In der vorliegenden Arbeit wird im Rahmen einer weiterentwickelten Webanwendung ein Analysetool zum Aufbau von Akzeptanzkriterien entwickelt. Zunächst wird der Einzug der Informationswissenschaft in den engeren medizinischen Behandlungsbereich und in die Pflege analysiert. Die Ausarbeitung von Akzeptanzkriterien eines Pflegers während und nach der Interaktion mit einer Pflegedokumentationssoftware erfolgt auf Grundlage mehrerer Komponenten: Evaluationen aus dem Projekt INFODOQ, Facharbeiten sowie DIN EN ISO-Normen bezüglich der Gestaltung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme.
Den herausgearbeiteten Akzeptanzkriterien zufolge müssen Interfaces in Richtung einer benutzerfreundlichen Interaktion von Pflegern verschiedene Anforderungen erfüllen: Sie müssen einfach sein, sodass eine Person aus der angesprochenen Zielgruppe grundlegend genug Pertinenz besitzt, den Prozess ohne Nutzerirritationen aufnehmen und durchführen zu können. Sie sollten außerdem emotional sein, sodass eine Person aus der angesprochenen Zielgruppe eine grundlegende Nützlichkeit in Bezug auf die Relevanz aus einem subjektiven Blickwinkel sieht.
Usability-Heuristiken zeigen keine ganzheitliche Nutzerbefriedigung auf. Pfleger müssen im Alltag viel schneller und unkomplizierter (einfacher) an gewünschte Informationen kommen. Innerhalb dieser Arbeit ergaben sich folgende Akzeptanzkriterien eines Pflegers während und nach der Interaktion mit einer Pflegedokumentationssoftware: Usability und User Experience, Begründungspflicht, sozialer Kontext des Kollegenkreises sowie subjektive Relevanz, Kompetenz und Pertinenz, die im direkten Zusammenhang mit der wahrgenommenen und gewünschten Beschaffenheit eines Systems steht.
Aus diesen Akzeptanzkriterien können funktionale und nicht-funktionale Anforderungen abgeleitet werden. Das Ziel ist, Usability-Analysten ein Analysetool zur Verfügung zu stellen, mit dem man Rückschlüsse über Charakteristika, Regelmäßigkeiten und die Akzeptanz der Anwender ziehen kann. Dabei lassen sich im Rahmen jedes Tasks Informationen über Erfolge, Misserfolge, den benötigten Aufwand etc. sowohl explizit für einen Anwender als auch für alle Anwender Task-spezifisch und Interface-spezifisch gegenüberstellen. Im Hinblick auf die Entwicklung werden etablierte und aktuelle Analyseverfahren herausgearbeitet, die als Grundlage für das technische Konzept dienen.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Glossar
1 Einleitung
2 Grundlagen
2.1 Informationswissenschaft
2.1.1 Wissen
2.1.2 Information
2.2 Informationsübermittlung
2.2.1 Psychophysik
2.2.2 Skalierung von physikalischen Ereignissen
2.3 Usability
2.3.1 Der Usability-Eisberg
2.3.2 Messung von Usability
2.4 User Experience
2.4.1 UX-Anwendungs-Zyklus
2.4.2 UX im Gehirn
2.4.3 Messung von UX
2.5 Nutzerirritation
3 Akzeptanz
3.1 Problemstellung
3.2 INFODOQ
3.3 Akzeptanz in der Pflege
4 Anforderungsanalyse
4.1 Rahmenbedingungen
4.2 Benutzergruppen
4.3 Anforderungen
4.3.1 Funktionale Anforderungen
4.3.2 Nicht-funktionale Anforderungen
4.4 Ziele
5 Anal yseverfahren
5.1 Interaktion von Anwendern
5.2 Performance-Analyse
5.3 Aufwandsbasierte Analyse
5.4 Psychologische Reaktions-Analyse
6 Konzept
6.1 Modellbildung
6.2 Interaktions-Tracking
6.3 Interaktions-Analyse
6.4 Visualisierung
7 Implementierung
7.1 Frameworks
7.2 Task und Interfaces
7.3 Datenermittlung
7.4 Datenspeicherung
7.5 Datenvisualisierung und -analyse
7.6 Qualitätssicherung
8 Eva luation/Test
8.1 Aufbau
8.2 Durchführung Ergebnis
8.4 Diskussion / Schlussfolgerung
9 Zusammenfassung und Ausblick
Kurzfassung
Eine überproportional wachsende Zahl an Pflegeempfängern sowie die damit verbundene Daten- lawine in allen Bereichen der modernen Pflege, erhöht das Bedürfnis nach immer effizienteren, qualitativ hochwertigen und zugleich kostensparendenden Möglichkeiten der Pflege und deren Vernetzung von Angehörigen, ÄrztInnen und PflegerInnen kontinuierlich.
Im medizinischen Bereich lassen sich zentrale administrative Tätigkeiten und Verwaltungsdienste fast bruchlos von EDV-Systemen unterstützen. Der Einzug der Informationswissenschaft in den engeren medizinischen Behandlungsbereich, und in die Pflege, stellt sich aus diversen ethischen, sozialen und technischen Gründen deutlich schwieriger dar.
Aus dem Bereich der Pflege wird kaum ein Verlangen nach technischen Erneuerungen und der
Hilfe durch computergestützte Systeme laut.
Gegenstand der hier vorgestellten Arbeit ist die Entwicklung eines Analysetools zum Aufbau von
Akzeptanzkriterien im Kontext der User Experience von Pflegepersonal.
Die fundamentalen Fragen lauten: Warum werden aus dem Sektor der Pflege und Betreuung selbst kaum Bedürfnisse zur transparenten Pflegedokumentation artikuliert? Was sind Anforde- rungen und Problemstellungen in der Pflegedokumentation zum Aufbau benutzerfreundlicher In- terface-Entwicklungen?
In dieser Arbeit wird im Rahmen einer weiterentwickelten Webanwendung ein Analysetool zum Aufbau von Akzeptanzkriterien entwickelt. Es soll Angehörigen und PflegerInnen von Menschen mit Demenz die spätere Arbeit an dem System INFODOQ erleichtern.
Das Ergebnis liegt dem analysierenden Administrator als Analyse-Dashboard im Frontend der Webanwendung INFODOQ vor.
Abstract
A disproportionately growing number of care recipients as well as the associated avalanche of data in all areas of modern nursing continuously increases the need for ever more efficient, high- quality and at the same time cost-saving possibilities of nursing and their networking of relatives, doctors and nurses.
In the medical field, central administrative activities and administration services can be supported almost seamlessly by IT systems. The entry of information science into the narrower field of medical treatment and care is much more difficult for various ethical, social and technical reasons.
In the field of care, there is hardly any demand for technical innovations and help from computer- aided systems.
The object of the work presented here is the development of an analysis tool for the development of acceptance criteria in the context of the user experience of nursing staff.
The fundamental questions are: Why are hardly any needs for transparent care documentation articulated from the care and care sector itself? What are requirements and problems in the main- tenance documentation for setting up user-friendly interface developments?
In this thesis, an analytic tool for the development of acceptance criteria is developed within the framework of an advanced web application. It is intended to make it easier for relatives and care- givers of people with dementia to later work on the INFODOQ system.
The result is available to the analyzing administrator as an analysis dashboard in the frontend of the INFODOQ Web application.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wahrnehmungs- und Beurteilungsprozesse [Mö17]
Abbildung 2: Der Usability-Eisberg [Ro16]
Abbildung 3: Komponentenmodell der User Experience [Ga18]
Abbildung 4: Aufbau einer Nervenzelle [An07]
Abbildung 5: Akzeptanzkriterien von Pflegern
Abbildung 6: Beispielhafte Darstellung der Betreuungsleistung
Abbildung 7: Beispielhafte Darstellung des Betreuungsverlaufsberichts
Abbildung 8: Lostness [TA13]
Abbildung 9: Hypothetische Lernkurve [Ta08]
Abbildung 10: Trajektorie [FA10]
Abbildung 11: Bimodale-Trajektorie [FA10]
Abbildung 12: Lernkurve – Anwender [angelehnt an Ta08]
Abbildung 13: Lernkurve Anwender versus Experte [angelehnt an Ta08]
Abbildung 14: Interface
Abbildung 15: Interface
Abbildung 16: Display Abmessungen
Abbildung 17: Tracking – JSON Objekt
Abbildung 18: Datenmodell
Abbildung 19: Dashboard
Abbildung 20: Anwender-Analyse Zeitaufwand und physikalischer Aufwand
Abbildung 21: Prozentualer Fertigstellungsgrad pro Anwender
Abbildung 22: Anwender Analyse
Abbildung 23: Mauspfad-Analyse
Abbildung 24: Interface Aufwände
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Tracking-Daten
Tabelle 2: Tracking-Daten
Tabelle 3: Erfolg und Misserfolg
Tabelle 4: Aufgewendete Zeit
Tabelle 5: Effizienz
Tabelle 6: Aufwand
Tabelle 7: Rest Pfade
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Glossar
Hinweis zum Umgang mit neu eingeführten Begriffen:
In dieser Arbeit neu eingeführte Fremdbegriffe werden einmalig in Anführungszeichen gesetzt. Bei nachfolgender Verwendung der Begriffe fallen die Anführungszeichen weg.
„Usability Analyst“
Als Usability Analyst werden im Rahmen dieser Arbeit Personen benannt, die das Analysetool später benutzen werden. Es sind Personen, die als Analyst fungieren.
„Nutzer / Benutzer“
Dem Begriff „Nutzer“ oder „Benutzer“ wird sich immer im Kontext von Argumentationen oder
Grundlagenbeschreibung bedient. Sie sind nicht an das System INFODOQ gebunden.
„Anwender“
Als Anwender werden im Rahmen dieser Arbeit Personen benannt, die der Benutzergruppe (vgl. Kapitel 2.4) angehören. Sie interagieren aktiv mit dem System INFODOQ, sie sind also Analyseprobanden.
„Experte“
Als Experte werden im Rahmen dieser Arbeit Personen benannt, die im Kontext des Gebietes ein hohes Niveau an Fertigkeiten oder Kompetenzen aufweisen.
1 Einleitung
Die Grundlage dieser Arbeit bildet einerseits die Problematik der ansteigenden Anzahl an Pfle- gebedürftigen. Andererseits sind folgende zwei Fragen grundlegend für diese Arbeit: Warum wer- den gerade aus diesem Sektor selbst kaum Bedürfnisse zur transparenten Pflegedokumentation artikuliert? Welche Schlüsse lassen sich daraus hinsichtlich Anforderungen und Problemstellun- gen beim Aufbau benutzerfreundlicher Interface-Entwicklungen von Pflegedokumentation zie- hen?
Der demografische Wandel und die damit einhergehende verbesserte medizinische Versorgung und Ernährung sowie veränderte Wohnsituationen beeinflussen die Lebenserwartung von Gene- rationen nachhaltig. Zudem führt der Mangel an Nachwuchskräften aufgrund der verringerten Geburtenentwicklung und der dadurch alternden Gesellschaft zu einem Rückgang der Bevölke- rungszahlen und einer massiven Zunahme an pflegebedürftigen Menschen [SB18].
Der Vergleich der Anzahl an Pflegebedürftigen in den Jahren 2015 und 2017 zeigt einen drama- tischen Anstieg von 19,4 %. Dies entspricht 554.000 zusätzlich Pflegebedürftigen. Die Ausmaße werden durch den Vergleich früherer Jahre noch deutlicher: So existierten im Jahr 2017 mit 3,4
Millionen Pflegebedürftigen insgesamt 1,3 Millionen mehr als noch im Jahr 2003 (2,1 Millionen Pflegebedürftige). Hinzu kommt der Pflegekräftemangel in der gesundheitlichen und pflegeri- schen Versorgung. Prognosen zeigen, dass in den nächsten 15 Jahren allein in der ambulanten Pflege über 66.000 Fachkräfte fehlen werden. Der Pflegekräftemangel wird durch nicht besetzte Stellen bis 2030 einen Wertschöpfungsverlust und gesamtheitliche Einbußen von 35 Milliarden Euro nach sich ziehen [SB18].
Krankenhäuser, soziale Hilfeeinrichtungen und Dienstleister sind diesen gesellschaftlichen Ver- änderungen zunehmend ausgesetzt. Mit steigenden Patientenzahlen und nicht proportional wach- sendem Personal steigt der Druck interner Organisationsstrukturen, sich an diese Veränderungen anzupassen. In der Medizin spielen Effizienz und Qualität eine wichtige Rolle, um die bestmög- liche Versorgung der Patienten zu ermöglichen. Hierbei entsteht ein enormer Informationsauf- wand. Aus diesem Grund begannen die Krankenhäuser bereits in den 80er und 90er Jahren damit, ihre zentralen Tätigkeiten und Verwaltungsdienste der Informationsverarbeitung zu automatisie- ren. Bezogen auf die Medizininformatik bedeutet dies, medizinische Prozesse in der Gesamtheit mit allen Ressourcen optimal zu steuern. Die Gesundheitsbranche wächst im Schnitt über ein Prozent pro Jahr, schneller als die gesamte deutsche Wirtschaft, und gehört zugleich zu den am wenigsten digitalisierten Branchen. Nur 20 Prozent der Kliniken arbeiten mit einer elektronischen Pflegedokumentation. Ausgehend von solchen Zahlen tritt die Frage auf, wieso die Informations- wissenschaft gerade in diesem Sektor derart wenig Einzug hält [HT17].
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Anforderungen und Problemstellungen, die mit einer Entwicklung von Systemen in der Pflegedokumentation einhergehen. Dabei fällt das Au- genmerk auf das benutzungsfreundlichkeits-erweiternde Nutzungserlebnis, das im Folgenden U- ser Experience genannt wird (genauer beschrieben in Kapitel 2.4).
Im Rahmen einer weiterentwickelten Webanwendung zur Organisation, wird die Akzeptanz der Pfleger von Menschen mit Demenz mittels des Analysetools im Rahmen des Projektes INFODOQ analysiert.
Hierbei werden die in Kapitel 3 aufgezeigten Akzeptanzkriterien hinsichtlich der Interaktion der Anwender in Richtung Performance und Akzeptanz untersucht. Das Ziel der Arbeit ist, mithilfe eines Analysetools, valide Analyseinformationen zu gewinnen, die die vorausgegangene Erarbei- tung der Akzeptanzkriterien untermauern.
Diese Arbeit gliedert sich in neun Abschnitte. Im ersten Kapitel erfolgt eine Einleitung in das Thema. Es werden Motivation, Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit erläutert. Im zweiten Kapitel „Grundlagen“ werden die inhaltlichen Grundlagen der Informationswissenschaft, Psychophysik, Statistik, Usability und der User Experience herausgearbeitet, auf der die Prob- lemstellung, Anforderungsanalyse und Konzeption des Analysetools aufbaut.
Im dritten Kapitel werden Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit unter Bezugnahme der zuvor beschriebenen Grundlagen genauer definiert. Im vierten Kapitel „Anforderungsanalyse“ wird analysiert, welche allgemeinen Komponenten und Anwender bei der Konzeption berück- sichtigt werden müssen, um eine klare Zielsetzung festlegen zu können. Ausgehend von den Grundlagen und Problemstellungen, werden anschließend Anforderungen an das zu entwickelnde Tool abgeleitet und Funktionalitäten herausgearbeitet, die für eine sinnvolle Analyse des Tools unabdingbar sind. Kapitel fünf bietet grundlegende Ansätze zur Analyse der Interaktion der in Kapitel vier beschriebenen Benutzergruppen, und zeigt erprobte Analysetechniken auf.
Im sechsen Kapitel wird aus den Anforderungen an das Tool eine Lösung abgeleitet. Nach Erar- beitung der möglichen Programmiertechniken und nutzbaren Libraries, werden die einzelnen Analyseschritte definiert und vorgestellt. Im Anschluss daran wird das technische Konzept prä- sentiert. Das siebte Kapitel „Implementierung“ erläutert Details über die Umsetzung des Tools.
Im achten Kapitel „Evaluation/Test“ wird das zuvor umgesetzte Tool durch Anwendungsfälle evaluiert. Ein abschließendes Fazit wird im neunten Kapitel gezogen. Außerdem werden hier Er- weiterungen für das Tool ebenfalls näher erläutert.
2 Grundlagen
Die Qualität, d. h. die Frage, ob ein System von einem Nutzer (vgl. Nutzerdefinition) als gut oder schlecht interpretiert wird, ist ein komplexes Konstrukt von Wahrnehmungs- und eigenen Beur- teilungsprozessen.
Die Messung solcher Prozesse, die in einer Gewichtung derselben endet, ist ein großer Schritt von dem Bereich der Sozial- und Verhaltenswissenschaften in Richtung der Mathematik und Infor- matik. Ferner gehört diese Messung in die Gebiete der Informationswissenschaft, Informations- übermittlung, Psychophysik, Usability und User Experience, welche sich mit den Zusammenhän- gen zwischen physikalischen Größen und deren Wahrnehmung durch menschliche Nutzer befas- sen. Das Verständnis von zunächst alltäglichen Begriffen muss klar definiert werden, um sich später mit der umfassenden Analyse von Charakteristika, Regelmäßigkeiten sowie der Interaktion von Anwendern in Richtung Performance und Akzeptanz von User Interfaces hinsichtlich aller Interface-Komponenten auseinandersetzen zu können.
Im Folgenden werden Definitionen und Grundlagen herausgearbeitet.
2.1 Informationswissenschaft
Die Informationswissenschaft befasst sich mit der Beschaffung, Verarbeitung und Bereitstellung von relevanten Informationen und Wissen [St08]. Dabei ist die Geschichte des Suchens und Fin- dens von Informationen fast so alt wie die Menschheit selbst. Allerdings reicht diese in Form einer Wirtschaftsdisziplin gerade mal bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück.
Ob Bibliotheken oder moderne Technologien wie Smartphones oder das Internet – in der heutigen Zeit kommt man durch Informations- und Kommunikationsprozesse beinahe überall mit Wissen und Informationen in Berührung. Der eigentliche Informationsinhalt, neudeutsch „Content“, ist für die Informationswissenschaft weniger von Interesse. Es geht vielmehr um die Struktur der Information und die Funktion der eigentlichen Informationsverarbeitung [St08].
2.1.1 Wissen
Grundlegend sind die Begrifflichkeiten „Information“ und „Wissen“ zu klären.
Wissen entsteht durch Wissensproduktion, welche zunächst einen Rohstoff benötigt – die unge- filterte Information.
Diese wird von unserer Wahrnehmung aufgenommen und als „interne Wahrnehmung“ verarbei- tet. Die interne Wahrnehmung ist eine geistige Suchfunktion, die sowohl bewusst als auch unbe- wusst geschehen kann. Allgemein wird Wissen auch als die Gesamtheit der Kenntnisse auf einem bestimmten Gebiet gesehen. Es ist aber hierbei zwischen dem Wissen bestimmter Personen, also subjektivem Wissen, und dem objektiven Wissen in Form von Wissensspeichern wie z. B. Bü- chern oder Datenbanken zu unterscheiden [St08].
Subjektives Wissen
Das erlangte Wissen einer Person wird als subjektives Wissen bezeichnet. Subjektives Wissen ist nicht grundsätzlich richtig oder falsch. Allgemein betrachtet ist das Wissen für das jeweilige Sub- jekt gültig, sprich das Wissen hat einen grundsätzlichen Wahrheitsanspruch, der keinen objekti- ven Kriterien unterliegt. In vielen Bereichen kann nur subjektives Wissen erlangt werden, zum Beispiel im Bereich der Physiologie. In diesem Erkenntnisbereich kann das Wissen nur auf Symp- tomen und nicht objektivierbaren Phänomenen aufbauen. Daher ist subjektives Wissen immer beschränktes Wissen. Des Weiteren wird zwischen subjektivem implizitem Wissen und subjekti- vem explizitem Wissen unterschieden [Mä17].
Subjektives implizites Wissen: Es ist anzunehmen, dass jede Person über deutlich mehr Wissen verfügt, als sie anderen direkt verständlich mitteilen kann. Das Wissen steckt implizit im Können selbst. Es entsteht durch intuitives, nicht zu verbalisierendes und nicht zu formalisierendes, aber erfahrungsgebundenes Handeln. Dieses Wissen weiterzugeben ist meist schwierig.
Subjektives explizites Wissen: Explizites Wissen ist im Vergleich zum impliziten Wissen „greif- bares Wissen“. Es wird auch von eindeutig kodiertem Wissen gesprochen, das deshalb mittels Sprache und Schrift übermittelbar ist. Aber auch explizites Wissen kann implizite Anteile enthal- ten – zum Beispiel diese Arbeit. Ich, als Urheber, habe bestimmte Begabungen, bin Kenner ge- wisser Themen und bringe persönliche Erfahrungen, persönliches Wissen und damit auch mög- licherweise Fehler in diese schriftliche, explizite Form der Ausarbeitung mit ein [Mä17].
Objektives Wissen
Objektives Wissen existiert unabhängig von Personen in Form von Dokumenten, Büchern, Da- tenbanken. Es ist Wissen, das für jedes Subjekt und daher allgemein gültig ist. Man muss davon ausgehen, dass im Falle objektiv gültigen Wissens auch alle anderen Personen zum selben Ergeb- nis, sprich zum selben Wissen gelangen können. Aus objektivem Wissen kann subjektives Wissen erarbeitet werden, z. B. beim Lesen eines Buches. Genauso kann subjektives Wissen als objekti- ves Wissen fixiert werden, wie bspw. beim Schreiben eines Buches [Mä17].
2.1.2 Information
Die eigentliche Information ist zunächst eine Teilmenge aus dem objektiven oder subjektiven Wissen, die in der konkreten Situation für eine bestimmte Person oder Personengruppe nützlich sein kann. Das Wort „nützlich“ steht hier nicht in Bezug auf den Wahrheitswert selbst, sondern meint die Relevanz in Bezug auf den Blickwinkel des Subjekts. Man spricht allgemein von „relevant“ in allen Fällen, in denen es belanglos ist, zwischen objektivem, nutzerunabhängigen Wissen und dem subjektiven Wissen des Nutzers (vgl. Nutzerdefinition) zu unterscheiden. Es ist festzuhalten, dass das in einer Information enthaltene Wissen als relevant einzustufen ist, wenn es objektiv zur Vorbereitung einer Entscheidung oder der Schließung einer Wissenslücke dient. Relevanz ist jedoch nicht alleine ausschlaggebend für eine befriedigende Nutzererfahrung. Die Information muss für einen Nutzer auch pertinent sein. Eine Information ist für einen Nutzer per- tinent, wenn es subjektiv zur Vorbereitung einer Entscheidung oder der Schließung einer Wis- senslücke dient [St07].
Ein kleines Beispiel zur Verdeutlichung: Ein Nutzer hat die Oberfläche eines Systems vor sich, dessen enthaltenes objektives Wissen ausreicht, um eine Informationslücke schließen zu können. Der Nutzer ist aber durch sein kognitives Modell nicht in der Lage, aus dem darin enthaltenen Wissen subjektives, handlungsrelevantes Wissen zu entnehmen. Damit ist die Oberfläche aus Sicht des Nutzers nicht pertinent [He08].
Die Voraussetzungen für das erfolgreiche Schließen einer Informationslücke sind
- das richtige Wissen,
- zum richtigen Zeitpunkt,
- am richtigen Ort,
- im richtigen Umfang,
- in der richtigen Form,
- mit der richtigen Qualität,
wobei „richtig“ bedeutet, dass die Extraktion von Wissen, der Zeitpunkt, der Ort, der Umfang, die Form und die Qualität dabei Relevanz und Pertinenz besitzen müssen.
Fazit:
Die eigentliche Information selbst ist zunächst eine Teilmenge aus dem objektiven und subjekti- ven Wissen. Ist eine Information für eine Person unter den richtigen Voraussetzungen sowohl pertinent als auch relevant, lässt sich aus der Information Wissen gewinnen.
2.2 Informationsübermittlung
Eine Extraktion von Informationen wäre ohne eine Wissensrepräsentation aus einem Wissensfun- dus ohne entscheidenden physikalischen Prozess, dem Signal, nicht möglich [He08]. Signale sind Darstellungen von Informationen durch eine physikalische Größe, etwa Druckerschwärze auf dem Papier oder Pixel auf einem Bildschirm. Physikalische Größen sind in der Psychophysik räumlich, zeitlich und in ihren Eigenschaften bestimmt. Man bezeichnet sie deshalb auch als phy- sikalische Ereignisse. Die Information ist grundsätzlich an ein physikalisches Ereignis gebunden. Bei einer Informationsübermittlung wird eine Information (das gemeinte Wissen als Signal) von einer Informationsquelle über einen Kanal zu einem Empfänger übertragen, bspw. eine elektro- magnetische Welle, die auf das Auge eines Betrachters trifft.
2.2.1 Psychophysik
Die Messung und Bewertung des Signals gehört zum Gebiet der Psychophysik, welche sich mit den Zusammenhängen zwischen physikalischen Größen und deren Wahrnehmung durch mensch- liche Nutzer befasst. Abbildung 1 zeigt, wie die Schnittmenge der erwarteten und wahrgenom- menen Signale über einen Beurteilungsprozess zu einer Bewertung wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Wahrnehmungs- und Beurteilungsprozesse [Mö17]
Physikalische Ereignisse eines Systems oder Dienstes werden von Subjekten im Rahmen ihrer Möglichkeiten als Signal subjektiv und objektiv wahrgenommen und bewertet. Die objektive Wahrnehmung definieren wir als Wahrnehmungsprozess (d. h. die wahrgenommene Beschaffen- heit eines Systems). Die subjektive Wahrnehmung hingegen definieren wir als die erwünschte Beschaffenheit eines Systems.
Zunächst wird das vorausgegangene physikalische Ereignis von einem Subjekt wahrgenommen. Man spricht von der wahrgenommenen Nature. Die Nature kann mittels Selbstreflexion ergründet werden und wird zu einem Merkmal (d. h. die erkannte und benennbare Eigenschaft eines Sys- tems, die objektive Wahrnehmung). Der Beurteilungsprozess geht immer mit der internen Refe- renz des Subjektes einher. Darunter fallen die Wahrnehmungseigenschaften wie das Hör- und Sehvermögen, sowie die Verhaltenseigenschaften wie Erfahrung, Motivation, individuelle Präfe- renzen, Fähigkeiten und Wissen. Die interne Referenz stellt ebenfalls eine erwartete Nature und erwartete Merkmale, d.h. die subjektive Wahrnehmung. Da das Subjekt gleichzeitig ein wahrneh- mendes und beurteilendes Messorgan ist, greifen bei dem Beurteilungsprozess beide Prozesse ineinander [Mö17].
2.2.2 Skalierung von physikalischen Ereignissen
Physiologisch betrachtet besteht die Aufgabe darin, den Aufbau von subjektivem Wissen mög- lichst genau in objektives Wissen zu abstrahieren. Zur Abstraktion bedient man sich der Skalie- rung. Die Skalierung ist die Messung von Zahlen zu entsprechenden physikalischen Ereignissen. Die Messung sollte die Eigenschaften Validität (die Eignung einer Messung), Objektivität (Zu- verlässigkeit, Stabilität einer Messung), Paralleltest-Reliabilität (Wie stark korrelieren die Ergeb- nisse zweier sich stark ähnelnder Messungen?) und Retest-Reliabilität (Wie stark korrelieren die Ergebnisse einer Messung, die aufeinanderfolgend wiederholt werden?) aufweisen [SB16].
Es folgt eine grundlegende Klassifizierung von Messniveaus.
Nominalskalen repräsentieren eine endlich abzählbare Menge von Identitäten, definieren aber keine Relationen zwischen den Identitäten. Eine Ampel kann beispielsweise ein rotes, gelbes oder grünes Signal geben, wobei Rot > Grün.
Ordinalskalen haben wie Nominalskalen auch nur eine endlich abzählbare Menge möglicher Iden- titäten. Allerdings können sie in eine Rangfolge gebracht werden. Der Rangordnung fehlen jedoch Relationen. Somit lassen sich bspw. auf einer Skala mit den Identitäten „trifft sehr zu/trifft eher zu/trifft eher nicht zu/trifft nicht zu“ keine Abstände zwischen den Identitäten interpretieren.
Intervallskalen können zwischen einem Intervall unendlich viele abzählbare Identitäten anneh- men, welche eine σ-additive Rangordnung aufweisen. Diese Relation lässt die Bildung von Ab- ständen zwischen Identitäten zu. Bspw. sind Jahreszahlen und Datumsangaben intervallskaliert.
Ratioskalen haben neben den Eigenschaften der Intervallskalen einen absoluten Nullpunkt. Dieser erlaubt die Bildung von verhältnisskalierten Daten. In der Naturwissenschaft fängt Kilogramm bei 0 an, somit können Objekte bezüglich ihres Gewichts in sinnvolle Verhältnisse gebracht wer- den. Bspw. ist Objekt 1 doppelt so schwer wie Objekt 2.
Die bei einer Skalierung ermittelten Zahlenwerte sollten möglichst genau das Beschreibungser- eignis widerspiegeln. Daher ist es erstrebenswert, ein breites Feld an Messniveaus zur Verfügung zu haben. Ratioskalen haben das höchste Skalenniveau. Sie sind zur Messung der Intensität von Wahrnehmungen zu favorisieren. Als gängiges Verfahren hat sich die sog. Magnitude Estimation (ME) etabliert, bei der der Versuchsperson zunächst ein schon bewertetes physikalisches Ereignis dargeboten wird. Nun ist es die Aufgabe der Person, weitere Ereignisse in Relation des zuvor bewerteten Ereignisses zu stellen. Man bekommt jedoch keine Interpretation der erhaltenen Zah- lenwerte. Daher haben sich für viele Anwendungsfälle durch ihre Einfachheit Intervall- oder Or- dinalskalen als brauchbarer erwiesen. Darunter fallen übliche Skalierungsverfahren wie die abso- lute Kategorienzuordnung, engl. Absolute Category Rating (ACR). Die Zuordnung physikali- scher Ereignisse in Kategorien ist ein populäres Vorgehen. Dieses Vorgehen hat Ordinalskalen- niveau und ist durch seine Einfachheit auch bei untrainierten Versuchspersonen anwendbar. Nachteile ergeben sich aus der subjektiven Interpretation der Kategorienattribute, der Kontextef- fekte, den nicht äquidistanten Intervallen sowie den schlecht zu interpretierenden Extrema-Kate- gorien. Darunter fallen auch die aus der Psychologie und empirischen Sozialforschung bekannten Likert-Skalen, welche auf die subjektive Zustimmung oder Ablehnung positiv oder negativ for- mulierter Behauptungen (Items) aufbauen. Aufgebaut auf der Ratio- und Kategorieskalierung sind die Category-Ratio-Skalen (CR-Skalen), welche die Ratioeigenschaft und die Interpretation der Kategorieskalierung miteinander kombinieren [SB16].
Fazit:
Die Übertragung einer Information geschieht über ein physikalisches Ereignis, das Signal. Sig- nale eins Systems (beispielsweise die elektromagnetischen Wellen eines Bildschirms) werden von Subjekten wahrgenommen und direkt bewertet. Somit ist Qualität ein Ereignis, bei dem aus der Schnittmenge der erwarteten und wahrgenommenen Merkmale, unter Berücksichtigung der in- ternen Referenzen einer beurteilenden Person, neues subjektives Wissen gewonnen wird. Um die- sen Beurteilungsprozess zu erfassen, bedient man sich der Skalierung. Es gibt unterschiedliche Methoden der Skalierung, die sich am geforderten Messniveau unterscheiden.
2.3 Usability
Die aus einem Beurteilungsprozess resultierende Entscheidung einer Qualität wird als „Gesamt- heit von Merkmalen einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfor- dernisse zu erfüllen“, bezeichnet (DIN EN ISO 8402). Als ein Merkmal der Qualität ist die Ge- brauchstauglichkeit zu nennen.
2.3.1 Der Usability-Eisberg
Das Merkmal Gebrauchstauglichkeit ist als abhängige Variable zu sehen. Genauer formuliert ist sie kausal abhängig von den Variablen Erlernbarkeit, Effektivität, Einprägsamkeit, Fehlertole- ranz, Effizienz und Zufriedenheit. Ferner befinden wir uns im Themenkomplex der Usability. Erstmals definiert wurde Usability innerhalb der Normenreihe in der DIN-Norm 9241-11 (DIN EN ISO 9241-11: 1999-01) als „Ausmaß, in dem ein System, ein Produkt oder eine Dienstleistung durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um fest- gelegte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.“ (DIN EN ISO 9241-11: 1999- 01, S. 94)
Ausgehend von der DIN EN ISO 9241-11: 1999-01 spricht man von Effektivität, wenn ein be- stimmtes Ziel durch einen Prozess erreicht werden kann. Als Beispiel ist hier der Kaufabschluss eines Produktes durch einen Check Out-Prozess zu nennen.
Den Prozess bezeichnet man als effizient, wenn das Ziel gut erreicht werden kann bzw. als nicht effizient, wenn das Ziel nur schlecht erreicht wird. Effizienz definiert somit den Aufwand oder viel mehr die Differenz des optimalen Aufwandes zum Ist-Aufwand eines Prozesses. Zufrieden- heit als solche ist schwierig zu definieren. Sie ist deutlich subjektiver als Effizienz oder Effekti- vität. Zufriedenheit spiegelt den Zustand des Nutzers während des Prozesses wider. Es ist der Grad zwischen der gewünschten und der physikalischen Beschaffenheit eines Systems (vgl. Ab- bildung 1, Kapitel 2.2.1).
Usability lässt sich wie folgt in ihre Bestandteile aufteilen und definieren:
Effektiv = Das Ziel erreichen können
Effizient = Auf dem kürzesten Weg ohne Nutzerhürden
Zufriedenheit = Mit einem Lächeln
Usability = Das Ziel schnell mit einem Lächeln erreichen.
In diesem Sinne tritt der Mehrwert der Usability auf, wenn aus einem irgendwie nutzbaren System ein nutzerfreundliches System entwickelt wird. Der wohl naheliegendste Aspekt hierfür ist das visuelle Design der Oberfläche, das nutzerfreundlich zu gestalten ist. Dies ist jedoch ein Trug- schluss. Abbildung 2 zeigt das Verhältnis des Aufwands zur Realisierung einer guten Usability-
Software nach Johannes Robier [Ro16]. Damit Usability auftreten kann, ist demnach weit mehr als nur die Optimierung von visuellem Design nötig.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Der Usability-Eisberg [Ro16]
Es stellt sich als große Herausforderung und großen Aufwand dar, ein System und damit die Um- setzung von Funktionalitäten und Aufgaben in Hinblick auf die internen Referenzen, Wünsche, Vorstellungen sowie den Nutzungskontext zu evaluieren und zu konzipieren.
Festzuhalten ist: Ein System ist nutzerfreundlich, wenn es für eine bestimmte Benutzergruppe verständlich ist und intuitiv bedient werden kann.
2.3.2 Messung von Usability
Zur Skalierung der Gebrauchstauglichkeit haben sich diverse summative (d. h. die Bewertung eines Systems gegen Ende des Entwicklungsprozesses) und formative (d. h. die entwicklungsbe- gleitenden Bewertungen) Usability-Evaluationen etabliert. Sie liegen alle der Informationswis- senschaft (vgl. Kapitel 2.1) und der Psychophysik (vgl. Kapitel 2.2.1) zugrunde. Es folgt eine Klassifikation der Evaluationsmethoden für die Usability [SB16].
Empirische Methoden
Bei empirischen Methoden wird die Beschreibungsmenge aus der Wahrnehmungsmenge von tat- sächlichen Nutzern über die Befragung und Beobachtung gewonnen. Darunter fallen die Usabi- lity-Tests (auch Nutzertests oder Benutzbarkeitstests genannt) und das Fragebogenverfahren.
Der Usability-Test als bekannteste Methode lässt sich in induktive Tests (d. h. Evaluationen über ein System oder Prototypen) und deduktive Tests (d. h. Evaluationen über mehrere Alternativen, die miteinander verglichen werden) unterteilen. Ziel der induktiven Tests ist eine Weiterentwick- lung des vorhandenen Systems, wobei die Arbeitssituation möglichst realistisch dargestellt wer- den soll. Bestenfalls sollte der Test an einem realen Ort durchgeführt werden. Die deduktiven Tests zielen hingegen mittels standardisierter Testbedingungen auf die Beurteilung einzelner, un- terschiedlicher Versionen von Systemen bzw. Systemkomponenten ab [SB16].
Empirische Testmethoden wie z. B. kontextuelle Interviews, Fokusgruppen, Online-Befragungen, Remote Usability Tests, Card-Sorting, Usability-Test im Labor, Rapid Prototyping, Eye-Tra- cking, Thinking Aloud und Videoanalyse lassen sich sowohl induktiv als auch deduktiv ausfüh- ren. Als klassisch induktiv gilt u. a. der Agile UX-Test und als klassisch deduktive Methode lässt sich der Multivariate Test nennen [SB16].
Analytische Methoden
Bei analytischen Methoden versuchen Experten, die Wahrnehmungsmenge mittels festgelegter Formalismen in eine numerische Beschreibungsmenge zu überführen. Ein großer Vorteil dieser formativen Methodik ist die mögliche aufgabenanalytische Evaluation ohne zuvor implementierte Funktionen. Ein Experte kann sogar aus dem Lastenheft heraus wichtige Erfolgsfaktoren zur Ge- brauchstauglichkeit herausarbeiten. Zu den bekanntesten Methoden zählt das GOMS-Modell, die Heuristische Evaluation, die Walkthrough-Methode und der Pluralistische Usability Walkthrough. Das GOMS-Modell gliedert durchzuführende Aufgaben in zeitlich begrenzte Pro- zesse und analysiert anschließend deren Bearbeitung [SB16].
Bei der Heuristischen Evaluation wird versucht, stellvertretend für spätere Usability-Probleme der Nutzer eine Gruppe von Evaluatoren mit Expertise im Bereich der zu testenden Domäne in zehn Heuristiken zu kategorisieren. Zu diesen Heuristiken gehören: Sichtbarkeit des Systemsta- tus, Übereinstimmung zwischen System und realer Welt, Benutzerkontrolle und Freiheit, Konsis- tenz und Standards, Fehler vermeiden, Erkennen vor Erinnern, Flexibilität und effiziente Nut- zung, ästhetisches und minimalistisches Design, Unterstützung beim Erkennen, Verstehen und Bearbeiten von Fehlern sowie Hilfe und Dokumentation [SB16].
Bei der Walkthrough-Methode werden einer Gruppe von Experten sowohl eine schriftliche Be- schreibung der Funktionen als auch Mock-Up-Screens zur Gestaltung eines Systems vorgestellt. Die Bewertungen des Vorschlags folgen anschließend nach festgelegten Kriterien.
Es gibt eine Vielzahl von Verfahren, die unter dem Namen (Usability-)Walkthroughs zusammen- gefasst werden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Fragestellungen und Zielsetzungen. Zu den bekanntesten Verfahren zählt der Cognitive Walkthrough, der darauf abzielt, in Erfahrung zu bringen, ob unerfahrenen Nutzern ein schneller Wissenserwerb über Funktionsprinzipien des Sys- tems ermöglicht wird [SB16].
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- Sergio Staab (Autor:in), 2019, Entwicklung eines Analysetools zum Aufbau von Akzeptanzkriterien im Kontext der User Experience von Pflegepersonal, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/511393
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