Das Wörterbuch für Staat und Politik definiert Wahlen als „wichtigste Form institutionalisierter Partizipation“ (Nohlen 1995), "mittels Wahlen werden Körperschaften (Repräsentativorgane) gebildet oder Personen ermittelt, die ein Wahlamt […] ausüben sollen" (Nohlen 1995) – aber Wahlen sind nicht gleich Wahlen. Oftmals werden Wahlen als demokratietypisch gesehen, de facto lässt allein das Vorhandensein von Wahlen aber weder Rückschlüsse auf eine bestehende Demokratie, noch den Prozess einer Demokratisierung zu. Abhängig von dem politischen Kontext, in dem sie stattfinden und ihrer jeweiligen Form (kompetitiv, semi-kompetitiv oder nicht-kompetitiv) können Wahlen sehr unterschiedliche Funktionen haben. Eine Untersuchung der Funktion von Wahlen in ihrem jeweiligen Kontext kann zu wertvollen Erkenntnissen hinsichtlich des zu untersuchenden politischen Systems und dessen Selbstanspruch führen.
Auch im autoritären Regime der Volksrepublik China (kurz VR China) gibt es Wahlen auf zahlreichen Ebenen. Im Folgenden wird vor allem das vielschichtige System der chinesischen Volkskongresse (Rénmín Dàibiǎo Dàhuì 人民代表大会) erläutert, um dann näher auf die Funktion von (diesen) Wahlen einzugehen. Die zentrale, zugrundeliegende These ist, dass Wahlen vor allem der Legitimation der Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas (kurz KPCh) (Zhōngguó Gòngchǎngdǎng 中国共产党) dienen. Auch wenn es in den letzten Jahrzehnten einige Reformen und Innovationen im Wahlsystem auf den verschiedenen Volkskongressebenen gab, die teils durchaus zur Ermächtigung der Handlungskapazitäten dieser Institutionen beigetragen haben (vgl. Cho 2009; Xia 2011), bewegen sich diese doch klar in einem von der Parteiführung vorgegebenen Rahmen. Oberste Priorität sind Stabilität und Herrschaftssicherung, diesen zentralen Anliegen haben sich auch die nominell demokratischen Institutionen der Volkskongresse zu beugen (vgl. Bedeski 1987; O’Brien 2010).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die chinesischen Volkskongresse – „Abstimmungsmaschinen“ oder „echte“ Parlamente?
- Wahlen in China – Geschichte, Gesetzgebung und Entwicklung
- Lokale Volkskongresse
- Struktur, Aufgaben und Wahlverfahren
- Volkkongresse, Regierungen und die Partei - eine komplexe Dreierbeziehung
- Der Nationale Volkskongress
- Entwicklung, Repräsentanz und Abstimmungsverhalten
- Der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses
- Funktionen von Wahlen
- Wahlen als Form der Regimelegitimation
- Wieso wählen Chinesinnen in semi-kompetitiven Wahlen?
- Exkurs: Direkte Dorfwahlen
- Wahlen in China und der ehemaligen Sowjetunion - Vorbild und Abschreckung zugleich?
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Funktion von Wahlen im autoritären Regime Chinas. Ziel ist es, die Rolle der chinesischen Volkskongresse im politischen System zu analysieren und zu beleuchten, inwieweit Wahlen zur Legitimation der Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas beitragen. Die Arbeit berücksichtigt dabei sowohl die Geschichte und Entwicklung des Wahlsystems als auch aktuelle Forschungsdebatten.
- Die Entwicklung und Struktur des chinesischen Wahlsystems
- Die Funktion von Wahlen als Instrument der Regimelegitimation
- Der Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas auf den Wahlprozess
- Vergleichende Betrachtung mit dem Wahlsystem der ehemaligen Sowjetunion
- Bewertung des Demokratisierungspotenzials der Volkskongresse
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema Wahlen im Kontext autoritärer Regime ein und definiert den Begriff der Wahl im Unterschied zu demokratischen Wahlen. Sie stellt die Forschungsfrage nach der Funktion von Wahlen im chinesischen politischen System dar und skizziert die bestehende Forschungslandschaft mit ihren gegensätzlichen Positionen (optimistisch, skeptisch, ambivalent) hinsichtlich des Demokratisierungspotenzials der Volkskongresse. Die Einleitung hebt die Schwierigkeiten der Datenlage und den bestehenden wissenschaftlichen Nachholbedarf hervor.
Die chinesischen Volkskongresse – „Abstimmungsmaschinen“ oder „echte“ Parlamente?: Dieses Kapitel analysiert das komplexe System der chinesischen Volkskongresse. Es beleuchtet die Geschichte und Entwicklung des chinesischen Wahlrechts seit der post-Mao-Ära, einschließlich der Reformen und Gesetzesänderungen. Es werden die verschiedenen Ebenen der Volkskongresse (lokal und national) und ihre jeweiligen Wahlverfahren erklärt, wobei der Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas auf die Nominierung von Kandidaten und die Überwachung des Wahlprozesses besonders hervorgehoben wird. Die komplexe Beziehung zwischen Partei, Regierung und Volkskongressen wird untersucht. Der Fokus liegt auf der Frage, ob die Volkskongresse lediglich als „Abstimmungsmaschinen“ der Partei fungieren oder ob ihnen eine eigenständige politische Rolle zukommt.
Funktionen von Wahlen: Dieses Kapitel befasst sich mit der Funktion von Wahlen im chinesischen Kontext. Es untersucht, inwieweit Wahlen zur Legitimation des Regimes beitragen, und analysiert die Motive der chinesischen Bevölkerung, an semi-kompetitiven Wahlen teilzunehmen. Ein Exkurs zu direkten Dorfwahlen beleuchtet alternative Formen der Partizipation und ihre potenzielle Bedeutung für die politische Entwicklung.
Wahlen in China und der ehemaligen Sowjetunion - Vorbild und Abschreckung zugleich?: Dieses Kapitel setzt das chinesische Wahlsystem in einen vergleichenden Kontext. Es untersucht Parallelen und Unterschiede zum Wahlsystem der ehemaligen Sowjetunion und bewertet, inwieweit das sowjetische Modell als Vorbild oder Abschreckung für die Entwicklung des chinesischen Wahlsystems diente. Der Vergleich soll Aufschluss über die spezifischen Charakteristika des chinesischen Systems geben und dessen Entwicklung im Kontext anderer autoritärer Regime erhellen.
Schlüsselwörter
Volkskongresse, Wahlen in China, autoritäres Regime, Kommunistische Partei Chinas (KPCh), Regimelegitimation, semi-kompetitive Wahlen, Demokratisierung, politische Partizipation, Vergleichende Politikwissenschaft, Sowjetunion.
Häufig gestellte Fragen zu: Die chinesischen Volkskongresse – „Abstimmungsmaschinen“ oder „echte“ Parlamente?
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Funktion von Wahlen im autoritären Regime Chinas, insbesondere die Rolle der Volkskongresse im politischen System und ihren Beitrag zur Legitimation der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh).
Welche Aspekte des chinesischen Wahlsystems werden untersucht?
Die Arbeit untersucht die Geschichte und Entwicklung des Wahlsystems, die Struktur der Volkskongresse (lokal und national), die Wahlverfahren, den Einfluss der KPCh auf den Wahlprozess, die Beziehung zwischen Partei, Regierung und Volkskongressen, und die Funktion von Wahlen als Instrument der Regimelegitimation.
Welche Forschungsfragen werden behandelt?
Die zentrale Forschungsfrage ist, inwieweit die chinesischen Volkskongresse als „Abstimmungsmaschinen“ der KPCh fungieren oder ob ihnen eine eigenständige politische Rolle zukommt. Weiterhin wird untersucht, warum die chinesische Bevölkerung an semi-kompetitiven Wahlen teilnimmt und welches Demokratisierungspotenzial in den Volkskongressen liegt.
Wie wird der Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) behandelt?
Die Arbeit betont den starken Einfluss der KPCh auf die Nominierung von Kandidaten und die Überwachung des gesamten Wahlprozesses. Die komplexe Dreiecksbeziehung zwischen Partei, Regierung und Volkskongressen wird detailliert analysiert.
Welchen Vergleich bietet die Arbeit?
Die Arbeit vergleicht das chinesische Wahlsystem mit dem der ehemaligen Sowjetunion, um Parallelen und Unterschiede aufzuzeigen und die Entwicklung des chinesischen Systems im Kontext anderer autoritärer Regime zu beleuchten.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zur Analyse der chinesischen Volkskongresse, ein Kapitel zu den Funktionen von Wahlen, ein Kapitel zum Vergleich mit der ehemaligen Sowjetunion und einen Schluss.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Volkskongresse, Wahlen in China, autoritäres Regime, Kommunistische Partei Chinas (KPCh), Regimelegitimation, semi-kompetitive Wahlen, Demokratisierung, politische Partizipation, Vergleichende Politikwissenschaft, Sowjetunion.
Welche unterschiedlichen Perspektiven auf die Volkskongresse werden berücksichtigt?
Die Einleitung erwähnt die bestehenden gegensätzlichen Positionen in der Forschung: optimistische, skeptische und ambivalente Ansichten bezüglich des Demokratisierungspotenzials der Volkskongresse.
Welche Herausforderungen werden im Hinblick auf die Datenlage angesprochen?
Die Einleitung hebt die Schwierigkeiten der Datenlage und den bestehenden wissenschaftlichen Nachholbedarf hervor.
Was wird im Kapitel über die Funktionen von Wahlen untersucht?
Dieses Kapitel untersucht, wie Wahlen zur Legitimation des Regimes beitragen und analysiert die Motive der Bevölkerung, an semi-kompetitiven Wahlen teilzunehmen. Ein Exkurs zu direkten Dorfwahlen beleuchtet alternative Formen der Partizipation.
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- BA Dorina Marlen Heller (Author), 2018, Rituale der Legitimation? Funktion von Wahlen im autoritären Regime Chinas, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/513010