Overtourism in Venedig. Wie Massentourismus das Destinationsmanagement herausfordert


Textbook, 2020

92 Pages

Anonymous


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Inhaltsverzeichnis

Abstrakt

Abstract

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Destinationsmanagement und das Phänomen Overtourism
2.1 Abgrenzung und Lebenszyklus einer Destination
2.2 Die Touristische Nachfrage
2.3 Aufgaben und Ziele des Destinationsmanagements
2.4 Definition des Overtourism
2.5 Auswirkungen des Overtourism
2.6 Methoden zum Nachweis des Overtourism
2.7 Triebkräfte der touristische Nachfrage
2.8 Instrumente des Destinationsmanagements
2.9 Maßnahmen gegen Overtourism

3 Messung von Wirkungen der Maßnahmen gegen Overtourism
3.1 Umfragen und Kennzahlen
3.2 Regressionsanalytische Verfahren (Mehrfachregression)
3.3 Punktwertverfahren
4 Der Fall Venedig
4.1 Aktuelle Situation
4.2 Bewertung des Destinationsmanagements

5 Zusammenfassung

Anhang

Literatur- und Quellenverzeichnis

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum:

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Covergestaltung: GRIN Publishing GmbH

Abstrakt

Diese Bachelorarbeit befasst sich mit dem Thema Overtourism. Ziel ist es, die dadurch entstehenden Herausforderungen für das Destinationsmanagement herauszufiltern, indem die Auswirkungen und Ursachen vom Overtourism sowie mögliche Nachweismethoden genauer betrachtet werden. Des Weiteren werden verschiedene Gegenmaßnahmen analysiert. Die gewonnen Ergebnisse dienen als Basis, um den Maßnahmen-Mix vom Praxisbeispiel Venedig auf seine Sinnhaftigkeit überprüfen zu können. Entsprechend der Auswertung lassen sich folgende Hürden identifizieren: erschwerte Datenerhebung auf Grund unklarer Abgrenzungen, eine Vielzahl eigenständiger Unternehmen, Unstimmigkeiten bei Zuständigkeiten, Widerstände von benachteiligten Parteien, beschränkte Handlungs- und Kontrollmöglichkeiten sowie unterschiedliche, teilweise konkurrierende Interessen. Des Weiteren wird die Auswahl der richtigen Instrumente durch mangelnde Forschungsergebnisse erschwert, weshalb mehrere Maßnahmen zur selben Zeit eingesetzt werden, in der Hoffnung damit eine Verbesserung erzielen zu können. Zudem wird die Umsetzung von Maßnahmen, die eine neue Gesetzgebung erfordern, in Italien bei Unstimmigkeiten durch die Gleichstellung der zwei Kammern verlangsamt. Trotzdem kann das Destinationsmanagement von Venedig unter Berücksichtigung des bisherigen Wissensstandes als sinnvoll betrachtet werden.

Abstract

This bachelor thesis deals with the topic of Overtourism. The aim is to filter out the resulting challenges for the destination management by looking at its effects, causes and possible detection methods. In addition, various countermeasures are analyzed. With the help of the obtained results the destination management of Venice can be evaluated. Therefore the following challenges can be identified: difficult data collection due to unclear boundaries, a large number of independent companies, inconsistencies in the reliability and resistances of disadvantaged parties. Furthermore there are limited opportunities for action and various, sometimes conflicting interests. Moreover, the choice of the appropriate measures is hampered by the lack of research results. Accordingly several measures are applied simultaneously to achieve a better result. Finally the implementation of measures requiring new legislation in Italy will be slowed by the equality of the two chambers. Nevertheless, the destination management in Venice can be rated as useful (considering the current state of knowledge).

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1. Akteure in einer Destination

Abb. 2. Aufgabenbereiche einer DMO

Abb. 3. Irritationsindex der Einwohner

Abb. 4. Irritationsindex der Gewerbetreibenden

Abb. 5. Die touristische Nachfrage im Lebenszyklus einer Destination

Abb. 6. Die OMA-Formel

Abb. 7. Die Bezirke der Hauptinsel

Abb. 8. Akteure in Venedig

Tabellenverzeichnis

Tab. 1. Unterschiede zw. privatwirtschaftlichen und öffentlichen Destinationen

Tab. 2. Lebenszyklus einer Destination

Tab. 3. Reisemotivation und Tourismusarten

Tab. 4. Reisezweck bei Nachfragern von Städtereisen

Tab. 5. Segmentierung der Nachfrager nach Bestimmungsmerkmalen

Tab. 6. Lebenszyklus einer Destination

Tab. 7. Merkmale des Overtourism

Tab. 8. Triebkräfte des modernen Tourismus

Tab. 9. Nutzbare Instrumente des Destinationsmanagements

Tab. 10. Pro-Contra-Analyse der beliebtesten Maßnahmen

Tab. 11. Beispiel für Mehrfachregression

Tab. 12. Vorlage für das Punktwertverfahren

Tab. 13. Eingesetzte Maßnahmen in Venedig gegen Overtourism

Tab. 14. Anwendung des Punktwertverfahrens auf die Destination Venedig

1 Einleitung

In einem Bericht der Tagessschau heißt es: „Der Ansturm der Touristen auf Venedig nimmt kein Ende - und lässt die Stadt leiden.“1 Der Artikel ermöglicht einen kurzen Einblick in ein Phänomen, von dem bereits europäische Metropolen wie Venedig, Barcelona, Amsterdam und bald auch Berlin, betroffen sind bzw. sein werden: Overtourism. Durch ihn wird das Destinationsmanagement mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. Ziel der vorliegenden Bachelorarbeit ist es, diese Hürden am Praxisbeispiel Venedig herauszuarbeiten, indem Antworten auf folgende Fragen gefunden werden:

1. Welche Kosten und welche Nutzen entstehen durch Overtourism?
2. Wie lässt sich Overtourism nachweisen?
3. Was sind die Ursachen des Overtourism?
4. Ist das Destinationsmanagement von Venedig sinnvoll?

Für ein besseres Verständnis wird zu Beginn genauer betrachtet, was eine Destination ist (vgl. 2.1), welche Ausprägungsformen die touristische Nachfrage aufweisen kann (vgl. 2.2) und womit sich das Destinationsmanagement im Allgemeinen befasst (vgl. 2.3), sodass der Begriff Overtourism definiert werden kann (vgl. 2.4). Daraufhin folgt die Beantwortung der ersten Leitfrage durch eine Kosten-Nutzen-Analyse des Über-Tourismus (vgl. 2.5), dessen Ergebnis im Rahmen der zweiten Leitfrage für die Entwicklung von zwei möglichen Nachweis-Methoden genutzt wird (vgl. 2.6). Weiterhin werden die Ursachen und Triebkräfte des Overtourism in Kapitel 2.7 erforscht (Beantwortung der dritten Leitfrage), sodass im folgenden Kapitel die entsprechenden Instrumente des Destinationsmanagements herausgefiltert werden können. Anschließend werden jene Maßnahmen aufgelistet, welche in den Metropolen eingesetzt werden, die derzeit am stärksten vom Über-Tourismus betroffen sind. Um prüfen zu können, ob die eingeleiteten Maßnahmen sinnvoll sind, thematisiert das dritte Kapitel vier verschiedene mögliche Methoden. Aus diesen wird im vierten Kapitel die Geeignetste ausgewählt und auf die Destination Venedig angewendet, sodass die vierte Leitfrage beantwortet werden kann. Abschließend gibt es eine Zusammenfassung, in welcher die erkannten Herausforderungen für das Destinationsmanagement von Venedig aus den einzelnen Kapiteln zusammengetragen werden (vgl. 5).

2 Destinationsmanagement und das Phänomen Overtourism

2.1 Abgrenzung und Lebenszyklus einer Destination

Ein Tourist ist eine Person, die einen Ort besucht, der außerhalb ihres Alltags liegt. Dementsprechend ist eine Destination ein geographischer Raum, innerhalb dessen dem touristischen Nachfrager ein touristisches Leistungsbündel zur Verfügung gestellt wird. Dieses enthält sämtliche Einrichtungen für Beherbergung, Verpflegung, Unterhaltung sowie weitere Institutionen, die für den Aufenthalt notwendig sind.2 Ferner umfasst eine Destination die ökonomische, ökologische, natürliche, gesellschaftliche und politische Umwelt sowie touristische Attraktionen, eine Infrastruktur und Märkte.3 Jedoch werden die Grenzen der Destination nicht durch die Politik, sondern durch den touristischen Nachfrager definiert. Dabei ist die Auslegung der Grenzen an dessen Bedürfnisse und Wahrnehmung gebunden. Aus diesem Grund kann eine Destination sowohl in Form eines Hotels, Ferienzentrums oder Ortsteils als auch in Form einer Stadt, eines Landes oder eines Kontinentes auftreten. Ferner wird die Abgrenzung einer Destination durch die unterschiedliche Dimensions- und Raumwahrnehmung von Touristen und Einheimischen beeinflusst. Während sich die Sichtweise von Urlaubern über großflächige Natur- und Kulturräume erstrecken kann, beschränkt sich die Wahrnehmung der Einwohner meist auf ihre kleinräumige alltägliche Lebenswelt. Je größer die räumliche Distanz ist, desto weitergefasst ist der Destinationsbegriff.4 Deutlich wird dies am folgenden Beispiel: Für einen Einwohner aus Venedig stellen die einzelnen Ortsteile eigenständige Destinationen dar, während für einen Touristen aus Deutschland die ganze Stadt bereits als zusammenhängende Destination wahrgenommen werden könnte. Hingegen ist für Jemanden aus Asien vermutlich das ganze Land Italien eine einzige Destination.

Neben der Abgrenzung durch die touristische Nachfrage lassen sich Destinationen zudem hinsichtlich ihrer Organisationsform in privatwirtschaftliche und öffentliche Destinationen einteilen (Tab. 1). Ihre Gemeinsamkeit liegt in der Erstellung von Leistungen für Dritte gegen ein Entgelt, wofür Ressourcen wie menschliche Arbeitskräfte, Rohstoffe und Technologien genutzt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1. Unterschiede zw. privatwirtschaftlichen und öffentlichen Destinationen

(in Anlehnung an Steinecke, 2013, S. 17 und Bieger, 2000, S. 62f).

Allerdings sind wesentliche Unterschiede in ihrer Struktur erkennbar. Die privatwirtschaftlichen Unternehmen können ein breites Spektrum von Ferienclubs und Themenparks bis zu Kreuzfahrtschiffen und Hotelresorts umfassen. Solche kommerziellen Erlebnis- und Konsumeinrichtungen haben sich seit den 1990er Jahren zunehmend zu eigenständigen touristischen Destinationen entwickelt und weisen Merkmale wie Multifunktionalität, Erlebnisorientierung und teilweise auch Thematisierung auf. Dadurch, dass es nur eine übersichtliche Anzahl an Akteuren gibt, ist ein einheitliches Qualitätsmanagement und Marketing sowie das Bilden einer eigenen unverwechselbaren Marke möglich. Im Vergleich hierzu werden die Schwächen einer öffentlichen Destination deutlich. Zwar ermöglicht sie ein breiteres multifunktionales touristisches Angebot, jedoch wirkt der Marktauftritt durch die unkoordinierten Einzelaktionen der vielen eigenständigen Unternehmen oft diffus. Meist werden sie nur lose durch ihre Aufgabenbereiche und Interessen zusammengehalten. Anders als bei einer privatwirtschaftlichen Destination gibt es in einer öffentlichen keine klaren Besitzverhältnisse, sodass Weisungsbefugnisse nur bedingt möglich sind. Dadurch werden Entscheidungen in einer öffentlichen Destination meist erst nach intensiven Abstimmungen getroffen, wobei das Resultat von einer großen Ergebnisoffenheit geprägt ist. Darüber hinaus erschwert die Tatsache, dass es sich bei öffentlichen Destinationen nicht um klar abgegrenzte Regionen handelt, die Datenerhebung für die Entwicklung von Analysen und strategischen Zielen. Zudem werden das Marketing und das Qualitätsmanagement meist ausschließlich auf betrieblicher Ebene ausgeführt, wodurch sie stark von dem Professionalisierungsgrad der einzelnen Unternehmen abhängig sind.5

Eine weitere Möglichkeit für die Einordnung von Destinationen ergibt sich aus ihrer Lebensdauer. Dafür wird sie als touristisches Produkt und als Wettbewerbseinheit auf dem Tourismusmarkt gesehen. Dementsprechend wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ihre Akzeptanz am Markt zeitlich begrenzt ist, sodass sich ihre „Lebenszeit“ in einen Zyklus einordnen lässt, der ähnlich wie der Produktlebenszyklus in vier Phasen eigeteilt werden kann: Einführung, Wachstum, Reife, Degeneration (Tab. 2).6

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2. Lebenszyklus einer Destination

(in Anlehnung an Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg (Hrsg.), 2001).

Die jeweiligen Phasen sind in ihrer Dauer von der betrachteten Destination abhängig und zeichnen sich durch die unterschiedlichen Ausprägungsgrade der folgenden Merkmale aus: Zahl der Übernachtungen, Wertschöpfung der Märkte, Investitionen, Marktanteile und Nutzung der natürlichen Ressourcen. (Bei der Beschreibung der Merkmale handelt es sich um subjektive Einschätzungen, die sich auf die Theorie stützen. Genaue Datenwerte zur Orientierung sind bisher nicht vorhanden, weshalb die Auslegung der Begriffe „hoch“ und „stark“ sich an den Einschätzungen von Fachleuten orientieren sollte, wenn die Merkmale auf eine Destination angewendet werden.) In der Einführungsphase sind noch viele Akteure bereit in die Destination zu investieren, wodurch ihre Qualität und Attraktivität steigt. Daraus folgt, dass mehr Touristen angezogen werden, wodurch sich die Zahl der Übernachtungen erhöht. Zudem erfährt der Markt eine große Wertschöpfung, da hohe Preise durch die gestiegene Nachfrage gedeckt werden. Die beschriebene Entwicklung zieht sich mit kontinuierlicher Steigerung über die Wachstumsphase fort. Während sich die Marktanteile erhöhen, werden die natürlichen Ressourcen immer stärker genutzt, sodass Maßnahmen zum Schutz der Umwelt erforderlich werden. Diese können anfangs noch aus der wachsenden Wertschöpfung finanziert werden. Wenn die Zahl der Übernachtungen stagniert und die touristische Nachfrage der Destination allmählich abfällt, ist die Reifephase erreicht. Gerade in diesem Zeitraum sind Investitionen in die Destination notwendig, um der stetigen Abnutzung der vorhandenen Substanzen entgegenzuwirken und die Qualität aufrecht zu erhalten. Besonders um die ohnehin gefährdete Nachfrage nicht noch weiter zu schwächen. Da jedoch auch der Umsatz in der Destination kleiner wird, sinkt die Bereitschaft für die erforderlichen Investitionen. In der letzten Phase beginnt die Degeneration. Die Herausforderungen für das Destinationsmanagement, welche sich bereits in der Reifephase aufgetan haben, verschärfen sich nun, was sich wiederum auf die Marktanteile auswirkt. Ab diesem Zeitpunkt kann sich die Nachfrage in drei mögliche Richtungen entwickeln: entweder stabilisiert sie sich auf hohem Niveau, fällt ganz ein oder kann durch erheblichen Managementaufwand wieder angehoben werden. Im letzten Fall ist eine strategische Neupositionierung der Destination erforderlich, sodass eine neue Zielgruppe angesprochen wird. Sollte dies gelingen, wird der nächste Lebenszyklus der Destination eingeleitet.7

2.2 Die Touristische Nachfrage

Wie bereits im vorigen Kapitel erwähnt, wird eine Destination durch die touristische Nachfrage bestimmt. Allgemein betrachtet zeigt sie die Bereitschaft eines Touristen auf, eine bestimmte Geldmenge gegen verschiedene touristische Güter einzutauschen. Im Wesentlichen setzt sie sich aus einer Nachfrage nach Beherbergungs-, Beförderungs-, Verpflegungs-, Betreuungs-, Vermittlungs- und Informationsleistungen sowie nach ergänzenden Produkten (wie Kurbehandlungen) zusammen. Da die Touristen unterschiedliche Interessen und Absichten verfolgen, werden auch verschiedene Dienstleistungen innerhalb einer Destination beansprucht, wodurch sich die touristische Nachfrage in mehrere Ausprägungsformen einteilen lässt. Für eine Destination ist dies hilfreich, um die wichtigsten touristischen Zielgruppen definieren zu können, sodass über die entsprechenden Angebote die touristische Nachfrage je nach Zielstellung beeinflusst werden kann. Dementsprechend stehen einer Destination mehrere Segmentierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Zur grundlegendsten Unterscheidung gehört die Unterteilung in Geschäfts- und Privatreise. Während bei Geschäftsreisen die Reisemotive des Nachfragers wirtschaftlich und fremdbestimmt sind, wird die Privatreise von vielfältigen Motivationsformen geprägt, aus welchen entsprechend unterschiedliche Tourismusarten entstehen können. In Tabelle 3 werden die einzelnen Formen genauer ausgeführt. Des Weiteren ist eine Geschäftsreise in der Regel nur von kurzer Dauer und auf die wesentlichen Wirtschaftszentren beschränkt, während die Zeitspanne und die Auswahl der Urlaubsregion (Destination) bei Privatreisen stark variieren kann.8

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3. Reisemotivation und Tourismusarten

(eigene Darstellung in Anlehnung an Schulze, 2010, S. 39).9

Für den weiteren Verlauf der Arbeit sind vor allem die Städtereisen von Interesse. Die Nachfrager verfolgen hierbei ein kulturelles Reisemotiv. Laut Dettmer umfasst der Begriff der Kultur „geistige, materielle, intellektuelle und emotionale Merkmale, die eine Gesellschaft oder soziale Gruppe“ prägen. Somit können für diese Tourismusform Gebäude, Bräuche, Denkmäler und Relikte aus einer Destination genutzt werden. Seit Anfang dieses Jahrzehnts liegen Städtereisen besonders im Trend, sodass sich die touristische Nachfrage in dem Gebiet verdoppelt hat. Allein in Deutschland machten 2014 ca. 9,71 Millionen Menschen eine Städtereise als Kurzurlaub (weniger als fünf Tage), dagegen waren es 2018 bereits 11,03 Millionen Personen.10 Eine weitere Statistik zeigt, dass 2016 ein neuer Rekord hinsichtlich der Städtetrips erreicht wurde. Mit einem Anteil von 26% erlangte die Tourismusart neben dem Strandurlaub weltweit den zweiten Platz.11 Die Statistiken verdeutlicht, dass die Nachfrage der Städtereisen tendenziell weiter steigen wird, sodass Destinationen mit dieser Zielgruppe entsprechende Maßnahmen einleiten sollten, um dem wachsenden Andrang gerecht werden zu können. Diesbezüglich ist es hilfreich, die Städte-Touristen anhand ihres Besucherzwecks in weitere Formen genauer zu segmentieren (Tab. 4). Eine Destination kann demnach ihre Angebote den entsprechenden Besuchergruppen anpassen. Beispielsweise könnte eine städtische Destination, dessen Zielgruppe im Wesentlichen aus Tagestouristen besteht, ihr Angebot entsprechend anpassen indem sie die Anbieter aus der Beherbergungsleistung reduziert und jene aus der Betreuungs-, Vermittlungs- und Informationsleistung erhöht. Des Weiteren zeigt die Auflistung in Tabelle 4, dass Städte-Touristen häufig Aktivitäten betreiben, welche sich mit jenen der Einheimischen überschneiden können wie zum Beispiel einkaufen, essen oder spazieren gehen. Dadurch gewinnt das Verhalten der Einwohner für die empfundene Qualität an Bedeutung.12

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 4. Reisezweck bei Nachfragern von Städtereisen

(eigene Darstellung, Daten von Berg, 2012, S. 540).

Darüber hinaus bieten weitere Bestimmungsmerkmale wie die Aufenthaltsdauer, die Reisesaison, die Beherbergungsform und die verwendeten Verkehrsmittel die Möglichkeit, die Nachfrager in verschiedene Tourismusformen zu unterschieden (siehe Tab. 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 5. Segmentierung der Nachfrager nach Bestimmungsmerkmalen

(eigene Darstellung, Daten von Berg, 2012, S. 534).

2.3 Aufgaben und Ziele des Destinationsmanagements

Zwischen der Destination (vgl. 2.1) und der touristischen Nachfrage (vgl. 2.2) steht das Destinationsmanagement. Mit dem Hauptziel die touristische Nachfrage zu beeinflussen (z.B. ihr Ausmaß), formt es das Dienstleistungsbündel und das Erscheinungsbild der Destination. Daraus ergeben sich drei Nebenziele hinsichtlich der Nachhaltigkeit für das Destinationsmanagement:

- Wirtschaftliche Nachhaltigkeit: Verbesserung der Marketingwirkung, Förderung von Netzwerken, Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und des finanziellen Gleichgewichts
- Ökologische Nachhaltigkeit: Umweltmanagement, Abbau von Schadstoffen
- Gesellschaftliche Nachhaltigkeit: Einbeziehung der Einwohner, Förderung des Gemeinschaftssinns13

Voraussetzung ist, dass die Destination als eine Wettbewerbseinheit agiert, welche strategisch ihr Bestehen am Markt sichert und ausbaut. Sie kann somit als ein virtuelles Unternehmen betrachtet werden, wobei es bezüglich der Struktur, Besitzverhältnisse, Weisungsbefugnisse und Interessen wesentlich problematischer und unklarer als bei einem realen Unternehmen ist (vgl. Kapitel 2.2: Merkmale einer öffentlichen Destination). Die koordinierende Instanz des virtuellen Unternehmens wird in der Regel durch eine Destinationsmanagementorganisation (DMO) verkörpert. Sie kann als eine öffentlich-rechtliche oder als eine privatrechtliche Organisationseinheit auftreten. Eine DMO, die öffentlich-rechtlich organisiert wird, ist meist in die städtische Verwaltung eingegliedert, teilweise wird sie auch als Eigenbetrieb ausgelagert. Bei einem privatrechtlichen Unternehmen besteht der Vorstand meist aus politischen Anspruchsgruppen. In beiden Fällen unterliegt sie einem starken politischen Einfluss, wodurch eine enge Zusammenarbeit mit den politischen Instanzen ermöglicht wird. Bestärkt wird dieser Aspekt durch die Tatsache, dass die Finanzierung zum größten Teil aus öffentlichen Geldern erfolgt, da eine DMO aus ihren Leistungen nur bedingt Einnahmen erzielen kann. Dieser Umstand lässt sich darauf zurückführen, dass bereits sämtliche Akteure einer Destination mehr oder weniger von den Auswirkungen der DMO-Maßnahmen betroffen sind, sodass im Grunde keine Notwendigkeit besteht, für ihre Leistung Geld zu bezahlen, außer die DMO bietet eigene touristische Produkte oder Leistungen an. Weitere Finanzierungsmöglichkeiten sind Fördergelder verschiedener Institutionen (z.B. Bundesland, Bundeswirtschaftsministerium, EU), Mitgliedsbeiträge oder die Einnahmen von konkreten Marketingmaßnahmen, welche von Unternehmen in Auftrag gegeben werden, um vom Fachwissen der DMO zu profitieren.14

Bei der Betrachtung der Aufgabenfelder einer DMO wird deutlich, dass sie zum einen durch die aktuelle Lebensphase der Destination (vgl. 2.1) und zum anderen durch die Akteure geprägt werden, welche sich innerhalb (teilweise auch außerhalb) der Destination befinden. Aus diesem Grund werden zunächst die bedeutendsten Akteure analysiert, um daraufhin die wesentlichen Aufgabenbereiche des Destinationsmanagements ableiten zu können. Anschließend wird der Einfluss der jeweiligen Destinationslebensphasen auf diese Aufgabenfelder herausgearbeitet.

Wie bereits in Kapitel 2.1 erwähnt, ist eine Destination ein geographischer Raum, welcher für Touristen verschiedene Dienstleistungen bereitstellt. Gleichzeitig ist sie der Wohnort der Einwohner, welcher ihnen alle lebensnotwendigen Einrichtungen zur Verfügung stellt und durch eine politische Instanz koordiniert wird. Dementsprechend ergibt sich aus jenen Zusammenhängen ein Spannungsfeld, welches sich aus den Bereichen Öffentlichkeit, Tourismus und Politik zusammensetzt. Während die Grenzen der Bereiche ineinander überfließen, bildet die DMO im besten Fall den Kern des Gebildes, sodass sie als Bindeglied agieren kann (siehe Abb. 1).

Nach außen hin wird die Destination durch die touristische Nachfrage (vgl. 2.1) abgegrenzt. Zudem wird sie von der ökonomischen, natürlichen, politischen und gesellschaftlichen Umwelt sowie externen Interessengruppen (Stakeholder z.B. die Zentralregierung eines Landes) beeinflusst.15 Innerhalb des Tourismus-Bereichs befinden sich Akteure, die u.a. an der Erstellung des touristischen Dienstleistungsbündels beteiligt sind. Dazu gehören meist Beherbergungs-, Kreuzfahrt- und Hotelunternehmen, Reisebüros, Reiseveranstalter sowie weitere touristische Verbände und Organisationen. Dadurch, dass die Einwohner einer Destination ebenfalls touristische Einrichtungen nutzen und auch selber in touristischen Berufsfeldern tätig sind, gibt es starke Überschneidungen zum Öffentlichkeitsbereich. Hierzu zählen einerseits Anbieter aus der Parahotellerie wie Privatvermieter, welche ihre Wohnungen über Plattformen wie Airbnb für Touristen zur Verfügung stellen. Andererseits können auch Touristenführer, Lieferanten, Gewerbetreibende, Freizeiteinrichtungen sowie das Informations- und Transportwesen in jene Schnittstelle eingeordnet werden. Des Weiteren umfasst der Öffentlichkeitsbereich die u.a. die Einheimischen, Institutionen der städtischen Infrastruktur wie die Stadtreinigung und Klärwerke sowie die lokale Verwaltungspolizei. Zudem bilden sich durch den Zusammenschluss gemeinsamer bürgerlicher Interessen Bürgerinitiativen, Kultur- und Verschönerungsvereine sowie Umwelt- und Naturschutzverbände. Diese können zum Beispiel durch Bürgerbegehren, Demonstrationen und Lobbyarbeit einen Einfluss auf die Politik einer Destination ausüben, weshalb sie in der Abbildung 1 in die Schnittstelle Öffentlichkeit und Politik eingeordnet werden. Ferner ist das Volk in parlamentarischen Demokratien über Wahlen an der Politik beteiligt.16 Zu den politischen Beteiligten zählen sämtliche politische Instanzen, welche je nach Regierungssystem variieren können. In einer parlamentarischen Demokratie zählen u.a. der Staatspräsident, die Regierung, das Parlament und das Verfassungsgericht zu den zentralen Regierungsorganen. Zusammen verfügen sie über die legislative, judikative und exekutive Gewalt, wobei ihre Zuständigkeiten und Beziehungen zueinander über die Verfassung geregelt werden. (In den anderen beiden Bereichen „Tourismus“ und „Öffentlichkeit“ werden die Beteiligten teilweise lose durch ihre Interessen oder Eigenschaften zusammengehalten werden). Des Weiteren können die politischen Grenzen, wie in der Abbildung 1 zu sehen ist, jene der Destination überschreiten (vgl. 2.1). Zuletzt gibt es Wirtschaftsförderung- und Stadtmarketinggesellschaften, welche entweder öffentlich oder privatwirtschaftlich geführt werden und den Tourismus unterstützen können.17

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1. Akteure in einer Destination

(eigene Darstellung).

Die Betrachtung der beteiligten Instanzen innerhalb einer Destination zeigt, dass diese sehr unterschiedliche Ansprüche an das Destinationsmanagement stellen. Je nachdem aus wessen Sicht die DMO die Destination betrachtet, ergeben sich für sie sechs Aufgabenfelder: Die Leitbild- und Planungsfunktion, die Angebotsfunktion, die Interessensvertretungsfunktion, die Marketingfunktion sowie Integration und Umweltschutz. In Abbildung 2 werden sie veranschaulicht dargestellt.18

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2. Aufgabenbereiche einer DMO

(eigener Entwurf auf der Grundlage von Bieger, 2000, S. 84 und Steinecke, 2013, S. 58).19

Die Leitbild- und Planungsfunktion (1) befasst sich mit der Analyse der Wettbewerbssituation. Dazu zählen klassische Managementaufgaben wie die Ermittlung der wichtigsten touristischen Zielgruppen (vgl. 2.2) und die Erfassung der größten Konkurrenten, sodass die derzeitige Wettbewerbsposition bestimmt werden kann. Außerdem fällt die Analyse des Tourismusmarktes in diesen Bereich, welche regelmäßig betrieben werden sollte, da der Tourismusmarkt von einer wachsenden Konkurrenz, einer anspruchsvollen und preissensiblen touristischen Nachfrage sowie von einem ständigen sozialen, technologischen und politischen Wandel geprägt ist. An dem Ergebnis orientiert sich die Zielsetzung des Destinationsmanagements. In der Regel werden die bestimmten Ziele in ein realistisches Idealbild eingearbeitet, um nach außen hin verdeutlichen zu können, für welche Grundprinzipien die Destination steht. Daraufhin folgt die Ausarbeitung eines Planes und die Festlegung einer Wettbewerbsstrategie. In der Phase der Umsetzung agiert die DMO nur noch als beratende Instanz. Bei der Angebotsfunktion (2) geht es im Wesentlichen um die Erschaffung öffentlicher touristischer Angebote zur Betreuung, Unterhaltung und Versorgung der Gäste. Hierzu zählen beispielsweise das Anlegen neuer Wanderwege, die Erstellung eines Beschwerdedienstes, die Organisation von Veranstaltungen oder die Errichtung von Informationsdienstleistungen (z.B. über touristische Angebote und Schulungsmöglichkeiten für Betriebsleiter, Frontpersonal etc.). Zusätzlich werden die Analyseergebnisse aus der Leitbild- und Planungsfunktion dafür genutzt, um eine Leistung der Destination qualitativ zu verbessern. Ferner ist eine DMO hinsichtlich ihrer Marketingfunktion (2) für eine klare Profilierungsstrategie der Destination sowie für die Schaffung von einfachen und schnellen Distributions- und Informationswegen verantwortlich. Des Weiteren umfasst dieses Feld Aufgaben wie die Imagepflege, die Erarbeitung einer Marketingstrategie, Auswertung von Marktforschungsritualen, die Information potentieller Gäste, der Verkauf touristischer Dienstleistungsbündel sowie die Ausarbeitung von Beziehungen, Kommunikationswegen und Werbung.20 Die oberste Priorität der Marketingfunktion ist es, die Destination nach außen hin einheitlich und einmalig auftreten zu lassen, um der generellen Marktsättigung sowie der zunehmenden Austauschbarkeit von touristischen Produkten entgegen zu wirken.21

Bei den bisher aufgeführten Leistungsfunktionen ist für eine erfolgreiche Umsetzung vor allem die Innovations- und Anpassungsfähigkeit an die Gegebenheiten im Tourismusmarkt ausschlaggebend. Für die folgenden Leistungsfunktionen sind vielmehr Aspekte wie Empathie, Überzeugungsstärke und eine gute Datenbasis relevant. Da die räumlichen Grenzen einer Destination ausschließlich durch die Wahrnehmung der Nachfrager definiert werden (vgl. 2.1), muss sich eine DMO ebenfalls damit befassen, die Akteure aus dem Politikbereich von den Vorteilen einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu überzeugen (Interessensvertretungsfunktion (3)). Zudem bildet die DMO eine vermittelnde Instanz zwischen den unterschiedlichen Parteien einer Destination. Hierfür ist eine Analyse der vorhandenen Interessensgruppen erforderlich, um die Kerninteressen der betroffenen Parteien herausfiltern und Lösungsansätze entwickeln zu können. Des Weiteren verfolgt das Destinationsmanagement das Ziel, die Interessen der einzelnen Gruppen zu koordinieren und diese auf die Dynamik des Tourismusmarktes abzustimmen. Dabei sind besonders die Interessen der Öffentlichkeit und des Tourismus gegenüber der Politik auf die Unterstützung der DMO angewiesen, da die politische Instanz durch ihre legislative, exekutive und judikative Eigenschaft eine stärkere Position einnimmt. Darüber hinaus ist die Tourismusbranche auch gegenüber anderen Wirtschaftszweigen auf die Hilfe der DMO angewiesen, da sie mit diesen um wirtschaftliche Faktoren wie Standorte, Arbeitskräfte und Fördermittel konkurriert. Zum Beispiel würde eine intensive Bebauung eines Zielgebietes den ästhetischen Wert und somit die touristische Attraktivität senken.22 Dadurch kann sich die Interessensvertretungsfunktion nicht nur über die nationale sondern auch über die internationale Ebene erstrecken. Die nächste Leistungsfunktion Integration (4) weist große Ähnlichkeit zur Interessensvertretungsfunktion auf, da sie sich ebenfalls auf die Vertretung einer Gemeinschaft konzentriert, nämlich die Einwohner. Die Einheimischen bilden allerdings hauptsächlich durch ihren Wohnsitz eine eigene Gruppe, da sich innerhalb der Destination ihr Lebensraum befindet. Dementsprechend kann es durch ein hohes Gäste- und Verkehrsaufkommen zu Belastungen der Bevölkerung kommen. Jedoch ist es wichtig, dass sie sich eine offene und gastfreundliche Einstellung bewahrt, damit die Destination von den Gästen positiv wahrgenommen werden kann. Besonders beim Städte-Tourismus ist dieses Aufgabenfeld wichtig, da Reisende durch ihre Aktivitäten häufig auf Einheimische treffen (vgl. 2.3). Daher zählt zu den Aufgaben einer DMO, die Öffentlichkeit für den Tourismus zu sensibilisieren, indem sie diese vom Nutzen des Tourismus überzeugt und sie in die Planungsprozesse mit einbezieht. Zum letzten großen Aufgabenbereich zählt schließlich der Umweltschutz (5). Nur eine Destination mit einer attraktiven Natur- und Kulturlandschaft sowie einer intakten Flora und Fauna kann auf Touristen anziehend wirken. Jedoch wird die Landschaft oft durch den Tourismus geschädigt, da er auf die Nutzung natürlicher Ressourcen angewiesen ist. Zudem werden durch ihn die Wasser- und Luftverschmutzung gefördert und die Tier- sowie Pflanzenwelt gefährdet. Aus diesem Grund muss eine DMO den einzelnen Anbietern und Touristen helfen, Ressourcen schonend zu nutzen und umweltbewusst zu handeln. Hierfür ist die Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden sinnvoll.

Die beschriebenen Aufgabenfelder einer DMO werden je nach Lebensphase der Destination unterschiedlich stark beansprucht. Da hierzu noch kaum Literatur zu finden ist, werden in der folgenden Tabelle (Tab. 6) Thesen aufgestellt, welche Aufgabenbereiche im Fokus der jeweiligen Phase stehen sollten. Dabei wird sich auf die in Kapitel 2.1 genannten Merkmale der einzelnen Phasen gestützt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 6. Lebenszyklus einer Destination

(eigene Darstellung, in Anlehnung an Bieger, 2013, S. 99, 243).

In der Einführungsphase liegt noch eine starke Wertschöpfung bei verhältnismäßig kleiner Konkurrenz vor. Des Weiteren können Angebote durch Analysen verbessert werden, sodass die bestehende Nachfrage weiter angetrieben wird (2). Allerdings werden in dieser Phase viele natürliche Ressourcen verbraucht, wodurch der Umweltschutz (5) an Bedeutung gewinnt. Die DMO kann hierbei mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie in ihrem Hauptsitz entsprechende Maßnahmen umsetzt und nachhaltige Leitbilder als Orientierung für die anderen Akteure erstellt. Gleichzeitig wächst aus diesem Umstand die Erfordernis einer guten Planung der Abläufe innerhalb der Destination (1). Die genannten Aspekte verschärfen sich, bis sie in der Wachstumsphase ihren Höhepunkt erreichen. Dadurch werden die bisherigen Aufgabenfelder stärker als zuvor beansprucht. Hinzu kommt das erhöhte Konfliktpotential zwischen den Akteuren. Widerstände bei den Einwohnern können in diesem Zeitraum vermehrt auftreten, sodass die Integrationsarbeit (4) und die Interessensvertretungsfunktion (3) an Bedeutung gewinnen. Es wird deutlich, dass die DMO in der Wachstumsphase ein breites Aufgabenspektrum zu erfüllen hat, da sämtliche Aufgabenbereiche angesprochen werden. Auf welchen Aspekt der Fokus gelegt werden sollte, ist abhängig von der jeweiligen Destination und der DMO. Allerdings sind an dieser Stelle grobe Handlungsempfehlungen in der Literatur zu finden. Laut Bieger sollte der Fokus der Destinationsstrategie insbesondere auf die Leitbild (1)- und Interessensvertretungsfunktion (3) gelegt werden.23 Jedoch gilt es hierbei zu beachten, dass Bieger bei seiner Unterscheidung die Aufgabenfelder Integration (4) und Umweltschutz (5) nicht mit aufgeführt hat, sodass diese bei seiner Einschätzung vermutlich nicht berücksichtigt wurden. Demgegenüber scheint die Schwerpunktlegung der Aufgabenbereiche in der dritten Phase der Reife wesentlich eindeutiger zu sein. Da die Nachfrage langsam stagniert, wird es an der Zeit für eine strategische Neupositionierung, sodass die Reifephase möglichst lange gehalten und die Degeneration am Ende durch Relaunch-Maßnahmen aufgefangen werden kann (zum Beispiel durch die Schaffung neuer Angebote oder die Ansprache einer neuen Zielgruppe). Die beiden Phasen sind auf regelmäßige Datenauswertungen angewiesen, um die Entwicklung weiterhin einschätzen zu können. Somit können die Tätigkeiten der Leitbild- & Planungsfunktion (1) sowie der Angebots- und Marketingfunktion (2) zugeordnet werden.

Nachdem die bedeutendsten Einflussgrößen auf das Destinationsmanagement, dessen Ziele und Aufgabenfelder geklärt wurden, lassen sich abschließend die Hürden aufführen, welche die Umsetzung der Maßnahmen hemmen können. Dabei stellen die unterschiedlichen und teilweise konkurrierenden Interessen der einzelnen Akteure sowie die Virtualität des „Destinationsunternehmens“ womöglich die größte Herausforderung dar, weil sich daraus Zielkonflikte ergeben können. Ein weiteres Hindernis sind die eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten einer DMO. Sie verfügt nicht über die nötigen Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten, wodurch ihr wesentlicher Handlungsrahmen in ihrer Überzeugungskraft liegt, indem sie den betroffenen Parteien den Nutzen einer zielgeführten Kooperation verdeutlicht. Aus diesem Grund ist das Destinationsmanagement auf die Zusammenarbeit der DMO mit den legislativen Instanzen angewiesen. Ein weiterer hindernder Aspekt stellen die zahlreichen touristischen Verbände und Organisationen dar, die es bereits in großen Destinationen wie den europäischen Metropolen gibt, sodass sich eine DMO schlagkräftig gegen diese durchsetzen muss. Besonders problematisch wird zudem die Tatsache, dass für die effektive Arbeit einer DMO von den bereits bestehenden Vereinen Kompetenzen, Aufgaben und Zuständigkeiten an sie abgetreten werden müssen. Solche Veränderungen stoßen in der Regel auf großen Widerstand, da sich diese negativ auf den Erwerb und die Verteilung öffentlicher Mittel auswirken können.24

2.4 Definition des Overtourism

Seit dem Sommer 2017 beginnen die weltweiten Medien verstärkt den Fokus auf die negativen Aspekte vom Tourismus zu legen, wofür das neue Schlagwort „Overtourism“ (zu Deutsch „Über-Tourismus“) verwendet wird.25 Bisher sind nur wenige Definitionen für diesen Begriff vorhanden. Die Onlinezeitschrift „Bento“ versteht unter Overtourism eine gesteigerte Form des Massentourismus.26 Der Journalist Greg Dickinson hat beim Collins Dictionary eine Erläuterung eingereicht, welche Overtourism als ein Phänomen beschreibt, bei dem ein „beliebtes Reiseziel oder eine Sehenswürdigkeit auf unhaltbare Weise von Touristen überrannt wird.“27 Günther Greul umschreibt in einem Artikel der Fachzeitung „Tourismuswirtschaft, Austria & International“ den Über-Tourismus als einen ausufernden Tagestourismus, der sich meist auf begrenzte Zentren konzentriert und die Infrastruktur mehr belastet, als dass er die lokale Wirtschaft bereichert.28 Obwohl die aufgeführten Definitionen bereits einen hilfreichen Einblick in die Bedeutung des Wortes geben, wird der Begriff hinsichtlich seiner Auswirkungen und den daraus folgenden Kennzeichen in der Literatur nur unvollständig dargestellt. Aus diesem Grund wird für die vorliegende Bachelorarbeit eine ergänzende Definition ausgearbeitet. Dafür wird sich an den bisherigen Definitionen orientiert. Da Overtourism eine gesteigerte Form des Massentourismus ist, wird diese Form des Tourismus zunächst genauer betrachtet, sodass dessen Aspekte miteinbezogen werden können.

[...]


1 Vgl. Tagesschau (Hrsg.), 2019.

2 Vgl. Dettmer, 2005, S. 14ff.

3 Vgl. Berg, 2006, S. 294f.

4 Vgl. Steinecke, 2013, S. 30f.

5 Vgl. Steinecke, 2013, S. 17 und Bieger, 2000, S. 62f.

6 Vgl. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg (Hrsg.), 2001.

7 Vgl. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg (Hrsg.), 2001.

8 Vgl. Schulze, 2010, S. 40f.

9 Das Feld der Geschäftsreise wurde der Darstellung von Schulze ergänzend hinzugefügt.

10 Vgl. Statista, 2019.

11 Vgl. Helmes, 2017.

12 Vgl. Steinecke, 2013, S.196.

13 Vgl. Berg, 2006, S. 299f.

14 Vgl. Scherhag, 2018.

15 Vgl. Steinecke (2013), S. 65.

16 Auf weitere Regierungssystem wird nicht weiter eingegangen, da dies den Rahmen der Arbeit übertreffen würde. Zudem ist für den weiteren Verlauf nur die parlamentarische Demokratie von Interesse.

17 Vgl. Frech, Kühn (Hrsg.), 2012, S.164.

18 Vgl. Dettmer, 2005, S. 35 f.

19 Die Darstellung ergibt sich aus dem Zusammenschluss der Abbildungen von Bieger, 2000 und Steinecke, 2013. Während Bieger nur zwischen Leitbild-, Angebots-, Interessensvertretungs- und Marketingfunktionen unterscheidet, führt Steinecke drei ähnliche und zwei völlig neue Aufgabenbereiche auf (in Abb. 2 Punkt 4 und 5). Zudem setzt Steinecke die Aufgabenbereiche in Zusammenhang mit den unterschiedlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten einer Destination. Da die drei ähnlichen Aufgabenbereiche im Vergleich zu Bieger unvollständig wirken, wurden in der eigenen Darstellung die fehlenden Komponenten durch das Einfügen der vier Aufgabenfelder von Bieger in die Darstellung von Steinecke ergänzt.

20 Vgl. Bieger, 2000, S. 84 f.

21 Vgl. Steinecke, 2013, S. 73.

22 Vgl. Steinecke, 2013, S. 48.

23 Vgl. Bieger, 2013, S. 99, 243.

24 Vgl. Berg, 2006, S. 298 und Steinecke, 2013, S. 21f.

25 Vgl. Francis, 2019.

26 Vgl. Kurze, 2019.

27 Vgl. Schaal, 2018.

28 Vgl. Greul, 2019.

Excerpt out of 92 pages

Details

Title
Overtourism in Venedig. Wie Massentourismus das Destinationsmanagement herausfordert
Year
2020
Pages
92
Catalog Number
V510800
ISBN (eBook)
9783964871398
ISBN (Book)
9783964871404
Language
German
Keywords
Über-Tourismus, Destination, Triebkräfte, Touristische Nachfrage, Nachfrage, Punktwertverfahren, Tourismus, Airbnb, Ryanair, Kreuzfahrt-Tourismus, DMO, Lebenszyklus, Over-Tourism
Quote paper
Anonymous, 2020, Overtourism in Venedig. Wie Massentourismus das Destinationsmanagement herausfordert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/510800

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