Welche Auswirkungen hatten die Fernsehduelle zwischen Schröder und Stoiber 2002 auf das Wahlergebnis?


Hausarbeit, 2005

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitungsgedanke: Amerika das „Vaterland“ der TV-Duelle

2. Welche Auswirkungen hatten die Fernsehduelle zwischen Schröder und Stoiber 2002 auf das Wahlergebnis?
2.1. Taktische Aussagen vor den Duellen und subjektive Eindrücke
2.1.1. Durch Kandidaten, Parteien und ihre Wahlkampfmanager
2.1.2. Durch Medienvertreter
2.2. Wissenschaftliche Ansichten
2.2.1. In den „bürgerlichen“ Medien – Grundtenor: geringe Veränderungen könnten die Wahl entschieden haben
2.2.2. Die TV-Duelle 2002: Ereignisse für eine breite Masse und Thema in politischen Fachzeitschriften
2.3. Neuartige Forschungen mit kleinen, nicht repräsentativen Gruppen
2.3.1. Forschungsergebnisse von Thorsten Faas und Jürgen Maier – Einflüsse auf die Wahlentscheidung sind vorhanden, aber schwer zu kontrollieren
2.3.2. Forschungsergebnisse von Marcus Maurer und Carsten Reinemann – „kein TV-Duell ist wie das andere“

3. Schlussgedanke: Warten auf 2006

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitungsgedanke: Amerika, das „Vaterland“ der TV-Duelle

Amerika, das große Vorbild. Obwohl viele Europäer die USA mit gemischten Gefühlen betrachten, gerade was ihre politische Führung betrifft, werden zahlreiche amerikanische Errungenschaften in „old europe“ kopiert. So auch, was den Wahlkampf angeht. Schon 1961, als Willy Brandt Elemente der vorangegangenen Kampagne John F. Kennedys übernahm, tauchte der als Vorwurf verwendete Begriff der „Amerikanisierung“ zum ersten Mal auf.[1] Am 26. September 1960 trat der weitgehend unbekannte Senator aus Massachusetts gegen Vizepräsident Nixon zum ersten Fernsehduell in der Geschichte der Präsidentschaftskampagnen an – und gewann. Kennedy war dynamisch, gut aussehend – kurzum: telegen. Nixon hingegen soll so schlecht ausgesehen haben, dass sogar seine Mutter im Studio anrief, um sich nach seinem Zustand zu erkundigen.[2] „Der Triumph im TV-Duell gab nach Auffassung vieler Experten den Ausschlag für den knappen Wahlsieg Kennedys. Nixons Niederlage vor der Kamera war jedenfalls so vernichtend, dass sich Amtsinhaber 16 Jahre lang nicht trauten, vor den Kameras in den Ring zu steigen.“[3]

Da hatten es die ersten seiner Vorgänger besser, die sich um ihre Medienerscheinung noch keine Sorgen machen mussten: Washington mit seinen Pockennarben, Jefferson, der im College zum reizlosesten Studenten gewählt worden war oder Lincoln, der so hässlich gewesen sein muss, dass er selbst über seine Erscheinung Witze riss. Meyrowitz sagt über sie: „Von ihrer äußeren Erscheinung her wären viele unserer früher ,großen’ Präsidenten nicht geeignet für die Fernseh-Politik.“[4]

Heutzutage bestimmt das „unbestrittene Leitmedium“[5] nicht nur, wie ein erfolgreicher Politiker auszusehen habe, sondern hat sogar Effekte auf die Wählerentscheidung an der Urne. Wenn auch die Extension sowohl bei den Politikern, den Meinungsforschungsinstituten, den Medien und der Wissenschaft umstritten ist. Deren Ansichten über die Auswirkungen der Fernsehduelle zwischen Schröder und Stoiber auf das Bundestagswahlergebnis 2002 sind zentraler Punkt der vorliegenden Hausarbeit. Dabei sollen subjektiven Eindrücken und teils taktischen Aussagen wissenschaftliche Ansichten sowie die Ergebnisse der Forschung (hier besonders die Arbeiten von Thorsten Faas und Jürgen Maier sowie Marcus Maurer und Carsten Reinemann) gegenübergestellt werden. Beide Arbeiten sind zwar aufgrund der jeweils geringen Zahl an Probanten wenig repräsentativ, stellen jedoch den aktuellen Stand der Forschung dar.

Besonders mit der Wirkung der Massenmedien – und deshalb an dieser Stelle erwähnenswert – beschäftigte sich als „Vorreiterin“ die Mitgründerin des ersten deutschen Meinungsforschungsinstituts, des Instituts für Demoskopie Allensbach, Elisabeth Noelle-Neumann.[6] Auf demselben Gebiet für diese Arbeit ebenso von Bedeutung war Winfried Schulz. Direkten Bezug zur Bundestagswahl 2002 bot Christina Holtz-Bacha, deren Schwerpunkt auf Medienpolitik liegt.

Viele große politische Zeitschriften – Zeitschrift für Parlamentsfragen, Die Politische Meinung, Politische Vierteljahresschrift, Politische Studien und German politics and society – widmeten zum Teil ganze Ausgaben der Bundestagswahl 2002. Zudem hilfreich waren Artikel verschiedener Tageszeitungen und Meldungen aus Nachrichtenagenturen[7], in denen Ansichten von Politikwissenschaftlern und Leitern verschiedener Meinungsforschungsinstitute veröffentlicht wurden.

Weitere Autoren, deren Werke in diese Arbeit mit eingeflossen sind, können dem Literaturverzeichnis entnommen werden.

2. Welche Auswirkungen hatten die Fernsehduelle zwischen Schröder und Stoiber 2002 auf das Wahlergebnis?

2.1. Taktische Aussagen vor den Duellen und subjektive Eindrücke

2.1.1. Durch Kandidaten, Parteien und ihre Wahlkampfmanager

Bereits vor dem ersten Duell gab es von allen Seiten Spekulationen über die Auswirkungen der neuartigen Fernsehformate. Besonders die Wahlkämpfer – also Kandidaten und ihr Beraterstab – wurden immer wieder nach ihren Ansichten gefragt. Die Antworten sind jedoch kritisch zu bewerten (wie so viele Aussagen im Wahlkampf). So gab es oft widersprüchliche Angaben sogar innerhalb einer Partei, was auf taktisches Kalkül schließen lässt.

Der damalige SPD-Bundesgeschäftsführer Matthias Machnig meinte, das TV-Duell werde ein wichtiger Moment im Wahlkampf sein, „weil sich die Menschen noch einmal einen unmittelbaren Eindruck verschaffen kö([8] )nnen“.[9] Anderer Ansicht war Gerhard Schröder: Niemand könne „ernsthaft von der Schlagfertigkeit im 90-Sekunden-Takt auf die Regierungsfähigkeit der Beteiligten schließen“, so dessen Meinung. Als wesentlichen Faktor sah der damalige wie jetzige Kanzler hingegen das Hochwasser. Es – so wird er in den Medien zitiert – werde den Wahlkampf beeinflussen. Neben positiven Effekten des Flut-Managements erwartete der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler einen weiteren Schub von den beiden TV-Duellen. Franz Müntefering, mittlerweile auf Stieglers Posten, war wiederum gegenteiliger Meinung: die Auswirkungen würden sich „ganz sicher nicht in Prozenten am Wahltag messen“ lassen.[10]

Dieser knappe Querschnitt durch SPD-Aussagen zeigt einerseits, wie erwähnt, Taktik. So wurde es auch in den Medien angesehen: Die Financial Times Deutschland etwa schreibt: „Vor dem Duell hatten sich beide Spitzenpolitiker bemüht, den Einfluss der Debatte herunterzuspielen. Das Duell habe nicht die Bedeutung wie in den USA, sagte Schröder. Stoiber sekundierte: In Deutschland würden Parteien und keine Personen gewählt.“[11] Dennoch zeugt die Uneinigkeit auch von Unerfahrenheit. Es gab zwar schon zwei Duelle, jedoch keines zu einer Bundestagswahl. Christian Wulff, der im niedersächsischen Landtagswahlkampf in einer der genannten Fernsehdebatten gegen Schröder antrat, maß dem Bundestagsformat kaum Einfluss auf den Ausgang der Wahl zu: „Wenn es keine groben Schnitzer gibt, bleibt der Auftritt weitgehend folgenlos.“[12]

Einen interessanten Aspekt, der in dieser Arbeit Erwähnung finden sollte, nannte der Wahlkampfberater Stoibers, Michael Spreng. Nach dessen Überzeugung vollziehe sich die Meinungsbildung der Wähler „nicht nur beim Fernsehduell, sondern in der Familie, im Sportverein, am Stammtisch, durch Zeitungen“. Es werde keine großen Umschichtungen der Wählerströme geben, „durch solch ein Duell schon gar nicht“. Das zu glauben hieße auch, die politische Mündigkeit der Bürger zu unterschätzen, sagte der ehemalige Chefredakteur der "Bild am Sonntag".[13] Weiter: „Die Leute werden nicht wegen eines Fernsehduells ihre Meinung grundsätzlich ändern.“[14]

Nach den Duellen war der Tenor aus den Politik-Reihen einhelliger: „SPD und Unionsparteien werteten (…) erwartungsgemäß ihren Protagonisten als Sieger.“[15] In Intensivinterviews nach den Wahlen, veröffentlicht von Media Perspektiven, mit den Wahlkampfleitern von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und PDS maßen diese dem Fernsehen höchste Bedeutung zu. Dem neuen Format „TV-Duell“ der Kanzlerkandidaten gaben SPD und FDP (die ja erfolglos auf Teilnahme geklagt hatten) die höchste Wichtigkeit, während die CDU Presseplakaten den höchsten Stellenwert beimaß.[16]

2.1.2. Durch Medienvertreter

Meist nutzen Medien Zitate anderer, um ihre eigene Sicht der Dinge darzustellen (ohne Beleg). Eine Analyse der wiedergegebenen Worte von Politikern und Wahlkampfmanagern könnte wohl manche Redaktionsmeinung aufdecken. Dies sei hier jedoch nur angedacht. Dennoch bildeten manche Medienvertreter, die an den Duellen beteiligt waren, auch öffentlich ihr Urteil über die Effekte des neuen Fernsehformats. Noch vor der ersten Sendung kündigte Peter Kloeppel, RTL-Redakteur und Moderator des ersten Duells in den privaten Kanälen, an: „Wenn Schröder und Stoiber einen Fehler machen, verlieren sie möglicherweise die nötigen Punkte für den Wahlsieg.“ Schließlich gebe es 30 bis 40 Prozent Wahlunentschlossene. „Für die kann entscheidend sein, was im TV-Duell passiert.“[17] Wie bei Punkt 2.1.1. liegt auch hier der Verdacht nahe, dass diese Aussage nicht nur seine subjektive Meinung wiedergibt, sondern als Werbung für die anstehende Sendung gedacht war.

[...]


[1] Oberreuter, 2002, S. 131

[2] Agence France Presse, 28.April 2002

[3] Agence France Presse, 28.April 2002

[4] Vgl. Jäckel, 20022, S. 285

[5] Schanze, 2002, S. 194

[6] Wolfgang Rudzio schreibt: „Dass Medienkonsum die politische Meinungsbildung und das Wahlverhalten beeinflusst, zeigen Untersuchungen der Publizistikwissenschaft. Insbesondere hat Noelle-Neumann dargestellt, wie sich dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen stärker aussetzende Bürger anders orientieren und verhalten als andere.“, Rudzio, 20005, S. 486

Wie in diesem Textabschnitt werden alle Zitate der neuen Rechtschreibung angeglichen. Da mein Computerprogramm dies automatisch macht, wäre eine Beibehaltung der alten Schreibweise zu mühsam. Der Sinn wird dadurch nicht berührt.

[7] Bei dieser Literaturrecherche nutzte ich hauptsächlich LexisNexis Professional. Zugriff auf diese Daten hatte ich über e-fellows.net, eingeloggt als Stipendiatin, unter dem Link Recherche.

[8] Einige Nachrichtenagenturen arbeiten mit anderen Computertastaturen, bei denen typisch deutsche Buchstaben vernachlässigt werden. Alle Umlaute und „ß“ wurden daher der geltenden deutschen Rechtschreibung angepasst. Der Sinn wird dadurch nicht berührt.

[9] Agence France Presse, 22. August 2002

[10] Agence France Presse, 25. August 2002

[11] Financial Times Deutschland, 26. August 2002

[12] Agence France Presse, 25.August 2002

[13] Agence France Presse, 22. August 2002

[14] Die Welt, 24. August 2002

[15] Hamburger Abendblatt, 10. September 2002

[16] Müller, 2002, S. 633 - 637

[17] Agence France Presse, 25. August

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Welche Auswirkungen hatten die Fernsehduelle zwischen Schröder und Stoiber 2002 auf das Wahlergebnis?
Hochschule
Universität Passau
Veranstaltung
Einführung in das Studium der politischen Systeme
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V50901
ISBN (eBook)
9783638470162
Dateigröße
548 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit stellt eine Schnittstelle zwischen Politikforschung und Medienforschung dar. Das sehr umfangreiche und intensiv recherchierte Literaturverzeichnis liefert viele Quellen für beide Forschungsbereiche.
Schlagworte
Welche, Auswirkungen, Fernsehduelle, Schröder, Stoiber, Wahlergebnis, Einführung, Studium, Systeme
Arbeit zitieren
Kerstin Faßbinder (Autor:in), 2005, Welche Auswirkungen hatten die Fernsehduelle zwischen Schröder und Stoiber 2002 auf das Wahlergebnis?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50901

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