Viele Akademiker*innen wie Pauline Bader (2011), Ulrich Brand (2009) und Alex Demirović (2013) konstatieren eine multiple Krise. Diese besteht aus einem interdependenten Verhältnis zwischen ökonomischer (kapitalistische Akkumulation), ökologischer (klimatische Selbstzerstörung) und u.a. einer politischen (Demokratie-)Krise.
Vom Aufstieg rechtspopulistischer, fundamentalistischer und rückwärtsgewandter Bewegungen und Parteien bis hin zu einer Diplomatie der Sanktionen und einer weltweiter Militarisierung materialisieren sich diese Krisensymptome, bzw. Herrschaftsverhältnisse auch in konkreten Formen. Als falsche Lösung wird von konservativer Seite u.a. das „malthusian couple“ (Foucault), also stereotypische Familien- und Rollenbilder angeboten. Doch die bestehenden Probleme, Klischees und negativen Tendenzen haben auch positive Seiten. Zum einen helfen sie uns über bestehende Macht- und Herrschafts-, sowie Geschlechterverhältnisse und über Annahmen die für „gegeben wahrgenommen werden“ kritisch nachzudenken. Zum anderen sind Krisenzeiten ein guter Nährboden für Utopien und somit für alternative Gesellschaftsmodelle bzw. antihegemoniale Gegenräume.
Damit sind im Grunde schon zwei, nämlich das Konzept der Kritik und das Konzept der Utopie angesprochen worden, die fundamental sind für postanarchistische und queerfeministische Theorien. Genau diese theoretischen Strömungen, so meine These, bleiben nicht bei einer radikalen Kritik stehen, sondern öffnen Perspektiven für mögliche Alternativen und Gegenräume die jenseits von Geschlechter- und Herrschaftsverhältnisse fungieren.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung und Forschungsfrage
- Fragestellung und methodologische Vorgehensweise
- Wissenschaftliche und gesellschaftliche Relevanz
- 2. Begriffsbestimmungen
- Queer(-anarchismus)
- (Post-)Anarchismus
- Utopien
- 3. Radikale Kritik als Öffnung utopischer Horizonte
- Radikale Kritik an staatlicher Subjektkonstitution
- Mut zur (Selbst-)Kritik
- Radikale Kritik als kognitive Landkarte
- 4. Utopische Gegenräume: Relationale Subjektkonstitution und Ontologie
- Positionalität und Wechselseitigkeit
- (Kollektive) Selbstbestimmung statt politische Repräsentation
- Utopische Gegenräume I: RQSP und präfigurative Politik
- Utopische Gegenräume II: Queeruption, Free Skools, Reziproke Ethik und Antihegemonie
- 5. Conclusio
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Seminararbeit befasst sich mit dem utopischen Potential des Queeranarchismus. Sie analysiert die Schnittmenge von queer- und postanarchistischen Theorien und untersucht, welche Perspektiven sich für eine herrschaftsfreie Gesellschaft eröffnen. Ziel ist es, das utopische Potenzial dieser Strömungen aufzuzeigen und deren kritische Auseinandersetzung mit bestehenden Machtstrukturen und Geschlechterverhältnissen zu beleuchten.
- Radikale Kritik an staatlicher Subjektkonstitution und hegemonialer Männlichkeit
- Dekonstruktion von sexuellen Differenzen und Rekonstruktion einer relationalen Ethik
- Utopische Gegenräume und präfigurative Politik jenseits von Staat und Kapitalismus
- Selbstbestimmung, Reziprozität und Antihegemonie als zentrale Prinzipien
- Queeranarchismus als eine antiessentialistische und antihierarchische Denkweise
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung und Forschungsfrage
Die Einleitung stellt die Problemlage und die Relevanz der Arbeit dar. Sie beschreibt die multiple Krise unserer Zeit, die sich in ökonomischen, ökologischen und politischen Dimensionen sowie in Form von hegemonialer Männlichkeit zeigt. Die Arbeit untersucht, wie queeranarchistische Ansätze mit ihrem kritischen Potenzial zu einer Überwindung dieser Krisen beitragen können.
2. Begriffsbestimmungen
Dieses Kapitel definiert die zentralen Begriffe der Arbeit, darunter „Queer(-anarchismus)“, „(Post-)Anarchismus“ und „Utopien“. Es beleuchtet die Bedeutung des Queeranarchismus als eine Strömung, die sich sowohl mit der Dekonstruktion von Geschlechterrollen und -identitäten als auch mit der Kritik am Staat und kapitalistischen Verhältnissen befasst.
3. Radikale Kritik als Öffnung utopischer Horizonte
Dieses Kapitel erörtert die Bedeutung der radikalen Kritik für die Öffnung utopischer Horizonte. Es analysiert, wie queeranarchistische Theorien Machtstrukturen und Geschlechterverhältnisse dekonstruieren und alternative Denkweisen hervorbringen.
4. Utopische Gegenräume: Relationale Subjektkonstitution und Ontologie
Dieses Kapitel erforscht die Konzepte der relationalen Subjektkonstitution und Ontologie und beleuchtet die Möglichkeiten für die Gestaltung utopischer Gegenräume. Es stellt die Bedeutung von Selbstbestimmung, Reziprozität und Antihegemonie für eine queeranarchistische Gesellschaft heraus.
Schlüsselwörter
Queeranarchismus, postanarchistische Theorien, queere Subjektkonstitution, Relationale Ontologie, Utopie, Antihegemonie, Selbstbestimmung, Reziprozität, Kritik, Geschlechterverhältnisse, Machtstrukturen, präfigurative Politik, Kapitalismus, Staat.
- Quote paper
- Josef Muehlbauer (Author), 2019, Kritik und Utopie des Queeranarchismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/513213