Der Investitionsstandort Türkei. Eine Potenzialanalyse


Thèse de Bachelor, 2019

64 Pages, Note: 2,7


Extrait


Inhalt

I. Abkürzungsverzeichnis

II. Abbildungsverzeichnis

III. Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und methodisches Vorgehen

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Auslandsinvestitionen
2.1.1 Strukturen einer Auslandsinvestition
2.1.2 Begründung von Auslandsinvestitionen
2.2 Interkulturelles Management
2.2.1 Besonderheiten der türkischen Business-Kultur
2.2.2 „Dos and Don’ts“ der türkischen Business-Kultur

3 Potenzialanalyse
3.1 Primärpotenziale
3.1.1 Naturraum
3.1.2 Demografische Struktur
3.2 Sekundärpotenziale
3.2.1 Die türkische Wirtschaftsstruktur
3.2.1.1 Maschinen- und Fahrzeugbau
3.2.1.2 Erneuerbare Energien
3.2.2 Das Marktpotenzial der ausgewählten Sektoren
3.2.3 Steuern
3.3 Tertiärpotenziale
3.3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen für ausländische Investoren
3.3.2 Politische Rahmenbedingungen

4 SWOT-Analyse

5 Schluss
5.1 Zentrale Ergebnisse
5.2 Beantwortung der Forschungsfrage

Literaturverzeichnis

I. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

II. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: SWOT-Matrix

Abbildung 2: Auslandsinvestition

III. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Entscheidungsmatrix unterschiedlicher Formen der Auslandstätigkeit

Tabelle 2: Die größten Städte in der Türkei 2018

Tabelle 3: Entwicklung des Solarstrommarktes (PV) in der Türkei

Tabelle 4: FDI-Zuflüsse in die Türkei pro Sektor

Tabelle 5: Türkei: Bewertung von Demokratie und Marktwirtschaft

Tabelle 6: Bewertung wahrgenommener Korruption

Tabelle 7: Inflationsrate von 2008 bis 2018

Tabelle 8: Bilaterales Handelsvolumen zwischen Deutschland und Türkei (Mio EUR)

1 Einleitung

Die Internationalisierung eines Unternehmens beschreibt die geografische Ausdehnung wirtschaftlicher Wirksamkeit über nationale Grenzen hinaus und ist geprägt durch den Export von Erzeugnissen, Know-how im Management sowie Technologie oder auch durch ausländische Direktinvestitionen.1 Dabei haben die weltweiten ausländischen Direktinvestitionen seit den 1980er Jahren stärker zugenommen als die weltweiten Exporte im Warenhandel und sind aus ökonomischer Perspektive die bedeutendste Antriebskraft der zunehmenden Vernetzung von Märkten.2

Dies verdeutlicht den hohen Stellenwert ausländischer Direktinvestitionen. Doch bevor ein inländischer Investor eine ausländische Direktinvestition tätigt, sollte vorab die richtige Standortentscheidung getroffen werden. Diese wiederum ist abhängig von einer wirksamen Standortplanung bzw. Standortanalyse.3

Die Türkei zählt zu den 15 wichtigsten Handelspartnern der Bundesrepublik Deutschland4 und es wurde im Jahr 2017 ein bilaterales Handelsvolumen in Höhe von 37.685 Mio. Euro erreicht.5 Die soliden BIP-Wachstumsraten der letzten fünfzehn Jahre haben dazu beigetragen, dass die Türkei zu den zwanzig größten Volkswirtschaften der Welt gehört.6 Aspekte wie der robuste Bankensektor und der kontinuierliche Abbau öffentlicher Verschuldung7 haben dabei geholfen, dass die Ratingagentur „Fitch“ die Türkei im Jahr 2018 auf die Investitions-Sicherheitsstufe „BB“ gestuft hat (zum Vergleich: Der höchstmögliche Ratingcode ist „AAA“ und der niedrigste ist „D“).8 Der Ratingcode „BB“ deutet allerdings auch darauf hin, dass der Sicherheitsgrad eines Landes nicht exakt definiert ist und Verschlechterungen der wirtschaftlichen Lage möglich sind.9

In einer Erhebung der World Bank zum weltweiten „Doing Business Ranking“ werden potenziellen Investoren die Voraussetzungen für ein Investment in der Türkei vorgestellt.10 Auffallend bei den einzelnen Ratingkategorien ist die ungleichartige Art der Bewertung. Bspw. hat das Land in den Rubriken „Zugang zu Elektrizität“ oder „Durchsetzung von Verträgen“ eine vergleichsweise hohe Platzierung erhalten, Platz 55 von 190 und 30 von 190.11 In den Rubriken „Umgang mit Baugenehmigungen“ oder „Umgang mit Insolvenzen“ jedoch liegt die Platzierung der Türkei auf den Rängen 96 von 190 und 139 von 190.12 Diese heterogene Art der Bewertung kann bei potenziellen Investoren für Irritation sorgen. Dabei fällt bei Betrachtung der geografischen Lage des Landes auf, dass die Türkei nicht nur den Zugang zum türkischen Markt bietet, sondern auch den zum zentralasiatischen und arabischen Raum.13 Darüber hinaus spielt die Türkei als Verbindungsland zu großen Energielieferanten wie Russland, Aserbaidschan, Iran und dem Irak sowie als Produktionsstandort für Waren und Dienstleistungen mit europäischem Qualitätsstandard eine bedeutende Rolle für die europäische Wirtschaft.14

So kann ein Investor durch die Gründung einer Tochtergesellschaft wertvolle ökonomische Vorteile erreichen. Zum Beispiel erhöhte Absatzzahlen, verringerte Personal- und Produktionskosten oder auch standortspezifische Wettbewerbsvorteile.15 Hinzu kommt, dass sich die Türkei durch den Ausbau der Infrastruktur und durch die Reduktion der Steuerbelastung für ausländische Investoren (verringerte Körperschafts- und Quellensteuer) als investitionsfreundliches Land präsentiert.16

Zum Themengebiet der internationalen Wirtschaft soll mit Hilfe dieser Bachelor- Abschlussarbeit eine Standort-/Potenzialanalyse des Standorts Türkei durchgeführt werden. Das Ziel ist es herauszufinden, welche ökonomischen, politischen und auch sozioökonomischen Herausforderungen und Chancen einen (deutschen) Investor erwarten. Dabei liegt der Fokus im Bereich der ausländischen Direktinvestitionen, um Investitionspotenziale für mögliche Investoren zu ermitteln und zu evaluieren.

1.1 Problemstellung

Neben dem deutschen Export leisten auch deutsche Auslandsinvestitionen einen wertvollen Beitrag zur wirtschaftlichen Globalisierung.17 Doch obwohl sich bei der Erschließung neuer Absatzmärkte vielfältige und attraktive Wachstumschancen für Investoren ergeben,18 müssen beim Eintritt in neue Märkte zusätzliche Risiken berücksichtigt werden.19 Unklarheiten, welche sich aus Besonderheiten der Globalisierung und durch länderspezifische Merkmale ergeben, können Auslandsinvestitionen gefährden.20 Politische, kulturelle oder wirtschaftliche Diskrepanzen müssen bereits im Vorfeld analysiert und revidiert werden, um möglichen Gefahren vorzubeugen.21

Die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind aufgrund politischer Diskrepanzen angespannt.22 Sowohl der deutsche Auslandsinvestitionsbestand in der Türkei als auch der gemeinsame Warenhandel drohen abzunehmen.23 Seitens der EU wurden bereits Sanktionsdebatten geführt, welche die Türkei als Handels- und Investitionspartner ausschließen könnten.24

Obwohl die Bundesregierung bislang dieses Vorhaben nicht unterstützt,25 wirkt die politische Spannung abschreckend für künftige Investoren.26 Aber auch gegenwärtige Investoren zögern, aufgrund der sensiblen Stimmung die im Land befindlichen Investitionsbestände weiter auszubauen.27

Seitens medialer Berichterstattungen wird der Türkei zudem politische Instabilitäten beigemessen28 und potenzielle Investoren fürchten um die im Land zugestandene Rechtssicherheit.29 So warnte im Jahr 2017 der damalige Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) davor, Investitionen in der Türkei zu tätigen.30 Aus Investorensicht müssen politische Risiken definitiv berücksichtigt werden, deswegen werden Warnungen dieser Art (zwangsläufig) Auswirkungen auf die Investitionsabsichten ausländischer Investoren haben.31

Hinzu kommt, dass vor jeder Auslandsinvestition auch die rein wirtschaftliche Beschaffenheit eines Landes untersucht werden muss, damit sich eine gewinnbringende Investition ergeben kann.32 Beispielsweise stellt die seit 2016 stark zunehmende Inflationsrate33 und der dadurch resultierende Werteverlust der türkischen Lira aktuell ein sog. „Wechselkursrisiko“ dar und ist ein primäres Kriterium bei Investitionsabsichten potenzieller Anleger.34 Denn durch einen Werteverlust der türkischen Lira verändert sich auch das Tauschverhältnis zwischen Lira zu Euro und ein deutscher (oder europäischer) Investor, welcher eine Investition in Euro abgewickelt hat, macht einen Verlust.35 Weitere ökonomische Gefahrenpotenziale entstehen durch Unklarheiten über die Gegebenheiten des türkischen Wirtschafts- oder Steuersystems.36 Doch als Voraussetzung für eine profitable Auslandsinvestition müssen derartige Unklarheiten auf ein Minimum reduziert werden.37

Informationen über den Umfang der Nachfrage, über die Konkurrenz lokaler Mitbewerber, über die Kaufkraft der Verbraucher, über die Branchenstruktur sowie über tarifäre- und nichttarifäre Handelshemmnisse etc. müssen vorab gesammelt und berücksichtigt werden.38

Gegenwärtig jedoch hat Deutschland (zusammen mit den Niederlanden) den höchsten Bestand von ausländischen Direktinvestitionen in der Türkei39 und es existieren inzwischen mehr als 6000 deutsche Unternehmen (bzw. türkische Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung) in der Türkei.40 Die deutschen Direktinvestitionen im Ausland summieren sich auf acht große Zielregionen41 und die Türkei befindet sich in der Zielregion „Ost-/Südosteuropa, Russland, Türkei“.42 Verglichen mit anderen Zielregionen wie beispielsweise der Eurozone, China oder Nordamerika steht diese Region erst an sechster Stelle der deutschen Auslandsinvestitionen.43

Dennoch haben die stabilen Wachstumsraten der letzten zehn Jahre,44 die konsumfreudige Bevölkerung und die Subventionsprogramme zur Förderung ausländischer Direktinvestitionen45 dazu geführt, dass die Türkei zu einem bevorzugten Ziel von ausländischen Direktinvestitionen geworden ist.46 2017 bezog diese Region daher 19 Prozent aller Auslandsinvestitionen von deutschen Industrieunternehmen,47 darunter auch namhafte Großunternehmen wie Bosch, Daimler, Siemens, MAN oder Henkel.48 Vorzugsweise investieren Unternehmen dieser Größenordnung in die Errichtung eines Produktionsstandortes, um von niedrigeren Lohn- und Produktionskosten zu profitieren.49

Genau in diesem Zusammenhang entsteht folgende Problemstellung: Zum einen bietet, wie oben geschildert, der türkische Markt rentable Investitionsmöglichkeiten, die auch weitgehend genutzt werden. Demgegenüber stehen aber auch Risiken, welche bei Investitionen in der Türkei abschreckend wirken und dafür Sorge tragen, dass es Investoren gibt, welche den Schritt in den türkischen Markt meiden.50

1.2 Zielsetzung und methodisches Vorgehen

Aus der dargelegten Problematik ergibt sich folgende Fragestellung und Zielsetzung:

Ist von einer Investition in der Türkei aufgrund zu hoher länderspezifischer Risiken abzuraten oder sind die vorherrschenden Bedingungen geeignet genug, dass durch eine Direktinvestition ein nachhaltiger Gewinn erzielt werden kann?

Mit Hilfe einer Potenzialanalyse werden die ertragreichsten türkischen Wirtschaftsbranchen untersucht, um deren Entwicklung und Priorisierung für ausländische Investoren festzustellen. Die Analyse wird zudem die erhobenen Daten (also die Investitionsmöglichkeiten) mit den standortbedingten Risiken und Bedingungen kontrastieren. Dazu werden die Potenziale auf Primär-, Sekundär- und Tertiärpotenziale selektiert, analysiert und im Anschluss unter Anwendung einer „SWOT-Analyse“ ausgewertet.

Des Weiteren kann durch Anwendung der „OLI-Theorie“ (von John Dunning)51 die Frage beantwortet werden, welche Form der internationalen Marktbearbeitung von Unternehmen gewählt werden sollte. Denn nach dieser Theorie sollte eine internationale Marktbearbeitung durch Tätigung einer Auslandsinvestition erst dann erfolgen, wenn ein potenzieller Investor bestimmte (notwendige) Wettbewerbsvorteile und standortspezifische Vorteile beziehen kann.

Das Ergebnis dieser Arbeit wird aus einem Bewertungs- und Empfehlungsschreiben bestehen und richtet sich an potenzielle Unternehmen mit Investitionsvorhaben in der Türkei. Es soll den Interessenten, welche sich auf dem türkischen Markt positionieren wollen, eine kompakte Darstellung des Investitionsstandortes bieten.

Die verwendeten Methoden zur Erarbeitung der Zielsetzung:

Potenzialanalyse

Als Potenzialanalyse wird die strategische Situationsanalyse einer wirtschaftlichen Komponente bezeichnet; sie dient als Unterstützung zur Ausarbeitung einer strategischen Investitionsplanung.52 D. h., es kann eine Analyse zu einem Unternehmen, einem Standort oder einem Markt durchgeführt werden, um dessen Potenziale zu ermitteln.53 Im ökonomischen Sinne werden dabei (unter anderem) die Ressourcen Energierohstoffe, Grund und Boden, Gebäude und/oder Arbeitskräfte analysiert und ermittelt.54 Die Erfassung folgender Daten ist zur Durchführung einer Potenzialanalyse erforderlich; diese werden im dritten Teil dieser Arbeit (zum türkischen Markt) erhoben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

SWOT-Analyse Die SWOT-Analyse ist ein Instrument zur strategischen Auswertung der erhobenen Daten.55 SWOT steht im Englischen für die Abkürzung „Analysis of strengths, weakness, opportunities and threats.“56 Diese Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse stellt eine Positionierungsanalyse zu den erhobenen Daten dar und klassifiziert die Ergebnisse in einer Matrix (bestehend aus den vier beschriebenen Kategorien).57 Je nachdem, zu welcher Kategorie eine wirtschaftliche Komponente (z. B. Naturraum) zugeordnet wird, lässt sich beurteilen, wie sich die jeweilige Komponente auf das Investitionsvorhaben eines Unternehmens auswirken wird (positiv oder negativ).58 Doch durch Anwendung der SWOT-Analyse können vorerst nur Zustände beschrieben und noch keine (Markt-)Strategien erarbeitet werden.59

Die Erarbeitung einer entsprechenden Strategie findet erst nach Anwendung der sog. SWOT-Matrix statt.60

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: SWOT-Matrix

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des Gabler-Wirtschaftslexikons

Die SWOT-Matrix besteht aus den zwei Hauptbereichen, Unternehmensanalyse und Umfeldanalyse.61 Die Unternehmensanalyse (interne Analyse) beschäftigt sich mit den Stärken und Schwächen des zu beratenden Unternehmens (bzw. des Investors)62 und untersucht, wie sich diese auf die vom Markt gegebenen Chancen und Risiken (Umfeld) auswirken werden.63 Die Unternehmensanalyse liefert also Antworten auf die Fragen „Hat das Unternehmen die Stärken, um die Chancen des Standortes zu nutzen?“ und „Verpasst das Unternehmen Chancen aufgrund seiner Schwächen?“64

Bei der Umfeldanalyse (externe Analyse) werden die Chancen und Risiken im Umfeld betrachtet.65 Dabei sollen Antworten auf die Fragen „Mit welchen Stärken kann das Unternehmen den Risiken begegnen?“ und „Welchen Risiken ist das Unternehmen aufgrund seiner Schwächen ausgesetzt?“ gefunden werden.66

Nachdem die Ergebnisse der SWOT-Analyse auf die SWOT-Matrix angewendet wurden, werden Strategien erarbeitet, um festzustellen, mit welchen Stärken ein Unternehmen den standortbedingten Chancen und Risiken entgegenwirken kann.67

2 Theoretische Grundlagen

Um den Leser mit dem nötigen Fachwissen vertraut zu machen, werden im zweiten Kapitel dieser Arbeit theoretische Ansätze definiert, welche erforderlich sind, um die Grundlagen einer Auslandsinvestition zu verstehen. Auch das Themengebiet des internationalen Managements wird beleuchtet, damit nachvollzogen werden kann, welche besonderen Bedingungen die türkische Geschäftskultur vorweist. Dieses Fachwissen ist erforderlich, damit die anschließenden Schritte zur Durchführung der Potenzialanalyse deutlicher werden.

2.1 Auslandsinvestitionen

Unter ausländischen Direktinvestitionen (zu Englisch FDI; foreign direct investment) wird der Kapitalexport aus dem Inland in das Ausland beschrieben.68 Neben dem Geldtransfer definiert sich der Kapitalexport auch durch den Sach- und Vermögenstransfer.69 Dazu gehört ebenso die Übertragung immaterieller Vermögenswerte wie technologisches Know-how oder Markenrechte.70 Das Ziel einer ausländischen Direktinvestition ist der Erwerb von Immobilien, Unternehmen oder die Errichtung einer (bzw. mehrerer) betrieblicher Kapazitäten.71 Auch der Erwerb von Anteilen eines ausländischen Unternehmens durch die Einlage von Kapital fällt unter diese Kategorie und zielt darauf ab, dass der Investor Einfluss auf die Managementkontrolle hat.72

Ausländische Direktinvestitionen beabsichtigen also eine längerfristige Anteilnahme am ökonomischen Geschehen eines Unternehmens und gewährleisten dem Investor Einfluss auf die Unternehmenspolitik.73 Zudem wird dem Investor durch die Umsetzung einer ausländischen Direktinvestition der Zugang zu standortspezifischen Vorteilen ermöglicht.74

Standortspezifische Vorteile beschreiben sog. Agglomerationsvorteile, welche bei grenzüberschreitenden Direktinvestitionen durch geringere Mietkosten oder eine zunehmende Produktionsmenge mit sinkenden Stückkosten entstehen (Kostendegression).75

Demgegenüber stehen sog. Portfolio-Investitionen. Diese haben als kurzzeitige Investitionen rein ertragswirtschaftliche Ziele.76 Portfolio-Investitionen begrenzen sich auf die Übertragung inländischen Kapitals ins Ausland und dienen zum Zweck der Anlage in Form von Immobilienfonds, Anleihen oder Anteilen von Unternehmen (sofern die Anteile keinen wesentlichen Einfluss auf die Unternehmenspolitik gewährleisten).77 Das vorrangige Ziel einer Portfolio-Investition ist ein baldiger Zuwachs an Erträgen in Form von Renditen.78 Neben der theoretischen Abgrenzung von Direktinvestitionen zu Portfolio-Investitionen werden diese Investitionsformen auch dadurch unterschieden, dass eine ausländische Direktinvestition einen Beteiligungsgrad von mindestens 10 Prozent am Zielunternehmen haben muss.79 Neben der theoretischen Darlegung zur Definition einer Auslandsinvestition veranschaulicht die folgende Grafik weitere Facetten, welche in Beziehung zu einer Auslandsinvestition stehen80:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Auslandsinvestition

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des Gabler Wirtschaftslexikon

2.1.1 Strukturen einer Auslandsinvestition

Unternehmen, deren Ziel es ist, auf ausländischen Märkten aktiv zu werden, haben verschiedene Möglichkeiten des Markteintritts.81 Dabei liegt der Fokus dieser Arbeit auf den Ausprägungen einer ausländischen Direktinvestition. Alle weiteren Formen eines Auslandsengagements, welche ohne eine Kapitalbeteiligung bzw. ohne eigene Organisationseinheit im Ausland stattfinden, werden nicht explizit untersucht (z. B. Exporte oder Lizenzvergaben).82

Eine internationale Marktbearbeitung mittels FDI lässt sich in vier wesentliche Erscheinungsformen gliedern: „Niederlassung (Repräsentanz)“, „Greenfield Investment (Neugründung einer Tochtergesellschaft)“, „Mergers & Acquisition (Unternehmensakquisition)“ und „Joint Ventures“.83

Als Niederlassung (oder Repräsentanz) wird die rechtlich unselbstständige Organisationseinheit eines Unternehmens bezeichnet, die im Ausland als eine Art Firmenvertretung fungiert.84 Dabei wird diese Form der Auslandsinvestition als Niederlassung oder Filiale generell zur Bearbeitung von bürokratischen Aufgaben genutzt. Daher übernimmt eine Repräsentanz eher kleinere Aufgaben wie den Kundenservice, den Kontakt zu Behörden oder die Pflege von Kunden- und Lieferantenbeziehungen.85 Auswärtige Repräsentanzen bestehen vorwiegend aus kleineren Büros und sind mit einer geringeren Anzahl von Mitarbeitern ausgestattet.86 Aufgrund der vergleichsweise niedrigeren Kosten für Aufbau und Erhaltung ist diese Form der Auslandsinvestition besonders bei klein- und mittelständischen Unternehmen bevorzugt.87 Aber auch größere Unternehmen greifen anfänglich gerne auf diese Direktinvestitionsform zurück, bevor ein größerer Kapitalexport, beispielsweise durch Errichtung einer Betriebsstätte, getätigt wird.88 Dadurch können unvorhersehbare Risikofaktoren nur einen vergleichsweise geringen Schaden anrichten.89

Die Gründung einer eigenen Tochtergesellschaft wird auch als „greenfield investment“ bezeichnet und bedeutet, dass ein neues Tochterunternehmen auf ausländischem Grund und Boden errichtet wird („auf der grünen Wiese“).90

Hinsichtlich des Eigentums befindet sich das durch ein Greenfield Investment entstandene Unternehmen zu 100 Prozent in Besitz der heimatlichen Muttergesellschaft und gewährleistet daher auch eine 100-prozentige Kontrollmöglichkeit.91 In der Regel errichten Muttergesellschaften Tochtergesellschaften, um diese als Betriebsstandort zu nutzen und um die Produktionskosten zu senken.92

Durch die Gründung einer Tochtergesellschaft sind dem Investor wichtige Vorteile geboten. Zum Beispiel kann das Unternehmen die zugehörigen Wettbewerbsvorteile innerhalb der eigenen Tochtergesellschaft besser schützen und verhindert, dass diese nach außen gelangen.93 Zudem lässt sich technisches Know-how und Know-how im Management leichter zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft übertragen.94 Im Vergleich zu einem Joint Venture, bei dem es sich um eine Kooperation zweier oder mehrerer Partnerunternehmen handelt,95 kann die unternehmenseigene Strategie bei Tochtergesellschaften problemlos durchgesetzt werden.96 Dadurch können lange Abstimmungsprozesse und bürokratische Hürden, welche den Internationalisierungsprozess bremsen, umgangen werden.97

Die Gründung einer Tochtergesellschaft ist aber auch an erhebliche Bedingungen gebunden. Eine eigene Tochtergesellschaft im Ausland aufzubauen, erfordert einen hohen Kapital- und Management-Einsatz und ist zudem sehr zeitaufwändig.98 Hinzu kommt, dass die Gründung einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft in einigen Ländern aufgrund von rechtlichen Verordnungen nicht oder nur beschränkt gestattet ist.99 Wie die rechtliche Verordnung zur Gründung einer Tochtergesellschaft in der Türkei aussieht, wird im dritten Kapitel erläutert.

Als Alternative zur Gründung einer Tochtergesellschaft gibt es die Investitionsform „Mergers & Acquisitions“, zu Deutsch: Unternehmensakquisition.100 Eine Akquisition liegt dann vor, wenn ein inländisches Unternehmen ein ausländisches Unternehmen vollständig oder mehrheitlich aufkauft.101

Durch Anwendung dieser Investitionsform ist es dem Investor möglich, ein bereits bestehendes Unternehmen im Ausland aufzukaufen und so den Markteintritt deutlich zu beschleunigen.102 Für den Fall, dass sich das aufgekaufte Unternehmen in einem „gesunden“ Zustand befindet, also es unmittelbar nach dem Kaufabschluss Cash Flow generieren kann, ist zudem ein schnellerer Rückfluss des aufgewandten Kapitals erreichbar.103 Akquisitionen bringen auch den Erwerb spezieller „Fähigkeiten und Fertigkeiten“ mit sich, welche eine schnelle Integration des Unternehmens ermöglichen.104 Hauptsächlich sind damit länderspezifische Fähigkeiten wie „interkulturelles Business-Know-how“ gemeint. Derartige Fähigkeiten sind erforderlich, um speziellen Markteintrittsbarrieren erfolgreich entgegenwirken zu können.105

Nachteilig an dieser Investitionsform ist, dass der Einkaufspreis für das ausländische Unternehmen oftmals den tatsächlichen Wert überschreitet und die Akquisition einen zu hohen Kapitaleinsatz erfordert.106 Zusätzlich muss das ausländische Unternehmen in das inländische Unternehmenssystem integriert werden. Auch aufgrund kultureller Unterschiede kann dieses Vorhaben einen hohen Zeitaufwand erfordern und im schlimmsten Fall nicht umsetzbar sein.107 Die Gründe für das Scheitern einer Akquisition können also an interkulturellen Unterschieden, an einer fehlerhaften strategischen Marktplanung oder an einem zu hohen Akquisitionspreis liegen.108

Die Komptabilität zwischen den Bedingungen der drei dargelegten Investitionsformen und den Anforderungen des türkischen Marktes wird mit Anwendung der Potenzialanalyse untersucht. Anschließend kann die effizienteste Investitionsform ermittelt werden.

2.1.2 Begründung von Auslandsinvestitionen

Die ausländische Marktbearbeitungsstrategie ist abhängig von drei unternehmensspezifischen Vorteilskategorien.109 Durch Anwendung der OLI-Theorie kann definiert werden, welche Form der internationalen Marktbearbeitung von einem inländischen Unternehmen im Auslandsmarkt gewählt werden soll.110

John Dunning hat mit der OLI-Theorie ein allgemeines Erklärungsmodell zur Durchführung von Auslandsinvestitionen entwickelt.111 Durch Anwendung der OLI-Theorie kann ein potenzieller Investor erschließen, welche Form der Marktbearbeitung er am Auslandsmarkt wählen sollte.112 Dunnings Theorie erklärt, dass es neben einer ausländischen Direktinvestition noch die internationalen Marktbearbeitungsstrategien „Exporte“ und „Lizenzvergabe“ gibt.113 Demnach sollte eine ausländische Direktinvestition erst dann stattfinden, wenn nach Vorgabe der Entscheidungsmatrix alle drei Vorteile erreicht werden.114 In der folgenden Tabelle werden die Bedingungen für eine Auslandsinvestition dargelegt:

Tabelle 1: Entscheidungsmatrix unterschiedlicher Formen der Auslandstätigkeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben von Springer (2017)

Die Abkürzung OLI steht im englischen für „Ownership Advantages“, „Location Advantages“ und „Internalization Advantages“.115

[...]


1 Vgl. Brem, A./Heyd, R./Schmeisser, W. (2015), S. 15 f.

2 Vgl. Statista (2018): Entwicklung der weltweiten Exporte im Warenhandel, o. S.; vgl. UNCTADstat (2016), o. S.

3 Vgl. Ottman, M./Lifka, S. (2010), S. 1.

4 Vgl. Statistisches Bundesamt (2017): Außenhandel, S. 2.

5 Vgl. dsb., S. 2.

6 Vgl. Statista (2018): Größte Volkswirtschaften, o. S.

7 Vgl. Statista (2018): Statistiken zur Türkei, S. 49.

8 Vgl. Deutsche Wirtschaftsnachrichten (2018): Ratingagentur Fitch, o. S.

9 Vgl. dsb., o. S.

10 Vgl. The World Bank (2018): Doing Business, o. S.

11 Vgl. dsb., o. S.

12 Vgl. dsb., o. S.

13 Vgl. IHK Ulm (2018): International, o. S.

14 Vgl. dsb., o. S.

15 Vgl. Springer (2017): Bewertung von Direktinvestitionen durch eine simultane Erfassung von Makroebene und Unternehmensebene, S. 6.

16 V gl. Frank, S./Kutlan S./Woletz, M. (2014), S. 31; S. 118.

17 Vgl. Lieb, T./Yalcin, E. (2015), S. 22.

18 Vgl. Neubert, M. (2008), S. 8.

19 dsb., S. 8.

20 dsb., S. 8.

21 Vgl. Lieb, T./Yalcin, E. (2015): S. 22.

22 Vgl. Zeit Online (2018): Deutschland und Türkei wollen wieder reden, o. S.

23 Vgl. dsb., o. S.

24 Vgl. Handelsblatt (2016): EU uneins über Sanktionen gegen die Türkei, o. S.

25 Vgl. dsb., o. S.

26 Vgl. Die Welt (2018): Die Türkei schottet sich ab, o. S.

27 Vgl. dsb., o. S.

28 Vgl. Die Welt (2018): Finanzen, o. S.

29 Vgl. dsb., o. S.

30 Vgl. Zeit Online (2017): Bundesregierung verschärft Reisehinweise für die Türkei, o. S.

31 Vgl. Union Investment (2015): Politische Risiken und ihr Einfluss auf Staatsanleihen, S. 6.

32 Vgl. Fisch, J. H. (2006), S. 7.

33 Vgl. Statista (2017): Türkei, S. 30.

34 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (o. J.): Außenhandelsfinanzierung, o. S.

35 Vgl. Fisch, J. H. (2006): S. 9.

36 Vgl. Neubert, M. (2008): Internationale Markterschließung, S. 8.

37 Vgl. dsb., S. 8 f.

38 Vgl. Neubert, Michael (2008): S. 8.

39 Vgl. GTAI (2014): Ausländische Direktinvestitionen in Deutschland. Potenziale Türkei, S. 7.

40 Vgl. TD-IHK (2016): Deutsch-Türkisches Wirtschaftsjahrbuch 2015/2016, S. 5.

41 Vgl. DIHK (2018): Auslandsinvestitionen in der Industrie, S. 10.

42 Vgl. dsb., S. 13.

43 Vgl. dsb., S. 10 f.

44 Vgl. Frank, S./Kutlan, S./Woletz, M. (2014), S. 38 f.

45 Vgl. dsb., S. 38 f.

46 Vgl. dsb., S. 38 f.

47 Vgl. DIHK (2018), S. 6.

48 Vgl. Manager Magazin (2016): Die größten deutschen Unternehmen in der Türkei, o. S.

49 Vgl. GTAI (2017): Lohn- und Lohnnebenkosten – Türkei, o. S.

50 Vgl. Frankfurter Rundschau (2017): Deutsche Firmen investieren weniger in der Türkei, o. S.

51 Vgl. Springer (2017): Bewertung von Direktinvestitionen durch eine simultane Erfassung von Makroebene und Unternehmensebene, o. S.

52 Vgl. Ottman, M./Lifka, S. (2010): Methoden der Standortanalyse, S. 4 f.

53 Vgl. dsb., S. 4 f.

54 Vgl. dsb.

55 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (2018): SWOT-Analyse, o. S.

56 Vgl. dsb., o. S.

57 Vgl. dsb.

58 Vgl. dsb.

59 Vgl. dsb.

60 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (2018): SWOT-Analyse, o. S.

61 Vgl. dsb., o. S.

62 Vgl. dsb.

63 Vgl. dsb.

64 Vgl. dsb.

65 Vgl. dsb.

66 Vgl. dsb.

67 Vgl. dsb.

68 Vgl. Brem, A./Heyd, R./Schmeisser, W. (2015), S. 207.

69 Vgl. dsb., S. 207.

70 Vgl. dsb.

71 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (o. J.): Direktinvestition, o. S.

72 Vgl. dsb., o. S.

73 Vgl. dsb., o. S.

74 Vgl. Güida, J. J. (2007): Internationale Volkswirtschaftslehre, S. 125.

75 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (o. J.): Wirtschaftsgeografie, o. S.

76 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (o. J.): Finanzwirtschaft, o. S.

77 Vgl. dsb., o. S.

78 Vgl. dsb.

79 Vgl. Döhrn, R./Heiduk, G. (1999), S. 166.

80 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (o. J.): Direktinvestition, o. S.

81 Vgl. Springer (2014): Deutsche Direktinvestitionen in der Volksrepublik China, S. 13.

82 Vgl. dsb., S. 14.

83 Vgl. dsb.

84 Vgl. dsb.

85 Vgl. dsb.

86 Vgl. dsb.

87 Vgl. dsb.

88 Vgl. dsb., S. 15.

89 Vgl. dsb.

90 Vgl. Springer (2014): Deutsche Direktinvestitionen in der Volksrepublik China, S. 15.

91 Vgl. dsb.

92 Vgl. dsb.

93 Vgl. dsb.

94 Vgl. dsb.

95 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (o. J.): Außenhandelspraxis, o. S.

96 Vgl. Springer (2014), S. 15.

97 Vgl. dsb., S. 16.

98 Vgl. dsb.

99 Vgl. dsb.

100 Vgl. Springer (2014): Deutsche Direktinvestitionen in der Volksrepublik China, S. 17.

101 Vgl. dsb.

102 Vgl. dsb., S. 19.

103 Vgl. dsb.

104 Vgl. dsb.

105 Vgl. dsb.

106 Vgl. dsb., S. 20.

107 Vgl. dsb.

108 Vgl. dsb.

109 Vgl. Springer (2017): Bewertung von Direktinvestitionen durch eine simultane Erfassung von Makroebene und Unternehmensebene, S. 6.

110 Vgl. dsb., S. 6.

111 Vgl. dsb.

112 Vgl. dsb., S. 7.

113 Vgl. dsb.

114 Vgl. dsb.

115 Vgl. dsb., S. 6 f.

Fin de l'extrait de 64 pages

Résumé des informations

Titre
Der Investitionsstandort Türkei. Eine Potenzialanalyse
Université
Hochschule Ruhr West
Note
2,7
Auteur
Année
2019
Pages
64
N° de catalogue
V511900
ISBN (ebook)
9783346092564
ISBN (Livre)
9783346092571
Langue
allemand
Mots clés
Türkei, Potenzialanalyse, Standortanalyse, internationaler Handel
Citation du texte
Talha Tunc (Auteur), 2019, Der Investitionsstandort Türkei. Eine Potenzialanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/511900

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