Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Psychiatrie-Enquete von 1975
3. Das Landeskrankenhaus Lüneburg und die psychiatrische Versorgung
4. Gemeindenahe Psychiatrie
5. Die gemeindenahe Versorgung im Landkreis Rotenburg (Wümme)
6. Fazit
7. Literaturliste / Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Mit Beginn meines Praktikums in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Diakoniekrankenhauses in Rotenburg (Wümme) habe ich ein für mich vollkommen neues Arbeitsfeld kennengelernt. Ich habe davor 30 Jahre als Erzieherin ausschließlich in Kindertagesstätten gearbeitet.
Die mich betreuende Sozialarbeiterin hat ihr Hauptarbeitsfeld auf der Entgiftungsstation der Klinik. Während eines dreiwöchigen Praxisblocks hatte ich die Möglichkeit, schwerpunktmäßig in den Tagesablauf der Station, aber auch in einige sich zum Teil überschneidende Arbeitsbereiche der gesamten Klinik Einblick zu erhalten. In dieser Zeit hörte ich zum ersten Mal von der Psychiatrie-Enquete1 (Enquete 1975, Quelle Internet2 ). Mich interessiert, welchen Einfluss der Bericht der Enquete-Kommission auf die Soziale Arbeit in der in der psychiatrischen Arbeit nimmt.
Mit der folgenden Arbeit möchte ich aufzeigen, wie sich die psychiatrische Versorgung in Rotenburg (Wümme) – vom Landeskrankenhaus Lüneburg zur gemeindenahen Psychiatrie vor Ort – entwickelt hat.
Ich beziehe mich in meiner folgenden Arbeit auf einige statistische Ergebnisse der Enquete. An verschiedenen Stellen wird in dem Enquete-Bericht immer wieder mal darauf hingewiesen, dass die zugrunde liegenden Zahlen keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben bzw. die Bewertung dieser Umfrageergebnisse von unterschiedlichen Faktoren abhängig sind und damit nur bedingt vergleichbar sind. Ich habe trotzdem die statistischen Zahlen der Enquete mit in meine Ausführungen einbezogen, da Sie wenigstens ein grobes Bild der Verhältnisse in der Psychiatrie 1975 darstellen.
2. Die Psychiatrie-Enquete von 1975
Mit der (von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen) Psychiatrie-Enquete wurde der Grundstein für eine bis heute weitreichende Veränderung im Bereich der Psychiatrie in Deutschland gelegt. Vom Ende des zweiten Weltkrieges bis zur „Bestandsaufnahme der aktuellen Situation“ in der Psychiatrie durch die Enquete gestaltete sich der Weg ebenso mühsam (und lang) wie der vom Ergebnis der Untersuchung bis zur Umsetzung der dort genannten Veränderungsvorschläge.
2.1. Das 19. Jahrhundert bis zur Enquete
Ansätze für eine gemeindenahe psychiatrische Versorgung gab es schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts. „Unabhängig von den stationären Versorgungseinrichtungen und den von ihnen abhängigen Betreuungsmaßnahmen wurden schon am Ende des vorherigen Jahrhunderts [Ende 18. Jahrhundert] von hilfswilligen Bürgern Hilfsvereine zur Betreuung psychisch Kranker gegründet. (…) Nach dem ersten Weltkrieg begannen sich in Deutschland Nervenärzte niederzulassen, die einen großen Teil der ambulanten Versorgung psychisch Kranker übernahmen.“ Damit hatte sich „(…) eine qualitative, wenn auch zahlenmäßig mancherorts nicht ausreichende Betreuung und Versorgung psychisch Kranker entwickelt, die unabhängig von den stationären Einrichtungen besteht und im allgemeinen in erreichbarer Nähe vom Wohnort des jeweiligen Patienten angeboten wird.“ (Enquete 1975, S. 61, Quelle Internet)
Zwar waren die Bemühungen um bessere Versorgungs- und Behandlungsmöglichkeiten für psychisch Kranke in dieser Zeit groß, jedoch gab es auch eine Gegenströmung, die eine „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ zur Diskussion stellte. „Der Nationalsozialismus machte sich dieses Gedankengut betont zu eigen [Schreibweise im Original].“ Schätzungsweise wurden ab dem Herbst 1939 80.000 psychisch Kranke und Behinderte sowie Epilepsie-Kranke und etwa 5.000 hirngeschädigte Kinder im Rahmen des „Euthanasieprogrammes“ getötet. „Erst unter dem Druck der öffentlichen Meinung gab Hitler im Juni 1941 den mündlichen Befehl, die Euthanasieaktion abzubrechen.“ (ebd., S. 62)
Nach dem 2. Welt-Krieg war das Thema „Psychiatrie“ gut 20 Jahre weitestgehend ein Tabu-Thema in der Bundesrepublik Deutschland. Zudem stand „der wirtschaftliche Wiederaufbau und die Sicherung gesellschaftlichen Wohlstands“ (Lüneburg 2001, S. 81) in den Nachkriegsjahrzehnten im Vordergrund des allgemeinen Interesses. Bezeichnend für den Zeitraum ist die Äußerung „(…) die Psychiatrie selbst wurde 20 Jahre lang hinter den Mauern versteckt (…).“ (Kulenkampff 1997, S. 95) Zwar entstanden schon Ende der 50er Jahre weitere Ideen für sozial- und gemeindenahe Ansätze in der Psychiatrie, jedoch fand eine Veränderung nur sehr langsam statt.
Schon „1956 fordert ZUTT3 in einem Artikel öffentlich (…) den Aufbau von Psychiatrischen [Schreibweise im Original] Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern und sprach sich strikt gegen den Neubau von Landeskrankenhäusern aus. 1959 wurde der Aktionsausschuß [Schreibweise im Original] zur Hilfe für psychisch Kranke beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. gegründet, der (…) schließlich 1964 eine Empfehlung zustande brachte, mit der sich unmittelbar die kontroverse Diskussion der Enquête-Zeit [Schreibweise im Original] ab 1971 verbinden läßt [Schreibweise im Original].“ (ebd., S. 91 f)
Karl Peter Kisker wies 1967 darauf hin, dass es zukünftig „(…) ein Netz von Nachtkliniken und Tagesstätten, von Beratungsstellen und kleineren Notfallabteilungen an Allgemeinkrankenhäuser, in welchen der Psychiater mit dem frei praktizierenden Kollegen und gut geschultem soziotherapeutischem Personal zusammenarbeitet.“ benötige (Kisker 1995, S. 42)
Und dann kam Anfang der 70er Jahre Bewegung in die Psychiatrie:
Im Mai 1970 (23.-27.) stand zum 73. Deutschen Ärztetag in Stuttgart erstmals nach Kriegsende die „Fürsorge für psychisch Kranke und psychisch Gefährdete“ (Bundesärztekammer, Quelle Internet4 ) auf der Tagesordnung.
Am 28./29.5.1970 fand das erste sogenannte „Mannheimer-Kreis-Treffen“ statt. Dabei handelte es sich um einen „lockeren Zusammenschluss von reformorientierten Mitarbeitenden insbesondere aus den psychiatrischen Krankenhäusern, der seine jährlichen Tagungen vorzugsweise in Großkrankenhäusern und Anstalten durchführte. Er galt damals als Inbegriff der kritischen Psychiatriebewegung.“ (Schernus, S. 3, Quelle Internet5 )
Vier Wochen nach dem zweitem „Mannheimer-Kreis-Treffen“ (16./17.11.1970) wurde in Hannover die DGSP – die „Deutsche Gesellschaft für Sozialpsychiatrien der BRD e.V.“ gegründet (Bauer 1997, S. 112).
„Die AKTION PSYCHISCH KRANKE (APK) wurde am 18.01.1971 von Abgeordneten aller Fraktionen des Deutschen Bundestages und engagierten Fachleuten aus dem Bereich Psychiatrie gegründet, um mit politischen Mitteln auf eine grundlegende Reform der Versorgung psychisch Kranker in der Bundesrepublik Deutschland hinzuwirken“. (s. APK, Quelle Internet6 )
Im gleichen Jahr beauftragte die Bundesregierung eine unabhängige Sachverständigen-Kommission damit, eine umfassende Untersuchung durchzuführen. Am 31. August 1971 konstituierte sich eine Sachverständigenkommission, die aus rund 200 Mitarbeitern - aller Bereiche der Psychiatrie (u.a. mit dabei die APK und die DGSP) - bestand. (s. Wikipedia, Psychiatrie-Enquête, Quelle Internet7 )
2.2. Die Enquete
Nach einem Zwischenbericht 1973 legte die Enquete-Kommission 1975 die abschließende Fassung des Berichtes vor (s. Enquete 1975, Quelle Internet). Für die Erhebung wurden unzählige Daten und weitere Informationen zusammengetragen und ausgewertet. Unter anderem wurde erfragt, in welchen und wie vielen Einrichtungen psychisch Kranke behandelt wurden, wie viele Betten und Ärzte (und andere Fachgruppen) hier für Patienten zur Verfügung standen, mit welchen Diagnosen der Aufenthalt begründet war, wie lange eine stationäre Behandlung dauerte und wie viele niedergelassene Nervenärzte es gab. Die Befragung erstreckte sich auf die gesamte Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit ihren damals elf Bundesländern.
Besonders die stationäre psychiatrische Versorgung befand sich vielerorts in einem desolaten Zustand. So wurden vielerorts eine Überbelegung der Einrichtungen und ein Mangel an Fachpersonal festgestellt. Beispielhaft habe ich in der folgenden Tabelle die Personalsituation in den 130 Fachkrankenhäusern für Psychiatrie und Psychiatrie/Neurologie (ebd., S. 88) dargestellt. In folgender Tabelle wird aufgezeigt, für wie viele Betten (Patienten) jeweils eine Fachkraft zuständig war.
Die Personalsituation in den 130 Fachkrankenhäusern:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten8 9 10 11
(s. Enquete 1975, S. 120-134, Quelle Internet)
Die aufgeführten Zahlen verdeutlichen, dass es zur Zeit der Erhebung zu wenig Personal in allen Bereichen für zu viele Patienten gab. In Bezug auf den Stellenschlüssel der Sozialarbeit belegte die Kommission einen „katastrophalen Mangel“ (ebd., S. 135).
Aber auch die räumliche Situation ließ eine gute „Psychiatriearbeit“ nicht zu. Die 98.757 zur Verfügung stehenden Betten standen in 21.328 Schlafräumen. Das macht einen statistischen Durchschnittswert von 4,6 Betten pro Schlafraum. (ebd., S. 137) Aufgeschlüsselt sehen die Zahlen noch schlechter aus: Je größer die Einrichtung, desto mehr Betten füllten einen Schlafraum – „In den großen psychiatrischen Krankenhäusern verfügen 41 % aller Schlafräume über vier bis zehn Betten und 10 % aller Schlafräume haben mehr als 11 Betten.“ (ebd., S. 138)
Eine gemeindenahe Psychiatrie erschien unter diesen Bedingungen nicht vorstellbar, besonders bei Betrachtung der Zahlen der einzelnen Bundesländer. Im Folgenden soll auf die Situation in Niedersachsen eingegangen werden.
2.3. … mit Blick auf Niedersachsen
Während die Abfrage-Ergebnisse für die BRD ein sehr ernüchterndes Bild von der Situation der Psychiatrie zeigte, waren die Ergebnisse für Niedersachsen zum Teil noch ungünstiger.
Zur Verdeutlichung wurden die Ergebnisse zweier Bereiche (aus dem Enquete-Bericht) zusammengefasst:
Beispiel 1:
Die ambulante Versorgung – hier „(…) alle in freier Praxis tätigen zur kassenärztlichen Versorgung zugelassenen Nervenärzte [Hervorhebung vom Verfasser dieser Arbeit] (…)“ (ebd., S. 83):
1972 gab es in der BRD 90312 niedergelassene Nervenärzte. Bundesweit bedeutete dies pro Nervenarzt 68.449 Einwohner (ebd., S. 84). In den niedersächsischen Bezirken Aurich, Stade und Lüneburg gab es durchschnittlich pro niedergelassenen Nervenarzt 100.000 und mehr Einwohner (ebd., Karte 3, S. 85). Der bis dahin als Minimalgrenze angenommene Richtwert von 1:50.000 wurde schon zu der Zeit als nicht ausreichend betrachtet. (ebd., S. 84)
Auch in Bezug auf die 389 Kreise und kreisfreien Städte der BRD hatten von diesen durchschnittlich 64% einen niedergelassenen Nervenarzt und 36% sogar keinen Facharzt. Die Versorgung in Niedersachsen war dagegen in Kreisen und kreisfreien Städten mit 52,3%, die einen vor Ort praktizierenden Nervenarzt hatten und 47,7% keine fachärztliche Versorgung aufwies (ebd., Abb.1, S. 84,) noch schlechter.
Beispiel 2:
Die stationäre psychiatrische Versorgung – hier „ Fachkrankenhäuser [Hervorhebung vom Verfasser dieser Arbeit] für Psychiatrie und Psychiatrie/Neurologie“13:
In der BRD gab es 1974 insgesamt 334 stationäre psychiatrische Einrichtungen14, davon 130 (= 38,9%) Fachkrankenhäuser für Psychiatrie und Psychiatrie/Neurologie (in der Folge dieses Unterpunktes nur noch Fachkrankenhäuser genannt). Von den 147.218 Betten aller Einrichtungen waren 98.757 Betten (= 67,1%) in den Fachkrankenhäusern (ebd., Abb. 4, S. 87) – damit standen durchschnittlich 1,6 Betten für 1.000 Einwohner für psychisch Kranke zur Verfügung (ebd., Abb. 7, S. 91).
Von den insgesamt 130 Fachkrankenhäusern waren sieben in Niedersachsen. Diese befanden sich in Wehnen, Osnabrück, Wunstorf, Hildesheim, Göttingen, Königslutter und Lüneburg (ebd., Karte 5b, S. 94). In diesen sieben Einrichtungen gab es 10.438 Betten – umgerechnet durchschnittlich 1,45 Betten für 1.000 Einwohner (ebd., Abb. 7, S. 91).
Die Betten verteilten sich prozentual wie folgt auf die verschieden großen Fachkrankenhäuser:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(ebd., Tabelle 1, S. 91 und Abb. 8, S. 92)
Hierzu merkte die Kommission an: „Die Tatsache, daß [Schreibweise im Original] über zwei Drittel aller Betten in Fachkrankenhäusern – mit einer Kapazität von mehr als 1 000 Betten – stehen, belegt den generellen strukturellen Mangel der gegenwärtigen stationären Versorgung.“ „Die Größe der Fachkrankenhäuser liegt (…) weit oberhalb der empfohlenen Richtwerte.“ (ebd., S. 92)
Beide Beispiele machen deutlich, warum zu Beginn der 70er Jahre eine gemeindenahe Psychiatrie (besonders in Niedersachsen) unter den gegebenen Umständen nicht praktizierbar war. Zum einen mussten die Patienten schon bei leichten bzw. beginnenden Beschwerden weite Wege auf sich nehmen, um einen Facharzt aufzusuchen. Lange Wartezeiten auf einen Termin stellten für die betroffenen Menschen eine weitere Hürde dar. Eine regelmäßige Versorgung bzw. Behandlung schien dann fast unmöglich, wenn man sich auch die zu der Zeit noch schlechte Verkehrsanbindung vor Augen führt. Zum anderen war bei der Belegungszahl in den Fachkrankenhäusern eine individuelle Betreuung der Patienten gar nicht leistbar und eine vorbereitete „Wiedereingliederung“ nach einer stationären Behandlung kaum möglich.
3. Das Landeskrankenhaus Lüneburg und die psychiatrische Versorgung
Die Enquete-Kommission hatte alle Fachkrankenhäuser für Psychiatrie und Psychiatrie/Neurologie in der BRD, in denen über 500 Betten standen, in der Erhebung mit berücksichtigt. (ebd., S. 88) Eins dieser Fachkrankenhäuser in Niedersachsen steht in Lüneburg. Als „Provinzial-Heil- und Pflege-Anstalt zu Lüneburg“ (Lüneburg 2001, S. 19) wurde die Einrichtung als vierte dieser Art für Niedersachsen erbaut.
3.1. Wie alles begann
1895 trat erstmals eine Kommission der Provinz Hannover zusammen, um verschiedene Standorte für eine neue öffentliche Anstalt zu prüfen. (ebd, S. 17) Bis dahin gab es drei entsprechende Einrichtungen in der Provinz Hannover: 1827 eröffnete die „Heilanstalt für geistes- und gemütskranke Personen“ in Hildesheim (s. Landeskrankenhaus Hildesheim 2002, S. 11, Quelle Internet15 ). 1866 ging das speziell als Klinik für nervenkranke Patientinnen und Patienten errichtete Krankenhaus als „Königliche Landesirrenanstalt zu Göttingen“ in Betrieb (s. Fachklinikum Göttingen, Quelle Internet)16. 1862 bis 1868 wurde die „Hannoversche Provinzialständige Irrenanstalt“ erbaut, die 1900 in „Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Osnabrück“ umbenannt wurde (s. Gertrudenberger Höhlen Osnabrück e. V., Quelle Internet17 ). „1896 wurde zunächst der Bau einer 4. Provintional-Irrenanstalt [Schreibweise im Original] genehmigt (…)“ (Lüneburg 2001, S. 17) und 1898 wurde dieser Bau im Provinziallandtag beschlossen (ebd., S. 18). Am 5. Juli 1901 zogen die ersten Patienten in der mit etwa 600 Betten ausgestatteten Heil- und Pflege-Anstalt ein. (ebd., S. 19) „Die Anstalt (…) hatte alle modernen sanitären Anlagen. Während es in ganz Lüneburg noch keine Kanalisation gab, lief bei uns warmes Wasser aus der Wand, wir hatten Zentralheizung in allen Räumen und Wasserspülung im Klo.“ (17)18 (ebd., S. 19) „Aus den ersten Jahresberichten geht auch das Einzugsgebiet der Anstalt Lüneburg hervor. Die untergebrachten Patienten stammten aus den Städten und den Gebieten Lüneburg, Hildesheim, Osnabrück, Hannover, Stade und Aurich. Einige wenige Patienten kamen aus anderen Provinzen oder waren Ausländer.“ (ebd., S 20)
In der Einrichtung wurden schon nach einem Jahr 426 Kranke gezählt. (ebd., S. 31) Bis 1915 stieg die Anzahl der Patienten kontinuierlich auf 988 Patienten an. (ebd., S. 32) Der 1. Weltkrieg hatte auch Einfluss auf das Anstaltsleben. Die Sterberate der Kranken stieg durch Hunger, der Zunahme von Tuberkulose und Mangel an Heizmaterial, was wiederum eine Steigerung von Grippeerkrankungen verursachte. (ebd., S. 24) So sank die Zahl der Patienten bis 1919 (Kriegsende) auf 554 und bis 1921 sogar auf 201. Allerdings stieg die Anzahl der aufgenommenen Kranken innerhalb der nächsten zehn Jahre wieder auf 1.045 an. (ebd., S. 32) Bis zum 2. Weltkrieg blieb die Belegungsstärke auf so hohem Niveau (Höchstwert 1943 = 1.256). (ebd., S. 33) Die Belegungs-Zahlen (im Verhältnis zu den ursprünglich geplanten 600 Betten) lassen erahnen, welche Zustände in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg geherrscht haben. Der Personalmangel durch die beiden Kriege verschärfte die Situation erheblich.
[...]
1 Enquete = „Amtliche Untersuchung, Erhebung, die besonders zum Zweck der Meinungs-, Bevölkerungs-, Wirtschaftsforschung u. ä. durchgeführt wird“ (Duden 1974)
2 http://www.dgppn.de/fileadmin/user_upload/_medien/dokumente/enquete1975/enquete1975.pdf , zuletzt abgerufen 27.2.2013
3 „Er [Zutt, Jürg] richtete unter Leitung von Kuhlenkampf die erste Sozialpsychiatrie in Deutschland ein.“ http://www.psychiatrie.uni-frankfurt.de/klinik/geschichte/index.html#zutt, zuletzt abgerufen 3.3.2013
4 http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.2.1825.1829, zuletzt abgerufen 23.3.2013
5 http://kulturserver-nrw.de/home/renate-schernus/pdf_archiv/psychiatriereform.pdf , zuletzt abgerufen 29.3.2013
6 http://www.apk-ev.de/public/apk.asp?id=2&mod=User, zuletzt abgerufen 23.3.2013
7 http://de.wikipedia.org/wiki/Psychiatrie-Enqu%C3%AAte, zuletzt abgerufen 23.3.2013
8 Davon 79 mit abgeschlossener psychotherapeutischer Weiterbildung und 51 in psychotherapeutischer Weiterbildung (s. Enquete 1975, S. 126, Quelle Internet)
9 Meint hier alle Krankenschwestern und –pfleger mit und ohne staatlicher Anerkennung sowie auch Pflegepersonal in und ohne Ausbildung (ebd., S. 130 f.)
10 Bezieht sich nur auf staatlich examinierte Pflegekräfte (ebd., S. 132)
11 Davon 26,2 % mit abgeschlossener Ausbildung und 52,6 % als angelernte Kräfte (ebd., S. 133)
12 Diese Zahl wurde von der Enquete-Kommission als Grundlage für alle weiteren Berechnungen festgelegt (s. Enquete 1975, Erläuterung *), Seite 83, Quelle Internet).
13 Alle Fachkrankenhäuser (der BRD) mit mehr als 500 Betten (ebd., S. 88)
14 Dazu gehörten weiter: 44 Fachabteilungen für Psychiatrie und Psychiatrie/Neurologie (zwei in Niedersachsen), 23 Psychiatrische Universitätskliniken (zwei in Niedersachsen), 17 Fachkrankenhäuser und Fachabteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie, fünf Fachkrankenhäuser für Gerontopsychiatrie, 22 Fachkrankenhäuser für Suchtkranke und 93 Heime und Anstalten für geistig Behinderte und chronisch psychisch Kranke (ebd., S. 87)
15 http://www.ameos.eu/uploads/media/LKH_Festschrift_komplett_01.pdf , zuletzt abgerufen 11.4.2013
16 http://www.asklepios.com/klinik/default.aspx?cid=727&pc=03 , zuletzt abgerufen 11.4.2013
17 http://gertrudenberger-hoehlen-osnabrueck.de/gertrudenberg/provinzial-heil-und-plegeanstalt/, zuletzt abgerufen 11.4.2013
18 (17) Zeitzeugenerinnerung von Gertrud Friedeberg, Tochter von Otto Snell. Archiv des Landeskrankenhauses Lüneburg. (Lüneburg 2001, S. 34)