Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung anhand eines Callcenters. Betriebliche Gesundheitsförderung


Akademische Arbeit, 2019

42 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhalt

1 Einleitung

2 Definitionen
2.1 Gefährdungsbeurteilung nach GDA-Leitlinie
2.2 Psychische Belastung nach DIN EN ISO 10075-
2.3 Psychische Beanspruchung nach DIN EN ISO 10075-
2.4 Beanspruchungsfolgen nach DIN EN ISO 10075-

3 Theoretischer Hintergrund
3.1 Branche Call Center
3.2 Psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt

4 Das fiktive Unternehmen ,,PremiumCall‘‘
4.1 Beschreibung des Betriebs
4.2 Vorhandene Strukturen im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements
4.3 Motivation zur Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung

5 Psychische Gefährdungsbeurteilung
5.1 Vorbereitung und Planung
5.2 Erfassung von Arbeitsbereichen und Tätigkeiten
5.3 Ermittlung von Gefährdungen
5.3.1 Merkmalsbereiche
5.3.2 Verfahren und Methoden zur Datenerhebung
5.4 Beurteilung der Gefährdungen
5.4.1 Beurteilung der Lärmbelastung und der Akustik
5.4.2 Beurteilung der mangelhaften Zusammenarbeit
5.5 Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen
5.5.1 Maßnahmen gegen Lärmbelastung und schlechte Akustik
5.5.2 Maßnahmen gegen mangelhafte Zusammenarbeit innerhalb der Belegschaft
5.6 Prüfung der Wirksamkeit
5.7 Aktualisierung und Fortschreibung
5.8 Dokumentation

6 Fazit

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Anhang

1 Einleitung

52% der deutschen Betriebe führen laut der Geschäftsstelle der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz (2017: 29) eine Gefährdungsbeurteilung durch. Gründe für die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung sind weitreichend. Allerdings steht ein Aspekt im Vordergrund: Die gesetzliche Verpflichtung. Die Basis für die Einführung einer solchen gesetzlichen Maßnahme in deutsche Betriebe, stellt die EU-Rahmenrichtlinie RL 89/391 EWG im Artikel 5 (1) zum Arbeitsschutz aus dem Jahr 1989 dar. Diese besagt, dass der Arbeitgeber dafür zuständig ist, in allen Bereichen der Arbeit für die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sorgen. Hierzu gehört auch die psychische Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Die Umsetzung der EU-Richtlinie in Form eines deutschen Gesetzes spiegelt sich im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) wider, welches 1996 in Kraft getreten ist (Treier, 2019: 13 f). Laut ArbSchG ist der Arbeitgeber seitdem verpflichtet arbeitsbedingte Gefährdungen zu beurteilen und geeignete arbeitsschutzbezogene Maßnahmen zu ermitteln (§ 5 Abs. 1 ArbSchG). Die psychischen Belastungen fanden anfangs keine explizite Berücksichtigung. Dies änderte sich 2013 mit der Überarbeitung des § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (Treier, 2019: 13 f.). Unter Absatz 3 wurde als zu berücksichtigende Belastung ,,psychische Belastungen bei der Arbeit‘‘ ergänzt (§ 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG).

Eine Gefährdungsbeurteilung dient als essentieller Impulsgeber für die Einführung von Maßnahmen zur dauerhaften Abnahme von Berufskrankheiten, arbeitsbedingten Unfällen und Gesundheitsrisiken (Duve, 2010: 12).

Um die rechtlichen Forderungen zu erfüllen und gleichzeitig im Betrieb eine positive Entwicklung hinsichtlich der Gesundheit, AU-Tage und Fluktuation zu erzielen, wird in der folgenden Arbeit eine psychische Gefährdungsbeurteilung in dem fiktiven Betrieb ,,PremiumCall‘‘ durchgeführt. Es stellt sich die Frage: Wie können im Rahmen einer psychischen Gefährdungsbeurteilung die AU-Tage und die Fluktuationsrate in einem Blended Center reduziert werden?

Um die Forschungsfrage angemessen und kontextgebunden beantworten zu können, werden vorerst wichtige Begrifflichkeiten definiert. Anschließen wird die Branche ,,Call Center‘‘ und das fiktive Unternehmen ,,PremiumCall‘‘ vorgestellt. Anhand dieses Unternehmens werden die wesentlichen Schritte einer psychischen Gefährdungsbeurteilung aufgezeigt und angewendet. Aus den Forschungsergebnissen der Gefährdungsbeurteilung, werden Maßnahmen abgeleitet und im Betrieb implementiert. Zuletzt sollen wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung in einem Fazit aufgezeigt werden.

2 Definitionen

Im Folgenden werden Begrifflichkeiten, in Anlehnung an allgemein anerkannte Definitionen, erläutert, die innerhalb der Arbeit eine tragende Rolle spielen und von besonderer Wichtigkeit sind. Dazu zählen die Begriffe ,,Gefährdungsbeurteilung‘‘, ,,psychische Belastung‘‘, ,,psychische Beanspruchung‘‘ und ,,Beanspruchungsfolgen‘‘.

2.1 Gefährdungsbeurteilung nach GDA-Leitlinie

Eine Gefährdungsbeurteilung ist eine systematische Ermittlung und Bewertung von relevanten Gefährdungen, welchen Beschäftigte ausgesetzt sind. Eine Gefährdungsbeurteilung zielt darauf ab, im Rahmen der Arbeit erforderliche Maßnahmen für die Gesundheit und die Sicherheit festzulegen. Die Gefährdungsbeurteilung betrachtet alle voraussehbaren Arbeitsabläufe und Tätigkeiten im Betrieb (Geschäftsstelle der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz, 2017: 10).

2.2 Psychische Belastung nach DIN EN ISO 10075-1

,,Psychische Belastung wird verstanden als die Gesamtheit der erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und auf ihn psychisch einwirken. Sie sind neutral.‘‘ (ISO 10075-1, 2017) (siehe Abbildung 1)

Abbildung 1: Folgen von Belastung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, 2013: 9)

Psychische Belastung ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung allerdings nur relevant, wenn von ihr eine Gefährdung für die Gesundheit der Beschäftigten ausgeht (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 2013: 8).

2.3 Psychische Beanspruchung nach DIN EN ISO 10075-1

,,Psychische Beanspruchung wird verstanden als die individuelle und unmittelbare Auswirkung psychischer Belastung auf den Beschäftigten, zum Beispiel auf seine Aufmerksamkeit und Wahrnehmung, Denk- und Gedächtnisleistungen, Gefühle und Empfindungen, in Abhängigkeit von seinen individuellen Voraussetzungen und seinem Zustand. Sie können positiv oder negativ sein.‘‘ (ISO 10075-1, 2017) (siehe Abbildung 1)

2.4 Beanspruchungsfolgen nach DIN EN ISO 10075-1

,,Die Beanspruchungsfolgen sind langfristige Auswirkungen dauerhafter psychischer Beanspruchung. Sie können wiederum positiv oder negativ sein.‘‘ (ISO 10075-1, 2017) (siehe Abbildung 1)

3 Theoretischer Hintergrund

Im folgenden Abschnitt werden die branchenspezifischen Merkmale und die häufigsten Formen von Call Centern beschrieben. Im zweiten Teil wird Bezug auf die Bedeutung von psychischen Erkrankungen in der Arbeitswelt genommen.

3.1 Branche Call Center

Call Center, zu Deutsch Kundenberatungszentren, haben vor allem eine zentrale Aufgabe: Kommunikation. Sie sind Dienstleistungsunternehmen, welche verschiedene Wege der Kommunikation nutzen. Dabei können zur Vermittlung bestimmter Informationen verschiedene Kanäle verwendet werden. Die klassische Kommunikation findet am Telefon statt. Allerdings wird in den letzten Jahren die vielseitige Multi-Channel-Kommunikation immer wichtiger. Diese besteht beispielsweise aus E-Mail, Chats, Facebook, WhatsApp oder SMS. Mittels technischer Systeme und der Fähigkeiten der Beschäftigten werden sowohl Wünsche, Anliegen, Aufträge und Anfragen koordiniert und bearbeitet, als auch diverse Dienstleistungen und Produkte vermarktet (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, 2017: 14).

Es gibt vier geläufige Variationen des Call Centers. Das Inbound-Callcenter, bei welchem Kontakt von außen erwartet wird, ist zum Beispiel zuständig für den klassischen Kundendienst. Das Outbound-Callcenter, bei welchem der Kontakt von innen nach außen aufgenommen wird, beschäftigt sich beispielsweise mit telefonischer Vermarktung von Produkten (Herzog, 2017: 6 ff.). Das virtuelle Callcenter, das eine spezielle Software namens ,,Cloud-Computing‘‘ als Basis nutzt, bildet sich aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an verschiedenen Standorten und dient häufig als kosteneffiziente Lösung für Berater- und Servicehotlines (Herzog, 2017: 14 f.). Das Blended Center ist die komplexeste Form und kombiniert häufig Inbound- und Outboundtätigkeiten. Zudem werden mit Hilfe von technischen Mitteln vielfältige Kommunikationskanäle verwendet und eine große Bandbreite an Dienstleistungsformen angeboten (Herzog, 2017: 11 f.).

3.2 Psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt

Psychische Erkrankungen spielen in der heutigen Arbeitswelt eine gravierende Rolle. Sie belegen mit 16,7 % die zweite Stelle hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Krankenstand (Siehe Abbildung 2). Sie sind für 249,9 Arbeitsunfähigkeitstagen, kurz AU-Tage, pro 100 Versicherte und pro Jahr verantwortlich (Burgart et al., 2018: 7). Psychische Erkrankungen gehören laut epidemiologischer Studien zu den kostenintensivsten und häufigsten Erkrankungen. Ein Grund für die hohen Kosten ist die hohe durchschnittliche Erkrankungsdauer mit 35,5 Tagen (Burgart et al., 2018: 19).

Abbildung 2: Anteile der zehn wichtigsten Krankheitsarten an den AU-Tagen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Eigene Darstellung nach Burgart et al., 2018: 19)

4 Das fiktive Unternehmen ,,PremiumCall‘‘

Im Folgenden wird das fiktive Unternehmen ,,PremiumCall‘‘ mit seinen Eigenschaften und Arbeitsstrukturen vorgestellt. Insbesondere werden die im Betrieb vorhandenen Strukturen und das Steuerungsgremium im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements präsentiert. Schließlich werden die Motivationsgründe für die Durchführung der psychischen Gefährdungsbeurteilung angegeben.

4.1 Beschreibung des Betriebs

Die vorliegende Gefährdungsbeurteilung wird bei einem fiktiven Blended Center in Fulda namens ,,PremiumCall‘‘ angewendet, welches im Jahr 2016 gegründet wurde. Angesiedelt ist das Unternehmen in der Fuldarer Innenstadt auf der zweiten Etage eines mehrstöckigen Gebäudes. Es handelt sich um ein Großraumbüro mit 200 Beschäftigten, davon sind 160 Personen Call Center Agentinnen oder Agenten. Eine normale Arbeitsschicht umfasst 8 Stunden. Es wird zu zwei Schichten zwischen 6:00 Uhr morgens und 22:00 Uhr abends gearbeitet. Das Kundenberatungszentrum steht im Dienst des Versandhandels Otto. Zum einen umfasst der Service die klassischen Aufgabenfelder des Kundenservices: Agentinnen und Agenten reagieren auf die Anrufe und Emails von Kundinnen und Kunden, welche Fragen, Beschwerden und Wünsche bezüglich Produkte, Lieferung, Zahlungsabwicklung und Reklamation haben. Zum anderen kümmern sich die Beschäftigten um die Vermarktung der Produkte des Unternehmens. Dafür kontaktieren sie Bestandskundinnen und -kunden via Telefon oder Computer über neue Aktionen und Produkte.

4.2 Vorhandene Strukturen im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements

Im Unternehmen sind bereits Ansätze für Konzepte des betrieblichen Gesundheitsmanagements vorhanden. Bisher wurde im Betrieb jedoch noch keine psychische Gefährdungsbeurteilung durchgeführt. Es existiert ein Steuerungsgremium im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements, kurz BGM, und des Arbeitsschutzes. Dieses setzt sich vor allem aus internen Akteuren zusammen. Dazu zählt eine Fachkraft für Arbeitsschutz, ein Betriebsarzt, vier wesentliche Führungskräfte, zwei Vertreterinnen und zwei Vertreter der Call Center Agentinnen und Agenten und zwei Vertreter des Betriebsrates. Außerdem sind ein externer Experte der Unfallkrankenkassen und ein externer Gesundheitsförderer vertreten.

4.3 Motivation zur Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung

Eine auffällig hohe Fluktuationsrate und zahlreiche Arbeitsunfähigkeitstage, der Call Center Agentinnen und Agenten geben Anlass zu einer gründlichen Untersuchung der Ursache: Die Fluktuationsrate bei den Vollbeschäftigten beträgt 30 % pro Jahr. Durchschnittlich kommt es pro Agentin und Agent zu 30 AU-Tagen im Jahr. Es sollen Möglichkeiten gefunden werden, das Wohlbefinden insbesondere der Agentinnen und Agenten zu verbessern, um die Leistungsfähigkeit zu optimieren und um die Fluktuationsrate und die AU-Tage deutlich zu reduzieren. Hinzu kommt die gesetzliche Verpflichtung laut §5 Arbeitsschutzgesetz, die das Unternehmen dazu auffordert, die Gefahren innerhalb des Betriebes ausfindig zu machen und diese zu reduzieren oder zu beseitigen. Aufgrund der genannten Probleme wird eine umfassende Gefährdungsbeurteilung durchgeführt. Hierbei beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf die psychischen Gefahren, die auf die Agentinnen und Agenten wirken. Dem liegt zu Grunde, dass die übermäßige psychische Beanspruchung durch die Arbeit als häufigste Ursache für die AU-Tage und die Fluktuation von den Beschäftigten genannt wurde. Zudem werden nur zwei der Gefahren und entsprechende Maßnahmen im Betrieb inhaltlich genauer ausgeführt. Dies ist dem vorgegebenen Umfang der Hausarbeit geschuldet.

5 Psychische Gefährdungsbeurteilung

Zur Lösung des eben beschriebenen Problems soll das vorgestellte fiktive Unternehmen anhand einer psychischen Gefährdungsbeurteilung auf psychische Gefahrenquellen untersucht werden. Die Gefährdungsbeurteilung besteht aus der Vorbereitung und Planung und einem zirkulären Prozess aus sieben Schritten (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Schritte einer Gefährdungsbeurteilung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quellen: Eigene Darstellung in Anlehnung an Beck et al., 2017: 7 ff.)

5.1 Vorbereitung und Planung

Vor Beginn einer Gefährdungsbeurteilung steht die Vorbereitung und die Planung im Fokus. Diese dient als Ausgangspunkt und Basis für eine gelingende Gefährdungsbeurteilung. Im Rahmen dieser werden alle wesentlichen Akteure des Steuerungsgremiums im Bereich BGM und Arbeitsschutz über das Thema psychische Belastungen und die Gefährdungsbeurteilung informiert. Dabei werden die Mitwirkenden über das geplante Vorgehen, Begrifflichkeiten und die Untersuchungsgegenstände aufgeklärt. Um die Belegschaft über das Thema zu informieren und dafür zu sensibilisieren, werden vermehrt Aushänge, sowohl in der Firma, als auch im Intranet, angebracht und eine Personalversammlung veranlasst (Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, 2015: 6). Es wird darauf geachtet, dass der einbezogene Personenkreis über ausreichend Wissen bezüglich der verschiedenen Arbeitsaufgaben und -anforderungen des Betriebs verfügt. Darüber hinaus sind für die Durchführung der psychischen Gefährdungsbeurteilung noch weitere Kenntnisse von Nöten. Die beteiligten Akteure sollen über die tätigkeitsspezifischen psychischen Belastungsfaktoren, welche unter 6.3.1 ausgeführt werden, über methodisches Wissen zur Erforschung und über die Bewertung von psychischen Belastungen und Strategien zur gesunden Arbeitsgestaltung verfügen. Falls die notwendigen Fachkenntnisse nicht vorhanden sind, werden sie im Rahmen einer Schulung durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit vermittelt (Beck et al., 2017: 7).

5.2 Erfassung von Arbeitsbereichen und Tätigkeiten

Im ersten Schritt des Prozesses geht es darum, Tätigkeiten und Bereiche festzulegen, die bewertet und untersucht werden sollen. Es werden die Arbeitsfelder zusammengefasst, welche eine ähnliche oder gleiche Belastung auf die Psyche ausüben. Diese können anschließend gemeinsam bewertet werden (Beck et al., 2017: 8). Im Rahmen dieser Gefährdungsbeurteilung sollen die Tätigkeiten und Arbeitsplätze von Call Center Agentinnen und Agenten auf psychische Gefahren und negative Beanspruchungen mit Beanspruchungsfolgen untersucht werden. Die Tätigkeiten umfassen vor allem die Vermittlung von Informationen an Kundinnen und Kunden über Multi-Channel-Kanälen unter Verwendung von geeigneter Technik. Der Arbeitsbereich sind die Büroplätze im Großraumbüro.

5.3 Ermittlung von Gefährdungen

Im zweiten Schritt soll die genaue Vorgehensweise und Methodik zur Erfassung der psychischen Belastungsfaktoren innerhalb der gewählten Tätigkeiten und Bereiche festgelegt werden. Bei der nationalen Arbeitsschutzkonferenz wurde innerhalb der Leitlinie ,,Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz‘‘ gefordert, verschiedene Merkmalsbereiche und Inhalte bei einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen zu beachten. Darunter fallen Arbeitsinhalt und Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen und Arbeitsumgebung (Geschäftsstelle der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz, 2017: 21 ff.). Diese werden im weiteren Verlauf unter 6.3.1 genauer ausgeführt. Durch eine intensive Vorbereitung und Recherche nach branchenspezifischen Gefahrenquellen, werden verschiedene Datenerhebungen mit Augenmerk auf die folgenden möglichen Probleme durchgeführt. Dabei wird allerdings Freiraum für Probleme, die über die folgenden klassischen Gefahren hinaus gehen, gelassen.

5.3.1 Merkmalsbereiche

Die folgenden Belastungen aus den vier unterschiedlichen Merkmalsbereichen, sind häufig in Call Centern anzutreffen. Daher wird diesen im Rahmen der Untersuchung besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Der erste Punkt, den es zu betrachten gilt, bezieht sich auf die Arbeitsaufgabe und den Arbeitsinhalt von Agentinnen und Agenten. Die Prozesse und Abläufe der Arbeit im Call Center sind meist stark arbeitsteilig und einseitig. Diese müssen in vorgegebener Zeit bewältigt werden und stehen unter ständiger Überwachung. Die Steuerung der Abläufe schränkt die Agenten oft sowohl in ihrer Freiheit, als auch in ihren Gestaltungsmöglichkeiten stark ein. Das heißt, es gibt weder inhaltlich, noch zeitlich genügend Handlungsspielraum. Dazu kommt, dass Verantwortlichkeiten meist nur mangelhaft geklärt und ungleichmäßig verteilt sind. Informationen sind entweder nur ungenügend oder übermäßig vorhanden. Des Weiteren sind Angestellte für bestimmte Aufgaben oftmals über- oder unterqualifiziert. Daraus können verschiedene Risiken für die Gesundheit und Fehlbeanspruchungen resultieren. Darunter fallen vor allem Stress, Monotonieempfindung, kognitive Ermüdung oder psychische Störungen, wie Angststörung und Depressionen (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, 2017: 19).

Ein weiterer zu beachtender Merkmalsbereich ist die Arbeitsorganisation. Dabei können im Call Center widersprüchliche Anforderungen zu einer kritischen Ausprägung gehören. Dazu kommt es, wenn Verantwortlichkeiten, Entscheidungs- und Weisungsgewalt, sowie Aufgaben nicht eindeutig zugeteilt und vermittelt werden. Zusätzlich können mangelnde Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten zu Fehlzeiten, Fluktuation und Demotivation führen. Eine schlechte Gestaltung des Zeitplans, die ein mangelhaftes Schichtsystem mit konstanter Mehrarbeit und fehlenden Erholungszeiten zur Folge haben kann, fördert überarbeitete Agentinnen und Agenten und somit negative Beanspruchungsfolgen. Ebenso sind Abläufe, die mit einer übermäßigen Arbeitsintensität, einer geringen individuellen Gestaltungsmöglichkeit, ungenügender Kooperation oder Kommunikation einhergehen, mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden. Mangelhafte Schichtsysteme können psychische Störungen, Schlafstörungen und Unfälle zur Folge haben (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, 2017: 16 f.).

Zudem sind soziale Beziehungen innerhalb der Arbeitsstrukturen zu beachten. Dabei sind drei grundlegende Bereiche zu unterscheiden, bei welchen es zu einer kritischen Ausprägung kommen kann. Zum einen kann ein schlechtes Verhältnis zwischen Arbeitskolleginnen und -kollegen zu mangelhafter oder fehlender Unterstützung, zu geringem Vertrauen, zu Streit, zu Mobbing, zu übermäßigem Konkurrenzdenken oder zu Konflikten führen. Zum anderen kann eine unzureichende Beziehung zu Vorgesetzten belastend auf Call Center Agentinnen und Agenten wirken. Dabei können dieselben Faktoren, wie bei Kolleginnen und Kollegen, eine Rolle spielen. Hinzu kommen oft fehlende Anerkennung und Feedback durch die Führungskräfte. Darüber hinaus haben häufig soziale Beziehungen zu Kundinnen und Kunden einen Einfluss auf das Wohlbefinden des Beschäftigten. Zum Beispiel können Belästigungen, Emotionsarbeit und verbale Angriffe zu einer negativen psychischen Beanspruchung von Agenten führen. Die genannten psychischen Gefährdungen fördern das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen und Angststörungen (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, 2017: 20 f.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung anhand eines Callcenters. Betriebliche Gesundheitsförderung
Hochschule
Hochschule Fulda  (University of applied sciences)
Veranstaltung
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
42
Katalognummer
V511720
ISBN (eBook)
9783346091901
ISBN (Buch)
9783346091918
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Wissenschaftliche Arbeit mit Quellenhinweisen Anhang enthält: - Fragebogen zur Mitarbeiterbefragung psychische Gefährdungs- beurteilung - Checkliste zum COPSOQ-Fragebogen - Ein Musterdokumentationsbogen für eine betriebliche Gefährdungsbeurteilung psychischer Gefährdungen der Bayrischen Gewerbeaufsicht
Schlagworte
psychische Gefährdungsbeurteilung, Call Center, Gefährdungsbeurteilung, Fallbeispiel, Blended Center, Arbeitsbelastung, Arbeitsbelastungen, Psychische Belastungen, Arbeitsplatz, Beruf
Arbeit zitieren
Johannes Wiegand (Autor:in), 2019, Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung anhand eines Callcenters. Betriebliche Gesundheitsförderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/511720

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