Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Forschungsstand
3. Das Zeremoniell
4. Die Ausgangssituation
5. Der Verlauf der Erfurter Konferenz
6. Das Zeremoniell der Erfurter Konferenz
7. Fazit
8. Literatur- und Quellenverzeichnis:
1. Einleitung
Das Jahr 1806 stellt in der Geschichte eine wesentliche Zäsur dar. Einerseits wegen der militärischen Niederlage Preußens in der Schlacht bei Jena und Auerstedt. Andererseits wegen der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen und der Schaffung des Rheinbundes. In diese Zeit fällt auch die Erfurter Konferenz, welche 1808 stattfand. Sie ist eine der ersten Konferenzen nach dem Ende des Alten Reiches und gibt somit Aufschluss über Veränderungen, die das Ende der Frühen Neuzeit mit sich brachte. Diese Arbeit soll vor allem darlegen, inwieweit sich das Zeremoniell geändert hat. Das Alte Reich erwies sich als ein komplexes Geflecht von Strukturen in jeglicher Hinsicht. Bereits die Frage, welches Territorium zum Reich gehörte, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Ebenso wenig gab es eine Verfassung. Die Struktur des Reiches wurde durch die Reichsgrundgesetze festgehalten. Diese sind: Die Goldene Bulle, der Ewige Landfrieden, der Augsburger Religionsfrieden und der Westfälische Friede. Diese Arbeit soll zunächst das Zeremoniell definieren und zeigen, was für ein Zeremoniell unabdingbar war. Der Erfurter Kongress eignet sich hierbei vorzüglich, denn dieser Kongress besitzt mehrere Besonderheiten. Dieser Gipfel fand in einer französischen Exklave statt, die aber noch drei Jahre vorher preußisch war. Weiterhin war nahezu die komplette europäische politische Prominenz zugegen. Auch aus hierarchischen Gründen ist dieser Gipfel interessant. Ein Treffen von Fürsten oder auch Königen war in dieser Zeit keine seltene Erscheinung, aber ein Treffen zweier Kaiser war damals nicht alltäglich. Weiterhin waren vier Könige anwesend. Die Protagonisten des Kongresses kamen somit aus Frankreich und Russland. Hinzu kamen die Könige, Herzöge und Fürsten aus dem ehemaligen Alten Reich. Weiterhin waren auch Preußen und Österreich vertreten, die Gesandte entsendeten.
2. Der Forschungsstand
Das Heilige Römische Reich deutscher Nationen ist vorwiegend erst in den letzten Jahren thematisiert wurden. Somit ist die Hofforschung auch ein neueres Themenfeld der Geschichte.1
Die Erfurter Fürstenkonferenz ist bisher kaum erforscht. Einer Vielzahl von Quellen steht verhältnismäßig wenig Literatur gegenüber. Eine Ausnahme bildet hierbei Rudolf Benl, welcher sehr intensiv diese Thematik erforscht hat.2 In seinem Buch wird die Vorgeschichte des Kongresses dargestellt. Weiterhin wird der chronologische Ablauf skizziert. Hierbei gelingt es Benl seine Ausführungen mittels verschiedener Darstellungen, wie beispielsweise die Teilnehmerliste der Fürsten, Könige und Herzöge, zu untermauern. Benl stützt sich dabei vorwiegend auf die Darstellungen des Bücherhändlers Konstantin Beyer. Am Ende des Werkes erfolgt eine Bilanz des Gipfels aus der Perspektive der verschiedenen Großmächte. Eine weitere Darstellung des Erfurter Kaisertreffens erfolgt durch Gunther Mai3. Dieser charakterisiert dieses Ereignis in der Zeitschrift für thüringische Geschichte. Dabei ist der Fokus vor allem auf das Zeremoniell gerichtet. Um das Gesamtbild zu vervollständigen werden in dieser Arbeit auch die Memoiren Napoleons zur Geltung kommen.4 Weiterhin werden auch die Erinnerungen des Staatskanzlers von Sachsen – Weimar – Eisenach Friedrich von Müller eine wichtige Rolle spielen.5
3. Das Zeremoniell
Es gibt viele unterschiedliche Definitionen für das Zeremoniell. Um allerdings das Zeremoniell in Anbetracht des damaligen Zeitgeistes zu verstehen, ist es von Nöten eine Definition aus der Frühen Neuzeit zu verwenden. Eine zeitgenössische Definition bietet Johann Georg Krünitz, welcher eine eigene Enzyklopädie verfasste. Er definierte Zeremoniell wie folgt: „Hierunter versteht man zuvörderst alle Sitten und Gebräuche, welche die Menschen nach dem Wohlstand und Herkommen, entweder aus Höflichkeit, oder aus Pflicht, gegen einander beobachten. Imgleichen: die Verfassung und gehörige Art, wie einer jeden Person nach ihrer Ehrenstelle und Geburt begegnet werden soll. Ein vernünftiges Ceremoniel verbannet alles steife Wesen, und läßt dem ungeachtet weder die Höflichkeit noch den Wohlstand aus der Acht.“6 Es lässt sich festhalten, dass das Zeremoniell auf zwei Ebenen betrachtet wird. Einerseits die Betrachtungs- und andererseits die Handlungsebene. Die Betrachtungsebene meint dabei alle Sitten und Gebräuche, die gegenseitig beobachtet werden. Die Handlungsebene meint das Handeln innerhalb dieser Sitten und Gebräuche. D.h. jeder soll eine standesgerechte Behandlung bekommen. Somit lässt sich nach der Definition von Krünitz bilanzieren, dass das Zeremoniell eine Handlung im Rahmen gesellschaftlicher Normen und aber auch gleichzeitig das Abbild dieser Handlungen ist. Auffallend ist dabei aber auch, dass es Krünitz vermeidet konkreter zu werden. Er gibt eine allgemeine Definition, ohne dabei aber Fakten zu nennen. Es bleibt also offen, welche Elemente charakteristisch für ein Zeremoniell und welche dringend notwendig sind. Weiterhin geht nicht auf die Standesunterschiede während des Zeremoniells ein. Er führt zwar an, dass das Zeremoniell zwar dem Stand entsprechen müsse, aber er wird nicht konkret.
4. Die Ausgangssituation
Die Ausgangssituation schildert Müller in seinem Werk. Er macht dem Leser schnell die Gründe für den Gipfel klar. „Man wußte, daß die französischen Armeen in Spanien große Verluste erlitten und daß sie Portugal zu räumen genöthigt seien. (…) Rußland, nach der Eroberung von Finnland mit einer neuen Ausstellung seiner Armee beschäftigt, schien von Tag zu Tag die nachtheiligen Folgen mehr und mehr zu fühlen, welche die Sperrung seiner Häfen gegen England und die dadurch hervorgerufen Repressalien für seinen Handel mit sich brachten. Oesterreich, sowohl mit Rußland, als auch mit Frankreich mehr oder weniger gespannt und schon seit einiger Zeit sich im Stillen rüstend, konnte nur mit Mißtrauen auf die Verbindung blicken, die sich in Erfurt zwischen dem Norden und dem Süden noch fester als bisher zu knüpfen schien, (…). Preußen, zum größten Theil noch von französischen Truppen besetzt und unter der Last der ihm auferlegten furchtbaren Contribution fast erliegend setzte seine letzte Hoffnung auf Minderung derselben in die Verwendung des Kaisers Alexander. Fast alle größere oder kleinere Fürsten Deutschlands hatten Beschwerden oder Wünsche anzubringen, schwebten mehr oder weniger in Ungewissheit über ihre Zukunft.“7 Anhand dieses Zitates lassen sich die französischen Motive zeigen. Ein Kongress zu einem Zeitpunkt des Krieges zu veranstalten, verdeutlicht die enorme Wichtigkeit des Erfurter Kongresses. Dies zeigt, dass sich Frankreich nicht sicher sein konnte. Die gespannte Lage zu Österreich hätte den Franzosen zum Nachteil werden können und Napoleon wollte einen Zweifrontenkrieg vermeiden. Die russische Seite hatte wiederum militärische und ökonomische Probleme. Ein Bündnis konnte deswegen vor allem für Frankreich von Vorteil sein, da man dadurch auch Österreich in einen Zweifrontenkrieg verwickeln konnte. Aus österreichischer Sicht blickte man sehr negativ auf das Zusammentreffen der Kaiser in Erfurt.8 Ein Bündnis zwischen Russland und Frankreich machte Österreich sowohl vom Osten als auch vom Westen angreifbar. Trotz der Tatsache, dass der österreichische Kaiser nichtberücksichtigt wurde, entsandte man einen Diplomaten, um die wohlwollende Haltung zu Frankreich zu betonen. Ein ähnliches Verhalten zeigte Preußen, welches Prinz Wilhelm entsandte. Neben den Interessen der Großmächte gab es auch noch eine Vielzahl von Interessen der deutschen Partikularstaaten.
5. Der Verlauf der Erfurter Konferenz
Am 11. September 1808 wurde erstmals bekannt, dass Erfurt der Ort einer wichtigen Konferenz sein würde.9 Am 13. September wurde damit begonnen die ersten Häuser, zur Einquartierung der Staatsmänner, vorzubereiten. Eine Errichtung von drei Ehrenpforten erfolgte einen Tag später.10 Diese wurden sogar bei Nacht gebaut. Weiterhin wurde eine Ehrengarde aus 30 Kaufleuten rekrutiert. In den nächsten beiden Tagen wurde ein Triumphbogen errichtet und eine Militärparade fand statt. Am 19. September rückt die Kaisergarde von 444 Mann ein. Am 23. September traf der König von Westphalen ein. Zwei Tage nach diesem Ereignis traf das komplette französische Hoftheater ein. Kaiser Napoleon erschien am 27. September in Erfurt. Einen Tag zuvor hatte der sächsische König Erfurt erreicht.11 Napoleon ritt sofort den aus Weimar kommenden Alexander entgegen. Nachdem sich beide begegneten ritten sie noch am selben Tag in Erfurt ein. Die nachfolgenden Tage hatten alle eine ähnliche Strukturierung. Morgens widmete man sich privaten Angelegenheiten. Nachmittags standen politische Gespräche, Truppenbesichtigungen und Ausflüge auf dem Programm. Am Abend fanden die Theatervorstellungen des französischen Hoftheaters statt.12 Am 6. Oktober fuhren alle Teilnehmer der Konferenz nach Weimar, um dort an einer Jagd, einem Ball und einem Konzert teilzunehmen. Einen Tag später erfolgte eine Inspektion der Schlachtfelder von Jena und Auerstedt und die Heimkehr der beiden Kaiser nach Erfurt. Am 10. Oktober fand in Vieselbach abermals eine Jagd statt. Zu dieser Zeit wurde auch ein Vertrag zwischen beiden Parteien abgeschlossen.13 Dieser beinhaltete eine russische Annexion der Walachei und Gebiete des heutigen Moldawiens, die Anerkennung der französischen Annexionen auf der iberischen Halbinsel, sowie eine gegenseitige Rückversicherung im Falle eines österreichischen Angriffs.14 Am 14. Oktober verließen beide Kaiser die Stadt.15
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1 Ein Grund dafür ist in der historischen Entwicklung Deutschlands zu sehen. So war die Geschichtsforschung bis Ende des Nationalsozialismus überwiegend nationalstaatlich geprägt, sodass der Fokus weniger auf das partikulare Alte Reich fiel. Durch die Gründung zweier deutscher Staaten entfiel vorerst auch eine gesamtstaatlich Erforschung der Frühen Neuzeit. In der DDR wurde primär die sozialistische Geschichtsforschung betrieben und diese hatte wenig Interesse am monarchischen Alten Reich. Eine einheitliche Erforschung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen erfolgte somit erst nach dem Fall der Mauer. Seitdem waren auch die ostdeutschen Archive und Schlösser für die westdeutschen Forscher zugängig. Allerdings muss auch gesagt werden, dass es nicht in 20 Jahren möglich ist, 300 Jahre Geschichte komplett aufzuarbeiten, sodass dieses Gebiet noch einige Forschungslücken besitzt.
2 Vgl., Benl, Rudolf, Der Erfurter Fürstenkongress 1808. Hintergründe. Ablauf. Wirkung, Erfurt 2008.
3 Vgl., Mai, Gunther, Das Erfurter Kaisertreffen 1808. Höfisches Zeremoniell. Symbolische Ordnung. szenierte Macht, in: Verein für Thüringische Geschichte (Hrsg.), Zeitschrift für thüringische Geschichte, Neustadt an der Aisch 2010, S. 269 – 300.
4 Vgl., Wencker – Wildenberg, Friedrich, Napoleon. Die Memoiren seines Lebens, Bd. 11, Wien, u.a., 1930.
5 Vgl., Müller, Friedrich von, Erinnerung aus den Kriegszeiten von 1806 – 1813, Braunschweig 1851.
6 Krünitz, Johann Georg (Hrsg.), Oeconomische Encyclopaedie oder Allgemeines System der Land-, Haus- und Staats – Wirthschaft, Art. „Ceremoniel“, < http://www.kruenitz1.uni-trier.de/> am 30.09.2011.
7 Müller, Erinnerungen, S. 225 f.
8 Vgl., Müller, Erinnerungen, S. 226.
9 Der Verlauf wird mit Hilfe des Werkes von Rudolf Benl dargelegt. Benl stützt sich dabei auf die Werke Constantin Beyers, der ein Erfurter Chronist der damaligen Zeit war. Beyer spielt in dieser Arbeit zwar eine Rolle, aber lediglich eine untergeordnete. Dafür bestehen zwei Gründe. Einerseits fokussiert diese Arbeit mehr das Zeremoniell, als den Verlauf. Andererseits ist Beyer nicht von adligem Geschlecht. Folglich liegen seine Prioritäten bei der Berichterstattung nicht beim Zeremoniell. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit vorwiegend Friedrich von Müller zitiert. Dieser war noch näher am Geschehen dran und war weiterhin von adligem Blut, sodass er vor allem über die höfischen Dinge berichtete.
10 Vgl., Benl, Der Erfurter Fürstenkongress, S. 74 f.
11 Vgl., Benl, Der Erfurter Fürstenkongress, S. 80.
12 Vgl., ebd., S. 87.
13 Vgl., Müller, Erinnerungen, S. 255.
14 Hierbei muss gesagt werden, dass diesem Resultat keine zu hohe Bedeutung beigemessen werden sollte, denn spätestens in der Schlacht von Borodino, vier Jahre später, wurde deutlich, dass beide Partner dem Bündnis wenig Beachtung schenkten.
15 Vgl., Benl, Der Erfurter Fürstenkongress, S. 132.