Englisch als besondere Herausforderung für Kinder mit LRS-Diagnose-Fördermaßnahmen


Bachelorarbeit, 2018

44 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Orthographie Deutschdidaktik
2.1 Definition Orthographie Deutschdidaktik
2.2 Besonderheiten der Orthographie Deutschdidaktik
2.3 Prinzipien der Orthographie Deutschdidaktik
2.3.1 Das Phonematische Prinzip
2.3.2 Das syllabische Prinzip
2.3.3 Das morphematische Prinzip
2.4 Umsetzung der Orthographie Deutschdidaktik

3. Orthographie Englischdidaktik
3.1 Definition Orthographie Englischdidaktik
3.2 Besonderheiten der Sprache Englisch
3.3 Umsetzung der Orthographiedidaktik
3.4 Zwischenfazit

4. Lese-Rechtschreib-Störung
4.1 Definition LRS
4.2 Symptomatik
4.3 Ursachen
4.4 Notwendigkeit einer gezielten Förderung

5. LRS und Fremdsprachen
5.1 Fremdsprachenlernen bei Legasthenikern
5.2 Förderung im Regelunterricht
5.3 Förderung in Förderkursen

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

In Deutschland lernt jeder Mensch bereits ab einem frühen Alter die Rechtschreibung. Dieser Prozess beginnt schon in der Vorschule und setzt sich dann in Grundschule und weiterführenden Schulen fort. Das Erlernen der Orthographie kann aber auch noch bis ins Erwachsenenalter voranschreiten. Einige Menschen können das Rechtschreibsystem recht schnell für sich entschlüsseln, während andere länger brauchen. Man kann daher kein festgelegtes Entwicklungsmodell aufstellen, sondern muss die Aneignung der deutschen Orthographie als einen individuellen Prozess verstehen. Darüber hinaus gibt es Menschen, die sich besonders schwer tun die Orthographie zu lernen. Bei diesen Menschen liegt eine sogenannte Lese- Rechtschreib-Schwäche (LRS) vor. Die Begriffe hierfür sind vielfältig, die dahinter steckende Problematik ebenso. In dieser Arbeit werden die Begriffe Lese- Rechtschreib-Störung, LRS und Legasthenie als Synonyme verwendet. Wenn bei einem Schüler oder einer Schülerin LRS festgestellt wird, hat dieses Kind entweder Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben oder Schwierigkeiten in nur einem dieser Bereiche. Diese Arbeit legt den Fokus auf Legastheniker, die mit der Rechtschreibung Schwierigkeiten haben. Wird dies festgestellt, so werden in der Regel passende Förderungen im Rahmen des Regelunterrichts oder in außerschulischen Förderkursen angeboten. Hier ist es wichtig, so früh wie möglich mit einer Förderung zu beginnen, damit zum einen die Lernschwierigkeit minimiert werden kann und zum anderen die Auswirkung auf andere Fächer geringgehalten werden kann. Dass vom Schulsystem vorgegeben ist, mindestens eine Fremdsprache zu lernen, stellt für legasthene Schüler eine besondere Herausforderung dar. Sie müssen nicht nur die Orthographie ihrer Muttersprache mühsam erarbeiten, sondern darüber hinaus auch noch die Orthographie einer Fremdsprache und beide Systeme auseinanderhalten können.

Diese Arbeit wird sich mit dieser Problematik befassen und der Frage nachgehen, woran die Schwierigkeiten legasthener Schüler liegen und wie sie besonders im Fach Englisch gefördert werden können. Der Einfachheit halber werden in den folgenden Kapiteln die männlichen Formen von Schülern, Lehrern etc. verwendet, welche aber gleichermaßen Frauen mit einschließen sollen.

Um die oben angegebenen Fragen zu beantworten, wird im nachfolgenden 2. Kapitel zunächst die deutsche Orthographiedidaktik thematisiert. Hier wird zunächst eine Definition der Orthographiedidaktik formuliert. Danach werden die Prinzipien der deutschen Orthographie und deren didaktische Umsetzung aufgezeigt. Da sich die Arbeit mit dem Erlernen der englischen Orthographie durch deutsche Muttersprachler beschäftigt, wird im 3. Kapitel zunächst die englische Orthographie besprochen. Hier werden Besonderheiten der englischen Sprache aufgezeigt, wie die englische Orthographiedidaktik aussehen könnte und wo die Unterschiede zwischen der deutschen und der englischen Orthographie bestehen. Im Anschluss soll es dann im 4. Kapitel konkreter um LRS gehen, wobei Symptome, Ursachen und die Notwendigkeit einer gezielten Förderung behandelt werden. Das 5. Kapitel behandelt schließlich Förderungsmaßnahmen des Regelunterrichts und außerschulische Fördermaßnahmen. Das 6. Kapitel wird schließlich ein zusammenfassendes Fazit ziehen.

2. Orthographie Deutschdidaktik

2.1 Definition deutsche Orthographiedidaktik

Der Ausgangspunkt einer Orthographiedidaktik ist der, dass Menschen schriftliche Texte produzieren. „Das Schreiben bildet den Ausgangs- und zugleich Zielpunkt des Rechtschreiblernens“ (Budde/ Riegler/ Wiprächtiger-Geppert 2012: 122). Wieso machen wir uns die Mühe Texte schriftlich festzuhalten? Die Hauptgründe des Schreibens sind die epistemische Funktion, die Aufgabenfunktion sowie die kommunikative Funktion. Mit der epistemischen Funktion ist gemeint, dass man für sich selber schreibt, um etwas festzuhalten oder um sich etwas zu verdeutlichen. Epistemisch meint, dass das Schreiben wissensbildend ist. Zudem wird aber auch in Schule oder Beruf geschrieben, um Aufgaben zu erfüllen (vgl. Bachmann/ Becker- Mrotzeck 2017:26). Es wird deutlich, dass das Schreiben dem Selbstzweck dienen kann aber vor allem für die Mitmenschen erfolgt. Da das Geschriebene in der Regel von einem Leser rezipiert wird, besteht darüber hinaus eine kommunikative Funktion. So wird durch die geschriebenen Texte eine über Zeit und Raum hinweg zerdehnte Kommunikation durchgeführt (vgl. Bachmann/ Becker-Mrotzek 2017:25). Damit die Funktionen der Schreibgründe erfüllt werden können ist es wichtig, eine einheitliche Orthographie zu verwenden. Nach Fuhrhop ist die deutsche Orthographie ein „natürliches System“, welches schrittweise entwickelt wurde. Um eine einheitliche Schreibung festzulegen, wurden mehrere Konferenzen angesetzt. Früchtetragend war erst die zweite orthographische Konferenz im Jahr 1901, welche in Berlin stattfand. Hier wurde „auf Grundlage der preußischen Schulorthographie“ eine einheitliche Schreibung beschlossen (Fuhrhop 2009:4). Da dieses Regelwerk jedoch nicht sonderlich umfassend war, wurde im Jahr 1996 durch eine weitere Konferenz ein neues Regelwerk formuliert. Dieses Regelwerk wurde ab „1998 mit einer Übergangszeit bis 2005 in den Schulen eingeführt“ (Ossner 2006:160). Bis heute wird die Entwicklung der deutschen Sprache beobachtet und dem Regelwerk angepasst, welches vom „Rat für deutsche Rechtschreibung“ seit Ende 2004 übernommen wird (vgl. Ossner 2006:160).

Die Rechtschreibung ist aber kein Konzept, welches nur auf willkürlichen Regeln basiert, es folgt vielmehr einer Systemhaftigkeit, dessen Erkenntnis für die neuere Rechtschreibdidaktik zentral ist. Die Orthographie ist „ein in sich logisches, strukturiertes System, dass auch ohne explizite Normierung bestimmte impliziten Normen folgt, die sich als Regularitäten eines Schriftsystems aus den Schreibungen rekonstruieren lassen“ (Budde/ Riegler/ Wiprächtiger-Geppert 2012:117). Die Rechtschreibung ist somit ein umfangreicher und komplizierter Bereich, welcher aber möglich ist zu erlernen (ebd.:116). Die Orthographiedidaktik sieht die Rechtschreibung als eine komplexe kulturelle Tätigkeit, eine am Leser orientierte schriftkulturelle Praxis (ebd.:122). Das Ziel der Orthographiedidaktik sollte sein, die Schüler zu befähigen, an der Schriftkultur teilzuhaben, indem sie einen orthographisch sicheren Umgang mit der Schriftsprache erwerben (ebd.:121). Dieses Ziel wird auch von Ossner (2006:164) bestätigt: „Ziel einer Didaktik der Orthographie muss Rechtschreibsicherheit sein - im Großen und Ganzen also prozedurales Wissen“. Er weist darüber hinaus auf ein Problemlösungswissen hin (ebd.). Deklaratives Wissen, das reine Regelwissen, ist hier nicht ausreichend. Denn eine Regel aufsagen zu können, bedeutet noch lange nicht, dass man diese auch anwenden und in schwierigen Situationen als Hilfe heranziehen kann. Daher muss die Orthographiedidaktik auf prozedurales Wissen anzielen, um die Schüler zu befähigen, ein Repertoire an Lösungsansätzen aufzubauen, welches sie in jeder Schreibsituation anwenden können. „Daraus darf nicht gezogen werden, dass die Kenntnis von Regeln gänzlich unnötig wäre; vielmehr muss man den Schluss ziehen, dass diese Kenntnis so beschaffen sein muss, dass sie in das prozedurale

Wissen übergehen kann“ (Ossner 2006:164). Die Schüler sollen also mit Hilfe der Orthographiedidaktik einen reflexiven Schriftgebrauch lernen.

2.2 Besonderheiten der deutschen Orthographiedidaktik

Die deutsche Sprache zählt zu den alphabetischen Schriften. Die alphabetische Schrift stützt sich auf Grapheme, Buchstaben, die einzelnen Lauten zugeordnet werden. Für Schreibanfänger stellt dies zunächst eine Herausforderung dar, da sie noch „grundlegende Aspekte des Schreibprozesses bewusst kontrollieren müssen“ (Behrens 2017:76). Dies belastet ihr Arbeitsgedächtnis, was bedeutet, dass sie weniger Aufmerksamkeit auf andere Aspekte richten können (vgl. Behrens 2017:76). So müssen Schreibanfänger zunächst lernen die Graphomotorik zu beherrschen. Hiermit ist die motorische Ausführung gemeint, Buchstaben automatisiert zu schreiben. Der Schüler muss nämlich Wörter, die er schreiben möchte samt der richtigen Schreibung solange im Gedächtnis aufrechterhalten, „bis die Hand den Stau abgearbeitet hat“ (Nottbusch 2017:124). Sollten die Schreibbewegungen also nicht automatisiert sein, so kann es die orthographischen Prozesse als auch die Textproduktion stören. Im Deutschen werden die Phoneme und Grapheme möglichst eindeutig aufeinander bezogen (vgl. Budde/ Riegler/ Wiprächtiger-Geppert 2012:117). Wir befassen uns also mit einer phonographischen Schreibung, in der Phonem-Graphem-Beziehungen bestehen. Bei einigen Wörtern reicht die Laut-Buchstaben-Zuordnung aus und führt somit bereits zur endgültigen Schreibung. In vielen anderen Fällen reicht dies jedoch nicht aus, wobei der Schüler auf weitere Prinzipien zu achten hat (vgl. Fuhrhop 2009:5). Da das alphabetische Grundprinzip jedoch durch weitere Prinzipien überformt wird, weichen zahlreiche Wortformen von einer lautorientierten Schreibung ab, was dem Schüler Schwierigkeiten bereiten kann (vgl. Budde/Riegler/Wiprächtiger-Geppert 2012:117).

2.3. Prinzipien der deutschen Orthographie

In vielen Fällen müssen also zusätzlich zur lautorientierten Schreibung übergeordnete Prinzipien angewandt werden. „Der Ausdruck Prinzipien wurde bereits im 18. Und 19. Jhd. gebraucht und bezeichnete so viel wie, Grundzug, Grundsatz, Hauptregel der Orthographie“ (Ossner/ Zinsmeister 2014:300). Diese Prinzipien stellen eine hohe Anforderung an den Schreiber dar, was jedoch dem

Rezipienten das Lesen erleichtert. Man ist immer bestrebt dem Leser ein schnelles und sicheres Erkennen der Wörter zu ermöglichen (vgl. Steinig/ Huneke 2011:99). In der Forschung gibt es verschiedene Ansätze, diese Prinzipien zu strukturieren. Diese Arbeit stützt sich auf den Ansatz von Fuhrhop, sowie auf Budde/Riegler/Wiprächtiger-Geppert, welche an dieser Stelle zu einem gemeinsamen Ansatz zusammengefasst werden sollen.

Budde, Riegler und Wiprächtiger-Geppert (2012:124) stützen sich auf das Kompetenzmodell IGLU-E, welches zunächst die einzelnen Prinzipien in zwei Grundbereiche unterteilt. Hier wird zwischen dem Kernbereich und dem Peripheriebereich unterschieden. Der Kernbereich befasst sich mit dem phonographischen Prinzip, dem silbischen Prinzip und dem morphologischen Prinzip. Diesen Bereich kann man in der Didaktik durch ein entdeckend­erforschendes Untersuchen vermitteln. „Für den Schriftlernenden [...] sollte zunächst der Kernbereich als ein überschaubares Ordnungssystem in den Mittelpunkt gestellt werden“ (ebd.:124). Erst dann sollte der Peripheriebereich dazu genommen werden, welcher sich mit Ausnahmenschreibungen beschäftigt (ebd.). Es ist daher elementar für den Schüler zunächst den Kernbereich zu beherrschen, da er im Peripheriebereich eine Transferleistung erbringen muss. Er muss in offenen Silben Markierungen setzen können und vererbte Schreibweisen herleiten können, um sie dann bei Fremdwörtern, Sonderfällen und Lernwörter anwenden zu können. Daher ist für diesen Bereich das entdeckend-erforschende Untersuchen nicht zu empfehlen. Hier muss vielmehr mit Merkschreibung gearbeitet werden; mit Wörtern, die merkenswert sind. Diese Unterscheidung ist für die Didaktik relevant, weswegen sie eine gute Ergänzung zu Fuhrhops Ansatz darstellt.

Fuhrhop (2009) stellt zunächst die drei Prinzipien bestehend aus der Graphem­Phonem-Beziehung, der silbischen Schreibung und aus der morphologischen Schreibung vor. Erst dann begibt sie sich auf die Satzebene, was zur Interpunktion, der Groß-und Kleinschreibung und zu der Getrennt- und Zusammenschreibung führt. Für die Orthographiedidaktik lassen sich diese Segmente gut in den von Budde, Riegler und Wiprächtiger-Geppert aufgezeigten Kern- und Peripheriebereich einteilen und können so als einen zusammenhängenden Ansatz betrachtet werden. Im Folgenden werden nun die drei Grundprinzipien, welche zu dem Kernbereich gehören und zu Fuhrhops Wortebene, vorgestellt.

2.3.1 Das Phonematische Prinzip

Mit dem phonematischen Prinzip sind die Phonem-Graphem-Beziehungen gemeint. Mit Phonem ist die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit in der gesprochenen Sprache gemeint. Graphem bedeutet demnach die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit der geschriebenen Sprache (vgl. Fuhrhop 2009: 6). In der deutschen Sprache gibt es nicht für jedes einzelne Phonem ein Graphem. So haben wir in der vokalischen Phonem-Graphem-Beziehung sechzehn Vokalphoneme, die jedoch nur durch neun Vokalgrapheme verschriftet werden (vgl. Fuhrhop 2009:10). Andersherum kommt es jedoch vor, dass wir mehr Grapheme als Phoneme verwenden. So haben wir sechs Schreibdiphthonge <ei>, <ai>, <au>, <eu>, <äu> und <ie>, welche jedoch durch nur drei Sprechdiphthonge ausgedrückt werden: /ai/, /au/ und /ci/ (vgl. Fuhrhop 2009:11). Hier liegen also mehrere Schreibweisen für weniger Lautverbindungen vor. „Das heißt die deutsche Orthographie ist nicht alleine lautierend. Das grundlegende Prinzip ist aber lautierend und genau so schreiben Kinder, wenn sie die Schriftsprache erwerben - sie schreiben aufgrund dessen, was sie hören“ (Fuhrhop 2009:12). Es müssen dann überformende Prinzipien im Schriftspracherwerb folgen.

2.3.2 Das syllabische Prinzip

„Mit den silbischen Schreibungen sind im Wesentlichen die Schreibungen gemeint, die zwar phonologisch bedingt sind, aber nicht, phonographisch‘“ (Fuhrhop 2009: 24). Das silbische Prinzip befasst sich mit Silben, welche die nächstgrößere Einheit nach den einzelnen Segmenten bildet (ebd.:13). Eine Silbe besteht aus einem Silbenkern, welcher in der Regel aus einem Vokalgraphem oder aus einem Diphthong besteht. Dieses Vokalgraphem ist dann von Konsonantengraphemen umgeben. Dabei bilden die Konsonanten vor dem Silbenkern den Anfangsrand und die Konsonanten nach dem Silbenkern den Endrand. Je nachdem ob der Endrand einer Silbe Konsonanten beinhaltet oder nicht, spricht man auch von einer offenen bzw. geschlossenen Silbe. Zudem kann der Endrand komplex oder einfach sein, je nachdem ob er aus nur einem Konsonant besteht oder aus mehreren. Bezüglich des Anfangsrandes spricht man von einer nackten Silbe, wenn dort keine Konsonanten vorkommen oder von einer bedeckten Silbe, wenn dort Konsonanten vorkommen (vgl. Fuhrhop 2009:14). Die sonorsten Konsonanten, also diese ohne einen

Geräuschanteil, wie bei den Plosiven und Frikativen, stehen dem Silbenkern am nächsten. „In morphologisch einfachen Wörtern gilt im deutschen die Regel des Längenausgleiches: Offene Silben werden mit gespannten Vokal gesprochen: See, Reh. Silben mit komplexem Endrand (sofern sie morphologisch einfach sind) haben einen ungespannten Vokal: Bank, Strumpf, Last, Bild“ (ebd.:15). Aufgrund des Längenausgleiches bei morphologisch einfachen Wörtern mit einfachem Endrand müssen weitere Regeln beachtet werden. So muss in manchen Fällen ein Dehnungs- <h> eingesetzt werden, da es als Hilfsmittel eingesetzt wird, um die Gespanntheit des Vokals anzuzeigen. „Das Dehnungs-<h> steht vor Sonoranten, weil diese - aufgrund ihrer hohen Sonorität (,Stimmhaftigkeit‘) - die typischen ersten Bestandteile von komplexen Silbenrändern sind“ (ebd.:16). Steinig und Huneke (2011:100) sagen ergänzend dazu, dass das Dehnungs-<h> ausschließlich vor den Sonoranten <m>, <n>, <l> und <r> vorkommen. Es sei eine Hilfe für den Leser die silbischen Verhältnisse, auch bei Komposita, schneller zu erfassen. Ähnlich ist das Silbeninitiale <h>, welches in der Regel nach einer offenen Silbe und vor einer Schwasilbe vorkommt. Es steht daher oft zwischen zwei Vokalen, welche den Silbenkern bilden (vgl. Fuhrhop 2009:22). Darüber hinaus wird dieses Silbinititale <h> auch als Hilfe verwendet keine Umlaute zu lesen, wo sie nicht gelesen werden sollen. Ohne dieses <h> würde man z.B.: das Wort <ruhe> mit Umlaut lesen, da dieser Umlaut auch durch <ue> wiedergegeben werden kann. Der Unterschied zu dem Dehnungs-<h> besteht auch darin, dass das Silbeninitiale <h> eine phonologische Entsprechung haben kann, aber nicht muss. Das Dehnungs-<h> kann keine phonologische Entsprechung haben (ebd.). Daher ist es wichtig in der Didaktik eine silbenstrukturelle Erklärung zu geben. „Je deutlicher und expliziter man versucht, die zweite Silbe auszusprechen, desto mehr bekommt sie einen Anfangsrand [...]“ (Fuhrhop 2009:22). Eine Explizitlautung ist hier also eine gute Hilfe für Schreibanfänger. Das Dehnungs-<h> zeigt, wie oben schon erwähnt wurde, die Gespanntheit des Vokals an. Ebenso kann dies aber auch durch einen Doppelvokal angezeigt werden. Ersteres ist jedoch eher bei Verben gebräuchlich, wobei der Doppelvokal eher bei Substantiven üblich ist (ebd.: 18). Als Doppelvokal werden die Vokale <a>, <o> und <e> verwendet. Wenn eine Verdopplung des Vokals <e> am Wortende vorliegt wie bei dem Wort <klee>, so hat dies zum Grund, dass er als Vollvokal gelesen werden soll. „<e> verhält sich anders als die anderen Vokale, weil es in der Graphem-Phonem-Beziehung nicht eindeutig ist; es steht sowohl für zwei Vollvokale (einen gespannten /e/ und einen ungespannten /e/) als auch für den Reduktionsvokal /s/“ (Fuhhop 2009:18). Bei der Geminatenschreibung, was die Verdopplung von Konsonanten meint, werden Silbengelenke oder ambisilbische Konsonanten graphematisch durch eine Geminate wiedergegeben (ebd.: 19). Durch diese Konsonantenverdopplung wird die Silbe geschlossen, da der Konsonant zu beiden Silben gehört. Ambisilbische Konsonanten wären <ck>, <ng>, <sch> und <tz>. Diese werden nicht verdoppelt, gehören aber dennoch zu beiden Silben. Der ungespannte Vokal ist nicht die Ursache für die Geminatenschreibung, was das Beispiel <mann> vs. <man> beweist. Wenn es sich bei der Geminatenschreibung nicht um ein Silbengelenk geht, was bei einsilbigen Wörtern vorkommen kann, so muss das morphologische Prinzip hinzugezogen werden (ebd.:20). Kinder, die schreiben lernen, müssen daher einen „intuitiven Zugang zur Silbenstruktur der Wörter“ erlangen (vgl. Steinig/ Huneke 2011:101).

2.3.3 Das morphematische Prinzip

„Wörter oder Wortformen, die in einer morphologischen Beziehung stehen, werden ähnlich oder gleich geschrieben, sofern es einer phonographischen Schreibung nicht widerspricht“ (Fuhrhop 2009:25). Daher kommt eine morphologische Schreibung besonders bei Flexionsformen vor. Steinig und Huneke (2011:101) sagen, dass ein Morphem in unterschiedlichen Wörtern möglichst gleich geschrieben wird. Es darf jedoch nicht zu einer anderen Lesart führen. Das hat zum Vorteil, dass es „dem Leser ein schnelles Wiedererkennen von Wortsteinen ermöglicht“. So können auch die Verwendung vom Dehnungs-<h> und von der Geminantenschreibung, wie auch der Doppelvokalschreibung begründet werden, da diese Schreibungen durch die Morphemkonstanz übernommen werden (vgl. Fuhrhop 2009:27). Besonders Hilfreich ist das morphologische Prinzip, wenn man herausfinden möchte, ob ein Wort mit <e> oder <ä> geschrieben werden muss. Hier besteht nämlich die Schwierigkeit darin, dass der Umlaut des ungespannten Vokals /a/ phonologisch mit / e/ zusammenfällt (ebd.:26). Hier ist es also elementar zu überprüfen von welchem Wort die Schreibung kommt, um das richtige Graphem auswählen zu können. Ähnlich muss das morphologische Prinzip bei der Auslautverhärtung angewendet werden. „Im Deutschen gibt es eine strikte Regel, die besagt, dass Obstruenten (Plosive und Frikative) im Silbenrand immer stimmlos zu artikulieren sind. Dies wird in der Phonologie als Auslautverhärtung beschrieben“ (Fuhrhop 2009:28). Es ist daher keine Überraschung, dass viele Kinder zunächst <hunt> schreiben. Haben sie das morphologische Prinzip verstanden, so gelingt ihnen die richtige Schreibung <hund>. „Wer schreiben lernt, muss also auch die morphematisch begründete Verwandtschaft zwischen Wörtern erkennen lernen; er muss sich in Wortfamilien orientieren können“ (Steinig/Huneke 2011:102).

Die drei vorgestellten Grundprinzipien, die sich bei Fuhrhop auf den Einzelsegmenten beziehen und bei Budde, Riegler und Wiprächtiger-Geppert unter dem Kernbereich fallen, bilden das Grundgerüst der deutschen Orthographie. Erst, wenn der Schreibanfänger diese Prinzipien im Großen und Ganzen beherrscht, kann er sich bei Fuhrhops Ansatz auf die Satzebene fokussieren, welche die Groß-und Kleinschreibung, die Getrennt-und Zusammenschreibung und die Interpunktion beinhaltet. Diese weiterführenden Prinzipien werden in dem von Budde, Riegler und Wipprächtiger-Geppert vorgestelltem Kompetenzbereich IGLU-E als wortübergreifendes Prinzip gefasst. Hierfür ist sicherlich der Peripheriebereich hilfreich, da der Schreibanfänger sein aufgebautes prozedurales Wissen durch die Grundprinzipien erweitern muss. Zudem kann er so auch Sonderfälle und Lernwörter, sowie Fremdwortschreibung besser herleiten und kann die Orthographie so als ein zusammenhängendes System entschlüsseln und verstehen.

2.4 Umsetzung der deutschen Orthographiedidaktik

Die deutsche Orthographie besteht also aus vielen Prinzipien, die ein Schreibanfänger lernen und als zusammenhängendes System erkennen muss. Orthographiedidaktik beschäftigt sich damit, wie der Schreibanfänger diese Prinzipien lernen kann. Auch hier gibt es verschiedene Ansätze. So kann ein grundwortschatzorientierter Ansatz angewendet werden, wo mit einem Modellwortschatz gearbeitet wird, „an dem unterschiedliche Strukturelemente der Orthographie beobachtet und erfahren werden können“ (Steinig/Huneke 2011:157). Des Weiteren gibt es den phänomen- und regelorientierten Ansatz, wo der Schüler „metasprachlich formulierte Regeln als Lernhilfen „, in Form von explizites Wissen, kennenlernt, die er dann bei der Anwendung in implizites Wissen umsetzen muss“ (vgl. Steinig/Huneke 2011:157). Die kennengelernten Regeln müssen also automatisiert werden. Zum Schluss wird noch der strategieorientierte Ansatz vorgestellt, der nach Ossener auch orthographisches Beweisen genannt wird. Hier lernen die Schüler geeignete Prozeduren zur Sprachanalyse, welche ihnen relevante Informationen verschaffen, um die richtige Schreibung selber zu entschlüsseln (vgl. Steinig/Huneke 2011: 160). Natürlich kann und sollte man im Unterricht mehrere Ansätze anwenden, doch diese Arbeit stützt sich eher auf den strategieorientierten Ansatz.

Bevor aber näher auf den strategieorientierten Ansatz eingegangen werden kann, sollten an dieser Stelle noch einige grundlegende Informationen gereicht werden. So findet der Rechtschreibunterricht nicht nur in der Grundschule statt, sondern wird in der Sekundarstufe I fortgeführt, da die Rechtschreibfähigkeit für den Hauptschulabschluss und für die mittleren Bildungsabschlüsse relevant ist (vgl. Steinig/Huneke 2011:147). Aber nicht nur das Schreiben an sich fördert die Rechtschreibung, sondern auch das Lesen. Nach dem Frith’schen Modell beeinflussen sich der Leseprozess und der Schreibprozess gegenseitig. Das Kind soll nach diesem Modell die Rechtschreibung auch durch das Lesen entdecken (vgl. Ossner 2006:184). Das Frith’sche Modell unterteilt den Lese- und Schreibprozess in mehrere Ebenen. Hier befindet sich der Schüler zunächst beidseitig auf der logographischen (L1) Ebene. Das heißt, dass das Kind zwar seinen Namen schreiben kann oder das ein oder andere Wort leserlich wiedergeben kann, was aber nicht meint, dass es das alphabetische Prinzip verstanden hat. Das Kind hat sich bestimmte Wortformen als Bild abgespeichert und kann diese erkennen und wiedergeben. Erst in der Schule, lernt das Kind das alphabetische Prinzip beim Schreiben kennen. Es entdeckt, dass Lauten Buchstaben zugeordnet werden. Diese Entdeckung wird auf das Lesen übertragen (A2). Dabei kann das Lesen langsamer werden, als beim ganzheitlichen, also auf dem Gedächtnis basiertem, Lesen. Im nächsten Schritt erkennt das Kind beim Lesen, dass es nicht nur die Laut­Buchstaben-Zuordnung beachten darf, sondern, dass es noch weitere orthographische Regeln gibt (O1). Diese Entdeckung wird nun auf das Schreiben übertragen. Das Kind lernt nun weitere orthographische Regeln kennen, welche es dann sowohl beim Lesen, als auch beim Schreiben anwendet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Englisch als besondere Herausforderung für Kinder mit LRS-Diagnose-Fördermaßnahmen
Hochschule
Universität Siegen
Note
2,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
44
Katalognummer
V508559
ISBN (eBook)
9783346072368
ISBN (Buch)
9783346072375
Sprache
Deutsch
Schlagworte
LRS, Legasthenie, Förderung, Englisch
Arbeit zitieren
Alina Simons (Autor:in), 2018, Englisch als besondere Herausforderung für Kinder mit LRS-Diagnose-Fördermaßnahmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508559

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