Minna von Barnhelm als Zeitstück des 18. Jahrhunderts


Dossier / Travail, 2005

19 Pages, Note: 1,0


Extrait


INHALT

1. Einleitung

2. Zeitgeschichtlicher Hintergrund
2.1. Der YC_Ä Siebenjährige Krieg
2.2. Der Krieg als Hintergrund des Schauspiels

3. Lessings dramatisches Schaffen
3.1. Das Stück als Spiegel der Bewusstseinsveränderung
3.2 Lessing und das Theater
3.3 Das Bürgerliche Trauerspiel

4. Minna als „wahre Komödie“
4.2. Die zentralen Themen in der Minna von Barnhelm

5. Resümee

6. Literaturverzeichnis
6.1. Primärliteratur
6.2. Sekundärliteratur

1. Einleitung

In meiner Hausarbeit „Minna von Barnhelm als Zeitstück des 18. Jahrhunderts“, werde ich aufzeigen, dass diese Komödie des Gelehrten, Kritikers, Theologen und Dramatikers Gotthold Ephraim Lessing (1729 –1781) die Zeit des 18 Jahrhunderts, die Bewusstseinsveränderungen der Menschen, die Entwicklungen im dramatischen Bereich, am besten wiederspiegelt. Somit werde ich erstmals die geschichtlichen Hintergründe in Bezug auf Lessings Stück erläutern.

1760, mitten im Siebenjährigen Krieg, trat Lessing eine Stelle als Sekretär bei dem preußischen Kommandanten von Schlesien, General von Tauentzien, an. Die dort gemachten Erfahrungen verarbeitete er in dem 1767 erschienenen Lustspiel „Minna von Barnhelm”. Botho Strauß hat ihm noch später höchste Anerkennung für das Stück gezollt: „Minna von Barnhelm, das ist das Lustspiel als aktuelles Zeitstück, eine Gattungsnovität, dazu eine Komödie, die bei bescheidenstem stofflichen Aufwand ihre beste Wirkung mit einer intimen und beweglichen Menschenschilderung gewinnt und natürlich mit einer schauspielergerechten Verteilung der Bühnenwirksamkeit über das gesamte Personal.” Dieses Stück markiert die Ablösung der Typenkomödie durch die Charakterkomödie und den Anfang der klassischen deutschen Komödientradition. Minna von Barnhelm ist das überzeugendste Resultat von Lessings Kampf gegen den übermächtigen Einfluss der französischen Kultur und für ein Theater, das authentisch deutsche Verhältnisse widerspiegelt. Für Lessing haben beide, der Adel wie auch Frankreich, als Vorbilder ausgedient – weshalb sich die Bühnenfigur Riccaut nur noch mit Betrug über Wasser halten kann, während Tellheim seinerseits als Adliger bereits nachbürgerlichen Tugenden lebt.

Lessing stellt seine Protagonisten in die Zeit nach dem Siebenjährigen Krieg, dessen Folgen in das Schicksal der Figuren hinein wirken.

2. Zeitgeschichtlicher Hintergrund

2.1 Der Siebenjährige Krieg

Den Hintergrund zu Minna von Barnhelm bildet der Siebenjährige Krieg, bzw. die Folgen, die sein Ende auf die Bevölkerung hatte. Um die wahre Größe dieses Werkes und die ungeheure Wirkung auf das Publikum der damaligen Zeit besser zu verstehen, müssen wir uns näher mit den Problemen dieser Zeit befassen. Erst dann wird verständlich, wie aktuell und wegbereitend für die nationale Einigung dieses Werk in der damaligen Zeit war. Obwohl Lessing in Sachsen geboren war, stand er weder auf der sächsischen noch auf der preußischen Seite und wurde deshalb von beiden Seiten angegriffen. Er wandte sich nicht gegen den Krieg im Allgemeinen, sondern gegen einen Krieg, der nicht ein Krieg der Völker, sondern von Söldnerarmeen war. Deshalb lässt er seinen Tellheim auch Werner ermahnen:

,,Man muß (sic) Soldat sein für sein Land; oder aus Liebe zu der Sache, für die gefochten wird. Ohne Absicht heute hier, morgen da dienen: heißt wie ein Fleischerknecht reisen, weiter nichts." (III,7)

Lessings Kritik richtet sich gegen einen Krieg, der ,,nicht den Frieden der Nation hergestellt, sondern die nationale Zerklüftung vertieft hat." Dies wird auch später von Goethe so beurteilt:

„Der Siebenjährige Krieg konnte kein nationales Bewußtsein erwecken, ... die nationale Zerklüftung wurde durch den Ausgang des Krieges nur noch empfindlicher spürbar.“

Der Siebenjährige Krieg , der 3. Schlesische Krieg, begann mit dem Überfall Preußens auf Sachsen. Er war ein Präventionskrieg, denn Friedrich II. fühltesich von Feinden umringt. Die Spannungen zwischen Österreich und Frankreich waren beseitigt. Die Franzosen hatten mit Maria Theresia im Mai 1756 ein Defensivbündnis geschlossen, das gegen Preußen gerichtet war. Auch Rußland konnte bei seinen, gegen Preußen gerichteten Plänen, der Unterstützung Österreichs sicher sein. England, das während der beiden ersten Schlesischen Kriege Österreich unterstützt hatte, suchte nun Hilfe bei Preußen, um das mit ihnen in Personalunion verbundene Kurfürstentum Hanover zu sichern. Außerdem bestanden Spannungen zwischen England und Frankreich wegen der Besitzungen in Nordamerika. Weder Österreich noch Frankreich wollten jedoch Preußen angreifen, um nicht vor der Welt als der Schuldige dazustehen. Preußen sollte dagegen zu einem Angriff provoziert werden, worauf sich seine Gegner schon mit erheblichen Rüstungsaktivitäten vorbereiteten. Im Mai 1756 erfuhr Friedrich II. von Rußlands Kriegsplänen gegen Preußen und im Juni des gleichen Jahres konnte Friedrich in Magdeburg Österreichs Reaktion auf die russischen Vorschläge lesen, die Graf Kaunitz am 22. Mai diktiert hatte: ,,Rußland kann versichert sein, dass wir alles tun werden, um seine großen Ideen auszuführen, und dass alles, was der Schwächung des Preußenkönigs dient, von uns mit Freuden ergriffen wird." Vorrang habe jedoch erst einmal, den Einkreisungsring um Preußen völlig zu schließen und eine Annäherung zwischen Rußland und Frankreich, wie sie soeben gerade zwischen Wien und Versailles vollzogen worden sei, herbeizuführen. Deshalb sei es nicht klug, noch im Sommer 1756 - wie man es in Petersburg wünsche - gegen Friedrich loszuschlagen, sondern man empfehle dringend, den Anschlag auf das Frühjahr 1757 zu verschieben. ,,Inzwischen kommt alles darauf an", so Kaunitz, ,,das Spiel gut zu verdecken und den Verdacht, welchen England und Preußen schon hegen, zu kaptivieren, folglich unser Vorhaben bis zum wirklichen Ausbruch geheim zu halten."

Dadurch wurde Friedrich II. klar, dass ein Krieg nicht zu umgehen war. Er sah seine einige Chance darin, anzugreifen, bevor die Gegner ihre Rüstungsvorbereitungen abgeschlossen hatten.

Die preußische Armee eröffnet den Krieg am 29.August 1756 mit der Besetzung Sachsens, unterstützt lediglich durch Hannover und England.Nach zahlreichen Schlachten,die zugunsten Preußens ausgehen,bieten der russische Zar und der schwedische König 1762 Preußen den Frieden an. Im selben Jahr arrangieren sich Frankreich und England und ziehen sich aus dem Kampfgeschehen zurück. Beide Staaten hatten parallel zum Krieg in Europa einen See-und Handelskrieg in Nordamerika und Afrika gegeneinander geführt, so dass der Siebenjährige Krieg manchmal als der erste Weltkonflikt, als der eigentliche Erste Weltkrieg, verstanden wird. 1763 einigt sich Friedrich II.mit den verbliebenen Gegnern Österreich und Sachsen auf den Gebietsstand zu Beginn des Kriegs, d.h.Schlesien bleibt bei Preußen. Durch den Sieg im Siebenjährigen Krieg etabliert sich Preußen als zweite deutsche Großmacht neben Österreich für die Zeitgenossen eine kaum glaubliche Entwicklung. Für Preußen hat dieser Krieg allerdings beträchtliche gesellschaftliche Umwälzungen zur Folge. Ein Angehöriger des Berliner Hofs,Graf Lehndorff, schrieb 1761 in sein Tagebuch:„Dieser Krieg wirft …alle bisherigen Verhältnisse über den Haufen. Handwerker und Kaufleute werden reich, während der Adel zugrunde geht –Alle schönen Häuser des Adels werden an Kaufleute verkauft …Kurz,es droht eine allgemeine Umwälzung alles bisher Bestehenden.”

2.2. Der Krieg als Hintergrund des Schauspiels

Wichtig für den Hintergrund zu ,,Minna von Barnhelm" ist die bereits erwähnte Tatsache, dass Friedrich II. im Winter 1761/62 sein Hauptquartier in Breslau hatte, wo Lessing als Sekretär bei General von Tauentzien beschäftigt war. Dort konnte er einen ausgezeichneten Einblick in das Soldatenleben bekommen und wurde sowohl Zeuge der finanziellen Ausbeutung der eroberten Städte durch Friedrich II., als auch der Versuche einzelner Majoren, diese in einem erträglichen Rahmen zu halten.

,,... er [Friedrich II.] legte der schon bis auf den letzten Groschen ausgepumpten Stadt Leipzig so ungeheuerliche Kontributionen auf, dass der mit ihrer Eintreibung beauftragte Major und Flügeladjutant v. Dyherrn sich zu ernsten Gegenvorstellungen verpflichtet fühlte, und als diese nichts halfen, nur den Frieden abwartete, um dem Könige seinen Degen vor die Füße zu werfen."

Lessing sah auch, wie nach dem Frieden von Hubertusburg die Offiziere, die nicht mehr gebraucht wurden, abgedankt wurden.

,,Als aber im Februar 1763 der Friede geschlossen war, ... jagte [Friedrich II.] alle Truppenteile auseinander, die er im Frieden nicht mehr gebrauchen konnte, und er warf alle bürgerlichen Offiziere, wie sehr er gerade ihrem Mute und ihrer Treue die Erhaltung seiner Krone verdankte, unbarmherzig aufs Pflaster, um an ihre Stelle ausländische Abenteurer von Adel zu setzen, mochte dieser Adel auch so zweifelhaft sein, wie der Adel Riccauts de la Marlinière."

Vor diesem Hintergrund also spielt ,,Minna von Barnhelm". Lessing wusste zu verwenden, was er als Gouvernements-Sekretär hinter den Kulissen der friderizianischen Kriegspolitik wahrgenommen hatte. Nicht nur die Handlung basiert auf historischen Tatsachen, auch viele Personen in diesem Stück haben ein Original im wirklichen Leben. Das Vorbild für Major von Tellheim wird nach allgemeiner Auffassung in dem Lyriker Ewald von Kleist gesehen. Er wurde 1715 in Pommern geboren und stammte aus dem gleichen Adelsgeschlecht wie Heinrich von Kleist. Er war preußischer Offizier in Potsdam und von Friedrich II. begeistert. Bei seinem Dienst in Potsdam fühlte er sich aber nicht wohl, da er unter den Launen des Königs zu leiden hatte. Nach dem Ausbruch des Krieges diente er in dem besetzten Leipzig, wo er sich Lessing anschloss.

,,Wie er nicht mit Erobererallüre auftrat, vielmehr im ,feindlichen′ Land gerecht und milde verfuhr, so wurde er zum Modell jener echten, auch eigensinnigen Soldatentugenden, denen Lessing nicht nur in der Minna von Barnhelm ein Denkmal gesetzt hat."

Auch Paul Werner ist eine historische Gestalt:

,, ... bei dieser Figur denkt man an eine scherzhafte Anspielung Lessings auf den General Paul von Werner, der 1750 als einfacher Soldat aus der österreichischen in die preußische Armee getreten und 1758 zum General, 1761 gar geadelt und zum Generalleutnant ernannt worden war.

Mit seiner Darstellung ,,bekämpft [Lessing] jenes heimatlose Söldnerwesen, welches keine nationalen Interessen und kein Interesse der Sache kennt." Werner ist von ganzem Herzen Soldat. Wenn ein Krieg zu Ende ist, sucht er sich einen neuen. Ein typischer Landsknecht ist er jedoch nicht. Das geht aus seinem Gespräch mit Just hervor, in dem er diesen kritisiert: ,,Sengen und brennen? - Kerl, man hört′s, dass du Packknecht gewesen bist und nicht Soldat; - pfui." (I,2)

Es gibt auch zwei negative Charaktere, die entweder als eine Person oder eine damals weit verbreitete Personengruppe damals gelebt haben und in diesem Werk unsterblich gemacht wurden.Der Wirt, der als Polizeispitzel seine Gäste auszuspionieren hat steht stellvertretend für viele andere Wirte, die sich ebenso verhalten haben.

,,Allerdings, mein schönes Kind: die Polizei will alles, alles wissen; und besonders Geheimnisse." (II,2)

Die andere negative Figur ist Riccaut de la Marlinière, der nach Paul Rilla ,,für einen ganzen Schwarm ausländischer adliger Abenteurer steht, wie sie in der Armee Friedrichs ihr Glück machen konnten, was denn auch eine friderizianische Spielart von ,Soldatenglück′ war."

Auch Gehrke sieht ihn in seinen Überlegungen zur „Minna von Barnhelm“ stellvertretend für viele andere:

,,Er personifiziert den aus der Bahn geworfenen Landsknecht. ... Schließlich sollte nicht übersehen werden, dass Lessing die Riccaut-Szene nutzte, um seiner Abneigung gegen welsche Überfremdung auf recht herzhafte Weise Ausdruck zu geben. ... Das schauerliche Kauderwelsch des deutsch-französisch radebrechenden Söldners darf als Seitenhieb auf die Bevorzugung des Französischen unter den gebildeten Ständen gewertet werden, ganz nach königlichem Vorbild."

Obwohl sich Gehrke bewusst ist, dass es viele Riccauts gegeben haben mag und auch Lessing seinen Unmut über die Franzosen im Allgemeinen zum Ausdruck bringt, sieht er in ihm auch eine bestimmte Person, den Offizier französischer Abstammung, Guichard, der 1761 die Plünderung des sächsischen Jagdschlosses Hubertusburg kommandierte. Zuvor hatte sich General von Saldern geweigert, diesen Befehl auszuführen, weil er ihn als ehrenrüchig betrachtete.

Nach General von Salderns Ausscheiden aus dem Dienst fand Friedrich II. in Guichard ein williges Werkzeug, die Zerstörung des Charlottenburger Schlosses in Berlin im Jahr 1757 zu rächen. Nach Beendigung des Krieges hat Friedrich II. jedoch General von Saldern wieder eingestellt, vor Guichard hat er aber jede Achtung verloren. Lessing, der zu dieser Zeit in der Breslauer Residenz des Generals von Tauentzien beschäftigt war, wo Friedrich II., wie schon erwähnt, sein Winterquartier hatte, konnte dort die Wirkung, die dieses Ereignis hatte, an der Quelle studieren. In seiner ,,Minna von Barnhhelm" machte er Guichard zu einem richtigen Franzosen und ,,entlud auf ihn allen seinen Ingrimm gegen ein Frankreich, das er in seinen literarischen Fehden bekämpft hatte und spottete seiner noch im Namen. Riccaut ist der Mann, der sich bereichert hat, und das hat er gründlich in Klein-Marly, eben in Hubertusburg, getan; daher de la Marlinière. Hubertusburg war nämlich nach Anregungen von Marly-le-Roi, einem Lustschloss des Sonnenkönigs nahe Versailles erbaut worden. Die Riccaut Szene, mit Verständnis gelesen, ist voller Anspielungen auf die Plünderung.

[...]

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Minna von Barnhelm als Zeitstück des 18. Jahrhunderts
Université
Free University of Berlin
Note
1,0
Auteur
Année
2005
Pages
19
N° de catalogue
V50876
ISBN (ebook)
9783638469968
Taille d'un fichier
519 KB
Langue
allemand
Mots clés
Minna, Barnhelm, Zeitstück, Jahrhunderts
Citation du texte
Charlotte Diez (Auteur), 2005, Minna von Barnhelm als Zeitstück des 18. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50876

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