Die alten Grenzposten stehen verlassen da und verfallen langsam aber sicher. Grenzkontrollen? Wartezeiten an den Grenzbäumen und Durchsuchungen des Kofferraums? Für Deutschland kaum noch vorstellbar. Doch bevor sich die Staaten der EG zusammentaten und den freien Personen- und Warenverkehr mit dem Schengener Abkommen 1993 ermöglichten, war dies Realität (Blessmann 1994: 55). Der Frage, warum es zu einer Abschaffung der Grenzkontrollen kam, welche Interessensgruppen in den einzelnen Ländern dafür oder dagegen waren und wie man den Ausgleich zwischen den Interessen der Staaten erklären kann, will ich in dieser Hausarbeit nachgehen. Besondere Aufmerksamkeit widme ich hierbei dem Umsetzungskonflikt eines formulierten Politikziels ‚Passunion’, der Analyseaspekt freier Warenverkehr soll sekundär betrachtet werden. Analysiert werden soll exemplarisch die Position eines Schengen Befürworters (Deutschland) und eines Staates mit geringem Interesse an der Öffnung der innereuropäischen Grenzen (Großbritannien) unter der Fragestellung: Wie ist die Überwindung der Positionsdifferenz in der Schengen-Frage zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland zu erklären? Was führte dazu, dass es zu einer Einigung über den unbeschränkten Personen- und Warenverkehr im EG-Binnenmarkt kam? Zu Beginn dieser Arbeit werden Kernbegriffe definiert und der Konflikt erläutert sowie die Positionen der Konfliktparteien beschrieben. Unter Ordnungspunkt 4 werden die Grundannahmen von Andrew Moravcsiks rationalem Liberalismus beschrieben. Punkt 5 der Arbeit leitet aus den Grundannahmen des Liberalismus Handlungsoptionen und Kausalzusammenhänge ab, wie sich Deutschland und Großbritannien in der Schengen-Frage verhalten haben müssten. Welche Elemente dieses liberalistischen Erklärungsmodells nachweislich belegbar sind, wird im sechsten Abschnitt überprüft. Im abschließenden Fazit wird dann der Argumentationsstrang verkürzt wiedergegeben und beschrieben, durch welches Explanans, also durch welche Elemente des Liberalismus, das Explanandum Schengener Abkommen erklärt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Begriffsdefinitionen
- Das Schengener Abkommen. Schnelle Umsetzung einer als Politikziel formulierten Passunion oder Beibehaltung der bisherigen Grenzkontrollpraxis?
- Die Grundannahmen des rationalen Liberalismus von Andrew Moravcsik
- Liberalismus und Schengen. Ein Erklärungsmodell des Konfliktaustrags
- Innere Sicherheit in Deutschland und Großbritannien
- Deutsche Exportinteressen
- Die Grenzlängen von Deutschland und Großbritannien
- Theorie und Empirie. Stimmt das Erklärungsmodell mit den empirischen Daten überein?
- Schengen als Gefahr für die innere Sicherheit?
- Deutschland von der Exportlobby nach Schengen getrieben?
- Kostenexternalisierung durch Verschiebung der Grenzkontrollen?
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Überwindung von Positionsdifferenzen in der Schengen-Frage zwischen Deutschland und Großbritannien. Sie analysiert, warum es zur Abschaffung der Grenzkontrollen kam und wie der Ausgleich zwischen den Interessen beider Staaten erklärt werden kann. Der Fokus liegt auf dem Konflikt zwischen dem formulierten Politikziel einer Passunion und der Beibehaltung der bisherigen Grenzkontrollpraxis.
- Der Konflikt zwischen dem Ziel einer Passunion und der Beibehaltung der Grenzkontrollpraxis.
- Die unterschiedlichen Positionen Deutschlands und Großbritanniens zur Grenzkontrolle.
- Der Einfluss des rationalen Liberalismus auf das Zustandekommen des Schengener Abkommens.
- Die Rolle von innerer und äußerer Sicherheit in der Entscheidungsfindung.
- Die Bedeutung von ökonomischen Interessen (z.B. Export) für die Positionen der Staaten.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Abschaffung der Grenzkontrollen innerhalb der EG im Kontext des Schengener Abkommens ein. Sie stellt die Forschungsfrage nach den Ursachen der Überwindung der Positionsdifferenzen zwischen Deutschland und Großbritannien in Bezug auf Schengen. Die Arbeit skizziert den methodischen Ansatz, der auf der Analyse des rationalen Liberalismus und dem Vergleich von Theorie und Empirie basiert. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Konflikt zwischen dem Ziel der Passunion und der Beibehaltung der bisherigen Grenzkontrollpraxis, wobei der freie Warenverkehr eine sekundäre Rolle spielt.
2. Begriffsdefinitionen: Dieses Kapitel klärt zentrale Begriffe wie negative und positive Integration im Kontext des Schengener Abkommens. Es definiert den Unterschied zwischen äußeren und inneren Kontrollen, wobei das deutsche Modell mit starken inneren und schwachen äußeren Kontrollen dem britischen Modell mit starken äußeren und schwachen inneren Kontrollen gegenübergestellt wird. Diese Definitionen bilden die Grundlage für das Verständnis der Argumentation in den folgenden Kapiteln.
3. Das Schengener Abkommen. Schnelle Umsetzung einer als Politikziel formulierten Passunion oder Beibehaltung der bisherigen Grenzkontrollpraxis?: Dieses Kapitel beschreibt den Entstehungskonflikt um das Schengener Abkommen. Es identifiziert den Konfliktgegenstand (Öffnung der Grenzen) und die Konfliktparteien (Deutschland als Befürworter und Großbritannien als Gegner der Grenzöffnung). Die unterschiedlichen Positionen Deutschlands (schnelle Grenzöffnung) und Großbritanniens (Beibehaltung der bisherigen Praxis aus Sicherheitsbedenken) werden detailliert dargestellt. Der Abschnitt beleuchtet die Entwicklung des Schengener Abkommens, beginnend mit der Formulierung des Ziels einer Passunion in den 1970er Jahren bis hin zur Unterzeichnung von Schengen I und II und der Integration der Abkommen in die EU-Struktur. Die Bedeutung sowohl der negativen (freier Personen- und Warenverkehr) als auch der positiven Integration (z.B. Rückführung abgelehnter Einreisen, Informationsaustausch) wird hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Schengener Abkommen, Passunion, Grenzkontrollen, negative Integration, positive Integration, innere Sicherheit, äußere Sicherheit, rationaler Liberalismus, Deutschland, Großbritannien, Exportinteressen, Kostenexternalisierung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Text: Schengen-Abkommen: Deutschland und Großbritannien
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Überwindung von Positionsdifferenzen zwischen Deutschland und Großbritannien in der Schengen-Frage. Sie analysiert die Ursachen für die Abschaffung der Grenzkontrollen und den Ausgleich der Interessen beider Staaten, wobei der Fokus auf dem Konflikt zwischen dem Ziel einer Passunion und der Beibehaltung der bisherigen Grenzkontrollpraxis liegt.
Welche zentralen Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt den Konflikt zwischen dem Ziel einer Passunion und der Beibehaltung der Grenzkontrollpraxis, die unterschiedlichen Positionen Deutschlands und Großbritanniens zur Grenzkontrolle, den Einfluss des rationalen Liberalismus, die Rolle der inneren und äußeren Sicherheit und die Bedeutung ökonomischer Interessen (wie Export) für die Positionen der Staaten.
Welche Kapitel umfasst der Text und worum geht es in jedem Kapitel?
Der Text umfasst die Kapitel: Einleitung (Einführung in die Thematik und Forschungsfrage), Begriffsdefinitionen (Erläuterung zentraler Begriffe wie negative und positive Integration), Das Schengener Abkommen (Beschreibung des Entstehungskonflikts und der Positionen Deutschlands und Großbritanniens), Theorie und Empirie (Vergleich des Erklärungsmodells mit empirischen Daten) und Fazit. Jedes Kapitel baut auf dem vorherigen auf und trägt zur Beantwortung der Forschungsfrage bei.
Welche Rolle spielt der rationale Liberalismus in der Analyse?
Der rationale Liberalismus dient als theoretisches Erklärungsmodell für das Zustandekommen des Schengener Abkommens und den Ausgleich der Interessen Deutschlands und Großbritanniens. Die Arbeit untersucht, ob das Modell mit den empirischen Daten übereinstimmt.
Welche Bedeutung haben innere und äußere Sicherheit in der Analyse?
Die innere und äußere Sicherheit spielen eine wichtige Rolle in der Entscheidungsfindung beider Staaten. Großbritannien betonte beispielsweise Sicherheitsbedenken als Grund für die Beibehaltung der Grenzkontrollen, während Deutschland den Fokus auf andere Aspekte legte.
Wie werden die unterschiedlichen Positionen Deutschlands und Großbritanniens dargestellt?
Deutschland befürwortete eine schnelle Grenzöffnung und die Umsetzung der Passunion, während Großbritannien aufgrund von Sicherheitsbedenken an der Beibehaltung der bisherigen Grenzkontrollpraxis festhielt. Die Arbeit analysiert diese unterschiedlichen Positionen detailliert.
Welche Rolle spielen ökonomische Interessen, insbesondere der Export?
Die Arbeit untersucht, ob und inwiefern ökonomische Interessen, insbesondere der Export, die Positionen Deutschlands beeinflusst haben. Die Frage der Kostenexternalisierung durch eine Verschiebung der Grenzkontrollen wird ebenfalls thematisiert.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt des Textes?
Schlüsselwörter sind: Schengener Abkommen, Passunion, Grenzkontrollen, negative Integration, positive Integration, innere Sicherheit, äußere Sicherheit, rationaler Liberalismus, Deutschland, Großbritannien, Exportinteressen, Kostenexternalisierung.
Welche Forschungsfrage wird gestellt?
Die zentrale Forschungsfrage ist: Warum kam es zur Abschaffung der Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Großbritannien im Rahmen des Schengener Abkommens, und wie lässt sich der Ausgleich der unterschiedlichen Interessen beider Staaten erklären?
Welche Methode wird verwendet?
Die Arbeit verwendet einen methodischen Ansatz, der auf der Analyse des rationalen Liberalismus und dem Vergleich von Theorie und Empirie basiert.
- Quote paper
- Florian Pretz (Author), 2005, Wie ist die Überwindung der Positionsdifferenz in der Schengen-Frage zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland zu erklären?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50971