Multinationale Unternehmen, die die Vereinheitlichung von Arbeitskulturen und das Setzen von internationalen Standards als Ziele ihrer Personalpolitik verfolgen, stoßen bei dem Versuch, ihre Personalpraktiken nach Deutschland oder Großbritannien zu transferieren, nach wie vor auf Barrieren und Schwierigkeiten. Diese werden zum großen Teil durch die, trotz der aktuellen Entwicklung hin zur Flexibilisierung insbesondere in Deutschland, immer noch großen Unterschiede im System der Industriellen Beziehungen und Personalpraktiken hervorgerufen. Strebt das MNU eine innerbetriebliche Konsistenz über nationale Grenzen und Wirtschaftssysteme hinweg an, wird es Praktiken aus dem System der Industriellen Beziehungen und des Personalwesens des Heimatlandes in die Tochterunternehmen im Gastland transferieren. Dieser Prozess beschreibt den Heimatlandeffekt. Passt sich ein MNU dagegen den lokalen Gegebenheiten an, so werden im Tochterunternehmen die Praktiken des lokalen Wirtschaftssystems übernommen. Dieser Vorgang wird als Gastlandeffekt bezeichnet.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Fallstudien zum Transfer von Personalpraktiken zwischen britischen MNU, die mit Tochterunternehmen in Deutschland operieren und deutschen MNU, die Tochterunternehmen in Großbritannien haben, verglichen. Es wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich bei ausgewählten Praktiken Gastland- oder Heimatlandeffekte anhand ausgewählter Bereiche der Industriellen Beziehungen und der Personalpolitik nachweisen lassen. Ausgewählt wurden die Bereiche Arbeitnehmermitwirkung, Entgeltgestaltung und Berufsausbildung, da sie in den beiden betrachteten Wirtschaftssystemen besonders verschieden sind. Eine theoretische Betrachtung dieser Bereiche stellt die Grundlage für den nachfolgenden Vergleich der Fallstudien, bei dem grundlegende Asymmetrien aufgedeckt und erklärt werden. Die kritische Reflexion der qualitativen Untersuchungsmethode ‚Fallstudie’ beschäftigt sich mit der Repräsentativität und Vergleichbarkeit von Fallstudien.
Eine Analyse der Lerneffekte deutscher MNU zeigt die aktuelle Entwicklung hin zu einer ‚Anglo-Sachsonisierung’ der deutschen MNU. Festgestellt wird, dass das deutsche Wirtschaftssystem und insbesondere der Arbeitsmarkt von einer zunehmenden Flexibilisierung erfasst werden. Gleichzeitig werden in Großbritannien die Rechte der Arbeitnehmer zusehends gestärkt. Gleichwohl unterscheiden sich das deutsche und das britische Wirtschaftssystem nach wie vor in elementaren Bereichen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung
- 2. Deutschland und Großbritannien im Systemvergleich
- 2.1 Arbeitnehmermitwirkung
- 2.2 Entgeltgestaltung
- 2.3 Berufsausbildung
- 3. Fallstudien – eine kritische Betrachtung.
- 3.1 Ergebnisse der Fallstudien
- 3.1.1 Arbeitnehmermitwirkung
- 3.1.2 Entgeltgestaltung
- 3.1.3 Berufsausbildung
- 3.2 Asymmetrien der Gastland- und Heimatlandeffekte
- 3.1 Ergebnisse der Fallstudien
- 4. Die Anglo-Sachsonisierung deutscher MNU
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Herausforderungen, die sich bei der Übertragung von Personalpraktiken multinationaler Unternehmen (MNU) auf Tochterunternehmen in Deutschland und Großbritannien stellen. Sie analysiert die Unterschiede in den Industriellen Beziehungen und Personalpraktiken zwischen beiden Ländern und beleuchtet den Einfluss von Gastland- und Heimatlandeffekten auf die Transferierbarkeit von Personalpraktiken.
- Unterschiede im System der Industriellen Beziehungen in Deutschland und Großbritannien
- Einfluss von Gastland- und Heimatlandeffekten auf die Personalpolitik von MNU
- Analyse des Transfers von Personalpraktiken in ausgewählten Bereichen: Arbeitnehmermitwirkung, Entgeltgestaltung, Berufsausbildung
- Die aktuelle Entwicklung hin zu einer „Anglo-Sachsonisierung“ deutscher MNU
- Bewertung der Repräsentativität und Vergleichbarkeit von Fallstudien
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel bietet eine Einleitung in das Thema Personalpolitik multinationaler Unternehmen und die Herausforderungen des Transfers von Personalpraktiken. Kapitel 2 stellt die Systeme der Industriellen Beziehungen in Deutschland und Großbritannien im Vergleich dar und beleuchtet die Unterschiede in den Bereichen Arbeitnehmermitwirkung, Entgeltgestaltung und Berufsausbildung. Kapitel 3 analysiert Fallstudien zum Transfer von Personalpraktiken in deutschen und britischen MNU. Die Ergebnisse der Fallstudien werden in Bezug auf Gastland- und Heimatlandeffekte diskutiert. Kapitel 4 beleuchtet die aktuelle Entwicklung hin zu einer „Anglo-Sachsonisierung“ deutscher MNU und betrachtet die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Arbeitsbeziehungen in Deutschland.
Schlüsselwörter
Multinationale Unternehmen, Industrielle Beziehungen, Personalpolitik, Gastlandeffekte, Heimatlandeffekte, Arbeitnehmermitwirkung, Entgeltgestaltung, Berufsausbildung, Anglo-Sachsonisierung, Fallstudien.
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- Georg Weiß (Autor), 2004, Personalpolitik Multinationaler Unternehmen - Fallstudien britischer und deutscher Unternehmen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50780