Die Würde des Menschen, die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau bilden die Basis unserer modernen Gesellschaft.
Wir leben in einer Zeit der Freiheit und Autonomie, in der sich der Fokus zunehmend auf das einzelne Subjekt und dessen Lebensqualität gerichtet hat. Das Geschlecht spielt hierbei eine immer unbedeutendere Rolle, sodass sowohl Männer als auch Frauen nahezu sämtliche Möglichkeiten der Selbstverwirklichung besitzen. Es ist schwer vorstellbar, dass eben diese Gleichstellung und Unabhängigkeit eine Errungenschaft ist, die in der menschlichen Entwicklungszeit einen verschwindend geringen Zeitraum einnimmt. Auf Grund dieser Tatsache stellt sich aber auch die Frage, wie die Geschlechterrollen, die in Deutschland jahrhundertelang in beachtlichem Maße durch das Christentum und die Ehe geprägt worden sind, vor dieser Zeit betrachtet wurden.
Das Genre der Fastnachtsspiele kann hierbei interessante Einblicke ermöglichen, da weltliches Schauspiel, implizite Gesellschafts- und Kleruskritik und ein beschränkter öffentlicher Rahmen, beispielsweise die Aufführung in privaten Räumlichkeiten oder Wirtshäusern, aufeinandertreffen. Die zielgerichtete Normverkehrung und drastische Übertreibungen als stilistische Mittel boten den Verfassern die Möglichkeit, das Publikum sowohl zu unterhalten als auch einen moralischen Appell an selbiges zu richten. Nicht selten behandeln die Fastnachtsspiele deshalb auch private Themen wie Eifersucht, Untreue und die Rollenverteilung in der Ehe, die auf höchst humoristische Weise in Szene gesetzt werden. Die Darstellung verschiedenster Schreckensszenarien des alltäglichen Lebens, die bei Nichteinhaltung gewisser Normen und Regeln eintreten könnten, sind hierbei ebenso typisch wie die Wiederherstellung der Ordnung und die Aufforderung zur Geselligkeit am Ende des Schauspiels.
Eine Festlegung auf Hans Sachs als Verfasser der Fastnachtsspiele erscheint vor dem Hintergrund seines Schaffenszeitraums, inmitten des reformatorischen Umbruchs im 16. Jahrhundert, bei dem die Dichtkunst aus ihrer ästhetischen Selbstgenügsamkeit heraustrat und zum Forum aktueller Lebensfragen der Epoche wurde, als sinnvoll.
Hans Sachs, der im Laufe seines Lebens rund 6000 Werke, darunter 85 Fastnachtsspiele, veröffentlichte und bereits früh seine Sympathie für Luther öffentlich bekundete, verbindet damit ein für diese Fragestellung vielversprechendes Genre mit einer breiten Anzahl an möglichen Quelltexten.
Inhaltsverzeichnis
- Hinführung und Methodik
- Eheverständnis und Geschlechterverständnis im Wandel
- Die private Bedeutung und Wichtigkeit der Ehe
- Hans Sachs und die Fastnachtsspiele im Kontext
- Gesellschaft, Religion und Ehe in Einklang
- Die stereotypischen Figuren
- Die listige und intrigante Ehefrau
- Der einfältige und eifersüchtige Ehemann
- Moralische Appelle an die Ehepartner
- Die Ideale Rollenverteilung in den Fastnachtsspielen
- Fazit und Deutungsmöglichkeiten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Sichtweise des Nürnberger Meistersingers Hans Sachs auf Geschlechterrollen und Ehe im Kontext der Reformation im 16. Jahrhundert. Sie untersucht, wie Sachs’ Werke, insbesondere seine Fastnachtsspiele, ein konservatives Geschlechterverständnis widerspiegeln, das den Mann in einer dominanten Position darstellt.
- Die Rolle der Ehe im Wandel des 16. Jahrhunderts
- Die Bedeutung von Gesellschaft und Religion für die Geschlechterrollen
- Die Ideale Rollenverteilung in der Ehe nach Sachs’ Auffassung
- Der Einfluss der Reformation auf das Eheverständnis
- Die Verwendung von Stereotypen in den Fastnachtsspielen
Zusammenfassung der Kapitel
- Hinführung und Methodik: Dieses Kapitel stellt die Fragestellung der Arbeit vor und skizziert die Methodik, die zur Analyse der Geschlechterrollen und des Eheverständnisses in Hans Sachs' Fastnachtsspielen verwendet wird.
- Eheverständnis und Geschlechterverständnis im Wandel: Dieses Kapitel beleuchtet die gesellschaftlichen und religiösen Veränderungen im 16. Jahrhundert, die sich auf das Eheverständnis und die Geschlechterrollen auswirkten. Es untersucht die Rolle der Reformation in der Entwicklung der Ehe als weltliche Institution und wie sie das traditionelle Geschlechterbild beeinflusste.
- Die private Bedeutung und Wichtigkeit der Ehe: Dieses Kapitel untersucht die Bedeutung der Ehe im privaten Bereich und die Auswirkungen auf das Individuum. Es betrachtet die Sichtweise der Reformation auf die Ehe und deren Einfluss auf die soziale und ökonomische Ordnung der Zeit.
- Hans Sachs und die Fastnachtsspiele im Kontext: Dieses Kapitel beleuchtet Hans Sachs und sein Schaffen im Kontext der Reformation. Es analysiert die Bedeutung seiner Fastnachtsspiele als Spiegelbild der damaligen Gesellschaft und die Darstellung von Geschlechterrollen und Ehe in diesen Werken.
- Die Ideale Rollenverteilung in den Fastnachtsspielen: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Darstellung der Geschlechterrollen in Hans Sachs' Fastnachtsspielen und analysiert die idealisierte Rollenverteilung zwischen Mann und Frau in seinen Werken.
Schlüsselwörter
Hans Sachs, Fastnachtsspiele, Reformation, Ehe, Geschlechterrollen, Stereotype, Moral, Gesellschaft, Nürnberg, Rollenverteilung, Patriarchat, Eifersucht, Untreue.
- Arbeit zitieren
- Chris Zemmel (Autor:in), 2019, Geschlechterrollen und Eheverständnis in den Fastnachtsspielen des Hans Sachs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/511651