Die Altersstruktur in Deutschland ist von den Auswirkungen zweier Weltkriege, den ‚Baby-Boomer-Jahrgängen‘ von 1955 bis 1967, dem darauf folgenden ‚Pillenknick‘ und den seitdem niedrigen Geburtenzahlen geprägt. Seit 2015 gehen die ersten Personen der ‚Baby-Boomer-Generation‘ in den Ruhestand – was eine bedeutende Abnahme der versicherungspflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und den Anstieg der Zahl der Rentnerinnen und Rentner zur Folge hat. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung der Menschen in Deutschland kommt es in den nächsten Jahren, zusätzlich zu einer im Durchschnitt längeren Rentenbezugsdauer, zu einer Verlängerung des medizinischen und pflegerischen Betreuungsbedarfs der Personen. Trotz dem, dass die Bevölkerungszahl Deutschlands insgesamt abnehmen wird – im Zeitraum von 2009 bis 2060 von 82 Millionen auf 65 Millionen Menschen (vgl. Beske, 2011, S. 9) – werden die Gesundheitsleistungen und die durch sie verursachten Ausgaben steigen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass es mehr ältere Menschen mit hohem Versorgungsbedarf geben wird, welche einer geringeren Zahl beitragspflichtig Versicherter gegenüber stehen (vgl. Beske, Brix, Katalinic, Peters und Pritzkuleit, 2012b, S. 21).

Die folgende Abbildung 1 veranschaulicht die prognostizierte Entwicklung der Altersverteilung in Deutschland. Die Bevölkerungsstruktur, welche sich um 1960 noch pyramidenförmig darstellen ließ, verformt sich in Zukunft immer mehr hin zu einer sogenannten ‚Pilzform‘. Die Altersstruktur verschiebt sich: Es wird immer mehr ältere und sehr alte Personen und weniger Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene geben (vgl. Lehr, 2007, S. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entwicklung der Altersverteilung in Deutschland

Quelle: Lehr (2007, S. 3), auf Datengrundlage des Statistischen Bundesamtes

In einer immer älter werdenden Gesellschaft steigt die Zahl der pflegebedürftigen Menschen. Dies stellt eine große Herausforderung für die Gesellschaft dar, da es nicht nur zusätzlicher Pflegekräfte bedarf, sondern auch eine geeignete Infrastruktur bereitgestellt werden muss. Insgesamt stellt sich der Pflegebedarf heute regional differenziert dar, denn ostdeutsche Länder weisen eine höhere Pflegequote[1] als westdeutsche auf (vgl. Kochskämper und Pimpertz, 2015, S. 61).

Die vorliegende Abbildung 2 zeigt eine von Statista veröffentlichte Statistik, in welcher eine Prognose zur Entwicklung der Anzahl von Pflegebedürftigen in Deutschland, vom Jahr 2005 bis 2030 dargestellt ist. Insgesamt zeichnet sich ein Wachstum ab. Bis zum Jahr 2030 könnte die Zahl Pflegebedürftiger auf rund 3,4 Millionen Menschen ansteigen, was ausgegangen vom Jahr 2005 ein Anstieg um 1,3 Millionen Menschen wäre.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Entwicklung der Anzahl von Pflegebedürftigen in Deutschland

Quelle: Statista (2016b), auf Datengrundlage des Statistischen Bundesamtes

Um diesem drastischen Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen zu begegnen, stärkt das PSG II den Grundsatz: ‚Reha vor Pflege‘. Durch vermehrte Angebote und Möglichkeiten Rehabilitationsmaßnahmen in Anspruch nehmen zu können, soll bei Menschen welche von Pflegebedürftigkeit bedroht sind, deren Eintritt in jene verhindert oder hinausgezögert werden (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, 2015c).

Das PSG II ist zum einen ein Signal der Regierung, dass Handlungsbedarf besteht, zum anderen eine konkrete Maßnahme, mit welcher auf die Veränderungen des Pflegebedarfs in Deutschland reagiert wird. Inwiefern es dieses und andere Gesetze tatsächlich vermögen, den sich ändernden Bedingungen gerecht zu werden, bleibt abzuwarten.

2.2.2 Bedarf an Heimplätzen

Auf Grundlage der Pflegestatistik haben Beske, Brix, Katalinic, Peters und Pritzkuleit ermittelt, dass sich wegen des Anstiegs der Zahl pflegebedürftiger Personen, 2060 der Bedarf an Heimplätzen von 845.000 (Jahr 2009) auf 1.957.100 Plätze erhöht. Dies bedeutet einen Anstieg um 132 Prozent. 2040 werden bereits doppelt so viele Heimplätze wie 2009 benötigt, was einen Investitionsbedarf von 63 Milliarden Euro bis 2040 und insgesamt 97 Milliarden Euro bis 2060 bedeutet (vgl. Beske u.a., 2012b, S. 289).

Bundesweit müssen laut des Statistischen Bundesamtes (2011) bis zum Jahr 2030 allein 220.000 stationäre Dauerpflegeplätze zusätzlich zur Verfügung stehen, um dem Bedarf gerecht zu werden (vgl. Kochskämper u.a., 2015).

Aufgrund der in diesem Kapitel beschriebenen demographischen Einwicklungen in Deutschland und dem daraus folgendem Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen, lässt sich – wie bereits erwähnt – ein zukünftiger Mehrbedarf an Pflegepersonal ableiten. Die Personalentwicklung im Bereich der Altenpflege wird unter Punkt 3 genauer betrachtet.

3 Personalentwicklung in der Altenpflege

Die Prognosen der Personalentwicklung im Gesundheitswesen allgemein, aber auch speziell im Bereich der Altenpflege, sind insofern alarmierend, als dass sich in nicht allzu ferner Zukunft der Fachkräftemangel in dieser Branche weiter verschärft. Dies wird durch zahlreiche Untersuchungen, beispielsweise aufgrund der Erhebungen des Statistischen Bundesamtes, bestätigt.

Laut Angabe des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) fehlen bereits heute Fachkräfte in den Pflegeberufen. Die konkrete Anzahl der nicht besetzten Stellen ist jedoch unklar. Ein Hinweis auf die bestehenden Engpässe liefert die Tatsache, dass offene Stellen für Altenpflegekräfte im Durchschnitt 123 Tage (50 Prozent mehr gegenüber insgesamt) vakant sind. Auch lässt laut des BMG die Arbeitsmarktberichterstattung der Bundesagentur für Arbeit (Stand: Juni 2015), Rückschlüsse auf einen derzeit bestehenden Fachkräftemangel in der Altenpflegebranche zu (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, 2015d).

Den Berechnungen von Beske u.a. (2012b, S. 283), stützend auf Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge, wird sich der Pflegepersonalbedarf zwischen den Jahren 2009 und 2060 mehr als verdoppeln. Waren im Jahr 2009 noch 1,3 Prozent der Bevölkerung Deutschlands im erwerbsfähigen Alter in der Altenpflege tätig, so werden im Jahr 2060 4,3 Prozent benötigt (vgl. Beske u.a., 2012b, S. 283).

2025 werden, dem Statistischen Bundesamt zu Folge, bereits 152.000 Pflegekräfte in Krankenhäusern und der Altenpflege in Deutschland fehlen (vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland, 2010 zitiert nach Beske, 2011, S. 33).

Da aufgrund der demographischen Entwicklungen in Deutschland die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger und damit verbunden, die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber um Ausbildungsplätze rückläufig ist, fehlen zukünftig qualifizierte Nachwuchskräfte. Im Jahr 2002 haben noch 60.000 Schülerinnen und Schüler mehr als im Jahr 2011 die allgemeinbildenden Schulen verlassen, wobei sich hier ein regionaler Unterschied feststellen lässt. Die ostdeutschen Bundesländer (einschließlich Berlin) haben einen weitaus höheren Rückgang der Schulabgängerinnen und Schulabgänger, als die westlichen Bundesländer zu verzeichnen. Zwischen 2002 und 2011 hat sich die Zahl von 230.000 auf 103.000 Personen mehr als halbiert, unter anderem aufgrund des Geburtenrückgangs nach dem Mauerfall (vgl. Stahl, 2013, S. 247 f.).

3.1 Zahl der Absolventinnen und Absolventen der Altenpflegeausbildung

In der folgenden Abbildung 3 ist ersichtlich, dass sich die Zahl der Absolventinnen und Absolventen der Ausbildung im Bereich der Altenpflege zwischen den Jahren 1996 und 2003 hauptsächlich zwischen 10.000 und 12.000 bewegte. Deutlich mehr Personen absolvierten in den Jahren 2004 bis 2007 die Ausbildung. Ab 2008 ist die Anzahl wieder rückläufig.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Absolventinnen und Absolventen der Altenpflegeausbildung

Quelle: Prognos AG (2012, S. 12), auf Datenbasis des Statistischen Bundesamtes 2006-2010

Laut einer Prognose auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes (2006 bis 2010) soll sich die Zahl der Absolventinnen und Absolventen der Altenpflegeausbildung in den Jahrgängen bis 2030 auf dem Niveau der Mittelwerte aus den Jahrgängen 2007 bis 2009 bewegen. Dies ergibt eine Jahrgangstärke von circa 12.600 Personen und hält den vorhandenen Bestand der Altenpflegefachkräfte nur knapp (vgl. Prognos AG, 2012, S. 11).

Schlussfolgernd lässt sich feststellen, dass die heutige Anzahl der Pflegekräfte, einer immer größer werdenden Anzahl an Pflegebedürftigen gegenüberstehen wird. Die zukünftig anfallenden Pflegearbeiten werden nicht durch die (prognostizierte) vorhandene Anzahl von Pflegekräften zu bewältigen sein. Dies wird durch eine Studie der Prognos AG (siehe dazu Abbildung 4) bestätigt.

Abbildung 4 zeigt zum einen die Zahlen der Absolventinnen und Absolventen der Altenpflegeausbildung von 1992 bis 2010, wie auch die Menge der Fachkräfte von 2011 bis 2030, welche zur Bestandserhaltung der Altenpflegerinnen und Altenpfleger notwendig wären. Des Weiteren wird die Zahl der Fachkräfte, welche – wenn der Bestand konstant bliebe – zusätzlich gebraucht würden, dargestellt. Diese steigt jährlich an.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Notwendige Absolventinnen und Absolventen der Altenpflegeausbildung zum Ausgleich der Fachkräftelücke

Quelle: Prognos AG (2012, S. 35)

Da wie bereits beschrieben, die voraussichtliche Stärke der Absolventenjahrgänge bis 2030 bei circa 12.600 Personen liegt und dies allein notwendig ist um den Bestand annähernd zu halten, zeichnet sich in den kommenden Jahren eine zunehmende Diskrepanz zwischen vorhandenen und benötigten Fachkräften in der Altenpflege ab. Der Fachkräftemangel im Pflegebereich wird sich dementsprechend, wenn keine zusätzlichen Pflegekräfte gewonnen werden können, drastisch verschärfen.

3.1.1 Durchschnittliche Berufsverweildauer von Altenpflegekräften

Allein die Zahl der Absolventinnen und Absolventen der Fachrichtung Altenpflege lässt keinen Rückschluss darauf zu, wie viele Personen tatsächlich als Altenpflegerin und Altenpfleger beschäftigt sind. Die Betrachtung der Verweildauer im Beruf, zeigt, dass Altenpflegekräfte, selbst wenn sie nach der Ausbildung dem erlernten Beruf nachgehen, dem Altenpflegemarkt in ihrer beruflichen Qualifikation als Altenpflegerinn oder Altenpfleger teilweise nur für eine gewisse Zeit zur Verfügung stehen.

Die Berufsverweildauer von Altenpflegekräften wurde von Hackmann (2009) ermittelt. Die durchschnittliche Verweilzeit liegt bei 8,4 Jahren, wobei examinierte Fachkräfte mit 12,7 Jahren eine deutlich höhere Verweildauer, als nicht-examinierte Altenpflegekräfte mit 7,9 Jahren, aufweisen. Diese Zahlen variieren je nach Alter der Personen stark. Für Altenpflegekräfte im Alter von 19 Jahren wurde eine Restverweildauer im Altenpflegeberuf von 2,8 Jahren ermittelt, diese steigt im Alter von 36 Jahren auf 11,2 Jahre. Nach dem 36. Lebensjahr ist wieder ein deutlicher Rückgang der Verweildauer zu beobachten. Dass das Bild des Pflegeberufs, welches in der Ausbildung gewonnen wurde, nicht mit der Realität des Arbeitsalltags übereinstimmt, wird unter anderem als Begründung für die hohen Abbruchraten der jungen Fachkräfte angenommen. Zusätzlich wird ein Berufswechsel in ‚jüngeren Jahren‘ als weniger aufwendig erlebt als bei Umschülerinnen und Umschülern mittleren Alters, da im Gegensatz zu ihnen weniger häufig familiäre Verpflichtungen bestehen (vgl. Hackmann, 2009, S. 19 f.).

Eine längere Verweildauer der Altenpflegekräfte in ihrem Berufsfeld, birgt, bezüglich der Entschärfung des Fachkräftemangels, ein hohes Potential.

Da man die tatsächliche Personalentwicklung aufgrund unvorhersehbarer Entwicklungen nicht voraussagen kann, ist es nicht entscheidend, ob alles so wie prognostiziert, eintreffen wird.

Jedoch sollten die Größenordnung und Entwicklungstendenz ausschlaggebend für die Einordung der Relevanz des Themas sein. Es besteht akuter Handlungsbedarf. Zum einen muss neues Pflegepersonal dazugewonnen, zum anderen vorhandene Pflegekräfte in der Pflegebranche gehalten werden.

3.1.2 Generalistische Ausbildung in der Pflege

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesministerium für Gesundheit erarbeiten einen Entwurf für ein neues Pflegeberufegesetz, um die Attraktivität des Berufsfeldes zu erhöhen und den demographischen Entwicklungen gerecht zu werden. Angestrebt ist eine Zusammenführung der Ausbildungen der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einer generalistisch ausgerichteten Pflegeausbildung. Diese soll drei Jahre dauern und eine einheitliche Grundausbildung mit wählbarem Vertiefungseinsatz bieten. Das Gesetzgebungsverfahren begann im Jahr 2015 (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2015).

Die große Chance für Personen, welche diese Pflegeausbildung absolvieren, aber auch für die Personalentwicklung im Bereich Pflege allgemein, liegt unter anderem darin, dass dadurch den Pflegekräften grundsätzlich alle Arbeitsfelder im Pflegebereich offenstehen – folglich berufliche ‚Sackgassen‘ besser vermieden werden können. Die Möglichkeit sich im Bereich der Pflegearbeit leichter umzuorientieren, könnte sich positiv auf den bisher kurzen Verbleib der Pflegekräfte im Beruf auswirken. Möglicherweise kommt es somit seltener zur Fluktuation in der Altenpflegebranche. Dass Pflegefachpersonen bis ins Rentenalter, bei körperlicher und psychischer Gesundheit, in Ihrem Arbeitsfeld beschäftigt sein können, ist das Ziel (vgl. Ott, 2014, S. 34).

Inwieweit sich die Hoffnungen, welche in das neue Pflegeberufegesetz gesteckt werden, erfüllen, bleibt abzuwarten. Die Etablierung der generalistischen Pflegeausbildung in Deutschland wird erst in ein paar Jahren – hinsichtlich des Einflusses auf die Personalentwicklung in der Pflege – umfassend beurteilbar sein.

Neben der aus heutiger Sicht auf Dauer zu geringen Anzahl von Personen, welche die Altenpflegeausbildung absolvieren sowie der relativ kurzen Berufsverweildauer von Altenpflegekräften, gibt es weitere nachfolgende Ursachen, die den Fachkräftemangel in der Altenpflege bedingen können.

4 Ursachen für den Fachkräftemangel in der Altenpflege

Unter Punkt 3 wurde das Vorhandensein des Fachkräftemangels in der Altenpflegebranche bestätigt. Des Weiteren stellte sich heraus, dass sich dieser bei gleichbleibenden Bedingungen in Zukunft gravierend zuspitzen wird. Demzufolge bedarf es Maßnahmen dem Fachkräftemangel zu begegnen. Um zielführende Maßnahmen ableiten zu können, müssen jedoch die Ursachen für den Mangel, welche in folgendem Kapitel aufgezeigt werden, bekannt sein. Zu Beginn werden herrschenden Bedingungen, mit welche die Altenpflegekräfte konfrontiert sind, aufgezeigt. Diese können Folgen nach sich ziehen, welche ursächlich für den Fachkräftemangel sind.

Insgesamt sind die Ursachen sehr vielfältig. In der Literatur werden als zentrale Themen folgende Aspekte aufgeführt: das Berufsbild und Image des Altenpflegeberufes, die Auswirkungen der Ökonomisierungsprozesse in der Pflegebranche, die Belastungen der Pflegekräfte durch die herrschenden Arbeits- und Rahmenbedingungen – und deren Folgen, sowie die demographische Entwicklung in Deutschland.

Zunächst wird mit Hilfe der Abbildung 5 ein allgemeiner Eindruck zur Arbeitszufriedenheit der Pflegekräfte, differenziert nach Alter, gegeben. Diese Grafik wurde durch Statista, auf Datengrundlage des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung, erstellt und veröffentlicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten in der Altenpflege, Anzahl der Befragten Personen: 603

Quelle: Statista (2016a), auf Datengrundlage des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung

Es ist zu erkennen, dass die Arbeitszufriedenheit bei Altenpflegekräften im Alter von 50 Jahren und älter, sowohl bei ‚Alles in allem zufrieden‘, wie auch bei ‚Befriedigung trotz Belastung‘ bei über 80 Prozent liegt. Bei den jüngeren Pflegekräften liegt die Zufriedenheit bei beiden genannten Kategorien bei circa 70 Prozent. Dies bedeutet, dass jüngere Fachkräfte mit der Arbeit tendenziell unzufriedener als die älteren sind. Inwiefern dieses Ergebnis jedoch die Meinung der Gesamtheit der Altenpflegekräfte repräsentiert, ist unklar, da lediglich 603 Altenpflegerinnen und Altenpfleger befragt wurden. Dennoch kann abgeleitet werden, dass Altenpflegekräfte verschiedenen Alters unterschiedlich zufrieden mit ihrer Arbeit sind. Diese Erkenntnis sollte einerseits bei der Suche nach Ursachen für und andererseits Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel berücksichtig werden, indem man einen altersgruppendifferenzierten Blickwinkel einnimmt.

[...]


[1] „Die so genannte Pflegequote gibt Aufschluss darüber, wie viele Personen je 10 000 Einwohner als pflegebedürftig gelten.“ (Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt, 2015)

Fin de l'extrait de 74 pages

Résumé des informations

Titre
Was hilft gegen den Fachkräftemangel in der Altenpflege? Ursachen und Maßnahmen gegen das schlechte Image der Pflegebranche
Auteur
Année
2020
Pages
74
N° de catalogue
V505808
ISBN (ebook)
9783963550225
ISBN (Livre)
9783963550232
Langue
allemand
Mots clés
Pflege, Fachkräftemangel, Pflegenotstand, Altenpflege, Krankenpflege, Arbeitsbedingungen, Arbeitszufriedenheit, Entbürokratisierung, Demographische Entwicklung, Betriebliches Gesundheitsmanagement
Citation du texte
Maria Tittes (Auteur), 2020, Was hilft gegen den Fachkräftemangel in der Altenpflege? Ursachen und Maßnahmen gegen das schlechte Image der Pflegebranche, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/505808

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