Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Kommunikative Kompetenz
3. Kommunikation im Unterricht
4. Der Klassenrat zur Förderung der kommunikativen Kompetenz von Schülerinnen und Schülern in der Grundschule
4.1 Definition Klassenrat
4.2 Konkrete Beobachtungen eines Klassenrates
4.3 Chancen des Klassenrates für die Förderung der kommunikativen Kompetenz
4.3.1 Gleichberechtigte Kooperation
4.3.2 Authentizität der Kommunikationsanlässe
4.3.3 Scaffolding
4.4 Grenzen des Klassenrates für die Förderung der kommunikativen Kompetenz
4.4.1 Komplexität des Gesprächs
4.4.2 Angst vor der Bewertung der Gesprächsteilnehmenden
4.4.3 Fehlende Sprachbewusstheit
5. Resümee
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
Kommunikative Kompetenzen werden uns als Allheilmittel für Probleme jeder Art angepriesen. Vom Ehekrach bis zum Palästinakonflikt, vom Telefonmarketing bis zur Vorstandssitzung – überall scheint es nur auf die richtige Kommunikation anzukommen und schon ist jedes Problem so gut wie gelöst, ist jedes Ziel erreicht. (Deppermann 2004, 15)
Kommunikation gilt als einer der wichtigsten Bestandteile des Lebens. Die Fähigkeit, sich anderen Menschen mitzuteilen, sie zu verstehen und von ihnen verstanden zu werden ist essenziell, um sich in der Alltagswelt zurechtfinden und an sozialen Interaktionen beteiligen zu können. Um die eigenen Wünsche, Meinungen und Gefühle austauschen und zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen zu können, muss man in der Lage sein, sinnstiftend zu kommunizieren und mit der eigenen Umwelt in Verbindung zu treten. Kommunikation betrifft dabei alle Menschen, da in jedem Lebensbereich stets entweder bewusst oder unbewusst kommuniziert wird, denn, wie Paul Watzlawick (2011) konstatiert: „Man kann nicht nicht kommunizieren“.
Das einleitende Zitat von Arnulf Deppermann verdeutlicht die Bedeutsamkeit und Notwendigkeit von kommunikativer Kompetenz. Besonders in der Schule, deren Ziel es ist, Schülerinnen und Schüler[1] auf die Herausforderungen des Lebens vorzubereiten und sie für die Teilhabe am sozialen Leben zu befähigen, sollte daher die Vermittlung von kommunikativer Kompetenz eine herausragende Rolle einnehmen. Eine Möglichkeit, bereits in der Grundschule eine Gesprächskultur zu etablieren und die kommunikative Kompetenz fördern zu können, besteht in dem Einsatz der Methode des Klassenrates.
Die Verfasserin der vorliegenden Hausarbeit erhielt im Rahmen des Praxissemesters die Möglichkeit, eine Klasse zu begleiten, in welcher der Klassenrat als ein regelmäßiges Ritual durchgeführt wurde. Die teilnehmenden Beobachtungen erweckten den Eindruck, dass die Gesprächsteilnehmer während des Klassenrates ausgiebiger und begeisterter kommunizieren als im regulären Unterricht. Daraus ergab sich die Fragestellung, inwieweit der Klassenrat eine geeignete Methode darstellt, um kommunikative Kompetenz fördern zu können. Das Ziel der Hausarbeit soll es sein, durch die theoretische Aufarbeitung und den Bezug zu den selbst erstellten Beobachtungen eine differenzierte Antwort auf diese Frage zu finden. Dafür wird im weiteren Verlauf zunächst der Begriff kommunikative Kompetenz definiert. Um die Kommunikation im Klassenrat der des Unterrichts gegenüberstellen zu können, wird im Anschluss aufgezeigt, wie die Kommunikation im Unterricht verläuft und herausgearbeitet, inwieweit die Strukturen des regulären Unterrichts geeignet bzw. ungeeignet für den Aufbau kommunikativer Kompetenz sind. Im weiteren Verlauf wird der Schwerpunkt auf die Förderung der kommunikativen Kompetenz durch den Klassenrat gelegt. Dafür erfolgt zunächst eine Definition um in das Konzept des Klassenrates einzuleiten, während weiterführend die eigenen Beobachtungen der Klassenratssitzungen beschrieben werden. Im Hinblick auf die Beantwortung der Fragestellung werden nachfolgend mögliche Chancen und Grenzen des Klassenrates zur Förderung der kommunikativen Kompetenz theoretisch aufgearbeitet und mit den praktischen Erfahrungen in Beziehung gesetzt. Im abschließenden Resümee werden die zentralen Aussagen der Hausarbeit zusammengefasst und die zu Beginn gestellte Fragestellung beantwortet.
2. Kommunikative Kompetenz
Der Begriff der kommunikativen Kompetenz ist nicht einheitlich definiert, vielmehr finden sich in der Literatur zahlreiche Vorstellungen, Auslegungen und Interpretationsversuche dazu, was unter kommunikativer Kompetenz zu verstehen ist, in welche Teilgebiete sie gegliedert und auf welche Weise sie vermittelt werden kann. Dabei wird die Notwendigkeit von kommunikativer Kompetenz nicht nur im schulischen Kontext hervorgehoben sondern spielt auch in einer Vielzahl anderer Bereichen, wie der Psychologie, Soziologie, Berufs- und Wirtschaftspädagogik oder Informations- und Kommunikationswissenschaft eine zentrale Rolle (vgl. Efing 2014, 93). Die Tatsache, dass es sich bei den Komponenten Kommunikation und Kompetenz um Termini handelt, die scheinbar intuitiv erfasst werden können (vgl. ebd., 94), führt dazu, dass der Begriff kommunikative Kompetenz „nahezu inflationär“ (ebd.) verwendet wird und eine weite Bandbreite an Konzepten entstanden ist, die von dem Begriff aus unterschiedlichsten Perspektiven und mit unterschiedlichsten Zielen Gebrauch machen. Christin Efing spricht in diesem Kontext von einem „überstrapazierten, schillernden Modebegriff“ (ebd., 93f.) und weist auf die Vielseitigkeit der Begriffsverwendungen hin, die inhaltlich oft nicht miteinander vergleichbar sind und die zu zunehmenden Verwirrungen führen (vgl. ebd.). Auch Arnulf Deppermann (2004), der in seinen Ausführungen „‚Gesprächskompetenz‛ - Probleme und Herausforderungen eines möglichen Begriffs“ kommunikative Kompetenz als Gesprächskompetenz definiert, macht darauf aufmerksam, dass man bei dem Versuch einer einheitlichen Definition „vor einem Gemischtwarenladen voller inkompatibler Vorschläge [steht], denen weder eine Theorie des Gesprächs noch empirische Untersuchungen zugrunde liegen“ (ebd., 15).
Geprägt wurde der Begriff kommunikative Kompetenz im Wesentlichen von Dell Hymes und Jürgen Habermas, die sich beide auf Noam Chomsky und seinen in die Linguistik eingeführten Kompetenzbegriff beziehen (vgl. Efing 2014, 94). Chomsky definierte Kompetenz in Abgrenzung zur Performanz als allgemeine Sprachfähigkeit des Menschen, die benötigt wird um Sätze produzieren, rezeptieren und ihre Grammatikalität beurteilen zu können (vgl. Deppermann 2004, 16). Diese Sichtweise wurde sowohl von Hymes als auch von Habermas hinterfragt und neu aufgearbeitet. Hymes kritisierte besonders die Unzulänglichkeit von Chomskys Kompetenzbegriff und unterstrich die Tatsache, dass kommunikative Kompetenz nicht bloß die biologischen Gegebenheiten des Menschen umfasse, sondern der Sprecher-Hörer neben den grammatischen Fähigkeiten auch über rhetorisches, pragmatisches und soziokulturelles Wissen verfügen müsse, um sinnstiftend kommunizieren zu können (vgl. ebd.). Somit könne eine kommunikative Kompetenz als „Fähigkeit zum angemessenen Sprachgebrauch in unterschiedlichsten Kommunikationssituationen“ (ebd.) verstanden werden und sei damit äußerst kontextabhängig (vgl. ebd.). Auch Habermas griff den Kompetenzbegriff von Chomsky kritisch auf, wenn auch in gegenteiliger Weise wie Hymes, indem er eine abstraktere Universalpragmatik entwarf. Obwohl er mit diesem Ansatz großen Anklang in der Linguistik und Sozialwissenschaft fand (vgl. ebd., 16f.), wird sein Konzept zunehmend als praxisfern erkannt, da die zugrundeliegende idealisierte Sprechsituation auf reale Unterrichtsgespräche nicht anwendbar ist (vgl. Efing 2014, 105-107). Aus diesem Grund rückt immer mehr das kommunikative Kompetenz-Konzept von Hymes in den Vordergrund, der in jüngster Zeit sowohl in der Fremdsprachendidaktik (vgl. ebd., 104f.) als auch in der Gesprächsforschung immer breitere Rezeption erfährt und dessen Ausführungen als Grundlage für weiterführende Konzepte anerkannt werden (vgl. Deppermann 2004, 17).
Ebenso wie der Begriff kommunikative Kompetenz, der bereits seit seinen Anfängen kontrovers diskutiert und aufgefasst wurde, entstanden auch unterschiedlichste Vorstellungen darüber, in welche Teilkompetenzen kommunikative Kompetenz gegliedert werden können. Die Grundlage, welche 1980 von Canale und Swain gelegt wurde und welche als Teilkompetenzen grammatical competence, strategic competence und sociocultural competence aufführte, wurde im Laufe der Zeit zunehmend überarbeitet und variiert. So erweitere Canale 1983 die Teilkompetenzen noch um die discourse competence und Celce-Murcia, Dörnyei und Thurrell (1995) noch zusätzlich um die actional competence (vgl. ebd., 7-11). Inzwischen besteht ein relativ einheitlicher Konsens darüber, dass sich die kommunikative Kompetenz in ein mehrmodulares Konstrukt unterteilen lässt: in eine Sprachsystemkompetenz […], eine soziolinguistische Kompetenz, eine pragmatische Kompetenz, eine Text-/Diskurskompetenz sowie in eine strategische und eine soziale/soziokulturelle Kompetenz. Diese oder sehr ähnliche Teilkompetenzen finden sich konsequenterweise in aktuellen spezifischeren Modellen zur Schreib-, Lese- und Gesprächskompetenz wieder. (Efing 2014, 99f.)
Die aufgeführten Teilkomponenten machen deutlich, dass kommunikative Kompetenz als die zentrale Fähigkeit verstanden werden kann, die benötigt wird, um unterschiedlichsten Gesprächssituationen angemessen begegnen zu können und um die Anforderungen, denen ein Menschen sowohl in alltagsweltlichen als auch in beruflichen Interaktionen gegenübersteht, erfolgreich bewältigen und sich sinnstiftend an ihnen beteiligen zu können (vgl. Fiehler/Schmitt 2004, 114). Becker-Mrotzek und Brünner (2004) sprechen in ihren Ausarbeitungen von der Gesprächskompetenz als „vielleicht wichtigste[r] Teil der sozialen Kompetenz“ (ebd., 7) und als „Schlüsselqualifikation, [die] in den meisten Berufen und im privaten Alltag unentbehrlich [ist]“ (ebd.). Diese Auffassungen unterstreichen die Notwendigkeit, kommunikative Kompetenz nicht nur im familiären Umfeld sondern auch bereits in schulischen Kontexten zu vermitteln und zu fördern. Einen zentralen Ort in der Schule stellt dafür der Unterricht dar, dessen Ziel es ist, die SuS zur Teilhabe am sozialen, gesellschaftlichen, beruflichen und kulturellen Leben zu befähigen (vgl. Ministerium für Schule und Weiterbildung 2008, 11). Um der Frage nachzugehen, inwieweit Unterricht geeignet ist, um die kommunikative Kompetenz zu fördern, soll im weiteren Verlauf herausgearbeitet werden, welche Bedingungen die Kommunikation im Unterricht beeinflussen und wie sich typische Unterrichtsgespräche strukturell zusammensetzen.
3. Kommunikation im Unterricht
Der gesamte Unterricht – und somit auch die Gespräche, die sich im Unterricht zwischen den SuS und LuL ergeben – unterliegt äußeren und inneren Rahmenbedingungen, die von der Institution Schule vorgegeben werden (vgl. Morek 2012, 20). Sowohl die räumlichen Gegebenheiten (z.B. die Tatsache, dass die Lehrkraft vorne an einem Lehrerpult der Klasse gegenübersteht) als auch die inhaltlichen (z.B. die festgelegten Themenschwerpunkte durch den Lehrplan) und zeitlichen (z.B. die Zeiteinteilung der Schulstunden) Vorgaben üben einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Unterrichtskommunikation aus (vgl. ebd.). Diese weist dadurch wesentliche Unterschiede zu familiären Interaktionen auf und muss unter Berücksichtigung der institutionellen Gegebenheiten analysiert werden.
Die Konzeption von Schule und Unterricht gibt vor, dass eine Lehrkraft einer größeren Gruppe von SuS gegenübersteht und mit ihnen interagiert (vgl. ebd., 21). Die SuS nehmen dabei nicht freiwillig am Unterrichtsgespräch teil sondern unterliegen vielmehr einer „Mitmach-Verpflichtung“ (Hausendorf 2008, 943), der sie nachkommen müssen, um den Benotungen und Leistungsbewertungen der Lehrkraft gerecht werden zu können (vgl. Morek 2012, 21). Darüber hinaus kommt der Lehrkraft neben der Verantwortlichkeit für die Unterrichtsabläufe eine herausragende Stellung zu: „Als professionelle Vermittler […] sind in der Regel die Lehrer/innen diejenigen, die ein ausdifferenziertes Wissen zu den bearbeiteten Inhalten und Gesprächsthemen haben“ (Morek 2012, 21). Die SuS hingegen befinden sich als Lernende in der Position, das ihnen vermittelte Wissen zunächst erwerben zu müssen, wodurch sie – was die zu bearbeitenden Unterrichtsinhalte betrifft – in der Regel weniger Kenntnisse besitzen als die Lehrkraft (vgl. ebd.).
Aufgrund dieser Bedingungen nimmt die Lehrkraft eine gesprächsleitende Funktion ein und organisiert die Sprecherwechsel im Klassenzimmer (vgl. ebd., 22). Damit eine gewinnbringende Interaktion innerhalb einer großen Gruppe Lernender gewährleistet werden kann, kommt es der Lehrkraft zu, das Rederecht zu vergeben und die Unterrichtsgespräche dadurch zu strukturieren (vgl. ebd.). Charakteristisch für den Ablauf der Kommunikation im lehrerzentrierten Unterricht ist das „dreischrittige, lehrer-schüler-initiierte Verfahren der turn -Allokation“ (ebd.): Durch die Sprecherwechsel, die den SuS von der Lehrkraft als turn angeboten, von ihnen erworben und von der Lehrkraft zugeteilt werden, entsteht eine kommunikative Ordnung, die bezeichnend für den Unterricht ist (vgl. ebd.). Auch die Lehrerfrage nimmt – neben der Rederechtorganisation – eine entscheidende Rolle in den Unterrichtsgesprächen ein. Aufgrund der institutionellen Bedingungen und der Wissensunterschiede, die zwischen den Lehrenden und Lernenden bestehen, wird die Kommunikation im Schulunterricht häufig davon bestimmt, dass die LuL die SuS mit Fragen konfrontiert, deren Antwort sie bereits kennt und durch welche die SuS zur mündlichen Beteiligung am Unterrichtsgeschehen aufgefordert werden sollen (vgl. ebd.). Dadurch ergibt sich eine wiederkehrende Gesprächsabfolge, die als „IRF-Sequenzen (initiation-response-feedback)“ (ebd.) bezeichnet wird: Zunächst initiiert die Lehrkraft eine Gesprächsmitwirkung der SuS durch eine Frage oder einen Impuls. Im zweiten Schritt reagieren die SuS darauf mit einer Antwort, welche wiederum im dritten Schritt von der Lehrkraft durch ein positives oder negatives Feedback bewertet wird – dieser letzte Schritt ist dabei besonders entscheidend „für die Herstellung von Unterrichtlichkeit, denn mit ihm gibt die Lehrperson zu erkennen, wie sich der Schülerbeitrag relativ zu den lehrerseitigen Erwartungshaltungen verhält“ (ebd.).
Die bestehenden Gesprächsordnungen, die sich in einem lehrerseitig gesteuerten Unterricht ergeben, verdeutlichen, dass der größte Anteil der Redebeiträge der Lehrkraft und nicht den Lernenden zukommt (vgl. ebd., 23) – Nach den Untersuchungen von Richert 2005 kommt den LuL im Deutschunterricht sogar ein Redeanteil von 80% zu (vgl. Becker-Mrotzek 2011, 33). Auch Quasthoff (2006) weist auf den Umstand hin, dass „in lehrerzentrierten Unterrichtsformen i. A. wenig Raum ist für übersatzmäßige, zusammenhängende Äußerungseinheiten von Schülerinnen und Schülern“ (ebd., 117). Im Hinblick auf die Förderung der im Vorfeld dargestellten notwendigen kommunikativen Kompetenz kann somit konstatiert werden, dass der Frontalunterricht nur einen bedingt geeigneten Rahmen bietet um kommunikative Kompetenz auszubauen. Stattdessen müssten im Sinne einer Gesprächsdidaktik Kommunikationsanlässe in das Unterrichtsgeschehen integriert oder zusätzlich zum Unterricht geschaffen werden, in welchen der hohe Redeanteil der Lehrkräfte reduziert wird (vgl. Becker-Mrotzek 2008, 20) und die SuS die Gelegenheit erhalten, sich kommunikativ zu erproben und ihre kommunikativen Fähigkeiten zu erweitern.
4. Der Klassenrat zur Förderung der kommunikativen Kompetenz von Schülerinnen und Schülern in der Grundschule
In der Grundschuldidaktik werden verschiedenste Unterrichtsmethoden beschrieben, um den SuS im schulischen Kontext Gesprächsfähigkeiten zu vermitteln und sie darin zu fördern. Neben dem Einsatz von kooperativen Lernformen (vgl. z.B. Hochstadt/Krafft/Olsen 2015, 27-30) oder Kommunikationstrainings (vgl. z.B. Hartung 2004, 52-64), werden auch außerunterrichtliche Möglichkeiten vorgestellt, die die Förderung von kommunikativer Kompetenz unterstützen sollen. Wagner (2006) empfiehlt als „Ernstfalldidaktik“ (ebd., S. 749) Gesprächssituationen zu schaffen, in denen die SuS klassen- oder schulorganisatorische Themen besprechen können und schlägt dafür die Institutionalisierung eines regelmäßig stattfindenden Klassenrates vor (vgl. ebd.). Um herausarbeiten zu können, inwieweit das Konzept des Klassenrates für die Förderung der kommunikativen Kompetenz geeignet ist, werden im weiteren Verlauf der Begriff Klassenrat definiert und die eigenen Beobachtungen eines exemplarischen Klassenrates im Rahmen des Praxissemesters vorgestellt. Anschließend werden mögliche Chancen und Grenzen des Klassenrates theoretisch vorgestellt und mit den praktischen Erfahrungen in Beziehung gesetzt.
4.1 Definition Klassenrat
Mit einer Definition des Begriffes Klassenrat gehen in einschlägigen Fachzeitschriften zahlreiche Vorstellungen und Auslegungen einher, die einzugrenzen versuchen, was unter einem Klassenrat zu verstehen ist, welche Themen er zum Inhalt haben und wie er durchgeführt werden sollte. Darüber hinaus existieren noch eine Vielzahl weiterer Formen und Bezeichnungen, wie exemplarisch die Klassenversammlung, der Schülerrat, der Konfliktkreis oder das Schülergericht, die wie der Klassenrat „versammlungsartige Gesprächssituationen in der Grundschule beschreiben“ (Bauer 2013, 17).
Nach allgemeinem Verständnis geht der Klassenrat auf die Klassenversammlung der Freinet-Pädagogik zurück (vgl. u.a. Bauer 2013, 25; Blum/Blum 2012, 8; de Boer 2006, 15). Deren Grundlage findet sich in der Reformpädagogik, bei welcher die SuS als Mitglieder der Gesellschaft mit ihren individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen. Die Klassenversammlungen fanden bei Freinet jeweils am Ende der Woche statt und dienten dazu, zentrale Arbeitsvorhaben, Regeln und wichtigen Fragen des Schulalltags zu besprechen. Durch dieses Konzept sollten sich die SuS in ihrer Persönlichkeit weiterentwickeln können, indem die Selbstständigkeit und Eigenaktivität gefördert wurde (vgl. de Boer 2006, 15-17).
[...]
[1] Im Folgenden wird Schülerinnen und Schüler mit SuS und Lehrerinnen und Lehrer mit LuL abgekürzt.