Achtsamkeit und das individuelle Stresserleben. Systematischer Review zum Thema

Wirksamkeit von achtsamkeitsbasierten Verfahren auf die Stressbewältigung bei Berufstätigen


Thèse de Bachelor, 2019

62 Pages, Note: 0,7

S-M. T. (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG

2 ZIELSETZUNG

3 GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
3.1 Herausforderungen der heutigen Lebens- und Arbeitswelt
3.2 Begriffserklärung Gesundheit vs. Krankheit
3.2.1 Gesundheit
3.2.2 Gesundheitsförderung
3.2.3 Krankheit
3.2.4 Pathogenese und Salutogenese
3.2.5 Einflussfaktoren auf Gesundheit und Krankheit
3.3 Begriffserklärung „Achtsamkeit“
3.3.1 Die Geschichte der Achtsamkeitspraxis
3.3.2 Buddhistische Achtsamkeit
3.3.3 Pädagogische Achtsamkeit
3.3.4 Therapeutische Achtsamkeit – Psychotherapie
3.3.5 Der 5 Elemente Zirkel der Achtsamkeit
3.3.6 Neurobiologischer Hintergrund für die Wirkungsweise von Achtsamkeit
3.3.7 Aspekte des Übens von Achtsamkeit
3.3.8 Achtsamkeit im Alltag
3.4 Begriffserklärung Stress
3.4.1 Alltägliche Stressauslöser und Stressreaktionen
3.4.2 Auswirkungen auf die Gesundheit
3.4.3 Wie Stress genau entsteht
3.4.4 Stressreaktionszyklus
3.4.5 Stressbewältigung
3.4.6 Unterbrechung des Stresskreislaufes durch Achtsamkeit
3.5 Darstellung der gegenwärtigen Situation in Deutschland
3.6 Maßnahmen und Programme zur Förderung der Achtsamkeit

4 METHODIK
4.1 Literaturquellen
4.2 Kriterien (Ein-/ Ausschluss)
4.3 Begründung Zeitraum
4.4 Suchbegriffe
4.5 Suchvorgang

5 ERGEBNISSE

6 DISKUSSION
6.1 Kritische Betrachtung der eigenen Vorgehensweise
6.2 Kritische Betrachtung der Ergebnisse
6.3 Schlussfolgerungen und Ausblick

7 ZUSAMMENFASSUNG

8 LITERATURVERZEICHNIS

9 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis

„ Das Geheimnis der Gesundheit für Körper und Geist

ist weder das Trauern um die Vergangenheit, noch das Sorgen über die Zukunft,

sondern den gegenwärtigen Moment

k lug und ernsthaft zu leben.“

Buddha

Hinweis zur korrekten Differenzierung zwischen den Geschlechtern:

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit auf die genderspezifi- sche Unterscheidung verzichtet. Für beide Geschlechter wurde das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch stets die männliche und weibliche Form.

1 Einleitung und Problemstellung

Die Praxis der Achtsamkeit hat eine jahrtausendealte Geschichte und lässt sich unter vielen Synonymen wie Besinnung, Gelassenheit, Weisheit oder Wachsamkeit weit zurückverfolgen. Vor etwa 100 Jahren wurde die Achtsamkeitspraxis experimenteller und vielfältiger. Die Menschen suchten nach Lösungen für aktuelle Themen der Zeit und strebten nach einer richtigen und gesunden Lebensweise (Huppertz, 2015, S.11). Vor knapp 50 Jahren entstand eine neuere Tradition der Achtsamkeit unter Prägern wie J. Kabat-Zinn, S. Hayes oder M. Linehan. Sie versuchten mit achtsamkeitsba- sierten, psychotherapeutischen Konzepten verschiedene Krankheitsbilder (vor allem psychosomatisch und stressbedingte) zu heilen und widmeten sich, trotz der Verbun- denheit zur traditionellen Spiritualität, stark der Forschung und Weiterentwicklung der Achtsamkeitspraxis (Huppertz, 2015, S.15-16).

Der Begriff „Achtsamkeit“ gewinnt somit in unserer schnelllebigen Zeit zunehmend an Bedeutung. Folgt man den Schlagzeilen in der Presse oder in sozialen Medien, scheint das Praktizieren von Achtsamkeit ein Allheilmittel zu sein: gegen Stress, Burnout, Kopfschmerzen, Depressionen und vieles mehr. Auch die Anzahl wissen- schaftlicher Publikationen zum Thema Achtsamkeit ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Waren es 2001 noch unter 50 Treffer zum Stichwort „Mindfulness“ (englisch für Achtsamkeit) in der medizinischen Datenbank, so sind es 2019 bereits über 6.000 (pubmed, 2019). Trotz der wachsenden Popularität des Themas beschäfti- gen sich kaum Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit dem Thema im Berufsalltag.

Der Begriff „Stress“ hingegen ist allen Berufstätigen so geläufig wie das „Guten Tag“. Das Interesse an dem Thema steigt unaufhörlich, von unter 208.000 Treffern im Jahr 2001 zum Stichwort „Stress“ sind es in 2019 bereits über 851.000 Treffer (pubmed, 2019). Vor allem der arbeitsbedingte Stress ist weit verbreitet und stellt erwiesenermaßen einen gesundheitlichen Risikofaktor dar. Laut europaweiten Befra- gungen ist jeder dritte Beschäftigte davon betroffen und Studien deuten darauf hin, dass 50-60% aller verlorenen Arbeitstage mit Stress im Zusammenhang stehen (Kaluza, 2007, S.4). Seit Jahrtausenden reagiert der Mensch in extremen Situationen gleich. Er schüttet Stresshormone aus und lässt den Organismus zu Höchstformen auflaufen, indem er Energiereserven aus nicht notwendigen Prozessen abzieht und in die Herzfrequenz und Muskelspannung investiert (Iding, 2013, S.19). In der Steinzeit war dies sinnvoll, um vor Raubtieren zu flüchten und Gefahrensituationen zu ent- kommen. Gerät der Organismus heute unter Stress, reagiert der Körper jedoch trotz Weiterentwicklung der Lebensumstände gleich: er fährt die Verdauung und die Se- xualfunktionen runter, schränkt unser Denken und Fühlen ein und bringt den Men- schen in eine angespannte Fluchthaltung. Da aus den Stresssituationen heute aller- dings oft nicht geflüchtet werden kann, wird die aufgebaute Spannung nicht abgebaut und lässt den Organismus dauerhaft in den Stresshormonen „baden“, was wiederum zu diversen Krankheiten führen kann (Stiles, 2017, S.15-16).

Dass Achtsamkeitstraining sowohl eine gute Prävention gegen Stress im Allgemei- nen ist als auch Heilung für bestehende, stressbedingte Krankheiten bietet, ist längst kein Geheimnis mehr. Doch warum werden diese Lösungswege nicht ausführlicher genutzt? Die Wirkungsmechanismen der Achtsamkeit sind unklar. Was passiert bei der Durchführung von der Achtsamkeitspraxis im Körper? Und wirken tatsächlich die achtsamkeitsbasierten Verfahren auf die Stressbewältigung oder doch andere Einflüsse?

2 Zielsetzung

Ziel der Arbeit ist es, im Rahmen eines systematischen Reviews eine eigenständige Zusammenfassung des Forschungsstands zur Wirksamkeit der Achtsamkeit auf die Stressbewältigung bei Berufstätigen zu verfassen.

Grundlage hierfür ist die einschlägige theoretische und empirische Forschungslitera- tur, in der verschiedene Perspektiven verglichen werden und widersprüchliche Er- gebnisse oder Phänomene eingeordnet werden sollen.

Diese Arbeit gibt einen breiten Überblick und eine übersichtliche Orientierungshilfe, welche Auswirkungen mitarbeiterorientierte Systeme zur Stressbewältigung im Be- rufsleben haben und welchen Nutzen Arbeitgeber und -nehmer daraus ziehen kön- nen.

Die Senkung der Krankheitstage ist jedem Unternehmen ein Anliegen, doch die stei- gende Zahl der Veröffentlichungen erschwert es eine schnelle Übersicht zu erlangen, wenn man aktiv oder präventiv gegen das Thema Stress im Beruf angehen will. Doch was ist Stress überhaupt? Wodurch wird er ausgelöst und welche Auswirkungen hat er individuell?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich die nachfolgende Arbeit und sucht eine objektive, allgemeingültige Antwort auf die Frage „Wie wirkt sich die Achtsamkeit auf die Stressbewältigung bei Berufstätigen aus?“

Hierzu werden wissenschaftliche Studien zu diesem Thema untersucht und die Kern- ergebnisse dahingehend bewertet, ob sich das Achtsamkeitstraining auswirkt und wie sich dies äußert.

3 Gegenwärtiger Kenntnisstand

3.1 Herausforderungen der heutigen Lebens- und Arbeitswelt

Vor etwa 200 Jahren waren Arbeitszeiten von 11 bis 16 Stunden am Tag normal. Morgens wurde zur Arbeit gegangen, abends heimgekehrt, gegessen und geschlafen. Vor etwa 100 Jahren kam der Fortschritt des Achtstundentages. Er war eine Kernfor- derung der Arbeiterbewegung der Nachkriegszeit und sollte eine Verbesserung der Arbeitnehmersituation versprechen, nach dem Motto: Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Schlaf und acht Stunden Freizeit.

Auch heute ist der Großteil der Arbeitnehmer in einer 40 Stunden Woche beschäftigt und folgt somit dem System des Achtstundentages, zumindest offiziell. Durch die Digitalisierung und einer zunehmend globalisierten Welt, verändert sich die Ar- beitswelt immer schneller und Arbeitnehmer müssen oft dauerhaft erreichbar und einsatzbereit sein, was in vielen Überstunden endet, die aber häufig nicht als solche angesehen werden. Hohe Flexibilität und Belastbarkeit ist Voraussetzung für nahezu jeden Beruf, um konkurrenzfähig zu bleiben. Offen zu sein für interne als auch ex- terne Versetzungen schafft einen hohen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Mit- bewerbern, was wiederum die Belastung in der Arbeitswelt verstärkt.

Generell sieht sich die heutige Generation von Beschäftigten einer Menge an Heraus- forderungen gegenübergestellt. Zu der dauerhaften Bereitschaft und Erreichbarkeit kommen schnelle Veränderungsprozesse und Autonomisierung. Der Durchbruch in der Internet- und Handynutzung schafft einen hohen Grad der Vernetzung von der Chefetage bis zum untersten Angestellten und auch in Unternehmen untereinander auf der ganzen Welt. Viele Unternehmen vergleichen sich nicht mehr nur lokal mit der Konkurrenz, sondern mit Unternehmen weltweit und schaffen somit immer mehr Bewertungssysteme und aktuelle Trends.

Zunehmend müssen sich Unternehmen auch mit Fachkräftemangel auseinanderset- zen (Manchadi, 2017, S.49). Auch bereits erlernte Fähigkeiten müssen dauerhaft auf den neuesten Stand gebracht werden, da die technischen Standards sich immer schneller weiterentwickeln.

Gerade in der Fertigung werden viele Arbeitsplätze durch Maschinen ersetzt, was wiederum einen hohen Druck auf die Arbeitnehmer in handwerklichen Berufen aus- übt. Die Unsicherheit in bereits erlernten handwerklichen Berufen führt zunehmend zu Umschulungen oder Weiterbildungen, was wiederum auf die nächste Arbeiterge- neration eine gewisse Unsicherheit ausstrahlen lässt. Dazu ergibt sich in der heutigen Zeit ein hoher Vermögensdruck. Alle wollen immer mehr und besser verdienen, sich einen höheren Lebensstandard aneignen oder müssen lediglich mit steigenden Mieten und Lebenserhaltungskosten mithalten können.

Des Weiteren wirken auf die jüngeren Generationen gewisse gesellschaftliche Rah- menbedingungen und oft Erwartungen der Familie ein. Ein Beispiel hierfür ist, dass immer mehr junge Menschen studieren und studieren möchten (Nier, 2018). Klassi- schen Ausbildungen geben vielen das Gefühl nicht auszureichen, was dazu führt, dass in vielen Ausbildungsberufen die jungen Bewerber fehlen.

Die Schwierigkeit Privat- und Arbeitsleben zu trennen beschert zusätzliche Probleme und belastet sowohl die körperliche als auch mentale Gesundheit der Arbeitnehmer. Häufig wird nach dem Verlassen des Büros noch zu Hause weitergearbeitet, was eine Vermischung der Arbeits- und privaten Lebenswelt vorantreibt. Durch die Selbstver- ständlichkeit der Smartphone Nutzung, sind Arbeitnehmer nicht nur für den Chef dauerhaft erreichbar, sondern sie sitzen oft auch beim Familienessen an den betrieb- lichen E-Mails und schalten nie wirklich vom Arbeitsalltag ab.

Diese und noch viele weitere Herausforderungen führen zu diversen Folgen für die Gesundheit und das Sozialleben moderner Berufstätigen.

Folgen für das Individuum

Aufgrund der vielen Herausforderung in der Arbeitswelt und der zunehmenden Ver- mischung mit dem Privatleben, ergeben sich für Beschäftigte diverse Folgen auf psy- chischer, physischer und sozialer Ebene.

Erste Anzeichen merkt so gut wie jeder Arbeitnehmer zuerst im physischen Bereich. Nahezu jeder dritte Erwachsene in Deutschland hat öfter oder ständig Rückenbe- schwerden (Statista, 2017). Bei vielen sitzenden Tätigkeiten rangieren direkt dahinter Nackenverspannungen, Hüftschmerzen und Kopfschmerzen. Die mangelnde Bewe- gung und oft unausgewogene, hektische Ernährungsweise führt zu Verdauungs- und Stoffwechselproblemen und diese weiter zum Übergewicht.

Psychische Probleme werden lange nicht ernst genug genommen, was sowohl diese selbst als auch die physischen Probleme immer weiter verschlimmert. Aus Frust, Druck, Energieverlust und Angst können schnell Depressionen oder chronische Un- zufriedenheit resultieren. Dauerhaftem Stress folgt nachlassende Achtsamkeit und Sorge sich selbst gegenüber, da der Job ständig die oberste Priorität ist und die eige- nen Bedürfnisse ignoriert und vernachlässigt werden.

Ein weiterer großer Punkt ist das Sozialleben. Dadurch, dass ein Großteil des Tages auf der Arbeit stattfindet und in vielen Berufen auch Schichtdienst betrieben wird, gehen soziale Kontakte außerhalb des Kollegiums verloren und somit auch die Chan- ce auf andere Themen außerhalb der Arbeitszeiten. Oft wird noch mehr Zeit am Ar- beitsplatz verbracht oder es wird sich nach Feierabend in einer Bar oder Restaurant getroffen, wo sich die Gespräche schnell wieder um die Arbeit drehen können. Somit wird den Tag über nie wirklich abgeschaltet und dem Körper und Geist wird keine Ruhezeit der Arbeitsprobleme gegönnt. Steht der Arbeitnehmer dauerhaften unter Konfrontation mit der Arbeit, wird auch schnell die Familie mit in das Thema invol- viert oder leidet unter dem dauerhaften „hintenanstehen“ an die Berufstätigkeit (TK- Stressstudie, 2016, S.29).

3.2 Begriffserklärung Gesundheit vs. Krankheit

3.2.1 Gesundheit

Der Begriff Gesundheit ist heute tagtäglich ein häufig genutztes Wort und bestimmt die Lebensqualität wesentlich. Die Bereitschaft sich mit seinem Körper und seiner Gesundheit zu beschäftigen wächst unaufhörlich und die Menschheit ist bereit Zeit zu investieren und Vorsorge zu betreiben. Doch trotz selbstverständlichem Gebrauch des Begriffes, gibt es keine einheitliche Definition.

Um die folgende Arbeit gut nachvollziehen zu können und ein umfassendes Bild der Gesundheit zu bekommen, wird sich an der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientiert. Diese definiert den Begriff Gesundheit 1946 in der Präambel ihrer Verfas- sung wie folgt:

„Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozia- len Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“ (WHO, 2014, S.1).

Somit sollte die Gesundheit insgesamt der wichtigste Lebensbereich sein, dem die größte Sorgfalt und Achtsamkeit gewidmet wird. Mit zunehmendem Alter steigt die Wichtigkeit dieses Bereiches und das Bewusstsein für präventives Handeln. Gesund- heit ist im Gesamten mehr als das Nicht-Krank-Sein und wird von allen Lebensbe- reichen beeinflusst. Zur Vervollständigung des Verstehens von Gesundheit, können die Einflüsse von anderen Wissenschaften erwähnt werden.

Biologisch gesehen ist Gesundheit die reine, normale Funktion der Physiologie und der Anatomie. Aus psychologischer Sicht sollte ein gesunder Mensch mit Kontroll- überzeugung handeln können, Anforderungen gewachsen sein und seine Gefühle benennen können, sowie mit sich selbst zufrieden sein.

Soziologische Gesundheit umfasst ein gelungenes Zusammenleben mit der Gesell- schaft, in der ein Individuum Aufgaben übernehmen kann und Beiträge zum Allge- meinwohl leistet (Menche, 2014, S.216).

„Gesundheit heißt, man muss sich wohlfühlen, sich frei bewegen können, guten Ap- petit haben, normal in seinen Funktionen sein und daher keinen Arzt aufsuchen müs- sen.“ – Mahatma Gandhi

3.2.2 Gesundheitsförderung

Nachdem die WHO in den 70er-Jahren feststellen musste, dass mit den bisherigen Systemen der Prävention und Gesundheitserziehung nicht die gewünschten Verbes- serungen erzielt werden konnten, wurde die Primary-Health-Deklaration geschrie- ben. Diese hatte zum Ziel, dass die Lebensbedingungen aller Menschen erhalten oder verbessert werden, sodass jedem ermöglicht wurde die eigenen Gesundheitspotenzia- le voll zu entwickeln.

1986 wurde schließlich in der Ottawa-Charta das internationale Konzept „Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000“ festgehalten, welches die Gesundheitsförderung endgül- tig in den Mittelpunkt schob (Menche, 2014, S. 227).

In einem Auszug der Ottawa-Charta heißt es: „Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl Einzelne als auch Gruppen ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. sie verändern können.“ (WHO, 1995). Da die Gesundheitsförderung durch diese Veröffentlichung die Bedeutung eines gesellschaftspolitischen Konzeptes bekam, wurde im Denken der Menschheit und Medizin der Wandel von der Krankheitsorientierung zur Ge- sundheitsorientierung eingeleitet. Im September 2012 wurde letztlich das neue Rah- mengesetzt „Gesundheit 2020“ angenommen, indem zusätzlich ein sehr großer Wert auf das „Wohlbefinden“ gesetzt wird. Zukunftsvisionen dieses übergeordneten, ge- sundheitspolitischen Konzeptes sind: eine Maximierung der Gesundheitschancen der Bevölkerung auf allen Ebenen, ein Abbau gesundheitlicher Ungleichgewichte und eine Schwerpunktlegung auf die sozialen Determinanten, d. h. die Bedingungen, un- ter denen Menschen geboren werden, aufwachsen, leben, arbeiten und altern (WHO, 2013).

3.2.3 Krankheit

In einer Korrelation zu der Gesundheit besteht die Krankheit. Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass weder Gesundheit noch Krankheit vollkommene, feststehende Zustände sind, sondern Wendepunkte im Prozess des gesund oder krank werden dar- stellen. Für lebende Organismen ist vollkommene Gesundheit oder Krankheit nicht zu erreichen. Egal wie gesund gelebt wird, ein Organismus hat immer auch kleine, kranke Anteile und solange er noch lebt, müssen auch gesunde Anteile vorhanden sein.

Das Gesundheitswesen oder die Versicherungen sind jedoch dazu gezwungen, dicho- tom zu denken (Menche, 2014, S. 217). Krankheit muss in bestimmten Situationen absolut objektiv definiert werden. Von dem Bundessozialgericht (BSG) wird Krank- heit als ein „regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, dessen Eintritt entwe- der die Notwendigkeit der Heilbehandlung des Versicherten oder lediglich seine Ar- beitsunfähigkeit oder beides zugleich zur Folge hat“ betrachtet (Menche, 2014, S. 217). Diese Ansicht bietet die Grundlage, um zu entscheiden wer Leistungen der Krankenversicherung bekommen soll und wer nicht.

Wie bei der Gesundheit auch wird die Krankheit multifaktoriell bestimmt und muss unter Einflussfaktoren wie der Lebens- und Arbeitswelt, Familie, allgemeine Um- weltbedingungen und unter persönlichen Faktoren betrachtet werden. Des Weiteren können Krankheit und subjektives Wohlbefinden zeitgleich existieren, indem z.B. ein Beinbruch besteht und die betroffene Person jedoch aktuell keine Schmerzen hat und glücklich ist.

Somit wird deutlich, dass das Erleben von Gesundheit und Krankheit sehr subjektiv empfunden werden kann. Befindet man sich in einer glücklichen Situation, werden Symptome als nicht so schmerzhaft oder schlimm erachtet, wie in einer traurigen oder stressigen Situation.

3.2.4 Pathogenese und Salutogenese

Die folgenden Definitionen beziehen sich auf die Zusammenfassung von Menche (2014, S.219-220).

Die Pathogenese setzt sich aus den griechischen Wörtern pathos (=Leiden, Schmerz) und genesis (=Ursprung, Entstehung) zusammen und gibt Antworten auf die Fragen: Wie und warum werden Menschen krank?

Die Medizin hat jahrelang gute Erfolge und Heilmethoden entwickelt, indem sie den Ansatz verfolgt haben, wer die Ursache kennt kann die Folgen beherrschen. In der aktuellen Zeit jedoch werden chronische und nichtinfektiöse Krankheiten immer häu- figer und somit wirft diese Entwicklung die Annahme auf, dass die reine Medizin und Medikamente in Zukunft nicht mehr ausreichen werden.

Die Salutogenese hingegen setzt sich aus den griechischen Wörter salus (= Wohlbe- finden) und genisis (=Ursprung, Entstehung) zusammen und gibt Antworten auf die Frage: Was erhält die Menschen gesund?

Aus dem Bereich „Stärkung der Gesundheit“ entwickelte Mitte des 20. Jahrhunderts Aaron Antonovsky das Konzept der Salutogenese. Sie hinterfragt die vorherrschende Denk- und Handlungsweise der Medizin und möchte vielmehr darauf abzielen, dass den Menschen das Gesundheitsverstehen nähergebracht werden sollte und sie ihren Widerstand gegen die Gefahren stärken müssen. Somit wird weniger auf Medika- menteneinnahme zur Ursachenbekämpfung abgezielt, sondern vielmehr auf das Er- lernen von kognitiven Bewältigungsstrategien zur Abwendung der Gesundheitsrisi- ken.

3.2.5 Einflussfaktoren auf Gesundheit und Krankheit

Wie bereits genannt, werden Gesundheit und Krankheit von diversen Einflussfakto- ren bestimmt, denen jeder Mensch ausgesetzt ist. Es gibt vier Hauptfaktoren unter denen dann wiederum weitere Einflüsse agieren, die im Folgenden nach Menche (2014, S.217) aufgeführt werden.

Zuerst sind die allgemeinen Bedingungen zu nennen. Hierzu zählen die soziale, öko- nomische, kulturelle und physische Umwelt.

Kontinente, Länder, Bundesländer und Regionen haben die unterschiedlichsten Wirt- schaften und soziale Gegebenheiten. In Deutschland z.B. existiert ein sehr ausgebau- tes soziales System mit Hartz IV, Kindergeld und diversen sozialen Unterstützungen seitens des Staates.

Dann gibt es die kulturelle Umwelt, auf die z.B. die Navajo-Indianer in Nord- Arizona großen Wert legen. Sie leben streng nach ihrer eigenen Kultur, mit eigenen Gesetzten und sind somit ganz anderen Werten und Einflüssen ausgesetzt, als die Menschen die in Städten leben und mit der Moderne gehen.

Die ökonomische Umwelt gibt einen großen Einfluss auf die psychische Gesundheit. Bestehen im eigenen Umfeld eine hohe Arbeitslosenquote und ein schlechtes Wirt- schaftswachstum, wirkt dauerhafte Sorge um das eigene Wohlergehen auf die Psy- che, was auf Dauer z.B. zu starken Depressionen oder Angstzuständen führen kann. Die physische Umwelt beschreibt im Grunde die Natur, die im Hier und Jetzt den Menschen umgibt. Negative Einflüsse auf die Gesundheit können hier z.B. durch Naturkatastrophen, wie Tornados o.ä. entstehen.

Ein weiterer Überpunkt sind die Persönlichen Faktoren. Das Alter bekommt in der aktuellen und in zukünftigen Generationen mehr Bedeutung. Durch den Fortschritt der Technik, Forschung und Ernährungsweise wird die Menschheit immer älter und die Jüngeren tragen immer mehr Verantwortung zur Pflege der Älteren. Der Druck, der hierdurch auf die Jüngeren in der Gesellschaft entsteht, führt allerdings zu ge- sundheitlichen Problemen bei diesen und vor allem zu Stress. Somit wird in der Ge- sundheitsforschung immer mehr der Schwerpunkt auf Prävention und Selbstsorge gelegt. Dass sich mit dem Alter mehr und mehr Gebrechlichkeit und Schwäche durchsetzt, ist von der Evolution gegeben. Das Lebewesen hat „seinen Zweck erfüllt“ und der Körper baut ab. Durch moderne Medizin und neueste Wissensstände jedoch, wird die Chance ein sehr hohes Alter in Gesundheit zu erreichen immer größer.

Das Geschlecht hat ebenfalls Einfluss auf die Krankheiten und gesundheitlichen Ein- schränkungen. Frauen und Männer nehmen ihren Körper unterschiedlich wahr und gehen sowohl aus biologischer als auch aus soziologischer Sicht unterschiedlich mit ihrer Gesundheit um. Verschiedene Krankheiten, wie z.B. Rheuma wirken sich bei Frauen aggressiver aus, wohingegen Männer öfter mit Symptomen von arteriellen Verschlusskrankheiten zu kämpfen haben. Auch gelten Männer als risikofreudiger und Frauen genetisch als resistenter, was zu unterschiedlichen Lebenserwartungen führt (Menche, 2014, S.156). Somit sind auch die Erbanlagen sehr einflussreich auf die Gesundheit eines einzelnen Menschen. Erbkrankheiten sind Mutationen an Ge- nen, die durch bestimmte Umwelteinflüsse in der Vorgeneration aufgetreten sind und an die Nachkommen über die DNA weitergegeben werden, wie z.B. Epilepsie oder Muskeldystrophie.

Ein selbstverständlicher Unterpunkt ist hier natürlich noch die Lebensweise: lebt ein Mensch gesund, hat wenig Stress, treibt Sport und ernährt sich gesund hat er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit weniger Probleme mit Krankheiten, als ein Mensch, der sich von ungesundem Fast Food ernährt, hauptsächlich sitzt und zusätzlich raucht und viel Alkohol trinkt.

Die Lebensweise leitet zum dritten großen Hauptfaktor über: den Lebens- und Ar- beitsbedingungen. Die Natur legt fest, dass in der Nacht geschlafen wird bis der Or- ganismus sich erholt hat und dann Tagsüber der Nahrungssuche bzw. „Arbeit“ nach- gegangen wird. Durch moderne Berufsbilder existiert nun aber auch der Nachtdienst im Schichtarbeitssystem, was zuwider dem biologischen Verhalten des Körpers ist. Folglich wirkt sich diese Lebensumstellung auch auf das Krankheitsverhalten aus. Wer ständig unter Schlafentzug leidet oder außerhalb des natürlichen Rhythmus ar- beitet, wird anfälliger für Krankheiten und schwächt sein Immunsystem.

In der aktuellen Zeit nimmt das Dienstleistungsgewerbe einen immer größeren Stel- lenwert ein. Der Druck immer bessere und perfektionistischere Dienstleistungen für Kunden zu erbringen, erzeugt ein permanentes Stresslevel bei Arbeitgebern und - nehmern. Dauerhafter Stress wirkt sich auf die Gesundheit aus und kann dem Körper und dem Geist schaden, wenn kein Ausgleich oder Stressabbau betrieben wird.

In letzter Instanz existieren die Faktoren der unmittelbaren Umgebung. Hierzu zählen Familie, Wohnort und Bildung. Ein positives Familienverhältnis stärkt die Gesund- heit sowohl psychisch als auch physisch. Sie schützt, indem sie vor Risiken in der Verhaltensweise warnt und unterstützt in Krankheitsfällen. Außerdem bildet die Fa- milie die geistige Formung ihrer Familienmitglieder, insbesondere der Kinder, aus und weiter bzw. beeinflusst diese maßgeblich. Zweitrangig sind Bildungseinrichtun- gen, wie Schule und Ausbildungen, dessen Sozialschicht wiederum das Gesundheits- verhalten beeinflussen. Als Beispiel ist das Rauchverhalten an den unterschiedlichen Schultypen zu nennen. Kinder an Hauptschulen rauchen bis 4,6-mal häufiger, als Schüler eines Gymnasiums (Menche, 2014, S. 159). Zu beobachten ist, dass je nied- riger Bildungsgrad ist, desto geringer ist auch der sozioökonomische Status und je niedriger dieser ist, desto mehr Krankheitsbilder treten auf. Bei Jugendlichen aus niedrigen sozialen Schichten besteht ein höheres Risiko für Übergewicht, nicht aus- reichende Mundhygiene und schlechte Aufklärung zum Ernährungsverhalten. In ei- ner Wechselbeziehung zum Bildungsniveau und der sozialen Stellung steht die Ar- mut.

Armut ist eine materielle, gesundheitliche, kulturelle und soziale Mangellage. Sie beeinflusst die Bildung und Zukunftsperspektiven, sowie die Mitgestaltungsmög- lichkeiten in der Gesellschaft (Menche, 2014, S.160). Armut äußert sich ebenfalls körperlich in Übergewicht durch Fehlernährung, mangelnder Zahngesundheit und geringer Hygiene und seelisch durch soziale Abgrenzung, Angst- oder Aggressions- zuständen. Die Wechselwirkung von Armut und Gesundheit kann wiederum einen besonders schlechten Einfluss auf Jugendliche haben, sodass diese im Erwachsenen- alter keinen Fuß in der Gesellschaft fassen können und somit die Bereitschaft für weitere gesundheitsschädigende Verhaltensweisen (Rauchen, Drogenkonsum, …) steigen kann.

3.3 Begriffserklärung „Achtsamkeit“

Der Begriff der Achtsamkeit soll im Folgenden durch das Synonym der Aufmerk- samkeit erläutert werden. In diesem Wort steckt das kleine Wort „merken“, d.h. der Mensch lenkt sein Bewusstsein aktiv auf einen bestimmten Gegenstand oder eine Situation.

Eine bildliche Darstellung dieses Begriffes gibt der Lichtkegel einer Taschenlampe (Köhler, 2017, S.6). Der Mensch befindet sich im „Sein“ oder der „gegenwärtigen Existenz“ und nur dort, wo der Lichtkegel der Taschenlampe bewusst hingelenkt wird, kann bewusst und aufmerksam etwas wahrgenommen werden.

Die eigene Wirklichkeit wird also durch die subjektive Ausrichtung des Lichtkegels (=Bewusstseins) wesentlich bestimmt und kann durch die Fokussierung der Auf- merksamkeit kontrolliert werden.

Folglich lädt die Achtsamkeit dazu ein, das Bewusstsein immer häufiger und aktiv in die Gegenwart zu lenken und dort erst einmal nur zu bemerken, wahrzunehmen und nicht vorschnell Dinge und Situationen zu beurteilen.

„Achtsamkeit ist die willentliche und nichtwertende Ausrichtung der Aufmerksam- keit auf den jeweiligen Moment.“ (Kabat-Zinn, 2006, zitiert nach Köhler, 2017, S.6)

3.3.1 Die Geschichte der Achtsamkeitspraxis

Die Achtsamkeitspraxis hat auf der Welt eine jahrtausendealte Geschichte und kann unter diversen Synonymen in vielen Ländern weit zurückverfolgt werden. Lange wurde die Achtsamkeitspraxis an sich nicht explizit geübt, war aber unter Übungs- methoden, wie dem Meditieren bekannt. Da die Wirkungsweise nicht nachgewiese- nermaßen dem Großteil des Volkes bekannt war, wurde die Praxis oft rein mit dem spirituellen Glauben in Verbindung gebracht. Sie umfasst jedoch mehr, so die Suche nach der richtigen und gesunden Lebensweise, dem Finden von Ruhe und Freiheit in sich selbst und der Stärkung von Selbstzufriedenheit und Selbstbewusstsein.

Heutzutage wird die Achtsamkeitspraxis in vielen Lebensbereichen und in der Psy- chotherapie angewendet, wie es dazu kam lässt sich über zwei Traditionen der Acht- samkeit zurückverfolgen.

Die ältere Tradition beginnt mit der Lebensreformbewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts. Kennzeichen dieser Bewegung waren die Aufbruchsstimmung, Kreati- vität und der Wille eine Harmonie zwischen Menschen, Natur und Gesellschaft zu schaffen (Huppertz, 2015, S. 11).

Ein erster zentraler Aspekt war die exotische Spiritualität, die den Menschen ur- sprünglicher, reiner und freier vorkam. Es musste sich nicht an strenge Glaubenshäu- ser gebunden oder in die Abhängigkeit von höheren Wesen begeben werden. Es ge- nügte die eigene alltägliche Praxis und somit die Stärkung der Selbstdisziplin und Selbstverwirklichung (Huppertz, 2015, S.12).

Der zweite Fokus wurde auf die Körpermythologie gelegt. Bereits im 19. Jahrhundert wurde der Körper, die Sexualität und das Unbewusste zu großen und wichtigeren Themen, welche Verbesserungen in der Hygiene und der allgemeinen Volksgesund- heit nach sich zogen. Im 20. Jahrhundert wurde der Körper immer mehr zum Sub- jekt, durch den Einfluss des Einfühlens, Spontaneität und Natürlichkeit. Durch diesen Naturalismus wurde der Körper zum Vermittler einer anderen Form von Weisheit und zum Gegenspieler des diskreditierten Verstandes (Huppertz, 2015, S. 13).

Die zweite Tradition der Achtsamkeit wird in der aktuellen Zeit von den westlichen Kulturen gerne auf den Schild der Psychotherapie gehoben, ohne auf die Spiritualität und die lange Vorgeschichte einzugehen (Huppertz, 2015, S.16).

Diese Tradition ist jedoch unter Gründern wie Kabat-Zinn, Hayes und Linehan kom- plizierter Weise eng mit der Spiritualität verbunden und widmet sich ausgeprägt der therapeutischen Praxis und Forschung. Immer mehr Beliebtheit gewinnen psychothe- rapeutische, achtsamkeitsbasierte Konzepte, die auf verschiedenste Krankheitsbilder abzielen.

3.3.2 Buddhistische Achtsamkeit

Siddharta Gautama Shakyamuni (ca. 544-420 v. Chr.) wird allgemein auch als der historische Buddha bezeichnet. Seine Geschichte wurde von Hermann Hesse als Buch verfasst und sowohl als Hörspiel vertont als auch 1972 verfilmt und erzählt vom Leben eines Fürstensohnes, der zum Mitbegründer des Buddhismus wurde. Er erkannte, dass wirkliche Freiheit nur im eigenen Geist zu finden ist (Schweitzer, 1965).

Durch die Abwendung von allen Extremen und die Verfolgung des mittleren Weges, meditierte er sechs Tage in völliger Tiefe, bis er am siebten Tag als der Buddha er- wachte und seine vier edlen Wahrheiten zur Befreiung von Leiden lehrte. In all sei- nen Lehren ist ein zentrales Element die Achtsamkeit. „Buddha sagt, er kenne keinen anderen Faktor, der so stark auf die Förderung der heilsamen Geisteszustände und den Abbau der unheilsamen wirke wie die Achtsamkeit. Es gibt nichts Besonderes, was wir tun müssen, um die unheilvollen Zustände auszuschalten oder die heilsamen zu fördern, außer uns des Momentes bewusst zu sein. Bewusstheit selbst ist die reini- gende Kraft“ (Goldstein, 1978).

Das gesamte buddhistische Lehr- und Weltbild zeigt, dass die Achtsamkeit ein sehr zentraler Dreh- und Angelpunkt zur Öffnung des Geistes und zur Befreiung von Leid ist.

Die Satipatthana Sutta (= die Rede von den Grundlagen der Achtsamkeit) ist eine der beliebtesten und am angesehensten Lehrreden Buddhas, wo er seine Sicht der Acht- samkeit zusammenfasst.

Die ursprüngliche, frühbuddhistische Achtsamkeit umfasst eine Gruppe von vier Qualitäten: ““Weise Aufmerksamkeit““ ist das lenkende Hintergrundbe- wusstsein, die für das tiefe Verstehen des übergeordneten Zecks der Acht- samkeit sorgt. ““Wissensklarheit““ oder ““Wachsamkeit““ überschaut die körperlichen, rednerischen und geistigen Aktivitäten, um diese positiv zu formen. ““Begeisterung““ bringt den notwendigen Willen hervor, um das heilsame zu entwickeln. ““Achtsamkeit““ bleibt der Phänomene konsequent gewahr. Damit sieht sie zunehmend deren Wesen, was etwa im Satipatthana- Sutta am häufig wiederholten Refrain klar wird – dem Herz der Rede. (Gru- ber, 2011, S.41).

Die Praxis der Achtsamkeit wird durch viele Konzentrationsübungen, Atemübungen, Meditation, vegetarische Ernährung und eventuell auch Askese durchgeführt.

3.3.3 Pädagogische Achtsamkeit

Um Achtsamkeit in der Pädagogik anzuwenden hat Prof. Dr. Telse Iwers (2019) den allgemeinen Kern der definierten Achtsamkeit, die Konzentration und nicht Bewer- tung einer aktuellen Situation und deren Akzeptanz, mittels qualitativer Studien er- weitert. In einem Interview 2019 zu einer Ringvorlesung zu Achtsamkeit in der Pä- dagogik an der Universität Hamburg sagt sie: „ Konkret geht es bei uns um die be- wusste und fokussierte Aufmerksamkeit auf den aktuellen Moment, etwa in einer Lehrsituation, aber auch die Beobachtung aller Gedanken, Gefühle und Sinnesein- drücke und ihre wertfreie Akzeptanz sowie eine innere Haltung von Empathie.“ Praktisch wird die Achtsamkeit über Reflexions- und Trainingsmodelle in die Päda- gogik eingebunden. Diese beziehen sich wiederum auf die verschiedenen Aspekte der Achtsamkeit, wie die bewusste Aufmerksamkeit auf den aktuellen Moment, die wertefreie Akzeptanz der eigenen Biographie oder der Entwicklung einer empathi- schen Haltung (Iwers, 2019).

Sowohl in der Forschung als auch im Campus- und Career Center oder in der Lehr- kraftfortbildung wird das Thema der Achtsamkeit an der Universität Hamburg auf- gegriffen und weiterentwickelt.

3.3.4 Therapeutische Achtsamkeit – Psychotherapie

Bishop et al. (2004, S.232) erstellten eine einheitliche Definition, an der sich die Wissenschaft für Forschungszwecke orientieren kann und beziehen sich in dieser auf zwei Komponenten: „Die erste Komponente beinhaltet die Selbstregulation der Aufmerksamkeit. Diese wird auf die unmittelbare Erfahrung gerichtet, die mentale Inhalte zwar wahrnimmt aber nicht weiterverfolgt, sodass eine erhöhte Anerkennung von geistigen Ereignissen im gegenwärtigen Moment möglich ist. Die zweite Kom- ponente ist durch eine bestimmte Orientierung in Bezug auf die eigenen Erfahrungen im gegenwärtigen Moment gekennzeichnet. Diese Orientierung äußert sich durch Neugier, Offenheit und Akzeptanz allem inneren Erlebten gegenüber und bleibt ohne Werturteil.“

In der Psychotherapie wird das Üben der Achtsamkeit in vielen Bereichen und auf diversen Ebenen angewendet. Im Fokus steht hier die Achtsamkeitspraxis, wie z.B.: Atemübungen, das Beobachten, Nicht-Reagieren und Akzeptieren. Es können alte, eingeschliffene und negative Reaktionsmuster erkannt werden und die Aufmerksam- keit auf die emotionalen oder körperlichen Verhaltensmuster gerichtet werden, die diese hervorrufen (Köhler, 2017, S.11). Durch das Bewusstwerden der Gedanken und Handlungen wird die Fähigkeit entwickelt, das was ist zu akzeptieren und auf neue Weise zu reagieren.

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Résumé des informations

Titre
Achtsamkeit und das individuelle Stresserleben. Systematischer Review zum Thema
Sous-titre
Wirksamkeit von achtsamkeitsbasierten Verfahren auf die Stressbewältigung bei Berufstätigen
Université
Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH
Note
0,7
Auteur
Année
2019
Pages
62
N° de catalogue
V510522
ISBN (ebook)
9783346088666
ISBN (Livre)
9783346088673
Langue
allemand
Mots clés
Achtsamkeit, Stress, Berufstätige, Review, Studien, Wirksamkeit
Citation du texte
S-M. T. (Auteur), 2019, Achtsamkeit und das individuelle Stresserleben. Systematischer Review zum Thema, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/510522

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