„Der Satan kam und mischte sich unter die Völker, und sie versammelten sich allesamt wie ein Mann, dem Befehle nachzukommen“. Diese Schilderung des Chronisten Salomo ben Simson spielt auf Papst Urban II. an, der am 26. November des Jahres 1095 nach dem Ende der Synode von Clermont zur Befreiung des Heiligen Grabes in Jerusalem aufrief und damit (unwissentlich?) ein Fanal heraufbeschwor, dessen Ausläufer auch in Form fanatisierter Kreuzfahrer bis in das rheinische Aschkenas reichten. Europa erlebte seine ersten großen Judenverfolgungen. Die Frühlingsmonate des Jahres 1096 besiegelten das Schicksal einiger der ältesten und angesehensten Gemeinden am Rhein und endeten mit deren Untergang. Die jüdischen Bedrängten, die während der pogromartigen Gewalt zwischen „Tod oder Taufe“ zu wählen hatten, entschieden sich in ihren gewichtigsten und extremsten Reaktionen für das Qiddusch haSchem, den freiwillig auf sich genommenen Tod. Obwohl nur eine Facette der Handlungen, stellte die radikale Form des Martyriums, das unabhängig von Geschlecht, Alter, Reputation oder finanzieller Stellung vollzogen wurde, eine Neuerung in der jüdischen Martyriumsgeschichte dar. Die folgende Arbeit wird sich mit diesem (neuartigen) Martyrium befassen und der Frage nachgehen, wie es möglich war, dass es 1096 im aschkenasischen Judentum zu einer solch radikalen Affirmation des Märtyrergedankens kommen konnte, dass Tausende von Juden unter der Oppression der Kreuzfahrer der Konversion den Tod vorzogen. Um diese schwierige Frage beantworten zu können, müssen verschiedene (oft sperrige) Bereiche untersucht werden. Neben der Auseinandersetzung mit der Neuartigkeit der Verfolgungen während des Ersten Kreuzzuges müssen auch die gesetzlichen Bewertungen der Martyrien untersucht und mit Bezug v.a. auf die Haggada die bedeutendsten matyrialen Vorbilder dargestellt werden, zumal letztere nicht selten direkt in den Chroniken verarbeitet wurde. Abschließend sollen noch die augenfälligsten Besonderheiten der aschkenasischen Juden (in Abgrenzung zu den sephardischen) behandelt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Glaubwürdigkeit der Chroniken
- Die christlichen Quellen
- Die hebräischen Quellen
- ,„Konversion oder Tod“ – Die neuartige Verfolgung
- Die Formen des Qiddusch haSchem in Aschkenas
- Die Bewertung der Martyrien von 1096
- Das Martyrium durch fremde Hand
- Die gesetzlichen Bestimmungen
- Die traditionellen Martyriumsberichte
- Das Martyrium der drei Judäer aus dem Buch Daniel
- Das Martyrium der Mutter und ihrer sieben Söhne
- Das Martyrium des Rabbi Aqiba
- Der Bezug zu den Martyrien von 1096
- Das Martyrium durch eigene Hand
- Die traditionellen Martyriumsberichte
- Der Suizid Sauls
- Der Suizid der 400
- Der Tod des Rabbi Haninah ben Teradion
- Der Bezug zu den Martyrien von 1096
- Die traditionellen Martyriumsberichte
- Das „innerjüdische“ Martyrium
- Der sefer Yosippon
- Die aqedat Jitzchaq
- Das Martyrium durch fremde Hand
- Die Affirmation des Martyriums
- Das göttliche Motiv für das Leiden in Aschkenas
- Die Motivation der Märtyrer
- Sepharad und Aschkenas – Die „unterschiedliche\" Religiosität
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht das Martyrium (Qiddusch haSchem) der jüdischen Gemeinden in Aschkenas während der Kreuzzüge von 1096. Sie zielt darauf ab, zu verstehen, wie es zu dieser extremen Form der Selbstaufopferung kommen konnte und wie das traditionelle Martyrium in dieser Zeit neu interpretiert und bekräftigt wurde. Die Arbeit analysiert die Rolle der Halacha und der Haggada, sowie die Bedeutung der historischen und religiösen Vorbilder, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielten.
- Die neuartige Verfolgung der Juden durch die Kreuzfahrer
- Die legale Bewertung des Martyriums in der Halacha
- Die Rolle der traditionellen Martyriumsberichte in der Haggada
- Die Verarbeitung der historischen Vorbilder in den Chroniken von 1096
- Die Unterschiede zwischen dem aschkenasischen und sephardischen Judentum in Bezug auf die Religiosität
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung präsentiert den historischen Hintergrund des Martyriums im Jahr 1096 und formuliert die These der Arbeit. Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Glaubwürdigkeit der Quellen, insbesondere der hebräischen und christlichen Chroniken, die die Ereignisse von 1096 dokumentieren. Kapitel 3 untersucht die Besonderheiten der Verfolgung von 1096 und deren Neuheit im Vergleich zu früheren Verfolgungen. Kapitel 4 analysiert die verschiedenen Formen des Qiddusch haSchem in Aschkenas. Die Kapitel 5.1 und 5.2 befassen sich mit dem Martyrium durch fremde Hand und durch eigene Hand, wobei die traditionellen Martyriumsberichte und deren Relevanz für die Ereignisse von 1096 im Vordergrund stehen. Kapitel 5.3 erörtert das „innerjüdische“ Martyrium und die Bedeutung des sefer Yosippon und der aqedat Jitzchaq. Kapitel 6 beschäftigt sich mit der Affirmation des Martyriums und den göttlichen und menschlichen Motivationen für die Selbstaufopferung. Kapitel 7 analysiert die Unterschiede zwischen Sepharad und Aschkenas in Bezug auf die Religiosität. Der Abschnitt über das Fazit beleuchtet die Ergebnisse der Arbeit und bekräftigt die These.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen der Arbeit sind das Martyrium (Qiddusch haSchem), die Kreuzzüge von 1096, das aschkenasische Judentum, die Halacha, die Haggada, die traditionellen Martyriumsberichte, die Chroniken von 1096, die Unterschiede zwischen Sepharad und Aschkenas.
- Quote paper
- Dominik Jesse (Author), 2003, Das Martyrium (Qiddusch haSchem) von 1096 in Aschkenas, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51131