Betriebliches Gesundheitsmanagement von Sparkasseninstituten in Deutschland. Struktur und Organisation


Masterarbeit, 2019

104 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Problemstellung

2 Zielsetzung

3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
3.1 Definitionen der relevanten Felder BGF, BGM, BEM und Arbeitsschutz
3.1.1 Begriffsentwicklung
3.1.2 Betriebliche Gesundheitsförderung
3.1.3 Betriebliches Gesundheitsmanagement
3.1.4 Betriebliches Eingliederungsmanagement
3.1.5 Arbeitsschutz
3.1.6 Die Verbindungen zwischen BGM, BGF, BEM und dem Arbeitsschutz
3.2 Mehrwert eines BGM
3.2.1 Ziele und Vorteile eines BGM
3.2.2 Kennzahlen für ein BGM
3.3 Beschreibung des aktuellen Kenntnis- und Forschungsstandes
3.3.1 Krankenstand der Bankenbranche
3.3.2 Studien zum BGM in der Bankenbranche
3.3.2.1 Plath et al. 2008

4 Methodik
4.1 Fragestellung(en) / Forschungsfrage(n)
4.1.1 Operationalisieren
4.2 Hypothesen
4.3 Untersuchungseinheit / Stichprobe
4.3.1 Beschreibung der Untersuchungseinheit
4.3.2 Rekrutierung
4.3.3 Zusammensetzung der Stichprobe
4.4 Untersuchungsmethodik
4.4.1 Untersuchungsplan
4.4.2 Forschungsdesign
4.5 Messinstrument
4.5.1 Fragebogenentwicklung
4.5.2 Items und Skalierungen
4.5.3 Fragebogen-Pretest
4.5.4 Fragebogenplattform
4.6 Datenerhebung
4.7 Datenauswertung
4.7.1 Datenaufbereitung
4.7.2 Statistische Verfahren
4.7.3 Einsatz von Statistiksoftware

5 Ergebnisse
5.1 Deskriptive Auswertung
5.1.1 Rücklaufquote
5.1.2 Allgemeine Angaben zur untersuchten Stichprobe
5.1.3 Ressourcen für das BGM
5.1.4 Analyse der BGF
5.1.5 Kennzahlen zur Erfolgsmessung der BGF-Maßnahmen
5.1.6 Analyse des BGM
5.1.7 Zusammenarbeit mit externen Partnern
5.1.8 Gründe für die Einführung eines BGM
5.1.9 Herausforderungen bei der Umsetzung eines BGM
5.1.10 Einflussfaktoren auf ein gesundes Unternehmen aktuell und in fünf Jahren
5.2 Hypothesenprüfung
5.2.1 Forschungsfrage
5.2.1.1 Hypothese 2
5.2.1.2 Hypothese 1
5.2.1.3 Hypothese 2
5.2.1.4 Hypothese 3
5.2.2 Forschungsfrage 4
5.2.2.1 Hypothese 3
5.2.2.2 Hypothese 5
5.2.2.3 Hypothese 6
5.2.2.4 Hypothese 7

6 Diskussion 8
6.1 Bewertung und Interpretation der Untersuchungsergebnisse
6.1.1 Deskriptive Ergebnisse
6.1.2 Ergebnisse der Hypothesenprüfung
6.2 Kritische Reflexion der Untersuchung/ Vorgehensweise
6.3 Ausblick

7 Zusammenfassung

8 Literaturverzeichnis

9 Abbildungs-, Tabellen-, Abkürzungsverzeichnis
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung und Problemstellung

Prozesse des Wandels in der Gesellschaft und Arbeitswelt verändern das Krankheits- geschehen. Jeder vierte Arbeitnehmer scheidet 2010 laut Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus. Im Durchschnitt sind diese Personen dann 55 Jahre alt (Statistisches Bundesamt, 2010).

Je nach Branche und Tätigkeit unterscheiden sich die Belastungen, denen die Beschäftigten ausgesetzt sind (Schmidt et al., 2015, S.1). Allgemein ist der Anteil der psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren stetig gestiegen. Dies erhöht den Krankenstand besonders dann, wenn seelische Leiden chronisch werden. Als weiterer Negativfaktor für die Beschäftigung zeigt sich der demografische Wandel, da mittlerweile viele Unternehmen Probleme mit einer überalterten Belegschaft haben (Struhs-Wehr, 2017, V). Zudem hat schließlich, so ergab eine Gallup-Studie im Jahr 2015, bereits jeder sechste Arbeitnehmer innerlich gekündigt. Als Gründe hierfür wurden vor allem persönliche Unzufriedenheit und ein schlechtes Betriebsklima genannt. Arbeitnehmer, die sich emotional mit ihrem Unternehmen verbunden fühlen, erwirtschaften mehr. Zudem sind bei jenen auch die Fehlzeiten niedriger (Nink, 2015).

Werden in Unternehmen Fragen zum Thema der Gesundheit analysiert, gilt oft die Fehlzeitenquote als Indikator für ein gesundes oder krankes Unternehmen. Fehlzeiten haben allerdings begrenzt Aussagekraft, da sie gesundheitsrelevante Probleme erst sehr späterkennen lassen (Walter & Münch, 2009, S.139–154). Der reine Krankenstand erlaubt keine Aussagen dazu, ob die Fehlzeiten tatsächlich krankheitsbedingt sind, durch fehlende Motivation der Mitarbeiter verursacht werden oder auf zwischenmenschlichen Spannungen im Unternehmen basieren. Zudem ist eine geringe Fehlzeitenquote nicht zwingend Abbild der tatsächlichen Gesundheit der Beschäftigten. Das Phänomen des Präsentismus erhöht das Risiko dafür, dass Angestellte sogar krank arbeiten, da sie beispielsweise die Kollegen nicht allein lassen oder nicht als schwach gelten wollen. Letztendlich übersteigen die Kosten infolge von Präsentismus diejenigen, die durch Fehlzeiten bedingt sind. Beschäftigte, die krank arbeiten, machen zudem mehr Fehler und drohen langfristig auszufallen, wenn ihr Leiden chronisch wird (Struhs-Wehr, 2017, S.211). Der messbare Erfolg eines nachhaltigen betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) basiert auf systematischem Gesundheitsmonitoring durch Kennzahlen, also Daten, die komplexe Sachverhalte quantifiziert zusammenfassen und so als Faktor beeinflusst werden können (Struhs-Wehr, 2017, S.218).

Je größer ein Unternehmen ist, desto wahrscheinlicher wird es bereits ein BGM implementiert haben (Pronova BKK, 2018, S.11). Die Bedeutung der ganzheitlichen betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) wie auch des BGM ist in den letzten Jahren immer klarer erkannt worden. Gesunderhaltung und Förderung sind wesentliche Wertschöpfungsfaktoren in den Unternehmen (Struhs-Wehr, 2017, V). Die Entwicklung und Einführung eines BGM ist eng verknüpft mit der Befähigung der Beschäftigten, gesundheitsbewusst und eigenverantwortlich in einer Organisation zu handeln. Ein BGM soll gezielt die Belastungen der Mitarbeiter reduzieren. Faktoren für seine potentiellen Erfolge sind unter anderem Verbesserungen der Führungskultur, eine altersgerechte Arbeitsgestaltung und Steigerungen der Motivation sowie Leistungsbereitschaft der Beschäftigten (Pfannstiel & Mehlich, 2016, V). Zudem sind Organisationen, die ihren Mitarbeitern ein BGM anbieten, attraktivere Arbeitgeber. Im Wettbewerb um kompetente Beschäftigte haben sie also Vorteile (Badura, Walter & Hehlmann, 2010, S.1).

In Deutschland fehlen bisher fundierte, branchenspezifische Studien zur Gesundheitsförderung bzw. dem Gesundheitsmanagement von Unternehmen. Um effektive Gesundheitsprogramme zu entwickeln, sind jedoch die Bedingungen der einzelnen Branchen zu berücksichtigen (Plath, Köhler, Krause & Pfaff, 2008, S.196). Denn physische Anforderungen und Belastungen, wie ständiges Stehen oder Sitzen, das Einnehmen einer Zwangshaltung über einen längeren Zeitraum oder schweres Heben sind in den Berufen jeweils unterschiedlich. Andere Bereiche hingegen bringen vor allem psychische Belastungen, etwa durch die Erwartung ständiger Aufmerksamkeit und Konzentration, durch Termin- und Leistungsdruck, durchgehender Erreichbarkeit und Unterbrechungen bei der Arbeit, mit sich (Schmidt et al., 2015, S.1).

Nach Ansicht von Plath, Köhler, Krause und Pfaff ist die Implementierung von BGM im Bankensektor unbedingt erforderlich, da dort Beschäftigte besonders häufig Druck und Stress ausgesetzt sind (Plath et al., 2008, S.196). „Alle Segmente des deutschen Bankwesens dürften eine schwierige Zukunft haben“, prognostiziert Stuart Graham, ein Analyst der Finanzbranche. Neben der Digitalisierung sind die niedrigen Zinsen, die politischen Krisen und Handelsstreitigkeiten große Herausforderungen für den deutschen Bankensektor (Ehrhardt, 2018). Diese Faktoren lasten auf der Gesundheit der Mitarbeiter. Laut dem „Stressreport Deutschland 2012“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin nimmt in der Finanz- und Versicherungsdienstleistungsbranche der Stress stärker zu als in allen anderen Branchen (Lohmann-Haislah, 2012, S.89).

Da bisher keine Studien vorliegen, wie Unternehmen des Finanzsektors auf die hohen Belastungen der Beschäftigten reagieren, untersucht diese Arbeit einen Teilbereich des Finanzdienstleistungssektors: Sparkassen in Deutschland. Wegen ihrer ähnlichen Strukturen sind Sparkassen gut miteinander vergleichbar, sodass die Ergebnisse aussagekräftiger sind. Eine schriftliche Online-Befragung soll analysieren, inwiefern die Sparkasseninstitute bereits ein nachhaltiges BGM in ihren Organisationen implementiert haben.

Untersucht wird zudem, welchen Einfluss die Unternehmensgröße oder die verfügbaren personellen sowie finanziellen Ressourcen auf die Gestaltung des BGM haben.

2 Zielsetzung

Diese Arbeit analysiert, auf Basis der in der Einleitung und dem gegenwärtigen Kenntnisstand dargestellten Erkenntnisse, das BGM von bundesdeutschen Sparkassen. Im Fokus stehen die Organisation und Struktur des BGM, und es werden einzelne Institute diesbezüglich miteinander verglichen.

Dazu soll eine Online-Befragung Faktoren ermitteln und untersuchen, die es erlauben, den Implementierungsgrad des BGM zu betrachten. Um unternehmensspezifische Unterschiede aufzuzeigen, werden Charakteristika wie die Unternehmensgröße abgefragt und in Verbindung mit dem BGM gesetzt.

Darüber hinaus soll die Datenerhebung den beteiligten Instituten künftig fundierte Entscheidungen erlauben, um den Implementierungsgrad ihres BGM zu steigern.

3 Gegenwärtiger Kenntnisstand

Dieses Kapitel bildet die Basis für die Beantwortung der Forschungsfrage. Es werden die relevanten Themen definiert, der Entstehungskontext erläutert und der Forschungsstand ermittelt und ausgewertet.

3.1 Definitionen der relevanten Felder BGF, BGM, BEM und Arbeitsschutz

Zunächst werden die relevanten Begriffe BGF, BGM, BEM und Arbeitsschutz definiert und in einen Zusammenhang gebracht.

3.1.1 Begriffsentwicklung

Die Entstehung des Gesundheitsmanagements lässt sich bis ins Jahr 1884 zurückverfolgen, als im Deutschen Reich das Unfallversicherungsgesetz verabschiedet wurde, das half, Arbeitnehmer gegen Arbeitsunfälle zu versichern. Im Lauf der Jahre kamen weitere Gesetze und Verordnungen hinzu, die den Erhalt der Gesundheit von Arbeitnehmern zum Ziel hatten. Die Gesundheitsförderung erhielt erheblichen Auftrieb durch die Gründung der World Health Organization (WHO) im Jahr 1948. Die sogenannte Luxemburger Deklaration aus dem Jahr 1997 hat als erstes Dokument eine europaweit anerkannte Definition der BGF verankert. Das folgende Diagramm veranschaulicht die Entwicklung vom Arbeitsschutz zum BGM (vgl. Schmidt et al., 2015, S.4–7).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entwicklung vom Arbeitsschutz zum BGM (eigene Darstellung nach Schmidt et al., 2015, S. 4)

Die Regelungen des Arbeitsschutzes wurden im Jahr 1986 durch die Gesundheitsförderung erweitert. Die sogenannte Ottawa Charta der WHO hat den Begriff der Gesundheitsförderung definiert und die Strategie „Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000“ verabschiedet. Letztere skizziert die Handlungsfelder, um die Bevölkerung zu einem selbstbestimmten Umgang mit Gesundheit zu befähigen und die gesundheitsförderliche Gestaltung der Lebenswelt und der Gesundheitsdienste zu stärken. Die Charta gilt als Leitfaden für die Entwicklung der heutigen Gesundheitsförderung (Badura, Ritter & Scherf, 1999, S.15). Weitere relevante Impulse gingen vom Arbeitsschutz sowie seit dem Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes und des Sozialgesetzbuches (SGB) VII im Jahr 1996 von den Berufsgenossenschaften und vom staatlichen Arbeitsschutz aus (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2003, S.21ff.).

3.1.2 Betriebliche Gesundheitsförderung

Die Begriffe BGF und BGM werden in der Literatur uneinheitlich verwendet. In den letzten Jahren wurde BGM als Ergänzung bzw. Erweiterung und mitunter sogar als Ersatz für die BGF genutzt. Struhs-Wehr hingegen betont ihre konzeptuellen Unterschiede (Struhs-Wehr, 2017, S.6). Im Folgenden werden daher mehrere Definitionen für die BGF vorgestellt.

Nach Ansicht von Struhs-Wehr basiert die BGF auf der arbeitswissenschaftlichen Erkenntnis, dass Arbeit nicht nur Belastung ist, sondern auch Möglichkeiten für Persönlichkeitsentwicklung, Wohlbefinden und Selbstentfaltung bietet, sofern diese und auch das Umfeld, in dem sie ausgeführt wird, in diesem Sinn gestaltet sind. Als Voraussetzung dafür gelten die Entwicklung und konstruktive Gestaltung der Gesundheit aller Mitarbeiter (Empowerment). Das geht über rein präventive Maßnahmen hinaus. Grundlage ist ein breites Angebot an verhaltens- und verhältnisorientierten Maßnahmen, die insgesamt die Gesundheit der Beschäftigten stärken und ebenso die Qualität der Arbeit und somit den Unternehmenserfolg erhöhen (Struhs-Wehr, 2017, S.6). Der Schwerpunkt der BGF liegt auf der Ressourcenfokussierung. Um eine BGF erfolgreich zu implementieren, erhalten Unternehmen steuerliche Vorteile sowie unterstützende Leistungen von den Krankenkassen. Für Unternehmen bedeutet BGF faktisch, dass sie dauerhaft Angebote zur Steigerung des physischen und psychischen Befindens ihrer Mitarbeiter implementieren.

Den Beschäftigten werden also etwa unternehmensinterne/-externe Sportkurse, Seminare zur Reduktion von Stress am Arbeitsplatz oder auch Firmentarife mit Fitnessstudios angeboten. Diese verhaltensorientierten Maßnahmen sollten systematisch gesteuert und evaluiert werden. Zur nachhaltigen Verbesserung der Gesundheit der Mitarbeiter sowie der Unternehmensgesundheit empfehlen sich zudem verhältnisorientierte Maßnahmen wie ergonomische Bildschirmarbeitsplätze oder die kostenlose Ausgabe von Obst (Schöneck & Voß, 2013, S.178f.).

Schmidt et al. fassen als BGF sämtliche gemeinsame Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern sowie der Gesellschaft zur Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz auf. Dies gelingt durch Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsorganisation, der Stärkung von persönlichen Kompetenzen sowie einer Förderung der aktiven Mitarbeiterbeteiligung. Als BGF gelten meist einzelne Maßnahmen, die direkt oder indirekt das Verhalten der Beschäftigten (z.B. Ernährung, Bewegung, Stressbewältigung) oder die Verhältnisse im Unternehmen (z.B. Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitsabläufe) positiv beeinflussen (Schmidt et al., 2015, S.6).

Uhle und Treier stützen ihre Definition der BGF auf die DIN SPEC 91020. Ihres Erachtens gehören zur BGF die Maßnahmen eines Unternehmens unter Beteiligung der Beschäftigten zur Stärkung der Gesundheitskompetenzen. Zudem werden verhaltens- und verhältnisorientierte Maßnahmen zur Gestaltung gesundheitsförderlicher Bedingungen angeboten, welche die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter stärken und so ihre Beschäftigungsfähigkeit erhalten (Uhle & Treier, 2015, S.38). BGF ist nicht lediglich als Verhütung und Abwehr von Gefahren zu sehen, sondern auch als Anspruch der Beschäftigten an sich selbst. Arbeitgeber sollten sie bei der Verwirklichung dieses Anspruches unterstützen, indem sie ihre Belegschaften ermutigen, gesundheitsfördernde Maßnahmen zu ergreifen. Diese Maßnahmen betreffen individuelle mentale Ressourcen (z.B. Selbstwirksamkeit, Gesundheitsbewusstsein) und ebenso äußere Ressourcen wie etwa Führung, Arbeitsgestaltung, Organisationsentwicklung (Zimolong & Stapp, 2001, S. 141 ff.). Ein gesundes Unternehmen soll im Sinne des salutogenetischen Ansatzes aufgebaut werden. Hierzu wird eine Unternehmenspolitik des Vertrauens benötigt. Arbeits- und Lebenswelt dürfen nicht voneinander getrennt gesehen werden (Struhs-Wehr, 2017, S.7 ff.). Im Salutogenese-Modell von Antonovsky aus dem Jahr 1970, ist der Mensch ein Wesen, das aktiv Einfluss auf seine Gesundheit nimmt. Die wesentliche Gesundheitsressource ist hierbei das Kohärenzgefühl. Es wird in der Kindheit angelegt und entwickelt sich durch lebensgeschichtliche Erfahrungen während des gesamten Lebens. Das Kohärenzgefühl setzt sich aus folgenden drei Komponenten zusammen:

1. Verstehbarkeit: Die Fähigkeit eines Menschen, seine Innenwelt und die Außenwelt als geordnet und strukturiert wahrnehmen zu können und nicht als chaotisch und unerklärlich zu erleben.
2. Machbarkeit: Eigene Ressourcen und Fähigkeiten im Hinblick auf eine zu bewältigende Situation werden als ausreichend angesehen.
3. Sinnhaftigkeit: Das Ausmaß, in dem das Leben als emotional sinnvoll empfunden wird.

Zudem hat jeder Mensch generelle Widerstandsressourcen. Diese setzen sich zusammen aus individuellen, gesellschaftlichen, ökonomischen sowie materiellen Ressourcen. Gesundheit und Krankheit bewegen sich dagegen auf einem Kontinuum. Der Mensch bewegt sich stets zwischen diesen beiden Polen. Antonovsky geht davon aus, dass der Mensch im Leben ständig mit Reizen (Stressoren) konfrontiert ist die Spannung erzeugen, auf die er reagieren muss. Zur Bewältigung der Stressoren müssen Ressourcen aktiviert werden. Personen mit einem ausgeprägten Kohärenzgefühl nehmen hierbei die Reize als Herausforderung wahr und gehen davon aus, dass sie die zur Bewältigung notwendigen Ressourcen aktivieren können. Personen mit einem niedrigen Kohärenzgefühl hingegen schätzen Reize mit einer größeren Wahrscheinlichkeit als Stressor und somit als Überforderung und Bedrohung ein (Struhs-Wehr, 2017, S.7 ff.).

2015 wurde in Deutschland das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz) verabschiedet und in das SGB V/§ 20 Absatz 4 Satz 3 übernommen. Es fordert die gesetzlichen Krankenversicherungen dazu auf, Unternehmen bei der Durchführung und Zielerreichung der BGF im Kontext des Arbeitsschutzes zu unterstützen. In Zusammenarbeit mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie des Betriebsarztes sind Leistungen der BGF durch die Unfallversicherungsträger zu erbringen (§ 20b SGB V) (Schmidt et al., 2015, S.12).

Zudem gibt es für Unternehmen steuerliche Vorteile. Zusätzlich von ihnen erbrachte Leistungen zur Förderung des allgemeinen Gesundheitszustandes der Beschäftigten und der BGF, die zielgerichtet und zweckgebunden sind und zudem qualitativ die Anforderungen von § 20 und § 20a des SGB V erfüllen, sind bis zu 500 Euro im Jahr steuerfrei (Schmidt et al., 2015, S.13).

3.1.3 Betriebliches Gesundheitsmanagement

Nachfolgend werden mehrere Definitionen für das BGM dargestellt.

Für Struhs-Wehr soll ein BGM einem Unternehmen helfen, gesundheitsbezogene Maßnahmen zu planen, popularisieren, organisieren und koordinieren. Diese Strategien sollten sich an den Unternehmenszielen orientieren und als Zielwerte bzw. Kennzahlen messbar gemacht werden. Ein BGM verknüpft die Handlungsfelder des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) sowie der BGF (Struhs-Wehr, 2017, S.6).

Schmidt et al. definieren als BGM etablierte Prozesse und Strukturen in einer Organisation, um die BGF nachhaltig voranzutreiben. BGM gilt als moderne Unternehmensstrategie, um Krankheiten am Arbeitsplatz im Sinne der Prävention vorzubeugen, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu erhalten sowie ihr Wohlbefinden und ihre Motivation bei der Arbeit zu steigern. Nachhaltiges BGM ist eine Führungsaufgabe. Sie betrifft alle Ebenen der Betriebsführung und beeinflusst die Unternehmensziele, die Führungskultur, das Betriebsklima, die Arbeitsbedingungen, die Unternehmensprozesse sowie die Partizipation der Mitarbeiter (Schmidt et al., 2015, S.6).

Die Unternehmensberatung für Betriebliches Gesundheitsmanagement definiert BGM als einen systematisch strukturierten Prozess, der sich nach der strategischen Zielsetzung und Bestandsanalyse an den Ergebnissen einer kennzahlenbasierten Erhebung des gesundheitlichen Ist-Zustandes orientiert und daraus zielgerichtete Maßnahmen ableitet und umsetzt. Jeder BGM-Zyklus endet mit der Evaluation der Maßnahmen (Unternehmensberatung für Betriebliches Gesundheitsmanagement, 2015).

Die Definition von Badura et al. fasst BGM als die Lenkung, Entwicklung und Gestaltung betrieblicher Strukturen und Prozesse, um Arbeit, Organisation und Verhalten am Arbeitsplatz gesundheitsförderlich zu gestalten. Die Maßnahmen sollen den Angestellten und ebenso dem Unternehmen zugutekommen. Im Rahmen des BGM gilt die Gesundheit der Mitarbeiter als strategischer Faktor, der Einfluss auf die Leistungsfähigkeit, die Kultur und das Image des Unternehmens hat. Die Gesundheit wird in das Leitbild, die (Führungs-)Kultur, die Strukturen und die Prozesse integriert (Badura et al., 1999).

Nach Ansicht von Kaminski hängen BGM und die nachstehenden „Acht Managementprinzipien“ eng miteinander zusammen (Kaminski, 2013, S.21–27).

1. Kundenorientierung

Zwischen dem Wohlbefinden der Beschäftigten und der Zufriedenheit der Kunden existiert ein direkter Zusammenhang. Dank der Maßnahmen des Gesundheitsmanagements sind die Mitarbeiter gesünder und engagierter und können somit besser den Kundenanforderungen begegnen (Kaminski, 2013, S.22).

2. Führung

Durch das Gesundheitsmanagement soll im Unternehmen eine Führungskultur entstehen, die auf gemeinsamen Werten, Überzeugungen und Regeln basiert. Gesundheit steht als Führungsaufgabe in der Zielvereinbarung gleichberechtigt neben den ökonomischen und personellen Zielen (Kaminski, 2013, S.22).

3. Einbeziehung der Mitarbeiter

Im Rahmen der Partizipation werden das Wissen und die Fähigkeiten der Beschäftigten in Bezug auf Gesundheitschancen und -risiken genutzt, um eine soziale Vernetzung auf allen Ebenen des Unternehmens zu stärken (Kaminski, 2013, S.22f.).

4. Prozessorientierter Ansatz

Gesundheitsmanagement ist integraler Bestandteil betrieblicher Prozesse. Bei der Einführung eines BGM werden Gesundheitschancen und -risiken in den Prozessen des Unternehmens analysiert (Kaminski, 2013, S.23).

5. Systemorientierter Managementansatz

Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, samt Erfassung der gesundheitsrelevanten Aufgaben sind mit der für das BGM zuständigen Person zu vereinbaren (Kaminski, 2013, S.23).

6. Ständige Verbesserungen

Die Wirksamkeit des Gesundheitsmanagements wird, auf den sogenannten PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act) gestützt, kontinuierlich verbessert. Die Kenngrößen für Prozesse und Projekte werden definiert, um Verbesserungsschritte quantifiziert nachzuweisen (Kaminski, 2013, S.24).

7. Sachlicher Ansatz zur Entscheidungsfindung

Daten für die Erfolgsmessung lassen sich im BGM nur schwer erfassen, da in vielen Unternehmen die Definition der Gesundheit und ihre Messung auf betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie z.B. Krankheitstage oder Fluktuationsraten reduziert werden. Die Phänomene sind allerdings nur das Ergebnis einer großen Menge von unterschiedlichen Faktoren (Kaminski, 2013, S.24).

8. Lieferantenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen

Jedes Unternehmen agiert als Vorbild für seine Lieferanten. So kann ein Auftraggeber in seiner Produktspezifikation etwa verlangen, dass der Lieferant ein funktionierendes Gesundheitsmanagementsystem vorweisen können müsse (Kaminski, 2013, S.25).

Die Übertragung der Managementprinzipien auf das Gesundheitsmanagement verdeutlicht, dass zum BGM mehr gehört, als lediglich Gesundheitsförderungsmaßnahmen anzubieten. Die folgende Tabelle vergleicht die BGF mit dem BGM nach der DIN SPEC 91020.

Tabelle 1: Vergleich zwischen BGF und BGM

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung nach Kaminski, 2013, S.26

Nach Ansicht von Kaminski gehört zum BGM, dass Führungskräfte die Gesundheitsziele in die Zielvereinbarungen integrieren, deren Erreichung sich anhand von wenigen Kennzahlen bewerten lässt. Gesundheit muss Teil der Wertschöpfungskette des Unternehmens werden. Zu diesem Zweck sollten Programme mittels einer Bedarfsanalyse erarbeitet werden, die sich konkret an die Beschäftigten und deren Umfeld richten, um ihr Wohlbefinden zu steigern, sodass sie ihre Aufgaben effizienter erledigen. Das Unternehmen ist unbedingt ganzheitlich zu betrachten, denn es geht nicht nur um punktuelle und kurzfristige Verbesserungen (Kaminski, 2013, S.26f.).

Wie bereits erwähnt, stützen Uhle und Treier ihre Definition von BGM auf die DIN SPEC 91020. Zu einem BGM gehört ihres Erachtens die systematische und nachhaltige Gestaltung von gesundheitsförderlichen Strukturen und Prozessen. Zudem werden die Organisationsmitglieder zu einem eigenverantwortlichen gesundheitsbewussten Verhalten befähigt. Letztendlich lasse sich nicht strikt zwischen den Begriffen BGF und BGM unterscheiden, da sich beide Felder in Bezug auf die Herausforderungen überschneiden. Um die Gesundheit im Arbeitsumfeld zu stärken, halten die Autoren Analysen (Bedarf und Risiken), gezielte Interventionen (verhaltens- und verhältnisorientiert) sowie Kommunikation für unverzichtbar. Gesundheitsauszeichnungen wie der Corporate Health Award oder der Deutsche Unternehmenspreis Gesundheit zeigten, wie nachhaltiges BGM zum Unternehmenserfolg beitragen könne (Uhle & Treier, 2015, S.38).

3.1.4 Betriebliches Eingliederungsmanagement

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist ein systematisches Verfahren, dass der Arbeitgeber anbieten muss (Hahnzog, 2014, S.59). Konnte ein Mitarbeiter mehr als sechs Wochen unterbrochen oder durchgehend innerhalb eines Jahres wegen Krankheit nicht arbeiten, soll das BEM helfen, künftige Fehlzeiten zu reduzieren, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden oder die Wiedereingliederung dieses Mitarbeiters zu ermöglichen. Das BEM ist für die Mitarbeiter freiwillig und richtet sich an alle Beschäftigten im Unternehmen, unabhängig davon, ob sie in Voll- oder Teilzeit bzw. befristet oder unbefristet beschäftigt sind (Struhs-Wehr, 2017, S.178). Zentrale Fragen eines BEM lauten:

- Wie lässt sich die Arbeitsfähigkeit wiederherstellen?
- Wie kann eine erneute Erkrankung verhindert werden?
- Wie lässt sich der Gefahr chronischer Erkrankungen und Behinderungen frühzeitig entgegenwirken?
- Wie kann der Arbeitsplatz dauerhaft gesichert werden?

Durch die Nutzung eines BEM kann der Arbeitgeber seine Kosten reduzieren. Ist der Mitarbeiter mithilfe eines BEM wiedereingegliedert, muss der Arbeitgeber Vertretungskräfte weder einarbeiten noch bezahlen. Zudem entstehen keine Überstunden für Kollegen. Darüber hinaus fördert ein gut durchgeführtes BEM die Arbeitgeberattraktivität (Hahnzog, 2014, S.60).

Für das BEM schreibt der Gesetzgeber ein strukturiertes Verfahren vor. Es handelt sich um einen Klärungsprozess, der mit der Eingliederung oder der Feststellung, dass eine solche nicht möglich ist, endet (Hahnzog, 2014, S.60f.).

3.1.5 Arbeitsschutz

Das Arbeitsschutzgesetz, formuliert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, verpflichtet den Arbeitgeber, Verantwortung für die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu übernehmen und umzusetzen. Zu diesen Maßnahmen zählen die Verhütung von Unfällen und die Reduktion arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren sowie eine menschengerechte Arbeitsgestaltung. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz soll stetig verbessert werden. Wichtig sind regelmäßige Gefährdungsbeurteilungen, um Gefahrenpotentiale am Arbeitsplatz zu identifizieren. Neben körperlichen Gefahren sind in diesem Zusammenhang auch die Risiken für die psychische Gesundheit zu analysieren. Allerdings wurde die psychische Gefährdungsbeurteilung erst 2013 in das Arbeitsschutzgesetz aufgenommen.

Arbeitgeber sollen arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse bei der Gefährdungsbeurteilung und der Ableitung von Maßnahmen berücksichtigen. Die Einhaltung der Regelungen des Arbeitsschutzes zu beachten, obliegt dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer gleichermaßen (Struhs-Wehr, 2017, S.20f.).

3.1.6 Die Verbindungen zwischen BGM, BGF, BEM und dem Arbeitsschutz

Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass letzterer Belastungen reduzieren soll. Das Ziel dieser präventiven Maßnahmen ist es, Krankheiten vorzubeugen bzw. das Risiko für ihre Inzidenz zu reduzieren. Hierzu wird zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention unterschieden. Primärprävention soll das Auftreten von Erkrankungen verhindern, etwa durch eine belastungsarme Gestaltung des Arbeitsplatzes. Sekundärprävention dient dazu, Erkrankungen frühzeitig zu erkennen, um so Gesundheitsbeeinträchtigungen zu verringern. Maßnahmen der Tertiärprävention sollen helfen, die Gesundheit der Beschäftigten durch rehabilitative und therapeutische Maßnahmen wiederherzustellen. Vor allem im Rahmen des BEM werden z.B. mithilfe gestufter Wiedereingliederung die Arbeitszeiten nach einer Erkrankung verkürzt und somit die Gesundheit gefördert (Struhs-Wehr, 2017, S.22f.).

Während der Arbeitsschutz in Unternehmen auf Gesetzen basiert, besteht die BGF aus freiwilligen Maßnahmen. Hier liegt der Schwerpunkt vor allem auf den organisationalen und individuellen Ressourcen zur Stärkung der Gesundheit der Individuen, um Fehlbeanspruchungen und Belastungen zu unterbinden. Die Maßnahmen der BGF richten sich nicht nur an einzelne besonders exponierte Mitarbeiter, sondern an alle. Es sollen Handlungsfelder für die Entwicklung von Gesundheitsressourcen erkannt und entwickelt werden (Struhs-Wehr, 2017, S.23).

Eine ganzheitliche BGF wird durch ein ebenso angelegtes BGM in einem stetigen Prozess gesteuert. Hierbei werden Ziele festgelegt und auf Ist-Analysen gestützte Maßnahmen abgeleitet. Letztere werden schließlich evaluiert und im Erfolgsfall in der Organisation in optimierter Form implementiert. Der Prozess sollte sämtliche Mitarbeiter einbinden, um stetig die Gesundheitskompetenz des Unternehmens und der einzelnen Mitarbeiter zu entwickeln. Dafür muss die Unternehmensleitung das BGM als wichtig behandeln und dies auch den Beschäftigten vermitteln. Erfolgreiches BGM wird durch Führungskräfte ungemein gestärkt. Ein solches Gesundheitsmanagement ruht auf den Säulen Arbeitsschutz, BEM und BGF (Struhs-Wehr, 2017, S.23f.).

In diesem Sinn sieht Kupferberg den Fokus von Arbeits- und Gesundheitsschutz vor allem in der Vermeidung arbeitsplatzbedingter Unfälle und der Prävention berufsbedingter Krankheiten. Die BGF soll die gesamten Arbeits- und Lebensbedingungen sowie Gesundheitsressourcen verbessern. Das BGM verbindet letztendlich beide Bereiche auf Basis einer sorgfältigen Evaluation und unter Einbindung betriebswirtschaftlicher Überlegungen im Sinn des Gesundheitscontrollings (Kupferberg, 2012, S.167).

Die folgende Abbildung veranschaulicht, wie das BGM auf den drei Säulen Arbeitsschutz, BEM und BGF ruht (Struhs-Wehr, 2017, S.23f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Haus des BGM (eigene Darstellung nach Struhs-Wehr, 2017, S.24)

Schmidt et al. illustrieren die Leitideen des BGM anders. Abbildung 3 zeigt Arbeitssicherheit, gesundheitsförderliche Einzelmaßnahmen und die BGF als die tragenden Elemente (Schmidt et al., 2015, S.6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Von der Arbeitssicherheit zum BGM (Schmidt et al., 2015, S.6)

3.2 Mehrwert eines BGM

In diesem Kapitel werden Ziele und Vorteile eines BGM und dafür relevante Kennzahlen diskutiert.

3.2.1 Ziele und Vorteile eines BGM

Ein BGM soll vor allem dazu beitragen, eine gesunde Unternehmenskultur zu fördern. Hierzu zählen die Reduktion von gesundheitsschädigenden und vermeidbaren Belastungen im Arbeitsleben sowie die Anleitung der Beschäftigten, wie sich sie eigenverantwortlich gesundheitsbewusst verhalten. Zudem sollen neben Arbeitsbelastungen auch allgemeine gesundheitliche Risiken und Beschwerden verringert werden. Ein nachhaltiges BGM, so die Hoffnung, werde Wohlbefinden und Gesundheit der Beschäftigten erhöhen und die individuelle Leistungsfähigkeit erhalten bzw. fördern. Im Sinn der Partizipation können die Beschäftigten den Arbeitsplatz sowie Arbeitsabläufe mitgestalten. Dies steigere insgesamt die Arbeitszufriedenheit und verbessere das Betriebsklima. Zudem wüssten die Beschäftigten besser Bescheid über gesundes Verhalten im Beruf und im Privatleben. Ein derartiges BGM bringt Vorteile für beide Seiten (Schmidt et al., 2015, S.11).

Laut einer Studie aus dem Jahr 2011 sind Unternehmen, bei denen Leistung und Gesundheit den gleichen Stellenwert haben, ungefähr doppelt so erfolgreich wie Unternehmen, bei denen die Leistung im Vordergrund steht. Unternehmen, deren Fokus primär auf der Gesundheit der Mitarbeiter liegt, waren laut Studie sogar dreimal erfolgreicher als Unternehmen ohne Gesundheitsfokussierung (Keller & Price, 2011).

Für Arbeitgeber ist attraktiv, dass ein ganzheitliches BGM das Image ihres Unternehmens erhöht und die Fluktuation der Mitarbeiter verringert. Zudem sinken durch weniger Krankheits- und Produktionsausfälle die Kosten. Schließlich sind motiviertere Mitarbeiter leistungsfähiger und arbeiten produktiver (Schmidt et al., 2015, S.11).

Kaminski deutet als größten Vorteil eines BGM, dass es das Wohlbefinden der Beschäftigten steigert. Indem die Mitarbeiter engagierter arbeiten, intensivieren sie ihre Bindung zum Unternehmen, wodurch Demotivation und Frustration gesenkt werden. Das führt zu weniger Fehlzeiten und Unfällen sowie zu einer Produktivitätssteigerung. Durch das BGM werden die Beschäftigten zudem leistungsbereiter und befördern aktiv den Unternehmenserfolg (Kaminski, 2013, S.29). Die folgende Abbildung veranschaulicht die Wirkungsweise eines erfolgreichen BGM.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Wirkungsweise des BGM (eigene Darstellung nach Kaminski, 2013, S.32)

3.2.2 Kennzahlen für ein BGM

Der Erfolg von Interventionen eines nachhaltigen BGM verlangt für die Evaluation ein systematisches Gesundheitsmonitoring auf der Basis von Kennzahlen, also Daten, die komplexe Sachverhalte quantifizieren und als steuerbare Größe fungieren (Struhs-Wehr, 2017, S.218).

Nach Uhle und Treier müssen Kennzahlen des BGM folgende Gütekriterien erfüllen:

- die Vielschichtigkeit von Gesundheit abbilden (biologische, psychologische, soziale Ebene);
- wissenschaftlich fundiert sein;
- eine Grundlage für Entscheidungsprozesse geben (Maßnahmenplanung);
- zielorientiert sein (aus strategischen Zielen abgeleitet);
- auf Veränderungen reagieren (Sensitivität);
- kontextbezogen sein;
- aktuell und vorwärtsgerichtet sein (Uhle & Treier, 2013, 210 ff.).

Im Kontext des BGM lassen sich viele unterschiedliche Kennzahlen nutzen, die durch verschiedene Attribute definiert sind:

- Modalität: Differenzierung zwischen befragungs- und nicht-befragungsbasierten Kennzahlen;
- Beschaffenheit: Unterscheidung zwischen harten Kennzahlen (direkt zugänglich z.B. Krankenstand) und weichen Kennzahlen (indirekt zugänglich z.B. durch Befragung);
- Zahlenart: Darstellung von Mittelwerten, Quotenzahlen, Indexzahlen etc.;
- Zeitbetrachtung: Welchen Zeitraum erfassen die Kennzahlen? (Struhs-Wehr, 2017, S.211).

Um den ökonomischen Erfolg von Unternehmen längerfristig und differenziert zu erfassen, sollten harte und weiche Kennzahlen miteinander kombiniert werden. Weiche Kennzahlen sind für die wirksame Steuerung eines BGM erforderlich (z.B. Arbeitszufriedenheit). Harte Kennzahlen wie etwa Fehlzeiten sollten mit Skepsis beurteilt werden. Der Krankenstand allein erlaubt keine Aussage darüber, ob die Fehlzeiten tatsächlich auf Krankheiten zurückgehen oder durch fehlende Motivation oder soziale Bedingungen im Unternehmen verursacht wurden. Zudem spiegelt die Fehlzeitenquote nicht zwingend die tatsächliche Gesundheit der Beschäftigten wider. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, können Beschäftigte durch Präsentismus krank zur Arbeit erscheinen. Im Gegenteil besteht sogar die Möglichkeit, dass Beschäftigte im Rahmen des Absentismus eigentlich gesund sind, allerdings beispielsweise aus motivationsbedingten Ursachen der Arbeit fernbleiben (Struhs-Wehr, 2017, S.211). Die folgende Tabelle nennt Beispiele für harte und weiche Kennzahlen.

Tabelle 2: Übersicht harte und weiche Kennzahlen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung nach (Froböse, 2008)

Pfannstiel und Mehlich unterscheiden bei den Kennzahlen zwischen quantitativen und qualitativen sowie objektiven und subjektiven Verfahren:

- Quantitativ objektive Verfahren: z.B. Fehlzeitenanalyse, Altersstrukturanalyse oder der Gesundheitsbericht der gesetzlichen Krankenversicherung;
- Qualitativ objektive Verfahren: z.B. Arbeitsplatzanalyse oder arbeitsmedizinische Untersuchungen;
- Quantitativ subjektive Verfahren: z.B. Beschäftigtenbefragungen;
- Qualitativ subjektive Verfahren: z.B. Gesundheitszirkel oder Experteninterviews (Pfannstiel & Mehlich, 2016, S.350).

3.3 Beschreibung des aktuellen Kenntnis- und Forschungsstandes

Nachfolgend wird der Krankenstand der Bankenbranche skizziert und das Vorgehen der Literaturrecherche samt den identifizierten Studien vorgestellt.

3.3.1 Krankenstand der Bankenbranche

Laut dem Fehlzeitenreport 2018, der sich aus einer Stichprobe von Mitgliedern einer bundesdeutschen Krankenkasse zusammensetzt, wird in der Bankenbranche im Vergleich mit anderen Branchen ein niedriger Krankenstand beobachtet, wie die untenstehende Abbildung verdeutlicht. Hier sind Banken und Versicherungen zu einer Branche zusammengefasst. Datengrundlage bildet die Erhebung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) (Badura, Ducki, Schröder, Klose & Meyer, 2018).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Krankenstand der AOK-Mitglieder nach Branchen 2017 (eigene Darstellung nach Badura et al., 2018, S.340)

Mitarbeiter von Banken und Versicherungen weisen mit 3,8 % den niedrigsten Krankenstand aller Branchen auf. Das hier selten körperlich schwer gearbeitet wird, könnte ein Grund dafür sein, dass der Krankenstand deutlich niedriger ist, als in Branchen mit stärkerer Ausprägung der physischen Arbeit. 16 % der Arbeitsunfähigkeitstage sind durch einen Arbeitsunfall bedingt, 84 % haben andere Ursachen (Badura et al., 2018, S.369).

Bei isolierter Betrachtung des Krankenstandes, der bei Banken und Versicherungen Beschäftigten, in den letzten elf Jahren, zeigt sich ein Anstieg der Fehlzeiten.

Tabelle 3: Krankenstand der in Banken und Versicherungen beschäftigten AOK-Mitglieder in den Jahren von 2007 bis 2017

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung nach (Badura et al., 2018, S.342f.)

Der Krankenstand ist im Betrachtungszeitraum kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2007 waren durchschnittlich 3,1 % der versicherten AOK-Mitglieder aus dieser Branche erkrankt, bis ins Jahr 2017 stieg ihre Zahl auf 3,8 % (Badura et al., 2018, S.342f.).

Der Gesundheitsreport der DAK aus dem Jahr 2018 nennt für diese Kohorte ihrer Mitglieder im Jahr 2017 einen Krankenstand von 3,3 % (Marschall et al., 2018, S.266).

Die meisten Fehltage entstehen in dieser Branche unter AOK-Mitgliedern durch Atemwegserkrankungen (18 % Anteil an AU-Tagen), Muskel/Skelett- sowie Herz/Kreislauf-Erkrankungen (jeweils 15 % Anteil an AU-Tagen) (Badura et al., 2018, S.364).

Werden lediglich die Langzeiterkrankungen (Dauer von > 6 Wochen) betrachtet, ist der Anteil der Atemwegserkrankungen gering. Vor allem psychische Erkrankungen (24 % Anteil an AU-Tagen) sowie solche der Muskulatur bzw. des Skeletts (18 % Anteil an AU-Tagen) verursachen viele langfristige Ausfälle (Badura et al., 2018, S.374). Unter den Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems sind die häufigsten Diagnosen unter den AOK-Versicherten, die bei Banken und Versicherungen arbeiten, Krankheiten der Wirbelsäule/Rücken (43 %), Arthropathien (26 %) sowie Schädigungen der Weichteilgewebe (22 %). Bei Psyche und Verhaltensstörungen werden am häufigsten neurotische/Belastungs- und somatoforme Störungen (47 %) sowie affektive Störungen (43 %) diagnostiziert.

Die folgende Tabelle vergleicht die Dauer der Erkrankungen von Beschäftigten aus Banken und Versicherungen mit denen anderer Branchen: Es zeigt sich, dass bei Banken und Versicherungen Kurzzeiterkrankungen häufiger auftreten und diese auch einen höheren Anteil am Gesamtkrankenstand ausmachen (Badura et al., 2018, S.392).

Tabelle 4: Dauer der Arbeitsunfähigkeit der bei Banken und Versicherungen arbeitenden AOK-Mitglieder im Vergleich mit sämtlichen Branchen im Jahr 2017

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung nach Badura et al., 2018, S.392

3.3.2 Studien zum BGM in der Bankenbranche

Eine umfangreiche Literaturrecherche sollte den aktuellen Kenntnisstand zum Thema BGM im Bankwesen/ bei Sparkassen ermitteln. Es wurden dazu deutschsprachige und internationale Datenbanken durchsucht, um herauszufinden, ob in anderen Ländern bereits Studien zu diesem Thema vorliegen. Das folgende Flussdiagramm skizziert die Literaturrecherche.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es wurde nur die Studie „Prevention, health promotion and workplace health management in German banks: Results from a nationwide representative survey“ ermittelt, die das BGM in Banken analysierte und das BGM der deutschen Bankenbranche repräsentiert. Eine weitere Studie „Workplace Health Risk Associated Diseases and the Practice of Workplace Health Promotion in Nigerian Banking Sector“ beschäftigte sich mit dem BGM von Bankangestellten in Nigeria. Weil die dortigen Arbeits- und Gesundheitsbedingungen grundsätzlich anders sind, wurde diese ausgeschlossen. Nun wird die hier ausgewertete erste Studie von Plath, Köhler, Krause und Pfaff vorgestellt.

3.3.2.1 Plath et al. 2008

Die Studie „Prevention, health promotion and workplace health management in German banks: Results from a nationwide representative survey“ von Plath et al. aus dem Jahr 2008 basiert auf einer standardisierten telefonischen Befragung mit 198 zufällig ausgewählten Banken in Deutschland. Voraussetzung zur Teilnahme war, dass die Banken nach eigenem Bekunden bereits Strukturen der BGF oder des BGM implementiert hatten. In jeder Bank wurde ein Experte für das BGM befragt. Ergänzend zur englischen Studie haben die Autoren ihre Ergebnisse in einer umfangreicheren Monografie publiziert. Hier war allerdings Holger Pfaff der federführende Autor (Pfaff, Plath, Köhler & Krause, 2008). Da beide Werke dieselben Daten auswerten, wird im Folgenden häufiger auf die Studie von Plath et al. verwiesen. Andernfalls lautet der Nachweis „Pfaff et al.“.

Plath et al. bemängeln, dass in Deutschland kaum Untersuchungen zu BGF oder BGM in Unternehmen und noch weniger zu spezifischen Branchen wie etwa den Banken vorlägen (Plath et al., 2008, S.195f.). Um effektive Gesundheitsprogramme zu entwickeln, seien jedoch die spezifischen Bedingungen in den einzelnen Branchen zu betrachten. Nach Ansicht der Autoren besitzt der Bankensektor im Rahmen eines BGM eine entscheidende Rolle, da dort Beschäftigte besonders häufig Druck und Stress ausgesetzt sind (Plath et al., 2008, S.196).

83 % der Banken hatten Programme zur ergonomischen Verbesserung des Arbeitsplatzes eingerichtet und in 70 % der Organisationen galt ein Rauchverbot am Arbeitsplatz. 63 % der Unternehmen boten ihren Mitarbeitern flexible Arbeitszeiten und 77% der Banken hatten Maßnahmen ergriffen, um die Arbeitsorganisation zu verbessern. 50 % der Unternehmen hatten schon in Programme zur Entwicklung sozialer Beziehungen am Arbeitsplatz wie z.B. in Teamentwicklungsmaßnahmen investiert. Aktivitäten zur Verhältnisprävention wurden nur am Rande gefördert. Die Hälfte der befragten Banken (49 %) boten Betriebssportgruppen an. Doch in lediglich 9 % der Organisationen existierten Programme zur gesunden Ernährung. Die Analyse des Gesundheitsmanagements zeigte, dass 21 % der Banken ein festes BGM eingerichtet und 22 % der Unternehmen Ziel- und Erfolgskriterien für die angebotenen Maßnahmen festgelegt hatten. Doch nur 17 % der Banken evaluierten ihre Maßnahmen danach. 58 % der Banken stellten für das BGM ein separates Gesundheitsbudget im Unternehmen zur Verfügung. Die Verantwortung für das Gesundheitsmanagement lag entweder im Personalbereich (44 %), bei Mitgliedern aus dem Betriebsrat (21 %) oder bei den Betriebsärzten (16 %).

Zudem sollten die Befragten die Wichtigkeit eines erfolgreichen Gesundheitsmanagements bewerten. Zwei Drittel hielten ein BGM für sehr wichtig oder wichtig, 28 % für weniger wichtig und 6 % für unwichtig.

Die Studie von Plath et al. zeigt, dass Maßnahmen der Verhältnisprävention im Finanzsektor wenig Priorität besaßen. In diesen Institutionen wurden Maßnahmen zur Analyse, Diagnose und zur Verhaltensprävention bevorzugt. Entscheidend ist nach Ansicht der Autoren eine Verzahnung von Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement, um das Risiko der Ressourcenverschwendung zu reduzieren (Plath et al., 2008, S.199ff.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 104 Seiten

Details

Titel
Betriebliches Gesundheitsmanagement von Sparkasseninstituten in Deutschland. Struktur und Organisation
Hochschule
Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH
Note
1,2
Autor
Jahr
2019
Seiten
104
Katalognummer
V513575
ISBN (eBook)
9783346101655
ISBN (Buch)
9783346101662
Sprache
Deutsch
Schlagworte
betriebliches, gesundheitsmanagements, sparkasseninstituten, deutschland, struktur, organisation
Arbeit zitieren
Alexander Oster (Autor:in), 2019, Betriebliches Gesundheitsmanagement von Sparkasseninstituten in Deutschland. Struktur und Organisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/513575

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