Wer schwul sein will muss leiden? Gendertheoretische Grundlagen geschlechterreflektierter Jugendarbeit


Hausarbeit, 2015

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung und Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung - Frage, Ziel und Vorgehen

2. Schwul ist uncool? ! - Geschlechter- und Männlichkeitskonstruktionen
2.1. Sex Φ Gender - gesellschaftliche Geschlechterkonstruktion
2.2. Doing Gender und Heteronormativität als ein gesellschaftliches Ideal
2.2.1. Homosexualität = Devianz? !
2.3. „Der gemachte Mann“ - Connells Männlichkeitskonstruktionen
2.3.1. Probleme mit der Männlichkeit?

3. Was am Ende übrig bleibt - Zusammenfassung

1. Einleitung - Frage ,Ziel und Vorgehen

Erving Goffman soll einmal gesagt haben „Das Geschlecht [...] ist das Opium des Vol­kes“. Tatsächlich nimmt das Thema Sex und Geschlechtlichkeit eine immer wichtigere Rolle in der Gesellschaft ein.

Homosexualität aber ist nicht erst seit gestern ein gesellschaftlich sensibles Thema. Selbst (oder vielleicht auch gerade) in einer Gesellschaft die mit großer Euphorie und vollmun­dig die „ARD Themenwoche Toleranz“ feiert, ist Homosexualität noch immer eine Art soziale Brandmarke. Deswegen ist es homosexuellen Jugendlichen meist schwer möglich (ob nun im Kontext der Schule oder ihres privaten Umfeldes) offen mit ihrer sexuellen Orientierung umzugehen. Sie sind dabei nicht selten Anfeindungen, Ausgrenzungen, Into­leranz und Beleidigungen ausgesetzt. Ungeouteten Jugendlichen versperrt die Angst vor derartigen Erfahrungen oftmals auch den Weg ins eigene Outing. Sie sehen ihre Neigun­gen als eine Art Problem an, versuchen ,unentdeckt‘ zu bleiben, um Diskriminierungs­und eventuellen Gewalterfahrungen zu entgehen.

Diese Arbeit soll am Beispiel homosexueller junger Männer auf theoretischer Ebene zei­gen, warum Homosexualität (für besonders auch schwule Jugendliche) eine solche Prob­lematik darstellt . Sie geht also der Frage nach, welchen Problemen schwule junge Män­ner ausgesetzt sind, und warum es daher wichtig ist, in der außerschulischen Jugendarbeit geschlechterreflektiert vorzugehen. Da aber der theoretische Überblick im Vordergrund der Arbeit stehen wird, ist ein ausladender Praxisbezug nicht zu schaffen.

Um die aufgeworfenen Fragen zu beantworten, werden im ersten Schritt der Arbeit ver­schiedene Theorien vorgestellt. Als erstes der „Doing Gender“ Ansatz (1987, in dieser Arbeit von verschiedenen Autoren aufgegriffen), der anschaulich aufzeigt, wie sich Ge­schlecht und Zweigeschlechtlichkeit konstruieren und reproduzieren. Damit einher geht das Konzept der Heteronormativität, als eine Art soziales Idealbild, sowie auch der An­satz der Männlichkeitskonstruktion nach Connell (2006). Der zweite Schritt wird dann die Probleme, aus diesen Konzepten Filtern, mit denen schwule junge Männer durch diese theoretischen Konzepte konfrontiert werden.

Diese Probleme werden dann im letzten Schritt zusammengefasst, sodass ein Überblick über die Herausforderungen für die soziale Arbeit mit schwulen Jugendlichen entsteht. Zugegebenermaßen klingt es einseitig den Fokus auf homosexuelle junge Männer zu le­gen. Würde aber der Fokus auf heterosexuelle, bisxeuelle Männer, lesbische, bisexuelle und heterosexuelle Frauen, Cis-, Transgender (Mann zu Frau, Frau zu Mann), Intersexuel- le, Asexuelle Menschen usw. erweitern, würde die Arbeit zu einen riesigen Papiertiger, der zwar einen breiten Fokus hat, aber doch nichts erklären kann.

2. SCHWUL IST UNCOOL?! - GESCHLECHTER- UND MÄNNLICHKEITSKONSTRUKTIONEN

In diesem Abschnitt werden nun die oben genannten Ansätze der Reihe nach vorgestellt. Um sie in eine logische Reihenfolge zu bringen, beginne ich mit der ,allgemeinen‘ Kon­struktion von Geschlechtern, gehe dann über zum Doing Gender Ansatz (der noch Män­ner und Frauen einbezieht) und beschreibe schließlich Connells Männlichkeitskonstrukti­onen um den Bogen zu den (schwulen) Männern zu schlagen.

2.1 Sex φ Gender - gesellschaftliche Geschlechterkonstruktion

Geschlecht ist nicht gleich Geschlecht. Wenn man in den Sozialwissenschaften über die­ses Thema spricht so macht man eine Trennung zwischen ,Sex‘ und ,Gender‘. Wobei beide Begriffe für verschiedene Dinge stehen.

Mit „Sex“ bezeichnet man das biologische Geschlecht, das einen Fokus auf reprodukti­onsrelevante Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Individuen legt. (Hill­mann 2007: 272, 286). Mit dem Begriff „Gender“ bezeichnet man das soziale Geschlecht, das soziokulturell mit spezifischen Zuschreibungen und Rollenerwartungen gekoppelt ist (Hillmann 2007: 272). Zu den Begriffen Sex und Gender siehe auch Czollek et al. (2009: 18, 24).

Für den Verlauf dieser Arbeit ist aber der Begriff „Gender“ entscheidend. Zwar ist das soziale Geschlecht ist eine Konstruktion und ein Teil von Identität, es gibt allerdings kei­ne Einheitliche Theorie zur Konstruktion von Geschlecht. Man hat sich mehr oder weni­ger auf die konstruktivistische Perspektive auf Geschlecht ,geeinigt‘. Mit dieser lässt sich dann nicht nur die Konstruktion von Geschlecht per se erklären sondern sie weist auch auf Prozesse der Reproduktion von Zweigeschlechtlichkeit hin (vgl. Wetterer 2010: 125) Da man nun aber nicht auf eine einheitliche, integrierte Theorie zurückgreifen kann, die beschreibt, wie sich Gender aufbaut, muss man sich einen Überblick über vorhandene Theorien schaffen. Ein Ansatz, der dabei schnell auftaucht, ist der von Erving Goffman (1977). Seine Theorie besagt, dass für die Bildung des Geschlechtes Interaktion notwen­dig ist und legt damit den Fokus auf mikrosoziologische Prozesse (vgl. Wetterer 2010: 123). Dieser Ansatzpunkt wird in der Wissenschaft häufig beanstandet. Die geübte Kritik ist sicherlich nachzuvollziehen, denn denkt man Goffmans Idee weiter, würde dies bedeu- ten, dass ein Individuum geschlechtslos ist, sobald es sich in einem Raum befindet, in dem es nicht (mehr) mit anderen Menschen interagiert.

Andere Überlegungen, schalten die interaktionistische Schwäche der genannten Theorien aus, indem sie den Fokus auf Sozialisation - im Sinne der „Übernahme und Internalisie­rung von soziokulturellen Werten, Verhaltensweisen und Rollenerwartungen“ (Hillmann 2007: 818) - legen. Geschlecht und geschlechtliches Bewusstsein, sind damit nicht mehr ein Produkt sozialer Interaktion, sondern eher die ,Erhärtung‘ von Normen, die über Ge­nerationen hinweg weiter gegeben und verinnerlicht werden (vgl. Wetterer 2010: 125). Abschließend zur ,allgemeinen‘ Konstruktion von Geschlecht lässt sich also festhalten, dass es unbefriedigenderweise keine einheitliche Theorie darüber gibt. Es gibt aber meh­rere Bausteine, die man in Betracht ziehen sollte, um ein Verständnis für die gesellschaft­liche Konstruktion von Geschlecht zu entwickeln.

2.2 Doing Gender und Heteronormativität als ein gesellschaftliches Ideal

Der Doing Gender Ansatz (engl. ,Geschlecht herstellend‘) ist eine analytische Theorie, die vorwiegend in den Genderstudies aber auch oft und gerne in der Soziologie der Ge­schlechter genutzt wird. Er erklärt einerseits (auch) die Konstruktion von Geschlecht, an­dererseits die Reproduktion von Geschlechterstereotypen.

Seinen rein interaktionistisch konstituierten Konkurrenten hat der Doing Gender Ansatz voraus, dass er sowohl interaktionistische als auch sozialisationstheoretische Elemente miteinander verbindet und somit viele Phänomene um Geschlecht und Geschlechterun­gleichheit schlagkräftiger erklären kann.

Doing Gender setzt zunächst einmal voraus, dass es nur die Geschlechterkategorien ,männlich‘ und ,weiblich‘ gibt. Mit diesen beiden Geschlechtern sind dann soziale Nor­men und Wissensbestände verknüpft. Beispielsweise, dass Männer sich in der Regel nicht schminken und keine Kleider tragen und Frauen immer einen Kinderwunsch haben und (ebenfalls in der Regel) in der Öffentlichkeit nicht breitbeinig zu sitzen pflegen. Entlang der genannten Normen (die übrigens von Gesellschaft zu Gesellschaft differieren) regis­triert ein Individuum also, welche Eigenschaften in der Gesellschaft geschlechterspeizifisch als ,korrekt‘ und welche als ,falsch‘ wahrgenommen werden. Diese ,Richtlinien‘ dienen dem Individuum im nächsten Schritt dann dazu, sich (und sein Geschlecht) in ,korrekter‘ Form darzustellen (vgl. Debus/Stuve 2012: 33).

All das sind abstrakte Überlegungen. Anhand eines kurzen schematischen Beispiels wer­den diese besser deutlich:

Ein 17-jähriger männlicher Teenager nimmt über Kommunikation - z. B. in seinem sozia­len Umfeld - wahr, dass es ,gut‘ ist sich als junger Mann für Pin-Ups und Motorräder zu interessieren, bzw. dieses gut zu finden. Entsprechend dieser Wahrnehmung wird er sich diesen Interessen anschließen (oder zumindest so tun) und sich dergestalt präsentieren, dass er als ,korrekt männlich‘ wahrgenommen wird. Das sind keine expliziten Entschei­dungen im Sinne einer rationalen Kosten-Nutzen-Abwägung. Viel eher handelt es sich hierbei um unterbewusste Prozesse in der Lebenswirklichkeit des betreffenden Jugendli­chen.

Hand in Hand mit der Theorie des Doing Gender geht das Konzept der Heteronormativi­tät. Ähnlich wie Doing Gender geht auch die Heteronormativität von einem „binären Geschlechtersystem“ aus, „in dem Gender mit Geschlechteridentität [...] und sexueller Orientierung gleich gesetzt wird.“ Heteronormativivtät setzt die gesellschaftlich „norma­le“ Sexualität fest, wie sie durch sozial festgeschriebene Vorstellung von Geschlecht und Geschlechterrollen verfasst wird (Czollek et al. 2009: 37).

Wie aus der Bezeichnung hervorgeht, wird in den meisten Fällen die Heterosexualität als gesellschaftlich ,normal‘, ,natürlich‘ und ,korrekt‘ angesehen. Heteronormativität ist nicht unbedingt immer ein Konzept, das neben dem Doing Gender steht, sondern meist ein Zahnrad in dessen System.

Zusammenfassend lässt sich zum Doing Gender also sagen, dass Doing Gender ein Wechselspiel zwischen Individuum und Gesellschaft ist. Ein prozesshaftes Wechselspiel zwischen Werten, Normen und Sozialisation auf der einen Seite und Wahrnehmung, Dar­stellung und Anpassung auf der anderen Seite. Ergebnis dieses Spiels - so sagen die Ge­sellschaftskritiker - ist unausweichlich die Bedrängnis eine Geschlechterrolle einzuneh­men. Dies kann letztlich nicht verhindert, sondern der Schaden nur begrenzt werden, in­dem die spezifischen Geschlechterkonstruktionen gezielt dekonstruiert werden.

2.2.1 Homosexualität = Devianz?!

Aus diesem Theoretischen Ansatz ergeben sich für schwule Jugendliche einige Probleme (die wiederum Herausforderungen für die soziale Arbeit mit schwulen Jugendlichen dar­stellen).

[...]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Wer schwul sein will muss leiden? Gendertheoretische Grundlagen geschlechterreflektierter Jugendarbeit
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
12
Katalognummer
V510677
ISBN (eBook)
9783346091161
ISBN (Buch)
9783346091178
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gendertheoretische, grundlagen, jugendarbeit
Arbeit zitieren
Alexander Köneke (Autor:in), 2015, Wer schwul sein will muss leiden? Gendertheoretische Grundlagen geschlechterreflektierter Jugendarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/510677

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