Der Wahrheitsgehalt der Kunst und Kulturindustrie bei Theodor W. Adorno


Hausarbeit, 2019

13 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Adornos Kunstverständnis
2.1 Kritik des ästhetischen Relativismus
2.2 Objektiver Wahrheitsgehalt

3. Eigenschaften der Kulturindustrie

4. Gesellschaftskritik und Rettung der Kunst?

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wenn von Ästhetik die Rede ist, dann meist in Gesprächen in denen es um vermeintlich »höhere« Kunst geht, die weit über der sogenannten »Massenkultur« rangiert. Die Trennung zwischen hoher und niederer Kunst scheint heute so selbstverständlich, dass ihre fließenden Übergänge und das Verhältnis, in dem sie sich womöglich bedingen, gar nicht mehr beachtet werden.

Der Philosoph Theodor W. Adorno entwickelte sowohl umfassende Theorien über Ästhetik als auch über das, was er zusammen mit Max Horkheimer als Kulturindustrie bezeichnete. Entgegen eines oft verbreiteten Missverständnisses lehnte Adorno die strikte Trennung zwischen Kunst und Massenkultur jedoch ab. Die Theorie der Kulturindustrie beschäftigte sich nie nur mit dem, was sich abseits von Kunstausstellungen, Museen und Opern abspielte. Dadurch machte sie sich nicht gemein mit reaktionärer Kritik an einer vermeintlich vermassten Gegenwartskultur. Adorno und Horkheimer explizierten stattdessen die Totalität der Kulturindustrie, die alle kulturellen Sphären umfasst, weil deren Ideologieproduktion sich eben auch in avancierter Kunst zeigte: »Die Kritik der Kulturindustrie will also weder die hohe Kunst retten, noch will sie die niedere verbieten. Sie untersucht vielmehr, was mit dem Individuum und dessen Räumen zur Reflexion von gesellschaftlichen Zwängen, die die Kunst bildete, in der spätkapitalistischen Gesellschaft passiert.«[1]

Für Adornos Ästhetik war jedoch zugleich konstitutiv, dass jedes Kunstwerk einen Wahrheitsgehalt habe. Kunst im Allgemeinen habe »die Kraft, das Bestehende zu transzendieren und dadurch als Korrektiv auf den instrumentalisierten Erkenntnisprozess der Menschen zu wirken.«[2]

Ziel dieser Hausarbeit ist es deswegen, die Frage zu beantworten, wie sich die Theorie der Kulturindustrie und Adornos ästhetische Aussagen zueinander verhalten. Das heißt konkret, zu fragen, wie sich das Verhältnis von objektivem Wahrheitsgehalt der Kunst mit Adornos Kritik einer totalen Kulturindustrie zusammenbringen lässt.

Adorno schrieb einst, »daß man im allgemeinen Philosophie nicht dadurch versteht, daß man Widersprüche wegräumt, und auch nicht dadurch, daß man Autoren Widersprüche ankreidet […], sondern dadurch daß man gerade den Wahrheitsgehalt einer Philosophie an der Stelle sucht, wo sie […] in sogenannte Widersprüche sich verwickelt.«[3]

Daran anschließend soll es nicht im Interesse dieser Hausarbeit liegen, den dialektischen Denker Adorno der Widersprüche innerhalb seiner Theorien zu überführen, sondern durch etwaige Widersprüche hindurch der Lösung der Fragestellung näher zu kommen.

Beginnen werde ich damit, Adornos Kunstverständnis genauer vorzustellen. Dazu gehört insbesondere der Nachvollzug seines Postulats vom objektiven Wahrheitsgehalt der Kunst. In seinen Arbeiten ging Adorno in der Explikation eines Theorems oft so vor, dass er es von vornherein mit Gegenargumenten konfrontierte. Deswegen werde ich besonderen Wert darauf legen, Adornos Kritik des ästhetischen Relativismus zu beleuchten.

Wenn ich mich dann konkreter mit dem objektiven Wahrheitsgehalt befasse, werde ich in erster Linie versuchen, ex negativo herauszustellen, was Adorno nicht unter diesem Oberbegriff versteht, um Missverständnissen vorzubeugen.

Daran anschließend wird es mir darum gehen, zentrale Elemente von Adornos Kritik der Kulturindustrie zu untersuchen, ehe ich versuche, beide Theorien zusammenzubringen und genauer zu betrachten, wie Adornos hoher Anspruch an die Kunst sich mit seiner weitreichenden Kunst- und Gesellschaftskritik verträgt.

Zusammenfassend werde ich meine These darlegen, dass die Kulturindustrie grundlegende Eigenschaften von Kunst selbst in Frage stellt und damit auf das Engste mit Adornos Gesellschaftskritik zusammenhängt. Dabei wird sich jedoch auch zeigen, dass die Kulturindustrie ebenso Wahrheitspotentiale in sich vereinen kann.

2. Adornos Kunstverständnis

2.1 Kritik des ästhetischen Relativismus

Ein subjektivistischer Relativismus kommt meist dann zum Ausdruck, wenn gesagt wird, dass das Reden über und die Bewertung von Kunst letztlich im Auge des Betrachters liege. Zur Rechtfertigung der Leugnung der Objektivität von Kunst wird meist auf Begriffe wie Geschmack, Einstellung oder Meinung rekurriert. Die Berufung auf einen Anspruch von Allgemeingültigkeit jedes Kunstwerkes gilt demnach oft als überheblich, elitär und borniert.

Hat der ästhetische Relativismus so meist das Alltagsbewusstsein vieler Menschen auf seiner Seite, weist er genauso einige Schwächen auf, an denen sich insbesondere Adorno stieß. Gegen eine subjektive Ästhetik wendete er ein: »Wer [...] Kunstwerke erlebt, indem er sie auf sich bezieht, erlebt sie nicht.«[4] Adorno leugnet damit keineswegs, dass die subjektive Erfahrung notwendig auf dem Weg zur objektiven Erkenntnis ist, aber sieht die subjektive Erfahrung sich »wider das Ich«[5] vollziehen. Ein emotivistisch-subjektiver Zugang zu Kunstwerken wird demnach der Kunst selbst nicht gerecht, weil es der Objektivität jedes Kunstwerkes widerstreitet, wenn die Rezipienten ihre persönlichen Vorlieben in die Objekte projizieren. Adorno machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass das ästhetische Gefühl der Rezipienten bestenfalls willkürlich, schlimmstenfalls psychologisch determiniert sei.[6]

Die Regung des ästhetischen Gefühls sei stattdessen Reaktion auf den objektiven Gehalt des Kunstwerkes: »Ein Kunstwerk schlägt dann dem Betrachter die Augen auf, wenn es emphatisch ein Objektives sagt.«[7]

Der häufigen Einwände gegen das Postulat einer ästhetischen Wahrheit ist Adorno sich bewusst gewesen: Doch Diskussionen über Ästhetik würden zeigen, »daß die Menschen, die am meisten sagen, daß sich über den Geschmack nicht streiten lasse, die sind, die am allermeisten über den Geschmack streiten.«[8]

Daran lässt sich zeigen, dass der subjektive Relativismus entweder nur inkonsequent sein kann, indem er sich in ästhetische Streitigkeiten verwickelt, oder aber, dass er die Ästhetik zu einer Tätigkeit herabsetzt, in deren Sinne die Kunst letztlich »ein an sich beliebiger, für die anderen gleichgültiger und womöglich historisch rückständiger Zeitvertreib« sei.[9]

Dabei sei es der »Wahrheitsanspruch der Kunst, der allein doch jene Größe von Kunstwerken legitimierte.«[10]

Im Umkehrschluss wäre es allerdings ebenso falsch zu behaupten, Adorno postuliere unveränderliche ästhetische Werte, an denen sich Kunstwerke stets messen lassen: »Der Begriff einer solchen Wertphilosophie […], der scheint mir unvereinbar eben mit der geschichtlichen Erfahrung und gerade auch mit der Erfahrung dessen, was sich verbindlich in der Kunst selber zuträgt.«[11]

Adorno nimmt stattdessen eine dialektische, ambivalente Position ein: »Der einzige Weg in die Objektivität ist die innere Zusammensetzung der Sache, das kategoriale Gefüge [...], das ein jedes Kunstwerk in sich selbst darstellt.«[12]

Objektivität setzt also die Fähigkeit zur Erfahrung, zur regelrechten Versenkung des Individuums in das Kunstwerk, voraus.

2.2 Objektiver Wahrheitsgehalt

Der Begriff des objektiven Wahrheitsgehaltes kann nicht kurz und knapp definiert werden, beherbergt er doch die Möglichkeit von einigen Missverständnissen. Um diesen vorzubeugen, soll hier auf einige mögliche Definitionen eingegangen werden, die alle nicht den Kern des Wortpaars treffen. Diese systematische Herangehensweise erscheint mir auch deshalb geboten, weil die Ästhetische Theorie selbst vielmehr einer »weniger argumentierend herleitende[n] als konstatierende[n], in hohem Grade sentenzenhafte[n] Darstellungsweise«[13] folgt, wodurch sich kein klar strukturierter Aufbau findet, an dem sich Adornos Gedankengänge einfach nachverfolgen lassen.

Im vorigen Unterkapitel wurde bereits deutlich, dass die Wahrheit von Kunst für Adorno nicht im sinnlich-subjektiven Wohlgefallen oder eines bloßen Geschmacksurteils liegt.

Deutlich macht Adorno aber ebenfalls, dass mit objektivem Wahrheitsgehalt nicht die vom Künstler forcierte Intention im Kunstwerk gemeint ist. Gegenteilig gäbe es gar eine »Differenz von Wahrheit und Intention«.[14] Adornos Vorrang des Objekts[15] zeigt sich also auch daran, dass Kunstwerke als autonom, also als unabhängig von Ursprung und Rezeption, beschrieben werden: »Kunst ist deshalb nicht von der Einfühlung her zu fassen, weil sie Kunst überhaupt wird durch das, was mehr ist als das, was das Subjekt bloß in sie hineingetan hat, durch das, was also über die Zufälligkeit auch des je einzelnen Künstlers hinausgeht.«[16]

Ebenso wenig versteht Adorno unter objektivem Wahrheitsgehalt die realitätsgerechte Wiedergabe des Vorhandenen, beispielsweise in einem originalgetreuen Bild. Kunst sei dagegen »so wenig Abbild wie Erkenntnis eines Gegenständlichen«[17], weil sie über das Bestehende hinausgehe, was wiederum ihren kritischen Charakter ausmache: »Der Wahrheitsgehalt der Kunstwerke ist fusioniert mit ihrem kritischen.«[18]

[...]


[1] Lederer, Karin (Hrsg.). Zum aktuellen Stand des Immergleichen: Dialektik der Kulturindustrie - Vom Tatort zur Matrix. Berlin: Verbrecher-Verl., 2008. S.13.

[2] Wiebel, Andreas. Zeitschrift für philosophische Literatur. Bd. 3. Nr. 1. (2015). S. 33.

[3] Adorno, Theodor W.; Tiedemann, Rolf (Hrsg.). Metaphysik: Begriff und Probleme.

Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2006. S. 83.

[4] Adorno, Theodor W.; Adorno, Gretel (Hrsg.); Tiedemann, Rolf (Hrsg.). Ästhetische Theorie. 4. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1980. S. 365.

[5] Ebd.

[6] Vgl. Adorno, Theodor W.; Ortland, Eberhard (Hrsg.). Ästhetik (1958/59). Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2017. S. 280f.

[7] Adorno. Ästhetische Theorie. S. 409.

[8] Adorno. Ästhetik (1958/59). S. 18.

[9] Adorno. Ästhetische Theorie. S. 394.

[10] Ebd.

[11] Adorno. Ästhetik (1958/59). S. 18.

[12] Ebd. S. 20.

[13] Hamburger, Käte. Wahrheit und ästhetische Wahrheit. Stuttgart: Klett-Cotta, 1979. S. 77.

[14] Adorno. Ästhetische Theorie. S. 195.

[15] Vgl. Klein, Richard (Hrsg.); Kreuzer, Johann (Hrsg.); Müller-Doohm, Stefan (Hrsg.). Adorno-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. 2. Aufl. Stuttgart: J.B. Metzler, 2019. S. 532.

[16] Adorno. Ästhetik (1958/59). S. 337.

[17] Adorno. Ästhetische Theorie. S. 425.

[18] Ebd. S. 59.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Der Wahrheitsgehalt der Kunst und Kulturindustrie bei Theodor W. Adorno
Hochschule
Universität Leipzig
Note
1,3
Jahr
2019
Seiten
13
Katalognummer
V511497
ISBN (eBook)
9783346083708
ISBN (Buch)
9783346083715
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Adorno, Kulturindustrie, Ästhetik
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Der Wahrheitsgehalt der Kunst und Kulturindustrie bei Theodor W. Adorno, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/511497

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