"Wenn man einem Papagei den Spruch 'fiskalische Austerität, Privatisierung und Marktöffnung' beigebracht hätte, dann hätte man in den achtziger und neunziger Jahren auf den Rat des IWF verzichten können", schreibt Joseph Stiglitz in seinem Buch "Die Schatten der Globalisierung" (Globalization and its discontents, New York 2001), das in 28 Sprachen übersetzt und zum internationalen Bestseller wurde. Stiglitz war 1997 bis 2000 Vizepräsident der Weltbank und hat 2001 den Nobelpreis für Wirtschaft verliehen bekommen. Eine unbezweifelbare Autorität also, die hier spricht. Und es klingt nicht sehr schmeichelhaft. In der Tat fällt Stiglitz Kritik der Politik des IWF vernichtend aus. Der IWF habe in nur wenigen Fällen Erfolge vorzuweisen, vielmehr aber zahlreiche Staaten ruiniert, Finanzkrisen ausgelöst oder zumindest verschärft. Das Bild, welches Stiglitz vom IWF zeichnet, ist derart vernichtend, dass, "könne man vor Scham im Boden versinken, sich in Washington ein Loch auftun müsste." [vgl. Rühle, Alex: www.bücher.de] Neben der theoretischen Auseinandersetzung und Kritik am IWF entwickelte sich der IWF zu einem der zentralen Angriffspunkte weltweiten, zivilgesellschaftlichen Protestes regelmäßig an den Orten, wo die Gipfeltreffen der IWF-Akteure und Finanzminister stattfinden, man spricht auch von den "IMF-Riots". "Fome é Miseria Internacional" (Hunger und Armut international), wurde das portugiesische Kürzel für IWF, FMI, zu Zeiten der brasilianischen Währungskrise von den Demonstranten übersetzt. [vgl. Grefe, Christiane: attac, S. 36]
Mit dieser sehr umstrittenen, brisanten und mächtigen Finanzorganisation, deren eigentliche Aufgabe doch die Wahrung weltwirtschaftlicher Stabilität sein sollte, beschäftigen wir uns im Folgenden und dabei insbesondere mit den Strukturanpassungsprogrammen (SAP), die das zentrale Instrument der IWF-Politik bilden. Hintergründe, Entstehung und die wechselnde Rolle des IWF werden im ersten Teil behandelt. In Teil 2 geht es speziell um SAP. Teil 3 beschäftigt sich mit dem Beispiel Argentinien und in Teil 4 geht es um Kritik und Reformansätze der IWF-Politik.
Inhalt
1 Einleitung
2 Die Konferenz von „Bretton Woods“ - Geburtsstunde des IWF
3 Rollenwandel des IWF nach Bretton Woods
3.1 Strukturanpassungsprogramme (SAP)
3.1.1 Definition und Bedingungen der SAP
3.1.2 Überwachung der Durchführung der SAP
3.2 „Washington Konsens“
4 IWF-Politik am Beispiel von Argentinien
4.1 Die Ausgangssituation
4.2 Die IWF-Anpassungsprogramme auf dem Weg in die Krise
5 Probleme der SAP im Speziellen und des IWF im Allgemeinen
5.1 Beschneidung nationaler Souveränität
5.2 Schema F - Konditionalität
5.3 Falsche Konditionalitäten
5.4 Armutsstrategieanpassungspapiere (PRSP) - Neuanfang in der Strukturanpassungspolitik oder Etikettenschwindel?
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Wenn man einem Papagei den Spruch „fiskalische Austerität, Privatisierung und Marktöffnung“ beigebracht hätte, dann hätte man in den achtziger und neunziger Jahren auf den Rat des IWF verzichten können“ schreibt Joseph Stiglitz in seinem Buch „Die Schatten der Globalisierung“ (Globalization and its discontents, New York 2001), das in 28 Sprachen übersetzt und zum internationalen Bestseller wurde. Stiglitz war 1997 bis 2000 Vizepräsident der Weltbank und hat 2001 den Nobelpreis für Wirtschaft verliehen bekommen. Eine unzweifelbahre Autorität also, die hier spricht. Und es klingt nicht sehr schmeichelhaft.
In der Tat fällt Stiglitz Kritik der Politik des IWF vernichtend aus. Der IWF habe in nur wenigen Fällen Erfolge vorzuweisen, vielmehr aber zahlreiche Staaten ruiniert, Finanzkrisen ausgelöst oder zumindest verschärft. Das Bild, welches Stiglitz vom IWF zeichnet ist derart vernichtend, dass, „könne man vor Scham im Boden versinken, sich in Washington ein Loch auftun müsste.“1
Neben der theoretischen Auseinandersetzung und Kritik am IWF entwickelte sich der IWF zu einem der zentralen Angriffspunkte weltweiten, zivilgesellschaftlichen Protestes regelmäßig an den Orten, wo die Gipfeltreffen der IWF-Akteure und Finanzminister stattfinden, man spricht auch von den „IMF-Riots“. „Fome é Miseria Internacional“ (Hunger und Armut international), wurde das portugiesische Kürzel für IWF, FMI, zu Zeiten der brasilianischen Währungskrise von den Demonstranten übersetzt.2
Mit dieser sehr umstrittenen, brisanten und mächtigen Finanzorganisation, deren eigentliche Aufgabe doch die Wahrung weltwirtschaftlicher Stabilität sein sollte, beschäftigen wir uns im Folgenden und dabei insbesondere mit den Strukturanpassungsprogrammen (SAP), die das zentrale Instrument der IWF-Politik bilden. Hintergründe, Entstehung und die wechselnde Rolle des IWF werden im ersten Teil behandelt. In Teil 2 geht es speziell um SAP. Teil 3 beschäftigt sich mit dem Beispiel Argentinien und in Teil 4 geht es um Kritik und Reformansätze der IWF-Politik.
2 Die Konferenz von „Bretton Woods“ - Geburtsstunde des IWF
Im Juli 1944 wurde in Bretton Woods, New Hampshire, USA, eine Währungs- und Finanzkonferenz der Vereinten Nationen gehalten, deren Ziel es war, ein neues Weltwährungssystem zu schaffen. Delegierte von 44 Staaten nahmen daran teil, um vor dem Hintergrund der Geschehnisse der Weltwirtschaftskrise von 1929-1933 ein neues stabiles und kontrollierbares System zu gestalten. Das zuvor auf dem Goldstandard beruhende Weltwährungssystem war zusammengebrochen, wobei „Inflation, große Kapitalbewegungen und Wechselkursmanipulationen zur Destabilisierung des Finanzsystems beitrugen.“3 Es war zu sehr von einer Abhängigkeit der Wirtschaft von den „Spielregeln“ des Goldstandards geprägt, was letztlich zum Zusammenbruch führen musste. Die wirtschaftlichen Folgen der weltweiten Krise, die sich besonders in einer hohen Arbeitslosigkeit in den Industriestaaten widerspiegelten, waren auch der Auslöser für eine neu entstehende ökonomische Denkrichtung, den Keynesianismus, die in den kommenden Dekaden vorherrschend sein würde.
Auf der Konferenz von Bretton Woods verständigten sich die Vertreter der teilnehmenden Regierungen nun auf ein Währungssystem fester Wechselkurse, das den US-Dollar als Leitwährung hatte. Die Grundidee bestand darin, stabile, aber anpassbare Wechselkurse anzuvisieren, welche von einer eigens dafür eingerichteten internationalen Finanzinstitution überwacht werden sollten. Dies war die Geburtsstunde des Internationalen Währungsfonds (IWF) und neben ihm die der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der Weltbank.
Offiziell wurde der IWF am 27. Dezember 1945 mit der Unterzeichnung eines Übereinkommens durch 29 Länder ins Leben gerufen und nahm seine Finanzoperationen am 1. März 1947 auf.4 Derzeit zählt der Fonds 184 Mitgliedsländer, wobei der Beitritt zum IWF allen Staaten frei steht, die sich vertraglich zu der Einhaltung vereinbarter Regeln und zu enger währungspolitischer Kooperation auf der Grundlage des IWF-Abkommens verpflichten.
Den beiden in Bretton Woods gegründeten Institutionen fielen unterschiedliche Aufgaben zu. Während das Ziel der Weltbank zunächst im Wiederaufbau Europas nach dem Ende des 2. Weltkrieges und später in der „Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von weniger entwickelten Staaten“5 gesehen wurde, ergaben sich für dessen Schwesterorganisation, den IWF, aus dem ausgearbeiteten Übereinkommen folgende Ziele:6
die Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik
- die Stabilität der Wechselkurse fördern
- die Ausweitung und ein ausgewogenes Wachstum des Welthandels erleichtern
- finanzielle Unterstützung der Mitgliedsländer in Zahlungsbilanzschwierigkeiten
- bei der Errichtung eines multilateralen Zahlungssystems mitzuwirken
Dem IWF fiel im neuen Weltwährungssystem fester Wechselkurse somit die Funktion einer Überwachungs- und Interventionsinstanz zu, da der Wechselkurs eine internationale Angelegenheit darstellte und es folglich einer Überwachung der Wirtschaftspolitik und insbesondere der Wechselkurspolitik der Mitgliedsländer bedurfte.
Doch dieses feste Wechselkurssystem sollte nicht auf Dauer bestehen bleiben. Das Bretton Woods-System war von vornherein hierarchisch. „Es sicherte den USA eine hervorgehobene Stellung zu,“7 denn der Dollar war zur wesentlichen Quelle der internationalen Liquidität geworden. Eine ausreichende internationale Liquidität im System aber setzte Defizite der amerikanischen Leistungsbilanz voraus und so kam es, dass im Jahr 1971 bzw. endgültig im Jahr 1973 das System an seinen inneren Widersprüchlichkeiten scheiterte.
Der IWF sollte aber weiterhin seine überaus wichtige Position als Finanzinstitution in der internationalen Währungspolitik behalten. Insbesondere im Zuge der einsetzenden Liberalisierung der Finanzmärkte und des sich stärker verflechtenden Welthandels wurde er vor neue Aufgaben und Probleme gestellt, zu deren Bewältigung es währungs- und finanzpolitischer „Rezepte“ bedurfte.
3 Rollenwandel des IWF nach Bretton Woods
Mit dem Zusammenbruch des Bretton Woods-Systems im Jahre 1973 wurde der IWF eigentlich überflüssig, denn es gab ja kein Wechselkursregime mehr, deren Kurse er zu stabilisieren hatte. Der Schwerpunkt des Engagements unter der Maßgabe der „Unterstützung des Welthandels“8 bei nun freien Wechselkursen konzentrierte sich nach Bretton Woods zunehmend auf die Entwicklungsländer. Dabei ist anzumerken, dass der IWF eigentlich keinen offiziellen Entwicklungshilfeauftrag hat. Dieser fällt der Weltbank zu, welche langfristige Entwicklungsprojekte unterstützen soll, aber der IWF machte sich den Auftrag zu Eigen.
Im Jahre 1982 kam es zur Schuldenkrise der Entwicklungsländer, welche mit der Zahlungsunfähigkeit Mexikos eingeleitet wurde. Der IWF, dessen im Übereinkommen von 1945 verankertes Ziel es ist, „den Mitgliedsländern in Zahlungsbilanzschwierigkeiten die allgemeinen Fondsmittel zeitweilig und unter angemessenen Sicherungen zur Verfügung zu stellen und die Dauer und das Ausmaß der Ungleichgewichte der internationalen Zahlungsbilanzen der Mitgliedsländer zu verringern,“9 übernahm nun eine wichtige Rolle zur Verhinderung einer weltweiten Finanzkrise. Der Fonds - ebenso die Weltbank- begannen „in dieser Situation, das Krisenmanagement als entscheidendes Feld für sich wahrzunehmen.“10
Obwohl das Krisenmanagement der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel zufiel, welche den hochverschuldeten Ländern kurzfristige Überbrückungskredite gewährte, so hatte der IWF doch eine neue entscheidende Bedeutung bekommen. Die Kreditgewährung war nämlich an ein Abkommen zwischen dem Schuldnerland und dem Fonds über ein Stabilisierungsprogramm, so genante Strukturanpassungsprogramme, gekoppelt. Der Handlungsspielraum des IWF erfuhr also mit der Anfang der 80er Jahre einsetzenden Verschuldungskrise eine enorme Erweiterung.
3.1 Strukturanpassungsprogramme (SAP)
3.1.1 Definition und Bedingungen der SAP
SAP bezeichnen „ein Bündel wirtschaftspolitischer Maßnahmen, welche die Länder der Dritten Welt und Osteuropas im Gegenzug für Kredite des IWF durchführen müssen.“11 Diese Auflagen sollen den Entwicklungsländern helfen, ihre Zahlungsbilanzprobleme zu lösen, um das weltwirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Die vorgegebenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen des IWF unterliegen dabei marktwirtschaftlichen Prinzipien, die das Wirtschaftswachstum der verschuldeten Staaten ankurbeln und ihnen Devisen einbringen sollen. Die SAP beinhalten vor allem:12
- Liberalisierung der Märkte für den internationalen Handel und für ausländisches Kapital, somit eine Öffnung für ungehinderte Investitionen
- Privatisierung des öffentlichen Sektors
- Setzen auf exportorientierte Industrialisierung und Drosselung der Importe zur Reduzierung des Leistungsbilanzdefizits
- Abwertung der Währung und Einschränkung der Geldmenge („restriktive Geldpolitik“)
- Abschaffung von Preiskontrollen und Subventionen
- Senkung von Steuern
- Reduzierung der staatlichen Ausgaben (v.a. für soziale Absicherung und Bildung)
- Drastische Senkung der Zahl der Staatsbediensteten und ihrer Bezüge
- Deregulierung vor allem bei den Arbeitsbedingungen und den Löhnen
- Zulassung und Durchführung bevölkerungspoltischer Maßnahmen
Diese Vorgaben des IWF stellen große Eingriffe in die jeweilige Finanz-, Haushalts-, Handels- und Arbeitsmarktpolitik der Schuldnerstaaten dar. Sie zielen auf eine Stabilisierung der Währung, die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerländer und die Ausrichtung ihrer Wirtschaft auf die Anforderungen des Weltmarktes. Die Erfüllung dieser SAP ist zudem eine wesentliche Zugangsvorrausetzung zu weiteren Krediten der Weltbank, von anderen Entwicklungsbanken oder auf dem privaten Kapitalmarkt. Außerdem stellt sie eine Bedingung für einen Schuldenerlass im Rahmen der 1996 beschlossenen Entschuldungsinitiative HIPC (Heavily Indebted Poor Countries) dar. Diese Verknüpfung der Kreditgewährung mit der Durchführung einer solchen Stabilisierungspolitik wird auch als „Konditionalität der IWF-Kredite“13 bezeichnet. Dabei werden die Auflagen für das jeweilige verschuldete Land umso umfangreicher, je höher die Kreditaufnahme wird. Der IWF verfolgt mit dieser Konditionalität der Kredite den Zweck, dass das Schuldnerland in absehbarer Zeit eine ausgeglichenere Zahlungsbilanz erreicht und in der Lage ist, seine IWF-Kredite zurückzuzahlen.
3.1.2 Überwachung der Durchführung der SAP
Der IWF überwacht die Realisierung der von ihm auferlegten SAP folgendermaßen:
- Die Kreditabkommen enthalten bestimmte Erfüllungskriterien für die Beurteilung der Stabilisierungserfolge im Mitgliedsland. Diese sind in den Abkommen zahlenmäßig festgelegt, so werden z.B. Obergrenzen für die Staatsverschuldung, für die Geldschöpfung oder aber für weitere Auslandskredite festgelegt. Es können auch bestimmte Währungsreserven oder bestimmte Abwertungssätze vorgesehen werden.
- Die Einhaltung von weiteren wirtschaftspolitischen Schritten wie z.B. Finanzreformen, Sanierung der öffentlichen Unternehmen wird vom IWF beobachtet.
- Der zugesagte Kredit wird nur in Raten ausgezahlt, so dass eine Nichterfüllung der Maßnahmen zu einer Aussetzung der finanziellen Unterstützung führen kann.
- Die Abkommen zwischen IWF und dem Schuldnerland sind zunächst für ein Jahr abgeschlossen. Dies bedeutet, dass sie kurzfristig abgebrochen werden können, wenn das Mitgliedsland der Verpflichtung nicht nachkommt, d.h. die stabilisierungspolitischen Maßnahmen nicht oder aber erfolglos durchführt.
[...]
1 vgl. Rühle, Alex: www.bücher.de
2 vgl. Grefe, Christiane: attac, S. 36
3 vgl. Copur,B./Schneider A.-K. (2004), S.11
4 vgl. o.V. (2000), S.1
5 vgl. Weeber (2002), .71
6 vgl. o.V. (2000), S.1
7 vgl. Copur,B./Schneider A.-K. (2004), S.14
8 vgl. Weeber (2002), S.68
9 vgl. o.V. (2000), S.1
10 vgl. Copur,B./Schneider A.-K. (2004), S.37
11 vgl. o.V. (2002), S.1
12 vgl. Winter, Johannes, S.2 f.
13 vgl. Bade Onimode: “The IMF, the WB and the African Debt” (1989), S.5
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