Schönbergs Orchesterlieder im Gattungskontext der Jahrhundertwende


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 2005

145 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das Orchesterlied um 1900

3 Einflüsse auf Schönberg durch Strauss und Mahler
3.1 Richard Strauss
3.1.1 Das Verhältnis Schönberg - Strauss
3.1.2 Die Orchesterlieder Richard Strauss'
3.2 Gustav Mahler
3.2.1 Das Verhältnis Schönberg - Mahler
3.2.2 Die Orchesterlieder Gustav Mahlers
3.3 Mahler - Strauss
3.3.1 Das Verhältnis Mahler - Strauss
3.3.2 Gegenüberstellung des Orchesterliedschaffens Mahlers und Strauss'

4 Arnold Schönberg
4.1 Schönbergs Orchesterlieder op. 8
4.2 Vergleichende Analysen
4.2.1 Natur op. 8 Nr. 1
4.2.2 Das Wappenschild op. 8 Nr. 2
4.2.3 Nie ward ich, Herrin, m ü d' op. 8 Nr. 4
4.2.4 Voll jener S üß e op. 8 Nr. 5
4.2.5 Wenn V ö glein klagen op. 8 Nr. 6
4.2.6 Sehnsucht op. 8 Nr. 3
4.3 Zusammenfassung

5 Ausblick - Die weitere Entwicklung des Orchesterliedes

6 Schlussbetrachtung

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Komposition der Sechs Orchesterlieder op. 8 fällt in eine Zeit der Umorientierung in Schönbergs persönlichen und musikalischen Umfeld. In Schönbergs Prager Rede, die er 1912, also ein Jahr nach Gustav Mahlers Tod, hielt und die in der Sammlung Stil und Gedanke veröffentlicht wurde, verteidigt er Mahlers Musik gegen die Vorwürfe der Banalität und der Sentimentalität:

„Ich muß hier bekennen: auch ich hielt Mahlers Themen anfangs für banal. Ich halte es für wichtig zu bekennen, daß ich Saulus war, ehe ich Paulus wurde, weil daraus hervorgehen kann, daß mir jene «feine Unterschei- dungen», auf die gewisse Gegner so stolz sind, nicht fremd waren, sondern mir erst jetzt fremd sind.“1

Das biblische Bild der Wandlung von Saulus zu Paulus, der zunächst gegen die Christen vorging, und dann, nach einer Erscheinung bekehrt, als Apostel das Christen- tum predigte, macht Schönbergs Wandlung zum Mahler-Anhänger deutlich. Dieses Bild zeigt aber nicht nur, dass Schönberg sich nun als Paulus bzw. als Bewunderer Mahlers sah, sondern impliziert auch, dass er vorher einem anderen „Glauben“ angehörte. Der biblische Saulus war nicht nur Verfolger des Christentums, sondern Anhänger des Ju- dentums. Betrachtet man den Einflussbereich, in dem sich Schönberg vor seiner Wand- lung befand, wird deutlich, dass sein Verhältnis zu Richard Strauss mit dem Saulus-Bild einhergeht. Dies wird durch eine Äußerung Schönbergs in dem Aufsatz R ü ckblick un- termauert:

„Allerdings war ich [...] ein Bewunderer Richard Strauss' geworden, wenn auch noch nicht Gustav Mahlers, den ich erst viel später zu verstehen begann [...]. Zeugnisse davon kann man im ersten Streichquartett op. 7 und in den Sechs Orchesterliedern op. 8 finden [...].“2

Wann sich die Änderung vollzog, lässt sich durch Äußerungen Schönbergs in Ver- bindung mit biographischen Aspekten klären. Diese Phase in seiner Entwicklung, in der Strauss an Einfluss auf Schönberg verlor und sich etwa zeitgleich eine Freundschaft zwi- schen Mahler und Schönberg entwickelte, war ebenfalls geprägt von einer musikalischen Neuorientierung. Musikhistorisch gesehen ist diese Wandlung zwar nicht so gravierend wie Schönbergs Hinwendung zur „Emanzipation der Dissonanz“3 und die Entwicklung der Dodekaphonie, sie ist aber gerade für die Ausbildung dieser Schaffens-perioden wegweisend.

In die Zeit der persönlichen und musikalischen Umorientierung fällt die sich über den Zeitraum von einundeinhalb Jahren erstreckende Komposition der Sechs Orchesterlie- der op. 8. So stellt sich die Frage, ob die Wandlung der Einflussbereiche auf Schönberg, seine Umkehr vom „Saulus“ zum „Paulus“, sich in seinen Kompositionen niederschlägt. Schönberg komponierte zwar weitere Stücke parallel zu op. 8, die Orchesterlieder bieten aber eine gute Angriffsfläche zur Klärung der Fragestellung. Strauss und Mahler widme- ten sich zeitlebens der Komposition von Orchesterliedern. Diese beiden Komponisten werden als Hauptvertreter dieser Gattung, die einen problematischen, aber wichtigen Stellenwert in der Musik der Jahrhundertwende innehatte, gesehen. Anhand ihrer Or- chesterlieder können also bestimmte Verfahrensweisen der unterschiedlichen Liedkon- zeptionen der beiden Komponisten bestimmt werden, die man dann mit den einzelnen Lieder aus Schönbergs op. 8 vergleichen und verknüpfen kann.

Dazu ist es wichtig die allgemeine Entwicklung des Orchesterliedes bis zur Jahrhundertwende zu beleuchten, wie es in Kapitel 2 dieser Arbeit vorgenommen wird. Hans-Joachim Bracht entwickelte in seiner Dissertation Nietzsches Theorie der Lyrik und das Orchesterlied von 1993 den Begriff des „seelenvollsten Gesamtklang[s] des Orchesters“4, dem für die folgenden Betrachtungen des Orchesterliedschaffens von Strauss, Mahler und Schönberg eine gewichtige Rolle zukommt.

In Kapitel 3 wird die Veränderung in Schönbergs Positionen gegenüber Strauss und Mahler chronologisch detailliert erläutert. Zunächst wird das Verhältnis zwischen Strauss und Schönberg, schärfer gesagt Schönbergs Zeit als „Saulus“, und die Entwick- lung, die ihre Bekanntschaft genommen hat, behandelt. Im Anschluss daran wird das Orchesterliedschaffen Richard Strauss' genauer beleuchtet. Im zweiten Teil des Kapitels 3 wird für das Verhältnis Schönberg - Mahler ebenso vorgegangen. Dabei finden die Jahre 1903 bis 1905, also die Jahre der Komposition von Schönbergs op. 8, besondere Beachtung. Mahlers Orchesterliedkonzeption wird ebenfalls erläutert.

In diesem Kapitel werden vornehmlich Lieder betrachtet, die vor der Komposition von Schönbergs op. 8 entstanden sind und charakteristische Merkmale der jeweiligen Komponisten tragen.

Das Kapitel 4 widmet sich dann den Sechs Orchesterliedern op. 8 von Arnold Schön- berg. Die Abfolge der Analysen richtet sich nach dem Zeitpunkt der Komposition. Das dritte Lied Sehnsucht wurde als letztes komponiert und steht damit innerhalb dieses Opus am Ende von Schönbergs Wandlung. Weist dieses Stück also Kontraste zu den zuerst komponierten Stücken Natur und Das Wappenschild auf, die zudem auf die Wandlung der Anhängerschaft Schönbergs von Strauss zu Mahler zurückführbar sind? Die Analysen gehen innerhalb der einzelnen Lieder ausführlich am Stück entlang und betten sie so gänzlich in den Gattungskontext ein.

Das Kapitel 5 schließt den Kreis zu Kapitel 2 und beleuchtet die weitere Entwicklung der Gattung Orchesterlied, sofern man denn von einer eigenständigen Gattung sprechen darf, und die Bedeutung der Sechs Orchesterlieder op. 8 dafür.

In der Kapitelanordnung dieser Arbeit wird Schönbergs Wandlung vom „Saulus“ zum „Paulus“ als musikwissenschaftliche Erzählung chronologisch mitverfolgt und durch Kapitel 2 und 5 in den Verlauf, den das Orchesterlied genommen hat, eingebettet. Durch diese Anordnung, die Schönbergs Entwicklung mitvollzieht, soll anschaulich ge- zeigt werden, dass sich in den Sechs Orchesterliedern op. 8 trotz ihrer geringen Bedeutung als Schönberg'sche Kompositionen eine grundsteinlegende Neuorientierung in Schön- bergs Leben und Musik und in der Entwicklung des Orchesterliedes allgemein manifes- tiert.

Schließlich fällt ein weiterer Anlass auf, die inhaltsreichen aber unbekannten Sechs Orchesterlieder op. 8 von Schönberg zu thematisieren: ihre Fertigstellung jährte sich während der Erstellung dieser Arbeit zum hundertsten Mal.

2 Das Orchesterlied um 1900

Die Zeit zwischen 1890 und dem ersten Weltkrieg ist geprägt von Aufbruchsstim- mung, Zukunftseuphorie, Dekandenz und gleichzeitiger Zukunftsangst, Endzeitstim- mung und Weltschmerz. Die Generation von Komponisten, die zu dieser Zeit aktiv waren, hob sich, wie Carl Dahlhaus in seinem Aufsatz Musikalische Moderne und Neue Mu- sik von 1976 beschreibt, von den früheren Komponisten der Romantik ab.5 Er kenn- zeichnet die noch vor der Jahrhundertwende komponierten letzten Werke von Komponisten wie Bruckner, Brahms, Tschaikowsky und DvoĜák, die zwischen 1820 und 1840 geboren wurden, als romantische Spätwerke. Sie stünden noch in einer „romantischen Vergangenheit“6, blickten aber auch schon zur musikalischen Moderne herüber.

Um 1850 wurden nur wenige Komponisten geboren, die nicht zu einer autarken Gruppe schaffender Künstler zusammengefasst werden können.7 Somit heben sich die um 1860 geborenen Komponisten wie Mahler, Strauss und Puccini, Janàþek, Sibelius und Debussy als „Neue Generation“ ab. Diese Komponisten, die mit Nietzsche aufwuchsen, bildeten um 1900 die musikalische Avantgarde. Musikalisch standen sie unter den Nachwirkungungen des Wagnerschen Schaffens. Grundlegende Veränderungen in Kompositionsweisen und Musikanschauungen wie „die Destruktion der tonalen Harmonik, der klassisch-romantischen Metrik und (bei Debussy) der thematisch-mo- tivischen Arbeit“ fanden bei ihnen ihren Ursprung.

Wenn man diese musikgeschichtliche Episode nicht als „Spätromantik“, sondern als selbstständige Epoche auffasst, wird man ihrer eigentlichen Stellung gerecht: nicht als letzte Ausläufer der Romantik, sondern als wichtige breite Stufe und Anfang einer neuen Entwicklung:

„Begreift man [...] [diese Periode] nicht bloß als musikalische Spät- oder Nachromantik, als eine vor allem gegen den Neoklassizismus der zwanziger Jahre kontrastierende Endphase eines als Epochenkategorie überdehnten Begriffs von musikalischer Romantik, sondern versucht man sie als musik- geschichtliche Epoche eigenen Rechts zu verstehen, als eine Epoche mit vielfach rück- und vorwärtsgewandten Zügen, zu deren Kennzeichnung sich der [...] Begriff des Fin de siècle anbiete[t], so dürfte sich bei der Frage nach musikalischen Phänomenen, die für jene Epoche besonders unver- wechselbar einstehen, die Gattung des Orchestergesangs nahezu von selbst aufdrängen.“8

Das Orchesterlied stand an einem Wendepunkt der Entwicklung, die das Lied seit Schubert genommen hat. Die Klavierlieder wurden mit zunehmender textorientierter Durchkomposition komplexer und der Klaviersatz eigenständiger. Um 1830 entstanden in Frankreich durch Berlioz die ersten Instrumentationen von Klavierliedern, wie in Deutschland seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts u.a. durch Hugo Wolf und Jo- hannes Brahms, der Schubert-Lieder wie Schwager Kronos und Memnon orchestrierte.9

Die Gattung des Klavierliedes als eigenständige Kunstgattung wuchs durch steigende Bedeutung für Komponisten, Beliebtheit bei den Hörern und die Ausmaße der romantischen Musik über die Möglichkeiten der Hausmusik hinaus. Klavierlieder wurden immer öfter vor großem Publikum in großen Konzertsälen, die zu dieser Zeit eine Erweiterung erfuhren, aufgeführt. Dies zog außerordentliche Probleme für den Liedbegriff nach sich. Der Liederabend war zum Bestandteil des öffentlichen Konzertlebens geworden, an dem eine breitere Zuhörerschaft teilnehmen konnte.10

Desweiteren entwickelte sich die Bedeutung der Klavierbegleitung unter dem Einfluss der Wagnerschen Vorstellung, die Klavierbegleitung fungiere als „Träger des musikalischen Ausdrucks“11, und die Singstimme reduzierte „ihren melodischen Primat zugunsten deklamatorischer Eindringlichkeit“. Die Ausmaße der Begleitung in motivisch-thematischer sowie klanglicher Dimension, die auch eine Folge der zunehmenden Pathetik und des Umfangs der literarischen Vorlagen waren, bewirkten eine „Scheinorchestralität“ des Klaviersatzes.

Nach sich mehrenden Orchestrationen von Klavierliedern führte die Entwicklung um 1890 schließlich zu der Kompostition von originären Orchesterliedern. Zu den ersten Werken dieser Art gehören Gustav Mahlers um 1884 komponierte Lieder eines fah- renden Gesellen, Felix Weingartners Die Wallfahrt nach Kevelaar op. 12 von 1887, Frederick Delius' Sakuntala von 1889 und Hans Pfitzners Herr Oluf op. 12 aus dem Jahre 1891.12

Gustav Mahler schrieb über die soziologischen Veränderungen und die daraus resultierenden Folgen für die Musik zur Zeit des Fin de siècle in einem Brief an Gisela Tolnay-Witt im Februar 1893:

„[D]ie Musik wurde mehr und mehr Gemeingut - Der Hörer und Spieler wurden immer mehr und mehr - aus der Kammer wurde der Konzertsaal [...]. Also, Sie sehen, wenn ich noch einmal resümiere: Wir Modernen brau- chen einen so großen Apparat, um unsere Gedanken, ob groß oder klein, aus- zudrücken. - Erstens - weil wir gezwungen sind, um uns vor falscher Ausle- gung zu schützen, die zahlreichen Farben unseres Regenbogens auf ver- schiedenen Paletten zu verteilen; zweitens, weil unser Auge im Regenbogen immer mehr und mehr Farben und immer zartere und feinere Modulationen sehen lernt; drittens, weil wir, um in den übergroßen Räumen unserer Con- certsäle und Opern Theatern von Vielen gehört zu werden, auch einen großen Lärm machen müssen...“13

Zur Jahrhundertwende hatte der Orchestergesang, vornehmlich durch Strauss mit seinen orchestrierten Klavierliedern, die zu regelrechten Schlagern wurden, und Mahler, der zum Beispiel Lieder in seine Sinfonien aufnahm, aber auch mit Werken von Pfitzner, Zemlinsky, Reger, Hausegger und Schönberg seine Blütezeit.14

Der Orchestergesang ist aber nicht ausschließlich abgeleitet von anderen Gattungen, sondern wirkte auch auf andere wie zum Beispiel im Falle von Hugo Wolfs Oper Der Corregidor ein.15

Durch das Erstarken des Orchesterliedes gab es für Sänger nun auch ein Äquivalent zum Solokonzert, in dem Instrumentalisten ihr Virtuosentum zeigen konnten, und so löste es die obsolet gewordene orchesterbegleitete Arie oder Szene und Opernausschnitte im öffentlichen Konzert ab.16

Im Fin de siècle konnte sich das Orchesterlied durch soziologische Voraussetzungen zu einer quasi-selbstständigen Gattung entwickeln. Die beschriebene Entwicklung zieht aber einige Widersprüche, die sich für den Gattungsbegriff ergeben, nach sich. Hauptan- satz ist hierbei die Verletzung des Intimität-Postulats. Für den Gattungsbegriff Lied ist die Wahrung einer Intimität unverzichtbar. Herkömmliche Klavierlieder wie die Schuberts wurden in Hausmusiken aufgeführt und sind sogar ohne Zuhörer vorstellbar. Im Idealfall begleitet sich der Sänger selbst.17 Er wird zur „Personifizierung des ästhetischen Subjekts“ und verkörpert das „musikalisch-lyrische Ich“18. Der Begleiter hingegen darf kein eigenständiges Subjekt darstellen. Das Klavier mit seinem „non-legato“ ist das Instrument, das der menschlichen Stimme als „Trägerin des lyrisch-melodischen Empfindens“19 am entferntesten ist, und ihr somit nachsteht. Dadurch sei es das ideale Begleitinstrument, wie die Kritiker des Orchestergesangs behaupten.

Dagegen bricht das Orchesterlied offen mit der intimen Atmosphäre, die für den ly- rischen Liedbegriff essentiell ist. Das Orchester bildet als „Chor beseelter Wesen“ und als „ das Klangmittel öffentlichen Musizierens“20 einen Gegenpol zum Klavier, dem bürgerlichen Hausinstrument. Die Singstimme drohe, so die Kritiker des Orchesterge- sangs, bei Orchesterbegleitung unterzugehen und mit dem Orchester zu einem Klang zu verschmelzen, da sie sich nicht wie beim Klavier abhebe. Geschehe dieses aber, so trete die Stimme als „Lautäußerung des Einzel-Ichs“ nicht mehr in Erscheinung, was ein Widerspruch wäre, da sie „ihrem Inhalte nach in den Gefühlskreis des Einzel-Ichs ge- bannt“21 bliebe. Die Identifikation der Zuhörer mit dem Sänger als Verkörperung des ly- rischen Subjekts missglücke demnach in der großen Masse von Zuhörern im großen Konzertsaal. Eine volle Orchesterbegleitung lenke als sekundäre Erscheinung vom Ge- sang und somit von der Hineinversetzung in das lyrische Ich ab, betonten die Kritiker des Orchesterliedes zur Jahrhundertwende. Die Orchesterbegleitung wirke gegensätzlich zu der Aufgabe der Klavierbegleitung, die Identifikation des Publikums mit dem Sänger zu fördern. Somit gerate die Relation zwischen Gesang und Begleitung durch den von einem Dirigenten geleiteten, großen, komplexen Orchester-Apparat, der Wagners Vor- stellung der Unsichtbarkeit nicht erfüllen kann, in ein Ungleichgewicht.22

Nach Rudolf Louis gibt es beim Begriff des Orchesterliedes für die lyrische Textaus- wahl einen unlösbaren Widerspruch, wie er 1909 in Die deutsche Musik der Gegenwart erläu- terte:

„Und in der Tat hat die Orchesterbegleitung für den rein lyrischen Text, zumal wenn er von geringerer Ausdehnung ist, etwas Gefährliches. Allzu leicht entsteht ein störendes Mißverhältnis zwischen der Intimität des Inhalts und der Stärke der in Anspruch genommenen klanglichen Mittel, allzu groß ist aber auch die Versuchung, auf Ä u ß e r l i c h k e i t e n , wie ton - malende Illustration, bloßen Klangeffekt u. dergl. mehr Nachdruck zu legen, als es mit dem Wesen der doch vorzugsweise auf i n n e r l i c h e Wirkung gestellten reinen Lyrik vereinbar ist.“23

Entweder komme ein Komponist der lyrischen Textvorlage nach, in dem er die Funktion der Klavierbegleitung auf das Orchester überträgt und es bei einem „einförmigen, nur geringfügige Varianten zulassenden“ Begleitsatz belässt, oder er beziehe die farbenreiche Palette der Möglichkeiten des Orchesters mit ein und beschädige den lyrischen Gehalt der Textvorlage.

Diese Problematik führte nach Danuser demgegenüber in eine „fruchtbare, zu Experimenten anregende Aufgabe“24, die, wie auch in den folgenden Kapiteln erkennbar wird, eine zukunftsweisende Entwicklung nach sich zog. Es entstanden neue musikalische Ausdrucksformen, die das Intimitäts-Postulat und den lyrischen Gehalt des Textes mit den vielschichtigen Möglichkeiten des Orchesters verband.

Siegmund von Hausegger verteidigt in seiner Abhandlung Ü ber den Orchestergesang von 1912 das orchesterbegleitete Lied, fordert aber, keine rein lyrischen Textvorlagen zu wählen:

„Mit dem Augenblicke mußte die Sehnsucht nach dem Orchester erwachen, als man begann Dichtungen des [...] lyrisch-dramatischen oder dramatisch- epischen Zwischengebietes zu wählen und in modernem Sinne neu zu schaffen.“25

Hausegger lässt Orchesterlieder wie Strauss' Hymnus op. 33/3 und die beiden Lieder aus op. 44, denen ein balladesker, hymnischer, dramatischer oder epischer Ton inne- wohnt, gelten. Für sie muss das Intimitäts-Postulat nicht gültig sein und die Monu- mentalität einer Orchesterbegleitung wäre gerechtfertigt. Richard Strauss' Lieder und Teile des Wagnerschen Musikverständnisses standen somit als Vorbild für die sogenannte Münchener Schule, zu der Hausegger selbst zu zählen ist.26

Hermann Danuser entwickelt fünft Punkte, die sich „wenn nicht als gattungskonstituierende, so doch als vorherrschend für eine Bestimmung des Orchestergesangs geltend machen“27 lassen:

- die Minderung der Bedeutung, welche Vers und Strophe für die mu- sikalische Kompositions besaßen/ die Tendenz zur musikalischen Prosa,
- eine musikalische Textausdeutung, die auf Einzelheiten der Dichtung re- kurriert,
- die Ausweitung der Begleitung zu einem polyphonen Orchestersatz bei teilweise deklamatorischer Gesangsführung in Verwandschaft mit dem Wagnerschen Musikdrama,
- die Bevorzugung von Reflexionsgedicht, lyrischem Naturgedicht, Hym- nus und Volkslied.
- eine dem musikalisch-dichterischen Gehalt angemessene Größe und Länge.28

Für Mahlers und Schönbergs Auffassung des Orchesterliedbegriffs, aber auch für einige Lieder Strauss', greift Hauseggers unzulängliche Begründung, die Art der literarischen Vorlage rechtfertige den Typus Orchesterlied, nicht. Diese Orchesterlieder müssten demnach verworfen werden.

Hans-Joachim Bracht hingegen entwickelt mit Hilfe von Nietzsches Geburt der Trag ö - die, einer nachgelassenen Abhandlung und einem Fragment einen neuen Liedbegriff. Diese Schriften behandeln das Orchesterlied selbst zwar nicht, die entworfene Theorie der Lyrik beinhaltet nach Bracht aber „das gedankliche Potential zu einer Ästhetik des Orchesterliedes“29. Diese behält das Fürsichsein und die Intimität des Liedsubjekts bei, „ohne jedoch das persönliche Ich weiterhin als Basis des Liedes anzusetzen“30.

Das Klavier als „tonloses Instrument“31, wie Wagner es in Oper und Drama bezeichnet, steht für Bracht nach Nietzsches Theorie der Lyrik für die Kithara des Apoll, mit ihren „nur [...] andeutenden Klängen“, die die „erschütternde Gewalt des Tones“ zurückhält. Das Klavierlied steht somit in Konkurrenz zum Orchesterlied, das „die dionysische Gewalt der Musik“ als „Rauschkunst“32 ausbildet.

„Das lyrische Klavierlied der Romantik, im 19. Jahrhundert d a s Anschau- ungsmodell des Lieddenkens, stellt sich als Ä u ß e r u n g s f o r m des ly- risch gestimmten personalen Subjekts dar. Dem gegenüber ist das Orches- terlied als D a s e i n s f o r m des lyrischen Subjekts zu begreifen.“33

Im ersten Fall existiert das Liedsubjekt auch außerhalb des Liedsingens, es geht dem Lied voraus. Im zweiten Falle ist das Liedsubjekt nicht vom Lied loslösbar und „kon- stituiert sich allererst im ästhetischen Raum des Liedes“. Bracht weist auf die Textzeile „Ich leb' allein [...] in meinem Lied“ aus dem Mahler-Lied Ich bin der Welt abhanden gekom- men hin. Das Liedsubjekt existiert nur noch im Lied und ist losgelöst von Raum und Zeit. Das singende Subjekt erscheint als frei und schwebend im Orchesterklang. Es ist „in seiner stimmlichen Äußerung nur ein Moment des übergreifenden Gesamtklanges“. So gewinnt das lyrische Orchesterlied seine Berechtigung als öffentliche Musikform. Bracht spricht von dem Paradigma des „seelenvollsten Gesamtklangs des Orchesters“34.

Die alte Liedästhetik fasste die menschliche Stimme als „unmittelbar tönende Seele“35 auf. Sie wird nun, begründet durch Nietzsche, instrumental gehandhabt und kann mit dem Orchesterklang eine Symbiose eingehen. Richard Strauss und Gustav Mahler bilden diesen „seelenvollsten Gesamtklang des Orchesters“ auf unterschiedliche Weise aus.

3 Einflüsse auf Schönberg durch Strauss und Mahler

3.1 Richard Strauss

3.1.1 Das Verhältnis Schönberg - Strauss

Zwischen den Persönlichkeiten Arnold Schönberg, dem „junge[n] Musiker aus der Anonymität des Wiener Kleinbürgertums“ und Richard Strauss, dem „erfolgsgewohn- ten, souverän sich gebenden bayrischen Großbürger“36, bestand ein großer bio- graphischer Gegensatz. Strauss kam aus einer reichen, anerkannten Musikerfamilie. Sein Vater Franz Joseph war erster Hornist an der Münchener Hofoper und Professor an der Königlichen Akademie; seine Mutter Josephine stammte aus einer vermögenden Bau- ernfamilie. Das musikalische Talent Richards wurde früh durch Unterricht in verschie- denen Instrumenten gefördert und fundiert ausgebildet. Er begann mit sechs Jahren zu komponieren und konnte seine Stücke auch erfolgreich aufführen.37

Schönbergs Jugend unterschied sich davon im großen Maße. Er war zehn Jahre jünger als Strauss und kam zunächst aus mittelständigem Haus. Der Vater Samuel war ein Kaufmann aus Preßburg. Der Unterschied zu Strauss' familiärer Herkunft zeigt sich deutlich in Schönbergs Aufsatz R ü ckblick von 1949:

„Aber im Gegensatz zu vielen Familien, die Wunderkinder hervorbrachten, fand sich in der meinigen kein Musik-Enthusiast, der sich für mich verwendet hätte. [...] [D]ie Zeichen von musikalischem Talent, die bei mir erschienen, [wurden] nicht ernstlich beachtet.“38

Schönberg begann im Alter von acht Jahren Violine zu spielen und schrieb erste kleine Kompositionen, die aber Imitationen der Musik waren, die ihm zugänglich war.39 In der Neujahrsnacht 1890/91 starb Samuel Schönberg, was die Familie in eine schwere finanzielle Krise stürzte, so dass Schönberg die Realschule abbrechen musste und in einer Wiener Privatbank eine Lehre begann, die er bis 1895 aufrecht erhielt.40 Eine mu- sikalische Laufbahn kam nicht in Betracht. Er musizierte und komponierte haupt- sächlich als Autodidakt, was im Gegensatz zu Strauss' musikalischer Entwicklung steht. Erst durch einige Freunde begann Schönbergs musikalische und literarische Erziehung. In R ü ckblick schreibt Schönberg, wie erst die Bekanntschaften mit Oscar Adler, David Bach und schließlich mit Alexander von Zemlinsky ihm die Welt der Musik eröffneten.41

Zemlinsky und Schönberg lernten sich im Herbst 1895 kurz nach dem Abbruch der Banklehre im Laienorchester Polyhymnia kennen, das Zemlinsky leitete und in dem Schönberg Cellist war.42 Schönberg zeigte ihm einige Kompositionen, so dass dieser sich bereit erklärte Schönberg zu unterrichten. Im Oktober 1901 heiratete Schönberg Mathilde von Zemlinsky, die Schwester von Alexander.43

Im Jahr der Eheschließung lernte Schönberg Ernst von Wolzogen kennen, der in Berlin als Kabarettist sein „Buntes Theater“, das unter dem Namen „Überbrettl“44 be- kannt war, betrieb. Dieser hatte mit seinem Ensemble ein Gastspiel in Wien. Schönberg spielte ihm einige Chansons nach Dichtern wie Bierbaum und Dehmel, die für das „Überbrettl“ schrieben, vor. Wolzogen kaufte sie ihm begeistert ab und bot ihm darauf- hin einen halbjährigen Vertrag als Kapellmeister im „Überbrettl“ an.45 Künstlerisch war diese Stelle nicht besonders reizvoll, aber finanzielle Gründe waren wohl überzeugender.

So kam es, dass Schönberg noch 1901 mit seiner frisch angetrauten Ehefrau nach Berlin zog. Am „Überbrettl“ leitete er nicht nur die Kapelle, sondern komponierte auch einige seiner Brettl-Lieder. Diese erschienen dem Publikum oft rhythmisch und harmonisch zu ungewohnt, so dass sie oft nur eine Aufführung im Theater erlebten.46

Zu dieser Zeit war Strauss' Musik Schönberg schon bekannt. Strauss, der Kapellmeister der Berliner Hofoper war, hatte schon mehrere seiner sinfonischen Dichtungen wie Don Juan op. 20, Tod und Verkl ä rung op. 24, Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28 und Also sprach Zarathustra op. 30 erfolgreich uraufgeführt.47

„In der Musik [...] folgten nach dem Tod von Brahms viele junge Komponisten dem Vorbild von Richard Strauss und komponierten Pro- grammusik. Dies erklärt den Ursprung der Verkl ä rten Nacht: es ist Pro- grammusik, die das Gedicht von Richard Dehmel schildert und zum Aus- druck bringt.“48

Der Einfluss der Musik Richard Strauss' war demnach schon stark. Schönbergs Streichsextett Verkl ä rte Nacht op. 4, das im Sommer 1899 geschrieben wurde, wurde im März 1902, gefolgt von dem ersten berühmten Skandal, den Schönbergs Musik auslöste, uraufgeführt.49

Ernst von Wolzogen war ein guter Freund von Richard Strauss, der das Libretto zu Strauss' Oper Feuersnot von 1900/1901 lieferte. Dieser war es wohl auch, der Strauss und Schönberg bekannt machte. Schönbergs Vertrag am „Überbrettl“, das sich in Finanznöten befand, lief aus und wurde nicht verlängert. Wolzogen hatte das angeschlagene Theater verlassen. Schönberg, der am 08.01.1902 Vater von Tochter Gertrud geworden war, blieb trotzdem in Berlin und musste sich nach einer neuen Anstellung umschauen. Es war Richard Strauss, der ihm aus der Misere half.50

Der erste persönliche Kontakt fand durch ein Schreiben Schönbergs an Strauss im Frühjahr 1902 statt. Strauss antwortete: „Sehr geehrter Herr! Sie treffen mich täglich von 3 bis 4 Uhr zu Hause! Hochachtend, Richard Strauss.“51 Dieser förmlichen Einladung folgte Schönberg und ein herzlicher Kontakt entstand.

Strauss verfolgte interessiert Schönbergs Arbeit an der Instrumentation der Gurrelie- der, die er in Berlin Mitte 1902 wieder aufnahm.52 Allerdings musste Schönberg diese 1903 wieder unterbrechen und zunächst aufgeben, da er Operetten instrumentierte um Geld zu verdienen. Das einzige Werk, das Schönberg in seiner Zeit in Berlin komponierte, ist die sinfonische Dichtung Pelleas und Melisande op. 5 nach Maurice Mae- terlincks gleichnamigen Drama. Es war Richard Strauss, der Schönberg auf den Stoff aufmerksam machte und ihm die Komposition einer Oper empfahl. Schönberg begann allerdings sehr schnell mit der Konzeption einer sinfonischen Dichtung, bis dato Strauss' vornehmlicher Gattung. Die erste Niederschrift erfolgte Ende Juli 1902.53 Auch

zu den F ü nf Orchesterst ü cken op. 16 soll Strauss Anregungen gegeben haben, allerdings entsprachen die Kompositionen nicht Strauss' Vorstellungen.54

Mit seinen finanziellen Nöten, die ihm am Komponieren hinderten, wendete sich Schönberg bereits im Sommer 1902 an Richard Strauss. Dieser verschaffte Schönberg zunächst einige kleine Arbeiten, wie das Anfertigen der Stimmen zu Strauss' Ballade Taillefer op. 52.55 Im Winter des Jahres 1902 muss ein Gespräch zwischen den beiden Komponisten, dem jungen, unbekannten und erfolglosen Schönberg, der um seine Existenz kämpfen musste, und dem älteren, erfahrenen und gut gestellten Strauss, statt- gefunden haben, nach welchem Strauss sich Schönberg annahm. In einem Brief vom 06.12.1902 konnte er Schönberg gute Nachrichten übermitteln:

„Lieber Herr Schönberg! Ich war heute bei Direktor Holländer u. er ver- sprach, sich Ihrer wärmstens anzunehmen. Er will Ihnen schon jetzt eine kleine Klasse einrichten (damit Sie sich wenigstens Lehrer am Sternschen Conserv. nennen können). Vom 1. Januar ab hofft er, Ihnen eine größere Klasse zu geben: er hat auch Copiaturarbeiten für Sie. [...] Im übrigen wenden Sie sich in allen Nöten, zu besseren Informationen an Herrn In- spector Pohl, ein treuer lieber Freund von mir, der Ihnen gerne stets mit Rat und Tat beistehen wird.“56

Nicht nur für Schönbergs Stelle am Sternschen Konservatorium setzte sich Strauss stark für ihn ein. Strauss war zu dieser Zeit Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Musikvereins, der jedes Jahr die Zinsen der Liszt-Stiftung einem begabten Komponisten oder Pianisten als ein Stipendium zur Verfügung stellte.57 In seiner Funktion des Vorsitzenden konnte er auch kurzfristig helfen: „mit 50 Mark kann ich Ihnen schon aus der schlimmsten Patsche helfen. Also Glück auf!“58 Diese Briefzeilen zeigen auch, dass Schönbergs Lage ausgesprochen bedrängend gewesen sein muss.

Schönbergs Bewerbung um das Liszt-Stipendium, das Prozedere der Gewährung und der besondere Einsatz Richard Strauss' für Schönberg werden in dem Buch Richard komponierte Gabriel Fauré eine Orchestersuite. Am 30.04.1902 war die Uraufführung von Claude Debussys Oper Pelleas und Melisande, also erst kurz bevor Schönberg seine sinfonische Dichtung komponierte, die auch erst als Oper angedacht wurde. Allgemein wird davon ausgegangen, dass Schönberg nichts von Debussys Oper wusste. Laut Manuel Gervink bereute Schönberg auch später noch, dass er den Plan aufgab, aus dem Drama eine Oper zu schreiben, da seine Oper ganz anders als die von Debussy geworden wäre. Zwei Jahre später schrieb noch Jean Sibelius eine Orchestersuite zu Pelleas und Melisande.

Strauss: Briefe aus dem Archiv des Allgemeinen Deutschen Musikvereins von Irina Kaminiarz do- kumentiert. Am 18.12.1902, also nur wenige Tage nach dem oben wiedergegebenen Brief, empfahl Strauss dem Generalintendanten des Weimarer Hoftheaters und Kurato- riumsmitglied der Liszt-Stiftung Hippolyt von Vignau den Höchstbetrag von 1000 Mark Arnold Schönberg zukommen zu lassen.59 Daraufhin schrieb Schönberg eine Bewer- bung, in der er seine bisherige Ausbildung und seine aktuelle Situation darlegte.60

Im März 1903 wurde nach einigen Absprachen der Kuratoriumsmitglieder61 Schönberg das Stipendium sogar für zwei aufeinanderfolgende Jahre vergeben, wie ein Schreiben des Vorsitzenden von Vignau an die Mitglieder des Kuratoriums der Lisztstiftung vom 06.03.1903 belegt:

„Der junge Componist ARNOLD SCHÖNBERG in Berlin hat sich um ein Stipendium aus der Lisztstiftung beworben. Über die von ihm eingesandten Compositionen [...] haben sich Herr Hofkapellmeister RICHARD STRAUSS, Herr MAX SCHILLINGS und Herr Hofkapellmeister DR. OBIST außerordentlich günstig ausgesprochen. Sie befürworten sämtlich die Gewährung eines Stipendiums womöglich auf 2 Jahre und bekunden, daß es sich um ein entschiedenes Talent handele, dessen Leistungen in technischer Hinsicht als hervorragend bezeichnet werden müssen, insbeson- dere in Anbetracht der Tatsache, daß der p. Schönberg nur wenig mu- sikalischen Unterricht genoß und mit äußeren und inneren Schwierigkeiten aller Art zu kämpfen hatte.“62

Schönberg hatte Strauss in dieser Zeit, kurz bevor er mit den ersten Konzeptionen für die Lieder aus op. 8 begann, außerordentlich viel zu verdanken. Allerdings kamen auch Uneinigkeiten auf. Schönberg zeigte Strauss sein Programm-musikstück Pelleas und Melisande op. 5, das nicht den Vorstellungen Strauss' entsprach. Über den Unterschied von Pelleas und Melisande zu Strauss' musikalischen Vorstellungen, aber auch über den Einfluss, den Strauss in dieser Zeit auf ihn hatte, schreibt Schönberg in seinem Aufsatz R ü ckblick:

„Allerdings war ich in dieser Zeit schon ein Bewunderer Richard Strauss' ge- worden, wenn auch noch nicht Gustav Mahlers, den ich erst viel später zu verstehen begann, in einem Stadium in meiner Entwicklung, wo sein sinfonischer Stil auf mein Schaffen keinen Einfluß mehr ausüben konnte. Es ist aber trotzdem nicht ausgeschlossen, daß ich durch sein stark ausgepräg- tes Festhalten an der Tonalität und durch die breitere Disposition seiner Harmonie beeinflußt wurde, die länger liegen bleiben konnte, weil sie selten gezwungen war, ungewöhnliche Ausweichungen der Melodie erklärend, sich anzupassen. Zeugnisse davon kann man im ersten Streichquartett op. 7 und in den Sechs Orchesterliedern op. 8 finden, während die früher komponierte sym- phonische Dichtung Pelleas und Melisande ein rascheres Vordringen in der Richtung der erweiterten Tonalität hätten erwarten lassen. In diesem Werk finden sich Merkmale, die viel zur Entwicklung meines Stils beigetragen haben. Viele dieser Themen enthalten außertonartliche Intervalle, die ein spezifisches Verhalten der Harmonie erfordern.“63

In Pelleas und Melisande erschienen musikalische Mittel wie das Posaunenglissando, Verwendung von Ganzton- und Quartenakkorde und eine komplexe Polyphonie und Instrumentation. Die sinfonische Dichtung entsprach nicht den Vorstellungen von Strauss. Allerdings schrieb auch der Freund Zemlinsky an Schönberg im April 1903 über op. 5: „Verliere jeden Augenblick den melodischen od. harmonischen Faden; muss wieder beginnen, u. schließlich thun mir Kopf u. Augen so weh, dass ich aufhören muss.“ und „Etwas weniger Strauss wäre mir lieber.“64. In Pelleas und Melisande ist, auch wenn die sinfonische Dichtung nicht von Strauss angenommen wurde, an vielen Stellen der Einfluss Strauss' zu erkennen; Schönberg versuchte wohl in seinen Aufsätzen aus den späten 40er Jahren die Rolle Strauss' im Nachhinein zu relativieren.65

Nochmal zu erwähnen ist hier Schönbergs Anmerkung, dass Strauss' breite musikalische Anlage und seine harmonische Sprache in den Sechs Orchesterliedern op. 8 wesentlich war, solange er Mahler noch nicht verstand.

Im Sommer 1903 ging Schönberg nach Wien zurück; er war Strauss aber immer noch in Dankbarkeit zugetan, wie ein Brief Schönbergs vom 10.09.1903 zeigt: „Ich bleibe wieder in Wien. [...] Ich muß mich also mit einemmal von Ihnen wohl für längere Zeit verabschieden. Bei dieser Gelegenheit drängt es mich, Ihnen, hochverehrter Meister, nochmals für alle die mir erwiesene auf- opfernde Hilfe auf das Innigste zu danken. [...] [M]it nochmaligen Dank Ihr ganz ergebener Arnold Schönberg.“66

Im Frühjahr 1904 gründete Schönberg mit anderen Komponisten wie Alexander von Zemlinsky die Vereinigung schaffender Tonk ü nstler. Strauss wurde Ehrenmitglied und seine Sinfonia domestica op. 53 erlebte in einem der vom Verein ausgerichteten Konzerte, unter der Leitung Mahlers, ihre Wiener Uraufführung.67 Allerdings war der Einfluss Mahlers hier schon immens; er wurde Ehrenvorsitzender des Vereins.

Am 25.01.1905 konnte Schönberg in dem anderen Konzert des Vereins schaffender Tonk ü nstler endlich Pelleas und Melisande in Wien uraufführen,68 worauf der Kontakt zwi- schen Schönberg und Strauss für einundeinhalb Jahre versiegte. Erst im Sommer 1906 schrieb Schönberg wieder an Strauss, um ihn zur Aufführung seiner Werke zu bewegen. Strauss antwortete erst am 20.05.1908 mit freundlichen, aber mahnenden Worten:

„Doch wird es mich freuen, wenn Sie mir gegen Herbst ein Paar (nicht zu lange) Stücke zur Ansicht senden u. wäre sehr glücklich, wenn ich etwas darunter fände, was ich einem leider wahnsinnig konservativen Berliner Opernpublikum ohne allzu großes Risiko servieren könnte.“69

Die Werke, die Schönberg daraufhin nach Berlin sandte, schlug Strauss aus. Auf Anregung Strauss' begann Schönberg mit der Kompostion der F ü nf Orchesterst ü cke op. 16 und sendete sie nach Vollendung mit einem Brief an Strauss mit der dringenden Bitte, sie in das Programm des Berliner Philharmonischen Orchesters aufzunehmen.70 Trotz genauer Erklärungen, was Schönberg zu seiner neuen expressiven Musiksprache ver- anlasste, antwortete Strauss höflich ablehnend: “Sie wissen, ich helfe gern u. habe auch Muth. Aber Ihre Stücke sind inhaltlich und klanglich so gewagte Experimente, daß ich vorläufig es nicht wagen kann, sie meinem mehr als conservativem Berliner Publikum vorzuführen.“71 Weiterhin schrieb Strauss: „Wollen Sie einen gutgemeinten Rat von mir nehmen, so lassen Sie sich die Stücke von einem befreundeten Dirigenten [...] in ein paar Proben vorführen, oder mieten sich zu diesem Zweck selbst mal ein gutes Orchester, um die Stücke auszuprobieren [...].“72 Manuel Gervink betont in seinem SchönbergBuch, dass auf Schönberg, der nach wie vor in finanziellen Nöten lebte, Strauss' Rat, sich „selbst mal ein gutes Orchester“ zu mieten, als gönnerhafte Beleidigung wirken musste. Strauss schrieb in diesem Brief über Schönberg wie zu einem Amateurkomponist, so dass der Kontakt wiederum abbrach.

Im Herbst 1911 kehrte Schönberg nach Berlin zurück um dort Vorträge über Ästhetik und Harmonielehre am Sternschen Konservatorium zu halten.73 Im darauffolgenden Jahr kam es nach einem Konzert zu einer Begegnung mit Richard Strauss, wie Schönberg in seinem Berliner Tagebuch beschrieb:

„Mit Webern im Strauß-Konzert. Hausegger-Symphonie. Ganz hübsch. Me- lodisch warm, ziemlich ehrlich, aber verschmockt und wenig intelligent. Sehr gut instrumentiert. Stark Straußisch. [...] Nach der letzten Nummer erwartete ich Strauß. Er war sehr freundlich. Aber ich war sehr ungeschickt. Verlegen, wie ein junges, fünfzehnjähriges Bürscherl mir gegenüber nicht ist (Zweig!), stammelte und machte sicher auf Strauß den Eindruck einer un- sympathischen Devotion. Ich hatte alle Haltung verloren, weil ich darauf be- dacht sein wollte, mich Strauß gegenüber nur ja nicht auf den 'Selberaner' hinauszuspielen. Aber das hatte ich ja nicht nötig gehabt. Im Gegenteil, ge- rade den 'Selberaner' hätte ich anstreben müssen, um doch halbwegs Haltung zu bewahren. Übrigens liegt mir wenig daran. Ich weiß, wie's war und das genügt mir. - Stellte Webern vor. Konnte aber nichts für ihn sagen, weil ich zu sehr stammelte.“74

Beat Föllmi hebt hervor, dass Schönbergs Betonung seiner missglückten Selbstdarstellung sein Minderwertigkeitsgefühl gegenüber dem erfolgreichen, anerkannten Komponisten, der er selbst nicht war, zeigt.

Strauss' Sichtweise auf Schönberg war allerdings nicht so verhärtet und seine Äuße- rungen wohl unbedacht. Er setzte sich weiter beim Allgemeinen Deutschen Musikverein für finanzielle Unterstützung für seinen jüngeren Kollegen ein und stimmte dreimal, und zwar 1913, 1914 und 1918, als Mitglied des Kuratoriums der Mahler-Stiftung dafür, Schönberg die Zinsen der Stiftung zukommen zu lassen.75 Allerdings schrieb Strauss re- lativierend an Alma Mahler nach seinem Votum in der Mahler-Stiftung von 1913: „Dem armen Schönberg kann heute nur noch der Irrenarzt helfen. Ich glaube, er täte besser Schnee zu schaufeln, als Notenpapier zu bekritzeln.“76 Diese beleidigenden Zeilen, die Alma Mahler Schönberg beibrachte, führten zum endgültigen Bruch zwischen den beiden Komponisten.

Ein Jahr später wurde Schönberg gebeten zu Strauss' 50. Geburtstag etwas zu schreiben, was Schönberg mit einem Brief vom 22.04.1914 an einen unbekannten Adressaten negativ beantwortete:

„Sehr geehrter Herr,

Ihrer Aufforderung, zu Richard Strauss' 50. Geburtstag etwas zu schreiben, kann ich leider nicht entsprechen. Herr Strauss hat in einem Brief an Frau Mahler (in Angelegenheit der Mahler=Stiftung über mich folgendes ge- schrieben:

„Dem armen Schönberg kann heute nur der Ireenarzt helfen . . .“

„Ich glaube er täte besser daran Schnee zu schaufeln, als Notenpapier zu be- kritzeln . . .“ Ich meine, die

Auffassung, die nicht nur ich sondern jedermann nach solchen Äußerungen von Herrn Strauss' menschlicher (denn das ist Neid gegen einen „Konkur- renten“) und künstlerischer Persönlichkeit (denn das ist eine „gesangsthe- ma=artige“ Banalität) haben kann, ist nicht geeignet, der Welt zur Feier sei- nes 50. Geburtstages verkündet zu werden. Ich habe nicht

die Absicht, Herrn Strauss „moralisch“ zu schädigen; . . . Künstlerisch inter- essiert er mich heute gar nicht, und was ich seinerzeit von ihm gelernt hätte,

habe ich, Gottseidank, mißverstanden. [...] Ich kann aber

doch nicht unerwähnt lassen, daß ich Strauss, seit ich Mahler verstehe (und ich begreife nicht, wie ein anderer anders kann), innerlich abgelehnt habe.“77

Schönberg zeigte sich auf das Tiefste als Künstler und Mensch verletzt, so dass es auch von ihm zu polemischen Bemerkungen kam.78 Trotz seiner inneren Ablehnung äußerte sich Schönberg in seinen musikalischen Schriften durchaus positiv. In der Harmonielehre werden Strauss und Mahler etwa gleich oft genannt, allerdings wird Mahler Im Aufsatz Menschrechte äußert sich Schönberg über einen Witz von Strauss: „Man kann übergehen den guten Witz von Richard Strauss, der sagte: „Daß ein Bleistift von einem Platz zu einem anderen bewegt wird, kann ich in Musik ausdrücken.“ Denn das ist nicht die Sprache, in der ein Musiker, ohne es zu wissen, sich preisgibt, in dem er Gedanken formuliert, über die er selbst erschrecken würde - wüßte er nicht, daß ja doch niemand herausfinden wird, was er verbirgt, indem er es sagt.“ (Schön- berg: Menschenrechte. 1976, S. 144).

dabei über Strauss gestellt. Auch in anderen Aufsätzen und Interviews spricht Schönberg anerkennend über Strauss' Musik.79

Sein ambivalentes Verhältnis zu Strauss wird in einer Bemerkung aus Schönbergs Nachlass deutlich:

„Ich bin kein Freund von Richard Strauss und obwohl ich seine Werke nicht bewundere, glaube ich, daß er eine der charakteristischen und außergewöhnlichen Persönlichkeiten der Musikgeschichte bleiben wird.“80

Über die Jahre hinweg entwickelte Schönberg sich weiter zur führenden Persönlichkeit der musikalischen Avantgarde, während Strauss als einer der letzten Romantiker für die Regression stand.81

Am Lebensabend der beiden Komponisten war nicht nur musikalisch eine große Kluft zwischen ihnen enstanden. Schönberg war 1933 vor den Nationalsozialisten nach Amerika geflüchtet;82 Richard Strauss wurde im gleichen Jahr Präsident der Reichsmu- sikkammer.83

Beat Föllmi merkt an, dass Strauss in den Jahren zwischen 1897 und 1909 künstle- rischen Einfluss auf Schönberg hatte. Die Hauptphase waren dabei die Jahre 1902 bis 1904, die Zeit der ersten Kompositionen zu op. 8, in denen Schönberg Strauss in Berlin kennenlernte und von ihm außerordentliche musikalische und besonders finanzielle Hil- fe bekam. Die ersten Uneinigkeiten in musikalischer Sicht kamen bereits 1903 über Pelleas und Melisande auf. Der Einfluss Strauss' schwand auf Grund unterschiedlicher mu- sikalischer Sichtweisen zu der Zeit als Schönberg Gustav Mahler kennenlernte.

3.1.2 Die Orchesterlieder Richard Strauss'

Richard Strauss hat eine große Anzahl von Liedern hinterlassen, die allerdings hinter seinen Opern und den sinfonischen Dichtungen im heutigen Konzertbetrieb zurück- stehen. Einige Lieder wie Zueignung oder St ä ndchen erfreuten sich in der Zeit der Jahr- hundertwende einer großen Beliebtheit und wurden zu Schlagern. Ein bestimmter Kreis von Liedern ist heute bekannt und beliebt, andere hingegen werden äußerst selten ge- spielt.

Strauss schrieb über 200 Lieder nach verschiedensten Dichtern, von denen 16 origi- näre Orchestergesänge sind.84 26 der Klavierlieder bearbeitete er zu Orchesterliedern, fünf wurden noch zu Lebzeiten des Komponisten von Anderen instrumentiert.85

Für Strauss hatten die Liedkompositionen auch einen Übungscharakter. In ihnen experimentierte er nach Feststellungen von Urslula Lienenlüke mit harmonischen oder melodischen Techniken, bevor er sie in seine Opern aufnahm. In diesem Zusammenhang erwähnte Strauss den Begriff „Handgelenksübungen“86. Aber auch der schneller und unaufwändiger zu erzielende Erfolg und die Verfestigung seiner Popularität veranlassten Strauss zur Anfertigung seines großen Liedœvres.

Bis 1905, das Jahr in dem Schönberg sein op. 8 vollendete, schrieb Strauss sieben originäre Orchesterlieder und instrumentierte sieben der beliebten Klavierlieder.87 Die meisten der Lieder sind noch vor 1900 geschrieben oder instrumentiert, so dass es möglich ist, dass Schönberg während der Bekanntschaft mit Strauss und vor der Kompostion von op. 8 in Kontakt mit diesen Lieder gekommen ist.

Die folgende Übersicht zeigt die Orchesterlieder, die Strauss vor Entstehung von Schönbergs op. 8 komponierte und die somit im Mittelpunkt der folgenden Heraus- arbeitung Strauss'scher Stilmittel stehen. Bei Klavierliedern, die Strauss bis dato instru- mentiert hatte, ist das Entstehungsjahr der Klavierfassung (KF) und das der Orches- terfassung (OF) angegeben. Bei originären Orchesterliedern entfällt der Eintrag unter KF.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten88

Einige der vor 1905 komponierten Lieder wurden erst später von Strauss instru- mentiert. Dies geschah in zwei Phasen. 1918 wurden sechs Lieder aus op. 39 und op. 47-49 für Orchesterbegleitung gesetzt und 1933 noch zwei Lieder aus op. 37 und op. 39. 1940 instrumentierte Strauss das berühmte Lied Zueignung op.10/1, das schon 1932 von Robert Heger instrumentiert und von Strauss autorisiert wurde. 1948 folgte noch Ruhe, meine Seele op. 27/1; beide Lieder wurden über 50 Jahre nach der Komposition des Kla- vierliedes von Strauss instrumentiert.

Die drei Lieder Wiegenlied, Muttert ä ndelei und Meinem Kinde dirigierte Strauss zum ersten Mal auf dem Bergischen Musikfest in Elberfeld im Jahre 1900 mit seiner Frau Pauline. Diese drei orchestrierter Lieder mit verschiedenen Opuszahlen wurden dort unter dem Titel Mutterlieder zusammengefasst.89

Die Lieder des op. 33 nannte Strauss nicht Orchesterlieder, er verwendete den Be- griff Gesänge. Dies ist motiviert durch das neue Format der Lieder in „Umfang, rheto- rischer Geste und lyrischem Rahmen“90. Von den Liedern gibt es keine Klavierfassung, nur die im Nachhinein erstellten Klavierauszüge von Hermann Bischoff (Nr. 1 und 2), einem Strauss-Schüler, und von Otto Singer (Nr. 3 und 4), der auch den Klavierauszug zur Oper Guntram erstellte. Es gibt keine autonomen Klavierfassungen wie bei Mahlers Liedern.91

Die reinen Orchesterlieder gehören bis auf die Vier letzten Lieder zu den wenig beach- teten von Strauss' Liedern. Die einzelnen Lieder aus op. 33 wurden bei ihren teilweise getrennten Uraufführungen von den Kritikern nicht besonders gut aufgenommen. Die Liedgruppe, die durch keinen bestimmten inhaltlichen Duktus zusammengehalten wird, hat auch andere Probleme aufzuweisen: Das erste Lied ist für Sopran oder Tenor, das zweite für Sopran, das dritte für Bariton oder Mezzosopran, das vierte nur für Bariton.92 Ihre etwas unglückliche Zusammenstellung erfordert außerdem eine teilweise stark un- terschiedliche Orchesterbesetzung. In Zwei gr öß ere Ges ä nge f ü r tiefere Stimme mit Orchesterbe- gleitung op. 44 tritt ein ähnliches Problem auf: Das erste Lied Notturno dauert über 15 Mi- nuten Dauer, während das zweite N ä chtlicher Gang eine riesige Orchesterbesetzung auf- weist.93

Die originären Orchestergesänge Hymnus op. 33/3 nach Schiller und die beiden Lieder aus op. 44, Notturno nach Dehmel und N ä chtlicher Gang nach Rückert, stellen laut Hermann Danuser Modelle für den hymnischen-dramatischen Orchesterliedtypus dar, der zur Monumentalität neigt.94 Strauss war damit Vorbild für die Komponisten der neudeutschen Münchener Schule, zu der u.a. Max von Schillings, Siegmund von Hausegger und Rudi Stephan gehörten.

Richard Strauss verwendete viele Gedichte unterschiedlicher Lyriker von unterschiedlicher Qualität. Er hatte nur punktuell und zeitlich begrenzte Vorlieben bei der Auswahl seiner Textvorlagen. Strauss griff selten in den Text ein und verwendete kaum Textwiederholungen.95 Für ihn war die Gerechtigkeit gegenüber der lyrischen Vorlage leitend.96 Die Musik gestaltete sich dabei aber nicht als einseitig abhängig.

Ursula Lienenlüke unterscheidet in ihrem Buch Lieder von Richard Strauss nach zeitge- n ö ssischer Lyrik zwei verschiedene Typen der Melodiebildung in den Liedern Strauss'. Zum einen stellt die Periode das formgebende Element dar, die Melodie wird „von der musikalisch autonomen Formidee der Periode bestimmt“97. In dieser dem 18. und 19. Jahrhundert folgenden Melodiebildung wird die Textvorlage eher undifferenziert be- handelt.

Häufiger als ein solches Melodielied kommen zum anderen Lieder vor, in denen die Textvorlage und die lyrische Sprache die Melodiebildung evozieren. Hierbei wird die traditionelle Liedform verlassen. Strauss orientiert sich an der Gesamtidee und mehr an der gedanklichen als an der formalen Gliederung des Gedichtes.98

Er folgt dabei linear dem Geschehen, Bildern und Assoziationen der Textvorlage, so dass die Aufnahme neuer Motive immer aus dem Text resultiert. So ist die musikalische Struktur oft frei und folgt dem von Adorno geprägten Begriff der „Bildchentechnik“:

„Strauss war ein Komponist im Wortsinn, einer, der zusammensetzt; er gebietet über die Momentaufnahmen; der Bewegungsimpuls ist der seine, kaum je der photographisch stillhaltenden Motive. [...] Seine Verfahrungsart ähnelt dem Film [...].“99

Diese „kaleidoskopartige Aneinandereihung“100 von Stimmungen und Motiven ist beispielsweise in der letzten Strophe des Orchestergesanges Das Thal op. 51/2 naiv anmutend nachvollziehbar. Der erste Vers der dritten Textstrophe „Bedrängt mich einst die Welt noch bänger“ beginnt im tiefen b-Moll. Das Orchester bäumt sich mit einer treibenden Bewegung über einem dramatischen verminderten Akkord, der zweimal um einen Halbton nach oben sequenziert wird, auf. Diese Steigerung fällt abrupt ab und lei- tet in freundlichere Sichtweise zu Des-Dur mit dem Text der Singstimme „So such' ich wieder dich, mein Thal“. Die Instrumentation mit Einsatz der Solo-Flöte ist ebenfalls heiterer und schlanker. Diese hellere Atmosphäre endet bei den Worten „Und sink' ich dann ermattet nieder“. Die Streicher bilden eine meditative, repetitierende F-Dur-Klang- fläche aus. Die darüber spielenden Holzbläser trüben das F-Dur mit des und es ein, so dass eine traurige, nostalgische Stimmung entsteht. Der Text untermalt die einzelnen Bilder des Textes.

Bei der Instrumentation von schon zuvor bestehenden Klavierliedern setzt Strauss nicht einfach die Klavierbegleitung für Orchester aus, sondern erweitert sie um andere Raffinessen. Schon bei der Liedbegleitung wich Strauss von dem Klaviersatz ab, wie Alfred Orel als „Umblätterer“ in einem Konzert mit Strauss-Liedern mit der Sängerin Elisabeth Schumann und Richard Strauss als Pianist erlebte:

„Als ich das erste Lied aufschlug, sagte Strauss leise zu mir: «Sie dürfen aber nicht in die Noten schauen, denn ich spiel's ganz anders.» Und nun konnte ich die Kunst des Accompagnierens aus unmittelbarer Anschauung genießen [...]. Solche Freiheit und dabei doch wieder höchste Genauigkeit [...], ein derart vollkommenes Einswerden von Sängerin und Begleiter war wohl unerreicht. Die gedruckten Noten waren allerdings mehrfach nur Ge- dächtnisstütze für den Komponisten, gleichsam Klavierauszüge, nach denen die Sängerin mit ihrem Korrepetitor arbeiten konnte. [...] Bassverdoppe- lungen, Akkordbereicherungen brachte Strauss zahllose an. Er konnte aber auch, wie zum Beispiel beim «Morgen» sich genauestens an das niederge- schriebene Notenbild halten. Bei der «Cäcilie» meinte man allerdings, ein ganzes Orchester aufrauschen zu hören.“101

Dieser Eindruck bestätigt sich in der Instrumentation der beiden Lieder aus op. 27. Während bei Morgen! der Klaviersatz getreu übernommen wird, erfährt die Begleitung bei C ä cilie durch Harfenglissandi, Erweiterung der Streicherfiguren und dramaturgische Steigerung des Nachspiels eine Erweiterung.

Das Lied Das Rosenband op. 36/1 orchestrierte Strauss bereits zwei Tage nach Vollendung der Klavierfassung.102 Während der Komposition des Klavierliedes hatte er wohl schon an eine Orchesterfassung gedacht. Norman Del Mar spricht von einem für Orchesterbegleitung komponierten Lied: „Moreover, the rarely heard orchestral accom- paniment contains a mass of enchanting details which Strauss ruthlessly put aside when this time he made his own piano transcription“103. Er beachtet dabei nicht, dass die Klavierfassung vorher existierte. Dieses Übersehen macht aber deutlich, dass Strauss bei seinen Orchestrierungen die Klavierlieder für Orchester modifizierte und sie mit kleinen Details und zusätzlichen Stimmen und Füllstimmen vergrößerte.

Bei der Instrumentation verwendet Strauss zur Nachzeichnung äußerer Vorgänge auch tonmalerische Mittel wie in dem Lied Muttert ä ndelei op. 43/2. Durch Hörner und Fagotte in Staccati wird das besungene Kind, das „fetter als ein fettes Schneckchen“ ist, tonmalerisch kommentiert. „Hunderttausend Thaler“ und „alles Gold der Erde“, die ein Kaufmann vergeblich für das geliebte Kind anbieten würde, werden mit Triangel und kleinem Becken imitiert.104 In dem alptraumhaften Orchestergesang N ä chtlicher Gang op. 44/2 wird die horrorhafte Atmosphäre unter anderem durch Kastagnetten, die knattern- de Schiefern imitieren, und durch das Xylophon, das zwei Gespenster nachahmt, ein- gefangen.105

Bei der Widerspiegelung innerer Vorgänge verzichtet Strauss eher auf tonmalerische Elemente.106 Strauss lehnt sich besonders in den originären Orchestergesängen an die Wagnersche Leitmotivtechnik an.

„Motive, die aus textlichen, d.h. außermusikalischen Ursachen heraus ent- stehen, erhalten eine klangsymbolische Funktion, indem durch sie bestimm- te Situationen oder Personen charakterisiert beziehungsweise psycholo- gische oder gedankliche Beziehungen hergestellt werden. Durch Wiederho- lungen in einem jeweils anderen Kontext, durch motivische Verknüpfungen oder Aneinanderreihungen entsteht mit Hilfe dieser Klangsymbole teilweise ein äußerst vielschichtiges Gewebe von Assoziationen und inhaltlichen Zu- sammenhängen, das über die sprachliche Vermittlung weit hinausgeht. In Anlehnung an Wagners „Leitmotiv-Technik“ könnte man - bis auf einige Ausnahmen - dieses Verfahren als „Erinnerungsmotiv-Technik“ bezeich- nen, da die motivische Verarbeitung in den seltensten Fällen wie bei Wagner (durch Variations- und Durchführungstechnik) eine thematische Einheit er- zielt. Es handelt sich vielmehr in den meisten Fällen um bloße Reminiszen- zen oder nur geringfügige Verarbeitungen.“107

In dem Lied Verf ü hrung op. 33/1 setzt Strauss den Text ähnlich wie in seinen Opern um.108 Das Stück beginnt im sinnlichen E-Dur-Vorspiel, das „in nächtlich-trunkenen, betörenden Farbkreuzungen den opulenten Gesangs-Part vorbereitet“109, mit dem ersten von drei Hauptmotiven:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Notenbeispiel 1: Motiv a, Verf ü hrung op. 33/1.110

Nach sieben verwobenen Takten, in denen Motiv a in einer Fülle von Klangfarben und Wendungen verarbeitet wird, erklingt das zweite Motiv in den Hörnern und später in den Holzbläsern:

Notenbeispiel 2: Motiv b, Verf ü hrung op. 33/1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Danach kehrt das Motiv a wieder und der Gesang beginnt. Nach der ersten Strophe, die mit den Worten „Nun schmiegt sich Brust an Brust“ endet, erklingt das eilende dritte Hauptmotiv c, bevor der Text mit „Es hebt der Nachtwind die Schwingen weit“ weitergeführt wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Notenbeispiel 3: Motiv c, Verf ü hrung op. 33/1.

Im Folgenden werden die Motive fortwährend aufgegriffen. Motiv b erscheint zu den Worten „weil sie ihn liebt... O großes Feiern! O schönste Nacht!“ zum ersten Mal im Textkontext wieder und bildet die Grundlage für die nächsten Takte, bevor das erste Motiv wieder aufnommen wird. Die Motive unterstreichen den textlichen Inhalt.

Im Anschluss beginnt ein düstererer kontrastierender Teil mit dem Text: „Still stößt vom Strande ein schwankendes Boot - Verläßt die Lande der Mörder Tod?“. Ein viertes Motiv, dass an Motiv c angelehnt ist, erklingt in den Kontrabässen, Fagotten und der Tuba:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Notenbeispiel 4: Motiv d, Verf ü hrung op. 33/1.

Thematische Verschmelzungen, in denen sich „die Vereinigung der Gedanken kund- gibt, ohne aber die Individualität des Einzelgedankens aufzuheben“111, verdeutlichen in- nere oder äußere Vorgänge. Nach weiteren Motivverarbeitungen, die genau dem Textinhalt nachfolgen, kulminiert das Lied zu „ich will dich führen in's Wunderland...“. Das Orchester bäumt sich zu einer großen, strahlenden Geste auf und verarbeitet die Themen. Das erste und das vierte Motiv werden kombiniert und das dritte Motiv aug- mentiert hinzugesetzt.112

Nach diesem herrlichen Höhepunkt nimmt die Spannung über einem über 12 Takte ausgehaltenen Orgelpunkt kontinuierlich ab, bis zum Einsatz der Solo-Violine, die die bedächtliche, intensive Coda einleitet. Die Solo-Violine verdeutlicht in typisch Strauss'scher Manier Strauss' die intime Atmosphäre der Schlussworte „Es liebt, wer wacht! Du wirst mein eigen noch diese Nacht...“.113

Durch den am Text entlanggehenden Einsatz der Motive und ihrer Verbindungen entsteht ein farbiger Reigen aus Einzelstimmungen und -bildern, was wiederum ein Beleg für den von Adorno geprägten Begriff der „Bildchentechnik“ ist.114

Das zweite Lied aus op. 33, Gesang der Apollopriesterin, beginnt mit einer sprudelnden Tremolo-Bewegung in den tiefen Streichern und dem darüberliegenden fanfarenartigen „Weihemotiv Apolls“115 in den Trompeten in Takt 3:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Notenbeispiel 5: Weihemotiv Apolls, Takt 3, Gesang der Apollopriesterin op. 33/2.

In Takt 12 beginnt der Gesang mit dem zweiten Hauptmotiv.116

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Notenbeispiel 6: Erster Gesangseinsatz Motiv b, Takt 12, Gesang der Apollopriesterin op. 33/2.

Der Beginn der zweiten Textstrophe, die durch keine größere musikalische Zäsur eingeleitet wird, stellt das dritte Hauptthema dar. Das warme Hauptmotiv c wird in einer Reihe von Sequenzen durch verschiedene Instrumente gereicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Notenbeispiel 7: Motiv c, Takt 28,

Gesang der Apollopriesterin op. 33/2.

Diese drei Hauptmotive bilden die Grundlage des musikalischen Materials des Liedes. Zu dem Wort „Säulenhallen“ in der zweiten Textstrophe greift die Singstimme das „Weihemotiv Apolls“ mit starker, rankender Melismatik auf.

In der dritten Textstrophe „Seht, unten, wo die kühlen Bäche fließen, dort wandeln heut in Nacktheit Mann und Frau“ unterstreicht Strauss den Textinhalt mit einem Duett zwischen Solo-Violine und Klarinette, dass im grandiosen Nachspiel wieder erklingt.117

Unter den originären Orchesterliedern herrscht die durchkomponierte Form vor. Barformen und dreiteilige Liedformen werden im Liedschaffen vereinzelt verwendet und sind wie bei dem Stimmungslied Meinem Kinde op. 37/3 von der Textform vorgege- ben.118 Variierte Strophenlieder sind in allen Stadien des Strauss'schen Liedschaffens auf- findbar. Das Wiegenlied op. 41/1 hat eine einfache AA'A''-Form, in der die Abwei- chungen vom Originalmodell meist nur geringfügig ausfallen. In dem Lied C ä cilie op. 27/2 wird ein Strophenlied nur angedeutet, indem die Strophenanfänge mit dem trio- lischen aufwärtsgerichtetem Hauptmotiv identisch sind, aber verschieden weiter- laufen.119 Die Übereinstimmung der Einsätze resultiert wiederum aus der Textvorlage von Heinrich Hart, deren drei Strophen jeweils mit den Worten „Wenn du es wüßtest“ beginnen.

In diesem Lied ist ebenfalls die Tendenz zur Steigerung und Ausweitung der Schlussstrophe nachzuweisen. Vergrößerungen oder Verkleinerungen eines Motivs als inhaltliche Intensivierung treten in Strauss' Liedern häufig auf.120 Das Hauptmotiv erscheint in augmentierter Form in Takt 45. Dabei wird die Melodie in längeren Notenwerten in die hohe Lage getrieben. Dynamisch geschieht ebenso eine Steigerung.

In Morgen! op. 27/4 folgt das Orchester einer einfachen Liedstruktur, der Gesang liegt aber losgelöst davon frei darüber. Im Orchester erscheint mit der Violinenmelodie ein instrumentales Strophenlied, ähnlich einem Lied ohne Worte, in dem keine Rücksicht auf die Textgliederung genommen wird, das sich inhaltlich aber auf den Text stützt. Die darüber schwebende Singstimme „deklamiert lediglich den Text, ohne differenziert auf Sprache oder Inhalt einzugehen“121.

[...]


1 Schönberg: Mahler. 1976, S. 12. Zitate werden grundsätzlich in der alten Rechtschreibung übernom- men.

2 Schönberg: R ü ckblick. 1976, S. 399.

3 Schönberg: Komposition mit zw ö lf T ö nen. 1976, S. 73.

4 Bracht 1993, S. 9.

5 Dahlhaus 1976, S. 90.

6 Hier und im Folgenden: Dahlhaus 1976, S. 90.

7 Dazu konkretisiert Dahlhaus: „Fauré und Humperdinck taugten schwerlich dazu «Epoche zu ma- chen».“

8 Danuser 1977, S. 425. Vgl. Kahnt 1996, S. 53. Christine Kahnt wendet ihren Blick bei der Suche nach einem Terminus für das musikalische Werk der Zeit um die Jahrhundertwende auf den Jugendstil.

9 Vgl. Jost 1996, Sp. 1306. Auch Reger, Berlioz und Liszt orchestrierten Schubert-Lieder.

10 Vgl. Danuser 1977, S. 428. 1877 fand beispielsweise ein Konzert im Leipziger Gewandhaus, das sich ausschließlich dem Klavierlied widmete, statt. Hugo Wolf sprach sogar von einer 'Liederabendepide- mie'.

11 Hier und im Folgenden: Danuser 1977, S. 435ff.

12 Vgl. Jost 1996, Sp. 1306 und Danuser 1977, S. 427.

13 Blaukopf 1993, S. 133f. Vgl. Danuser 1977, S. 430. In diesem Zusammenhang weist Danuser auf Re- tuschen und Striche, die Mahler in Werken von Beethoven, Schubert, Schumann und Bruckner vor- nahm.

14 Vgl. Jost 1996, Sp. 1307.

15 Vgl. Danuser 1977, S. 434.

16 Ebd., S. 428.

17 Vgl. Bracht 1993, S. 28ff. Bracht macht auf die besondere Rolle des „Singens und sich Begleitens“ aufmerksam. Das Lied ist die „Äußerung e i n e s Subjekts“, wie Schubert in einem Brief von 1825 an seinen Bruder Ferdinand schreibt: „Die Art und Weise wie Vogl singt und ich accompagnire, wie wir in einem solchen Augenblick E i n s zu sein scheinen, ist diesen Leuten etwas ganz Neues, Un- erhörtes.“ Bracht erklärt, dass es sich dabei nicht um eine Verschmelzung von Sänger und Begleiter zu einem dritten Ich handelt, sondern um die Erschaffung des Scheins vom „Singen und Sich-Beglei- ten“.

18 Danuser 1977, S. 442.

19 Siegmund von Hausegger zitiert nach Bracht 1993, S. 15.

20 Bracht 1993, S. 43.

21 Ebd., S. 17.

22 Vgl. Danuser 1977, S. 442.

23 Hier und im Folgenden: Rudolf Louis zitiert nach Danuser 1977, S. 442f.

24 Ebd.

25 Siegmund von Hausegger zitiert nach Kahnt 1996, S. 55.

26 Ebd. Außer Siegmund von Hausegger sind u.a. Rudi Stephan, Max Schillings und Walter Courvoisier zu nennen.

27 Danuser 1977, S. 428.

28 Ebd.

29 Bracht 1993, S. 9.

30 Ebd., S. 49.

31 Hier und im Folgenden: Friedrich Nietzsche zitiert nach Bracht 1993, S. 65.

32 Kahnt 1996, S. 61. Im Liedschaffen Schönbergs und auch Strauss' stehen die Orchesterlieder neben den Klavierliedern. Trotz der Komposition von Orchesterliedern findet die Konzeption von Klavier- liedern einen gesicherten Platz.

33 Hier und im Folgenden: Bracht 1993, S. 49.

34 Ebd. Bracht weist darauf hin, dass Orchesterlieder nicht automatisch den „seelenvollsten Gesamt- klang des Orchesters“ ausbilden. Die lyrischen Lieder des ersten Teils von Schönbergs Gurreliedern oder Zemlinskys Lied der Jungfrau seien Problemfälle, die zunächst als von der Singstimme getragene, instrumental begleitete Gebilde erscheinen. In diesem Zusammenhang bedürfte es diesen widersprüchlichen Problemfällen einer besonderen Untersuchung, so Bracht.

35 Kahnt 1996, S. 61.

36 Freitag 1973, S. 19.

37 Vgl. Gervink 2000, S. 77f.

38 Schönberg: R ü ckblick. 1976, S. 397.

39 Ebd.

40 Vgl. Freitag 1973, S. 8 und Gervink 2000, S.16. Manuel Gervink betont, dass nicht ganz gesichert ist, warum Schönberg die Banklehre abbrach. Berichten zufolge ging die Bank Konkurs, was Schönberg als Anlass nahm, die Lehre abzubrechen. Dieser Konkurs fand laut Gervink aber erst 1897 statt, so dass es plausibler klinge, dass Schönberg kündigte oder gekündigt wurde, da er sich nur mit Musik beschäftigte.

41 Vgl. Schönberg: R ü ckblick. 1976, S. 397.

42 Vgl. Föllmi, 1996, S. 178 und Wellsz 1925, S. 18.

43 Vgl. Gervink 2000, S. 77.

44 Ebd., S.73. Gervink erklärt den Namen des Theaters. „Brettl“, aus dem süddeutschen Raum stammend, kann mit „Tingeltangel“ übersetzt werden. Das „Über“ folgt Nietsches Begriff vom „ Ü ber menschen“. Wolzogen, ein guter Freund von Richard Strauss, war ein glühender Nietzscheaner.

45 Vgl. Freitag 1973, S. 17.

46 Vgl. Wellsz 1985, S. 22.

47 Vgl. Föllmi 1996, S. 173.

48 Schönberg: Programm-Anmerkungen zu Verkl ä rte Nacht. 1976, S. 453.

49 Vgl. Scholz 2002, S. 22.

50 Vgl. Gervink 2000, S. 22.

51 Zitiert nach Gervink 2000, S. 77. Im März 1902 war die Uraufführung von Schönbergs Verkl ä rte Nacht op. 4.

52 Vgl. Stuckenschmidt 1951, S. 17f.

53 Vgl. Bruhn 2002, S. 36. Maerterlicks Drama war öfters Grundlage für musikalische Werke. 1898

54 Vgl. Föllmi 1996, S. 175.

55 Ebd., S. 174.

56 Zitiert nach Gervink 2000, S. 79.

57 Vgl. Stuckenschmidt 1951, S. 18.

58 Zitiert nachGervink 2000, S. 79.

59 Vgl. Kaminiarz 1995, S. 149.

60 Seine Bewerbungskompositionen waren die Gurrelieder und das Streichsextett Verkl ä rte Nacht.

61 Vgl. Kaminiarz 1995, S. 149. Mitglieder der musikalischen Sektion, bzw. des Musikausschusses des Allgemeinen Deutschen Musikvereins, der von 1861 bis 1937 bestand, waren neben Richard Strauss schon zuvor u.a. Franz Liszt, Hans von Bülow, Engelbert Humperdinck und später Siegmund von Hauseg- ger, Hans Pfitzner, Alexander von Zemlinksy, Paul Hindemith und Alban Berg, um nur einige zu nennen.

62 Ebd., S. 154.

63 Schönberg: R ü ckblick. 1976, S. 399.

64 Beide Zitate zitiert nach Gervink 2000, S. 85.

65 Vgl. Boyden 1999. Boyden lässt die Ablösung von Strauss' Einfluss auf Schönberg durch Mahler ne- gativ durchklingen: „Schönberg hatte damals großen Respekt vor Strauss, dem er auch die Idee zu dem einzigen großen Werk verdankte, das er in den zwanzig Monaten in Berlin vollendete. Später waren ihm Strauss' Freundlichkeiten unangenehm und als er unter Mahlers Bann geriet, verdrängte er sie aus seinem Bewußtsein.“ Boyden verteidigt im Folgenden noch Strauss' Einstellung gegenüber Schönberg. Das Zitat zeigt allerdings auch, dass Strauss für Schönberg mehr eine übergeordnete Re- spektsperson als ein Mentor war.

66 Zitiert nach Föllmi, 1996, S. 174.

67 Ebd.

68 Vgl. Bruhn 2002, S. 36.

69 Zitiert nach Stuckenschmidt 1974, S. 64.

70 Vgl. Boyden 1999, S. 265.

71 Zitiert nach Gervink 2000, S. 86. Vgl. Boyden 1999, S. 265. Boyden versucht Strauss zu verteidigen und vernachlässigt den Abschnitt des Briefes, der bei Hans Heinz Stuckenschmidt, Beat Föllmi und Manuel Gervink abgedruckt ist, und beachtet nicht, dass Strauss' Brief durchaus beleidigende Wirkung auf Schönberg haben konnte.

72 Zitiert nach Stuckenschmidt 1974, S. 66.

73 Vgl. Freitag 1973, S. 78.

74 Zitiert nach Stuckenschmidt 1974, S. 67. Vgl. Föllmi, 1996, S. 175f.

75 Vgl. Boyden 1999, S. 265f.

76 Zitiert nach Boyden 1999, S. 265.

77 Schönberg 1958, S. 48f.

78 Vgl. Föllmi 1996, S. 176. Seitenhiebe gegen Strauss sind in Schönbergs Aufsatzsammlung Stil und Ge- danke zu finden. In dem Aufsatz mit dem bezeichnenden Titel Kriterien f ü r die Bewertung von Musik schreibt Schönberg, als es um die Verwendung von unvariierten Sequenzen anstatt der entwickelnden Variation geht: „Aber der Schaden, den diese minderwertige Konstruktionsmethode der Komposi- tionskunst zugefügt hat, war beträchtlich. Mit sehr wenigen Ausnahmen wurden alle Nachfolger und sogar Gegner Wagners zu Anhängern dieser primitiven Methode: Bruckner, Hugo Wolf, Richard Strauss und sogar Debussy und Puccini.“ (Schönberg: Kriterien f ü r die Bewertung von Musik. 1976, S. 127).

79 Ebd.

80 Zitiert nach Föllmi 1996, S. 177.

81 Vgl. Gervink 2000, S. 87.

82 Vgl. Freitag 1973, S. 162.

83 Vgl. Boyden 1999, S. 506.

84 Vgl. Del Mar 1986. Originäre Orchesterlieder sind op. 33, op. 44, op. 56/6, op. 71 und die Vier letzten Lieder.

85 Vgl. Haider 1999, S. 21.

86 Vgl. Lienenlüke 1976, S. 161.

87 Müller von Asow 1959.

88 Das zweite Lied Der Einsame nach Heinrich Heine wurde erst 1906 komponiert und mit Das Thal un- ter einer Opusnummer zusammengefasst.

89 Vgl. Rainer 1999, S. 126.

90 Ebd., S. 106.

91 Vgl. Del Mar 1986, S. 300.

92 Ebd., S. 304.

93 Vgl. Rainer 1999, S. 154. Die Besetzun von N ä chtlicher Gang lautet: 2 Pc.,4,2,Eh.,Es-Kl.,2,2,Kfg. - 6,4,3,1 - Pk.,gr.Tr.,Bck.,Tamt.,Kast.,Rute,Holz- und Strohinstrument - Hf. - Str.(12,12,8,8,8).

94 Danuser 1977, S. 448.

95 Eine starke Ausnahme bildet das Orchesterlied Notturno op. 44/1, in dem Strauss die erste Strophe und den letzten Vers der Textvorlage Dehmels streicht. Somit bleibt in der Liedfassung verschwie- gen, dass es sich bei dem unheimlichen Inhalt des Gedichts um einen Traum handeln soll.

96 Vgl. Kahnt 1996, S. 103.

97 Lienenlüke 1976, S. 1ff.

98 Ebd., S. 7ff.

99 Adorno, Richard Strauss: Zum hundertsten Geburtstag. 1975, S.591f.

100 Lienenlüke 1976, S. 8.

101 Orel 1952, S. 13. Vgl. Del Mar 1986, S. 286f.

102 Vgl. Rainer 1999, S. 122.

103 Del Mar 1986, S. 305.

104 Vgl. Rainer 1999, S. 144.

105 Ebd., S. 156.

106 Vgl. Lienenlüke 1976, S. 24.

107 Ebd., S. 110f.

108 Vgl. Del Mar 1986, S. 301.

109 Rainer 1999, S. 108.

110 Die Notenbeispiele sind nach den vier Bänden des Lieder-Albums der Universal Edition und den Auszügen in dem Buch von Norman Del Mar erstellt.

111 Wachten 1934, S. 264. Vgl. Lienenlüke 1976, S. 21.

112 Vgl. Del Mar 1986, S. 301.

113 Vgl. Rainer 1999, S. 109.

114 Vgl. Lienenlüke 1976, S. 107.

115 Rainer 1999, S. 112.

116 Vgl. Del Mar 1986, S. 302. Del Mar betont die Verwandschaft mit Motiv der Salome zu den Worten „Ich will den Kopf [des Jochanaan]“.

117 Vgl. Del Mar 1986, S. 303.

118 Vgl. Lienenlüke 1976, S. 76. Bei op. 37/1 liegt eine ABA'-Form vor.

119 Ebd., S. 85.

120 Ebd., S. 20.

121 Ebd., S. 88f.

Final del extracto de 145 páginas

Detalles

Título
Schönbergs Orchesterlieder im Gattungskontext der Jahrhundertwende
Universidad
University of Osnabrück
Calificación
1,0
Autor
Año
2005
Páginas
145
No. de catálogo
V50755
ISBN (Ebook)
9783638469050
Tamaño de fichero
1336 KB
Idioma
Alemán
Notas
- Entstehungsgeschichte des Liedes - Theorie zum Gattungsbegriff "Orchesterlied" - Analyse des persönlichen und musikalischen zwischen Mahler, Strauss und Schönberg - Ausführliche Analyse des Orchesterliedschaffens von Strauss und Mahler - Detaillierte Analyse von Schönbergs Orchesterliedern op.8
Palabras clave
Schönbergs, Orchesterlieder, Gattungskontext, Jahrhundertwende
Citar trabajo
Rüdiger Bültmann (Autor), 2005, Schönbergs Orchesterlieder im Gattungskontext der Jahrhundertwende, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50755

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