Arabismen in den deutschen Medien

Die Begriffe "dāʿiš, ḫilāfa und burquʿ"


Bachelorarbeit, 2019

39 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Allgemeines
1.2 Kernfrage und Motivation
1.3 Aufbau der Arbeit

2 TheoretischerTeil
2.1 Grundlegende Definitionen
2.1.1 Sprachkontakt
2.1.2 Lehnwort versus Fremdwort
2.2 Arabismen
2.2.1 Historischer Exkurs: Sprachkontakt zwischen Orient und Okzident
2.2.2 Aktuelle islamische Arabismen in den deutschen Medien

3 PraktischerTeil: Korpus und Hintergrundinformationen
3.1 Vorgehensweise Exkurs: Korpusmaterial aus Boulevardzeitung und Qualitatszeitungen
3.2 Beschreibung der fur die Analyse verwendeten Materialien
3.2.1 Der DWDS-Korpus Digitales Worterbuch
3.2.2 Zeit Online-Zeitung
3.2.3 Bild Online-Zeitung
3.3 Definition ausgewahlter Arabismen
3.3.1 Begriff da‘is
3.3.2 Begriff hilafa
3.3.3 Begriff burqu‘

4 Darstellung der Begriffe da‘is, hilafa und burqu‘ in deutschen Onlinezeitungen
4.1 Begriff da‘is
4.2 Begriff hilafa
4.3 Begriff burqu‘

5 Resumee&Ausblick

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im Zuge der Einleitung erfolgt in einem ersten Schritt eine allgemeine Hinfuhrung zum Thema. Darauf aufbauend werden die Kernfrage der Bachelorarbeit vorge- stellt und die motivationalen Hintergrunde zum Verfassen derselben erlautert. Zudem wird derAufbau derArbeit dargelegt.

1.1 Allgemeines

Bereits seit einigen Jahren - und definitiv nicht erst seit dem arabischen Fruhling, durch den sich die Gesellschaften in den meisten nordafrikanischen Landern ebenso wie im Mittleren und Nahen Osten verandert haben - ist auch in der deut­schen Offentlichkeit das Interesse an der arabischen Welt sowie deren Entwick­lung gestiegen.

Schon Jahre vor dem arabischen Fruhling, namlich 2003, fand eine Tagung der Deutschen Akademie fur Sprache und Dichtung statt, welche sich einerseits der arabischen Lyrik und andererseits einem Thema, das auch Raja Tazi in ihrer be­reits 1998 erschienenen Monografie Arabismen im Deutschen - Lexikalische Transferenzen vom Arabischen ins Deutsche behandelt hat, widmete, namlich den arabischen Lehnwortern bzw. Arabismen im Deutschen.1

Die vorliegende Untersuchung widmet sich auf der einen Seite exakt dieser The- matik, namlich den Arabismen. Auf deranderen Seite rucken allerdings auch die Medien in den Blickpunkt, denn es soil anhand dreier ausgewahlter Beispiele, namlich der Begriffe da‘is, hilafa und burqu‘ untersucht werden wie Arabismen in den deutschen Medien verwendet werden.

In Bezug auf die Medien gilt es darauf hinzuweisen, dass sie die wichtigste Infor- mationsquelle darstellen. Dies gilt vor allem auch fur Thematiken, zu denen vie- len Mitteleuropaern der Zugang fehlt, was hinsichtlich der arabischen Welt und der islamischen Religion zweifelsohne der Fall ist.

De facto ermoglichen Medien es, an Geschehnissen, Entwicklungen und Dingen teilzuhaben, die nicht direkt erlebt werden. Durch die Medien wird allerdings zu- gleich eine gewisse Weltsicht und damit eine spezifische Art und Weise der Wahrnehmung von Geschehnissen, Entwicklungen und Dingen vermittelt, denn sie strukturieren und dies, so konstatiert Sabine Schiffer, ,,mit zunehmender Qua- litat, denn die Sekundarerfahrung durch Medien nimmt standig zu.“ Sie merkt daruber hinaus an, dass eine aktive Reflexion uber das, was durch die Medien vermittelt wird, zwingend stattfinden muss, denn nur auf diese Weise sei es mog- lich, zu vermeiden, dass verzerrte Ideen und Vorstellungen von der Welt entste- hen.2

1.2 KernfrageundMotivation

Im Zuge des sogenannten arabischen Fruhlings und den daraus resultierenden Kriegszustanden in einigen Teilen der arabischen Welt und der darauffolgenden Ausrufung des sogenannten Islamischen Staates (IS) im Jahr 2014 fanden be- sagteThemen auch in deutschen Medien Beachtung.

Im Zuge dessen wurden auch neue arabische Begriffe in die deutsche Sprache ubernommen und nicht ubersetzt. Zudem erschienen auch arabische Begriffe, die bereits seit langerer Zeit in die deutsche Sprache ubernommen wurden, seit 2014 wieder haufiger in den Medien. In diesem Hinblick stellt sich die Frage, ob sich die Bedeutung dieser Begriffe, die aus dem blo&en Lesen dieser fur deut­sche Leser nicht ersichtlich ist, verschoben hat. Diese Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt diese Frage zu beantworten. Genauer liegen dieser Bachelorarbeit fol- gende Fragestellungen zugrunde:

Kommt den drei Begriffen, namlich da‘is, hilafa und burqu‘ in Zuge ihrer Verwen- dung in den deutschen Medien seit 2014 im Vergleich zu ihrer ursprunglichen Bedeutung im Arabischen eine veranderte Kernbedeutung zu Oder nicht? Falls dies der Fall ist, wie kommt dies zum Ausdruck bzw. worauf basieren die diffe- renten Bedeutungen/lntensionen?

Des Weiteren soil untersucht werden, in welchen Kontexten die ausgewahlten Begriffe in deutschen Onlinezeitungen seit 2014 dargestellt wurden.

1.3 AufbauderArbeit

Um die oben erlauterte Forschungsfrage zu beantworten, weist die vorliegende Arbeit den folgenden Aufbau auf:

In einem ersten Schritt (Kapitel 2) wird der theoretische Hintergrund erlautert. Diesbezuglich werden grundlegende Definitionen, namlich des Begriffs Sprachkontakt und die der Termini Lehnwort und Fremdwort angefuhrt, wobei versucht wird, eine Abgrenzung zwischen den beiden Konzepten vorzunehmen. Daruber hinaus rucken Arabismen im Allgemeinen und aktuelle islamische Ara­bismen in den deutschen Medien im Besonderen in den Mittelpunkt der Betrach- tung.

Darauffolgend findet in einem zweiten Schritt (Kapitel 3) die praktische Auseinan- dersetzung mit der vorliegenden Thematik satt. Zuerst wird die Vorgehensweise kurz erlautert und im Anschluss daran erfolgt die Beschreibung der fur die Ana­lyse verwendeten Materialien, namlich des DWDS-Korpus des Digitalen Worter- buches derdeutschen Sprache des 21. Jahrhunderts, der Online-Sparte der Ta- geszeitung Die Zeit und der Online-Sparte der Bild.

Im Anschluss daran erfolgt die semantische Analyse der ausgewahlten Arabis­men in den genannten Medien, wobei die Begriffe da‘is, hilafa und burqu‘ hin- sichtlich ihrerVerwendung und Bedeutung untersuchtwerden.

Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt dann in einem dritten Schritt (Kapitel 4), wobei diese in Bezug auf jeden der untersuchten Begriffe separat vorgestellt wer- den. Zudem werden haufige Kollokationen beschrieben.

Schlie&lich werden in einem vierten Schritt (Kapitel 5) die gewonnenen Erkennt- nisse noch einmal zusammengefasst und ein kurzer Ausblick auf mogliche wei- tere Forschungsvorhaben und Desiderate gegeben.

2 Theoretischer Teil

2.1 Grundlegende Definitionen

In den folgenden Unterkapiteln werden die grundlegenden, zum Verstandnis der vorliegenden Untersuchung, insbesondere naturlich der semantischen Analyse derTermini da‘is, hilafa und burqu‘ notwendigen Begriffe und Konzepte definiert. Neben dem Phanomen des Sprachkontaktes rucken auch die beiden Termini Lehnwort und Fremdwort sowie der Begriff Arabismus selbst in den Mittelpunkt der Betrachtung.

Daruber hinaus werden im vorliegenden Kapitel aktuelle islamische Arabismen in den deutschen Medien, und zwar sowohl in den Print- als auch den Online- Medien thematisiert.

2.1.1 Sprachkontakt

Im Rahmen einer Untersuchung zu Lehn- bzw. Fremdwortern ist es unerlasslich, sich in einem ersten Schritt mit dem Konzept des Sprachkontakts auseinander- zusetzen und den Stand derSprachkontaktforschung kurzzu referieren.

Der Linguist Uriel Weinreich erlautert das Konzept des Sprachkontakts folgen- derma&en: Stehen zwei Oder aber mehrere Varietaten bzw. Sprach miteinander in Kontakt, dann werden sie abwechselnd von ein und derselben Person verwen- det.3 Folgt man dieser Pramisse Weinreichs, dann ist der Sprachkontakt im kom- munizierenden Individuum selbst zu verorten.4

De facto handelt es sich bei dieser Definition urn eine Begriffserklarung psycho- linguistischer Natur, welche vorrangig darauf abstellt, diejenigen Prozesse in Sprachbenutzern zu ergrunden, die stattfinden, wenn mindestens zwei, manch- mal allerdings auch mehr Sprachen abwechselnd gebraucht werden.5

Die Sprachwissenschaftlerin Claudia Maria Riehl versucht das Konzept des Sprachkontakts anhand des Beispiels von Migranten zu veranschaulichen: Wah- rend zum Beispiel arabischsprechende Migranten aus Syrien sowohl im schuli- schen als auch universitaren Oder beruflichen Bereich Deutsch sprechen, erfolgt die Kommunikation innerhalb der Familie und meist auch innerhalb des Freun- deskreises aufArabisch.6

Naturlich existiert nicht nur eine Definition des Begriffs Sprachkontakt aus psycholinguistischer, sondern ebenfalls aus soziolinguistischer Perspektive. Laut dieser fu&t der Sprachkontakt nicht auf der Pramisse, dass die Sprache selbst - in welcher Form auch immer - miteinander interagieren, sondern vielmehr die Sprecher einer Sprache durch Kommunikation den Sprachkontakt etablieren.7 So nehmen Soziolinguisten an, dass zwei Oder mehrere Sprachen dann mitei­nander in Kontakt stehen, wenn sie von einer spezifischen Gruppe von Sprach- benutzer gebraucht werden. Riehl exemplifiziert diese soziolinguistische Theorie mithilfe des in Sudtirol gesprochenen Italienisch.8 Allerdings weist die Linguistin darauf hin, dass es nicht von Bedeutung sei, ob tatsachlich jedes einzelne Mitglied der Gruppe die jeweilige Sprache verstehen und sprechen kann, son- dern dass es sich beim Ort des Sprachkontaktes stattdessen um die Gruppe in ihrer Gesamtheit handele.9

Summa summarum kann festgehalten werden, dass im Allgemeinen dann von Sprachkontakt die Rede sein sollte, wenn differente Sprachvarietaten Oder unter- schiedliche Sprachen aufeinandertreffen. Ob dies in den Kopfen der einzelnen mehrsprachigen Sprachbenutzer Oder aber innerhalb einer mehrsprachigen Gruppe stattfinden, sei dabei irrelevant.10

Hinsichtlich des Sprachkontakts sollte, so Weinreich, zudem zwischen Zweispra- chigkeit und Mehrsprachigkeit unterschieden werden. Er merkt an: Werden in der Praxis abwechselnd zwei Sprachen benutzt, sollte dies mit dem Terminus Zwei- sprachigkeit bezeichnet werden; werden in der Praxis dagegen mehrere Spra­chen abwechselnd gebraucht, ist der Begriff Mehrsprachigkeit der passende. Sprecher, die zwei Sprachen gebrauchen, sind zweisprachig zu nennen; Sprach­benutzer, die mehrere Sprachen verwenden, werden dagegen mit dem Label mehrsprachig versehen.11

Folgt man Riehl wird der Begriff Sprachkontakt nur verwendet, um die jeweils interagierenden Sprachen zu bezeichnen. Die Begriffe Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit dienen demgegenuber dazu, die Eigenschaften der Individuen respektive Gruppen, die eine spezifische Sprache verwenden, zu bezeichnen.12

2.1.2 LehnwortversusFremdwort

Im Folgenden sollen die beiden, fur diese Untersuchung bedeutenden lexikali- schen Entlehnungsarten, namlich das Lehnwort und das Fremdwort genauer in den Blick genommen und der Versuch unternommen werden, sie gegeneinander abzugrenzen.

Sondiert man die diesbezuglich linguistische Diskussion, wird schnell klar, dass keine einheitliche Definition, und zwar weder hinsichtlich des begrifflichen Inhal- tes, d.°h. der Intension, noch bezuglich des Referenzbereiches in der au&er- sprachlichen Wirklichkeit, d.°h. der Extension, existiert.13 Der Sprachwissenschaftler Hadumod Bu&mann weist darauf hin, dass eine exakte Unterscheidung beider Termini schwierig und die Ubergange zwischen beiden flie&end seien.14

Peter von Polenz weist darauf hin, dass klassische Abgrenzungsversuchen for- malgrammatischen Prinzipien folgen und neben der grafischen auch die phone- tische und dieflexivische Angleichung berucksichtigen. Allerdings, und auch dies merkt von Polenz an, sei diese eher traditionelle Vorgehensweise zur Unterschei­dung zwischen Fremd- und Lehnwort eher unbefriedigend.15

Bereits anhand der obigen Ausfuhrungen wird deutlich, dass bezuglich beider Termini keine Einigkeit herrscht und deshalb sowohl in der Forschungs- als auch der Fachliteratur daraufverzichtet wird, beide Begriffe per definitionem zu unter- scheiden respektive gegeneinanderabzugrenzen.

Exakt diese Vorgehensweise legt auch Miroslaw Jablonski an den Tag, denn er differenziert nicht zwischen den genannten beiden Entlehnungsarten. Dabei ver- tritt der die Ansicht, dass durch eine inkonsequente Verwendung beider Termini im Deutschen nicht ausreichend zwischen sprachlichen Ausdrucken, die bereits vollstandig angeglichen sind, d.°h. Lehnwortern, und sprachlichen Ausdrucken, die noch unter dem Label Fremdworter subsumiert werden konnen, unterschie- den wird.16

Mochte man dennoch den Versuch unternehmen, konnte dies folgenderma&en aussehen: Der Begriff Entlehnung bezeichnet die Ubernahme eines sprachlichen Ausdrucks respektive eines Wortes von einer Sprache in eine andere Sprache. Entlehnungen basieren auf Sprachkontakt, wobei ihnen differente Ursachen zu- grunde liegen konnen, denn sie konnen sowohl politischen als auch wirtschaftli- chen als auch kulturellen odergesellschaftlichen Ursprungs sein.17

In der linguistischen Forschung wird vorrangig lexikalische Entlehnungen fokus- siert, denn diese kommen am haufigsten vor. Die Entlehnung gilt - neben dem Bedeutungswandel und der Wortbildung als eine der wichtigsten Aden der Be- zeichnungsfindung. In diesem Sinne kommt der Entlehnung im Rahmen des Sprachwandels viel Relevanz zu.18

Die deutsche Bezeichnung Lehnwort geht auf Hermann Wilhelm Ebel zuruck, wobei sie erstmals in seinem Werk Ueberdie lehnworterderdeutschen sprache im Jahr 1856 verwendet wird. Ebel macht zudem Anmerkungen hinsichtlich der Differenzierung zwischen Lehnwort und Fremdwort. Ererlautertfolgenderma&en:

,,Wir konnen somit in der hauptsache zwei arten von fremdwortern unter- scheiden: solche, die in ihren lautverhaltnissen ungestort und mit den echten bestandteilen der sprache unvermittelt geblieben sind, wie cousin sich also meist auf den ersten blick als eindringlinge zu erkennen geben, fremd- worter [sic!] im engeren sinne, und solche, die sich in der neuen heimat den gesetzen der lautfugung], wortbiegung und -bildung gefugt, somit voiles bur- gerrecht erworben haben, wie preisen, kirsche, eigentliche lehnworter.“19

Aufgrund der Tatsache, dass fur das au&ere Lehngut der Assimilationsgrad ein entscheidendes Klassifikationskriterium darstellt, merkt auch Werner Betz an, dass zwischen assimilierten Lehnwortern und Fremdwortern unterschieden wer­den sollte. Er konstatiert, dass en Lehnwort, wenn es in seiner fremden Lautge- stalt bewahrt wird als Fremdwort bezeichnet werden sollte. Anders gestalte sich dies dagegen, wenn das Lehnwort seiner neuen Umgebung lautlich angepasst wird, denn dann, so Betz weiter, handele es sich urn ein Lehnwort im eigentlichen respektive engeren Sinne.20

Bereits in seiner Dissertation, die sich mit dem lateinischen Wortschatz und des­sen Einfluss auf das Althochdeutsche auseinandersetzt, macht Betz einen Klas- sifikationsvorschlag fur Lehngut. So entwickelt er auf Basis der obigen theoreti- schen Ausfuhrungen zumindest fur das innere Lehngut eine einheitliche Termi- nologie. Diese wird bis heute gebraucht und bildet die Grundlage fur nachfol- gende Typologisierungen. Grundsatzlich differenziert Betz zwischen dem soge- nannten au&eren und dem inneren Lehngut.21

Wahrend es sich dann urn au&eres Lehngut handelt, wenn die Ausdrucksseite sprachlicher Zeichen bzw. Einheiten ubernommen wird. Dies ist in der Regel bei Morphemen und Wortern der Fall, die in einer leicht abgewandelten Form in die jeweilige Zielsprache integriert werden Oder aber, dann, wenn es sich urn eine totale Oder teilweise Bedeutungsubernahme aus einer Quell- in eine Zielsprache handelt. Mit anderen Worten: Bei au&erem Lehngut handelt es sich urn Misch- komposita, Scheinentlehnungen oderdirekten Entlehnungen.22

Die grundlegenden Merkmale au&eren Lehnguts bestehen darin, dass das jewei- lige Material aus einer Quell- Oder Spendersprache stammt, in eine Zielsprache integriert und lautlich angepasst wird.23

Vice versa definiert Betz das innere Lehngut als diejenigen Einflusse einer spe- zifischen Sprache (Quellsprache) auf eine andere Sprache (Zielsprache), welche ,,sich nicht auf das Lautliche, das Wortmaterial an sich, sondern auf Bildung und Bedeutung, auf Form und Inhalt des Wortmaterials erstrecken, nenne ich Lehn- pragung. Zur Lehnpragung rechne ich Lehnsyntax, Lehnbedeutung, Lehnbildung und Lehnwendung."24

De facto unterscheidet Betz hinsichtlich des inneren Lehnguts demnach zwi­schen Lehnbildungen und Lehnbedeutungen: Wahrend Lehnbedeutungen dadurch gekennzeichnet sind, dass zwischen den exogenen und indigenen Le- xemen ein bestimmter Konnex hinsichtlich der semantischen Relation notwendig ist, handelt es sich bei Lehnbedeutungen urn ein bereits vorhandene lexikalische Einheit, die mit der Bedeutung eines fremdsprachlichen Lexems besetzt ist.25 Mochten man die beiden lexikalischen Entlehnungsarten und damit Fremdwort und Lehnwort gegeneinander abgrenzen und genauer erlautern, wird deutlich, dass hinsichtlich beider Termini in der linguistischen Forschung keine einheitliche Definition existiert. So konstatiert beispielsweise auch Hadumod Bu&mann, dass es schwierig sei, zwischen beiden Termini zu unterscheiden und merkt an, dass der Ubergang zwischen dem Begriffsinhalt von Fremd- und Lehnwort flie&end sei.26

Peter von Polenz fuhrt diesbezuglich aus, dass Versuche beide Konzepte termi- nologisch abzugrenzen in der Regel dem formalgrammatischen Prinzip der gra- phischen, phonetischen und flexivischen Angleichung folgen. Von Polenz vertritt dabei die Ansicht, dass eine Unterscheidung zwischen Lehn- und Fremdwort auf der Basis dieses traditionellen Prinzips unbefriedigend ist.27

Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass sowohl in der Forschungsdiskus- sion als auch in der Fachliteratur eine Differenzierung respektive eine definitori- sche Abgrenzung beider Termini nicht erfolgt. Dies kann zum Beispiel auch bei Miroslaw Jablonski beobachtet werden: Er unterscheidet nicht zwischen Lehnwort und Fremdwort und begrundet dies damit, dass beide Termini im Deut- schen auf inkonsequente Art und Weise verwendet werden und im Allgemeinen nicht ausreichend zwischen Lehnwortern und damit sprachlichen Ausdrucken, die schon vollstandig an die Zielsprache angeglichen sind/wurden, und Fremd- wortern, also sprachlichen Zeichen, bei denen dies noch nicht erfolgt ist, unter- schieden wird.28

2.2 Arabismen

Grundsatzlich handelt es sich bei Arabismen urn Lehn- bzw. Fremdworter, die in einer Vielzahl von europaischen Sprachen zu finden sind und eine feste Kompo- nente dieser Sprachen bilden. In Bezug auf Arabismen ist zudem anzumerken, dass sie in der Regel graphemisch als auch phonologisch angeglichen wurden und aus diesem Grund von den meisten Sprachbenutzern nicht mehr als Lehnworter identifiziert werden.29

Unmittelbar in das Deutsche wurde arabische Worter in der Regel nur sehr selten entlehnt. Tazi fuhrt als Beispiele fur direkte Entlehnungen die Worter Kadi und Scheich an, konstatiert allerdings zudem, dass in den letzten Jahren aufgrund der politischen Ereignisse in der arabischen Welt durch die Medien auch weitere arabische Worter wie zum Beispiel Intifada Oder Dschihad ins Deutsche entlehnt wurden.30

Hinsichtlich des arabischen Lehnguts im Deutschen kann festgehalten werden, dass zu keiner Zeit intensive Kontakte zwischen der arabischen Welt und Deutschland existierten, so dass es nicht zu direkten Transferenzen kam. Auch wurden durch nicht existente historische und geographische Gegebenheiten ein unmittelbarer Lehnwortaustausch zwischen der deutschen und der arabischen Sprache verhindert. Aus diesem Grund ist es unerlasslich, Arabismen im Deut­schen in einen gro&eren historischen Kontext zu stellen: So handelt es sich im Allgemeinen nicht urn direkte geschichtliche Oder aber politische Beziehungen zwischen Deutschland und der arabischen Welt, sondern stattdessen urn kultu- relle Beziehungen zwischen dem Orient und dem Abendland.31

2.2.1 Historischer Exkurs: Sprachkontakt zwischen Orient und Okzident

Fuhrt man sich die geographische Distanz zwischen der arabischen Welt und Deutschland vor Augen, muss man zwangslaufig die Frage stellen, aufwelche Art und Weise bzw. auf welchem Weg Arabismen in den deutschen Wortschatz eingegangen sind. Fakt ist jedoch, dass sich im Laufe der Zeit zwischen Orient und Okzident viele Uberschneidungspunkte ergaben und durch diese ein Sprach­kontakt zustande kam.32

Diesbezuglich konnen zum Beispiel die Schriften antiker Philosophen genannt werden, welche in der Zeit des Mittelalters aus dem Griechischen in Arabische und etwas spater aus dem Arabischen in das Lateinische ubertragen wurden.33 Schlie&lich kam es im Laufe des 20. Jahrhunderts durch arabischsprachige Mig- ranten und Einwanderer in Europa im Allgemeinen und in Deutschland im Beson- deren zu einem Sprachkontakt zwischen der deutschen und der arabischen Sprache.34

Ein fur die vorliegende Untersuchung durchaus relevanter Aspekt, auf den Eva Jablonka hinweist, ist, dass die Bindung arabisch sprechender Menschen zu ihrer Muttersprache als enorm stark charakterisiert werden kann. Die Wissenschaftle- rin konstatiert daruber hinaus, dass in der arabischen Welt auch heute noch die Auffassung vertreten wird, dass man nur dann ein Araber ist, wenn man auch der arabischen Sprache machtig ist. Jablonka sieht die Ursache fur diese weit ver- breitete Ansicht in der Religiositat und damit naturlich auch den Koran - dies gilt zumindest fur den muslimischen Teil der Araber. Letztlich kommt Jablonka zu dem Schluss, dass sich aus dieser Tatsache sowohl die Prasenz des Arabischen als auch die ethnolinguistische Vitalitat der Sprache selbst erklaren lassen.35 Als weitere Eckfeiler des Sprachkontaktes zwischen dem Arabischen und Deut­schen fuhrt beispielsweise Tazi Handelsbeziehungen zwischen Europa und der arabischen Welt an, die seitjeher bestehen.36

Aufgrund der Tatsache, dass die Araber vor allem im Hoch- und Spatmittelalter von den Arabern in differenten Wissenschaftsbereichen, so zum Beispiel in der Philosophie, der Medizin, der Astronomie und der Mathematik, fortschrittliche Er- kenntnisse gemacht wurden und diese von europaischen Wissenschaftlern und Gelehrten rezipiert und ubersetzt wurden,37 geht Jablonska soweit, das Arabi- sche als eine fur das Mittelalter wichtige Vehikularsprache38 zu bezeichnen, wel- che nicht nurfur Europa, sondern auch Afrika und Asien von Bedeutung war.39 Ein weiteres historisches Ereignis, welches fur den Sprachkontakt zwischen Ori­ent und Okzident von grower Bedeutung war, sind die kolonialen Besetzungen europaischer Regionen durch die Araber.40 An erster Stelle ist diesbezuglich die bis zum Spatmittelalter andauernde Besetzung Spaniens durch die Mauren zu nennen. Wahrend ihrer Besatzungszeit wurde von den Arabern auch der Versuch unternommen religiose, kulturelle und sprachliche Anpassungen durchzusetzen. Entsprechend wurden zu dieser Zeit zahlreiche arabische Ausdrucke in das Spa- nische ubernommen.41

Jablonka weist zudem darauf hin, dass in Frankreich im 19. und 10. Jahrhundert ein hohes Migrationsaufkommen aus arabischen Landern zu finden war. Sie fuhrt dies auf die Vergangenheit Frankreichs als Kolonialmacht von Algerien (1830­1962), Tunesien (1881-1956) und Marokko (1912-1956) zuruck. Jablonka kon- statiert weiter, dass 95 Prozent der Migranten aus Algerien, Tunesien und Ma­rokko welche heute in der europaischen Union Zuhause sind, in Frankreich le- ben.42

Weinreich erlautert daruber hinaus, dass auch Reisende und Missionare als re- levante Faktoren fur den Sprachkontakt anzusehen sind.43

Um noch einmal deutlich zu machen, warum der Sprachkontakt zwischen arabi- scher und europaischer Welt von Bedeutung fur die Entstehung von Arabismen ist, soil das folgende Zitat von Svetlana Burmasova dienen. Sie konstatiert:

„Bei der Darstellung des Konzepts der Entlehnung muss man erwahnen, dass die Ubernahme von Neuerungen Sprachkontakt voraussetzt, d. h., dass es Entlehnungen ohne Sprachkontakt nicht geben kann. Die einfachste Art des Einflusses, den eine Sprache auf eine andere ausuben kann, besteht in der Entlehnung von Wortern [...J."44

Im Folgenden Unterkapitel werden aktuelle islamische Arabismen in den deut- schen Medien in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt.

[...]


1 Vgl. Muller, 2012, S. 2.

2 Vgl. Schiffer, 2005, o.°S.

3 Vgl.Weinrich,1977,S.15.

4 Vgl.Weinrich,1977,S.15.

5 Vgl.Becher&Wildgen,1991,S.1.

6 Vgl.Riehl,2009,S.11.

7 Vgl.Riehl,2009,S.11.

8 Vgl.Riehl2009,S.11f.

9 Vgl.Becher&Wildgen,1991,S.1.

10 Vgl.Riehl,2009,S.12.

11 Vgl.Weinrich,1977,S.15.

12 Vgl.Riehl,2009,S.11.

13 Vgl.BuBmann,2008,S.396.

14 Vgl. BuBmann 2008: 396f.

15 Vgl.Polenz1979:19.

16 Vgl.Jablonski,1990,S.14.

17 Vgl.Jablonski,1990,S.14.

18 Vgl.Jablonski,1990,S.14.

19 Vgl.Ebel,1856,S.3.

20 Vgl. Betz, 1959, S. 128.

21 Vgl. Betz, 1959, S. 128.

22 Vgl.Betz 1959,S.127

23 Vgl. Betz, 1959, S. 127

24 Vgl. Betz, 1959, S. 127.

25 Vgl. Betz, 1959, S. 128.

26 Vgl. BuBmann, 2008, S. 396f.

27 Vgl.Polenz,1979,S.19.

28 Vgl.Jablonski,1990,S.14.

29 Vgl. Limbach, 2007, S. 7.

30 Vgl.Tazi,1998,S.3.

31 Vgl.Tazi,1998,S.33

32 Vgl.Jablonka,2011,S.116.

33 Vgl. Schulthess & Imbach, 2002, S. 25.

34 Vgl.Jablonka,2011,S.116.

35 Vgl.Jablonka,2011,S.116.

36 Vgl.Tazi,1998,S.50f.

37 Vgl. Schulthess & Imbach, 2002, S. 25 ff. sowie Osman, 1982, S. 5 ff.

38 Jablonska scheint den Terminus Vehikularsprache im Sinne einer Dachsprache der o.g. geographischen Raume zu verwenden, wobei anzunehmen ist, dass dem Arabischen damals die Funktion einerzweckgebundenen Zweitsprachezukam.

39 Vgl.Jablonska,2011,S.115.

40 Vgl. Bathia & Ritchie, 2006, S. 7.

41 Vgl.Jablonska,2011,S.117.

42 Vgl.Jablonska,2011,S.121.

43 Vgl. Weinreich, 1977, S. 83.

44 Vgl.Burmasova,2010,S.20.

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Arabismen in den deutschen Medien
Untertitel
Die Begriffe "dāʿiš, ḫilāfa und burquʿ"
Hochschule
Universität Leipzig
Autor
Jahr
2019
Seiten
39
Katalognummer
V509371
ISBN (eBook)
9783346125279
ISBN (Buch)
9783346125286
Sprache
Deutsch
Schlagworte
arabismen, medien, begriffe, Arabistik, IS, Kalifat, Daesch
Arbeit zitieren
Ali Shikh Nabi (Autor:in), 2019, Arabismen in den deutschen Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/509371

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