Agile Organisation. Ausrichtung von Organisationskultur und -prozessen auf die Anforderung der Aktivität


Tesis de Máster, 2016

121 Páginas, Calificación: 2,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Der Organisationsbegriff
1.2 Organisatorischer Wandel

2 Agilität
2.1 Der Entstehungsprozess der Agilität in Organisationen
2.2 Definition Agilität
2.3 Das Agile Manifest
2.4 Agile Prinzipien
2.5 Organisationale Agilität

3 Ansätze zur Veränderung einer Organisation
3.1 Veränderung der Organisationskultur
3.1.1 Prozessmodell der Kultur nach Mary Jo Hatch
3.2 Organisatorisches Lernen
3.2.1 Organisationales Lernen nach Chris Argyris und
Donald A. Schön
3.2.2 Lernende Organisation nach Peter M. Senge
3.3 Accelerate nach John P. Kotter

4 Gestaltung der wesentlichen Aspekte einer Agilen Organisation
4.1 Gestaltung der Organisationskultur
4.2 Gestaltung der Führungsprinzipien
4.3 Gestaltung der Selbstorganisation
4.4 Gestaltung des Informationsflusses
4.5 Zusammenfassung der Gestaltungseinflüsse

5 Fazit und Ausblick

6 Literatur- und Quellenverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1 Das Prozessmodell der Kultur

Abbildung 2 Typische Fehler und Konsequenzen bei Transformationsprozessen

Abbildung 3 Acht-Stufen-Prozess für die Umsetzung tiefgreifenden Wandels

Abbildung 4 The eight Accelerators

Tabelle 1 First-Order Change und Second-Order Change

Tabelle 2 Die vier thematischen Blöcke der Agilen Prinzipien

Tabelle 3 Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der Organisationskultur

Tabelle 4 Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der Führungsprinzipien

Tabelle 5 Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der Selbstorganisation

Tabelle 6 Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung des Informationsflusses

Tabelle 7 Gesamteinfluss der Veränderungsansätze auf die Gestaltung der Agilen Prinzipien

Tabelle 8 Einfluss der Veränderungsansätze auf die Gestaltung der wesentlichen Aspekte

1 Einleitung

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Arbeitswelt aufgrund technologischer wie auch gesellschaftlicher Entwicklungen grundlegend verändert. Neben einem Generationenwechsel, der mit neuen Bedürfnissen, wie zum Beispiel dem Wunsch nach Work-Life-Balance und Selbstverwirklichung, Organisationen vor neue Herausforderungen stellt, agieren diese zusätzlich in unüberschaubarer und komplexer werdenden Märkten, die durch unberechenbarere Produkt-, Produktions- und Konjunkturzyklen geprägt sind.

Im Jahr 2020 wird zum ersten Mal die Generation der Digital Natives die Mehrheit der Mitarbeiter in Unternehmen stellen und kurz darauf auch die Führungspositionen erobern. Diese Generation ist durch eine neue Form der Erwerbsbiographie in Form der sogenannten Patchwork-Identität geprägt. Diese Patchwork-Identität beinhaltet den Wandel des Arbeitnehmers hin zum Projektarbeiter, der weder feste Arbeitszeiten noch langjährige Betriebszugehörigkeiten kennt, sondern oft und schnell seinen Arbeitgeber wechselt (Janzsky 2010: 19f). Infolge dessen muss sich auch die Organisation hin zu einer anpassungsfähigeren und flexibleren Organisation verändern.

Die zunehmende Geschwindigkeit des Informationsflusses, die die kurzfristige Übermittlung von Informationen ermöglicht, lässt die Welt schneller als je zuvor zusammenwachsen, wodurch Märkte und damit einhergehend auch Organisationen an Grenzen verlieren. Aus Sicht der Organisationen betrachtet entstehen so unter anderem Communities of Practice – praxisbezogene Gemeinschaften von Menschen, die informell miteinander verbunden sind –, während sich extern betrachtet Organisationen durch die Bildung virtueller Verbünde mit anderen Organisationen zu größeren Gebilden zusammenschließen (Scheer et al. 1998: 4). Da Wirtschaft und Märkte einem kontinuierlichen Wandel unterliegen, der sich zumeist unerbittlich schnell und unberechenbar darstellt, müssen Organisationen lernen, den Wandel nicht lediglich zu bewältigen, sondern darüber hinaus auch unter sich ständig ändernden Bedingungen erfolgreich zu sein.

So muss die Unternehmensleitung ihre Organisation kontinuierlich neu definieren und diese routinemäßig in den Wettbewerbsfeldern neu positionieren, in denen sie agiert. Die erforderlichen Anpassungsprozesse betreffen die organisatorische Struktur, Produkt- und Servicelinien, Geschäftsprozesse, Managementpraktiken, Politiken für Personal- und Technologieeinsatz sowie Marketingstrategien für die vielfältigen und sich verändernden Anforderungen der Kundenkreise (Goldman et al. 1996: XIIIf). Um diese erfolgreich zu bewältigen und um sich auf den volatilen Märkten auf Dauer behaupten zu können, muss sich eine Organisation agil gestalten, statt traditionell gesehen ausschließlich zu versuchen, die zukünftige Marktsituation vorherzusagen (Scheer et al. 1998: 4).

In der Vergangenheit hat der Gestaltungsprozess einer neuen Organisationsausrichtung häufig lediglich zu einer Modeerscheinung mit den dazugehörigen Modewörtern geführt. Damit einhergehend besteht die Gefahr, dass der Blick auf das Wesentliche beziehungsweise auf die Tatsachen verloren geht. Diese Gefahr betrifft auch den Begriff der Agilität und die agile Gestaltung einer Organisation, wie zum Beispiel die Versuche von Managern aus der Software- über die Automobilindustrie bis hin zur Medizintechnik, der Forderung nachzukommen, ihre Unternehmen agil zu gestalten. Auf der Suche nach dem schnellen Erfolg werden dabei jedoch häufig die einer neuen Theorie zugrundeliegenden Ideen ebenso vernachlässigt wie die Strukturen und Rahmenbedingungen einer Organisation (Gloger & Margetich 2014: 5).

Wenn Unternehmen feststellen, dass die bisherigen Erfolgsmuster bedingt durch dynamischere Märkte, kürzer werdende Innovationszyklen und komplexer werdende Fragen ihre Wirkung verlieren, helfen die bisher wirksamen Managementprinzipien aufgrund starrer Hierarchien, Organisationsstrukturen mit Silo-Denken sowie einem auf Macht und Kontrolle beruhenden Führungsstil wenig weiter (Häusling et al. 2014: 18). Auch sich wandelnde Kundenanforderungen fordern von Unternehmen eine Veränderung der gesamten Organisation.

Eine Antwort auf diese Herausforderungen bietet die Agile Organisation, bei der sich der Fokus von der reinen Prozessorientierung hinweg auf die Individuen und deren Arbeitsorganisation sowie von dem schlichten Befolgen eines Plans hinweg zu der Reaktion auf Veränderungen verschiebt (Cortinovis & Huyke 2014: 22). Kennzeichnend für diese Art der Organisation sind kurze, überschaubare Planungs- und Umsetzungszyklen mit konkreten Ergebnissen, ein regelmäßiges Hinterfragen und ein Neuausrichten von Prioritäten, wodurch Fehler frühzeitig erkannt und in einem Frühstadium korrigiert werden können. Des Weiteren werden Entscheidungen statt mittels disziplinarischer Macht dort getroffen, wo das Wissen sitzt (Häusling et al. 2014: 18). Schlussendlich stellt eine Agile Organisation den Kunden in den Mittelpunkt, wodurch dieser Lösungen für Probleme bekommt, die er bis dato noch nicht gekannt oder wahrgenommen hat. Eine mit diesen Merkmalen ausgestattete Organisation ist so aufgestellt, dass sie auf Anforderungen von außen sofort reagieren kann (Gloger & Margetich 2014: 10).

Werden die zuvor erwähnten Charakteristika einer Agilen Organisation aus dem Blickwinkel des Themas dieser Arbeit „Ausrichtung von Organisationskultur und -prozessen auf die Anforderung der Aktivität“ heraus betrachtet, können die folgenden vier Aspekte als wesentlich für die Gestaltung einer Agilen Organisation identifiziert werden: Organisationskultur, Führungsprinzipien, Selbstorganisation und Informationsfluss.

Der Organisationskultur kommt bei der Gestaltung einer Agilen Organisation eine besondere Rolle zu, denn diese ist im Idealfall das Fundament eines Geschäftssystems, das der Organisation einen Vorteil gegenüber den anderen Marktteilnehmern verschafft. Um das zu erreichen und um von außen einwirkenden Gefahren zu begegnen, sollte die Organisationskultur von gegenseitiger Unterstützung, dem voneinander Lernen und dem gemeinsamen Anpacken von Problemen geprägt sein (Gloger & Rösner 2014: 145f). Die Organisationskultur in einem Agilen Unternehmen fordert somit ein Zulassen und Fördern seitens der Führungskräfte, damit die Mitarbeiter von sich aus denken und Entscheidungen zum Vorteil der Organisation treffen können (Goldman et al. 1996: 102).

Die Führungsprinzipien resultieren aus den folgenden vier Faktoren: erstens aus der Selbstentwicklung, indem Führungskräfte als Vorbildfunktion ihre Fähigkeiten aktiv und selbständig weiterentwickeln; zweitens aus der Weiterentwicklung anderer, der Entwicklung der Potenziale und des Coachings der Mitarbeiter; drittens aus der Weiterentwicklung der Organisation, der Sicherstellung der Fähigkeit zur Umsetzung einer ständigen Verbesserung der Organisation sowie viertens aus der Ausrichtung der Organisation auf eine gemeinsame Vision und auf gemeinsame Ziele, also aus der Verknüpfung von Top-Down und Bottom-Up bei der Entstehung von Zielen (Foegen & Kaczmarek 2015: 161). Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Ergebnisse und Arbeitsweisen ständig überprüft und angepasst werden (ebd.: 164).

Die Selbstorganisation findet in Form eines hohen Maßes an Ermächtigung, Beteiligung und Selbstregulation der einzelnen Individuen und der vernetzten Teilsysteme wie zum Beispiel von Gruppen statt und bezieht sich auf „…das spontane Auftreten neuer, stabiler erscheinender Strukturen und Verhaltensweisen in Systemen.“ (Gloger & Rösner 2014: 36). Das bedeutet auch, dass Teams und Individuen auf ein gemeinsames Ziel aktiv und selbständig hinwirken können (Foegen & Kaczmarek 2015: 170). Dabei wird die Veränderung der grundlegenden Struktur des Systems aufgrund von Erfahrungen in Kombination mit der Umwelt ausgelöst. Die Individuen handeln nach spezifischen Regeln und erschaffen so eine Ordnung, ohne zuvor eine Vision von der Gesamtentwicklung entwickelt haben zu müssen (Gloger & Rösner 2014: 36).

Unter Informationsfluss wird eine kollektive Kommunikation verstanden, die es jeder Person und jedem System erlaubt, mit jedem anderen zu kommunizieren. Die daraus resultierende netzwerkverbundene Kommunikation ermöglicht dabei eine kurzfristige Reaktion auf neue Anforderungen (Goldman et al. 1996: 299). In Meetings stellt neben der Debatte und der Diskussion im Hinblick auf die uneingeschränkte kollektive Kommunikation vor allem der Dialog die bevorzugte Kommunikationsform dar. In einem Dialog werden unterschiedliche Positionen als Angebote und Vorschläge sachbezogen dargestellt und die Grundannahmen werden transparent gemacht und abgeglichen, wodurch die Suche nach Konsens oder Kompromissen erleichtert wird (Gloger & Rösner 2014: 58f).

Die Agilität stellt indes kein Allheilmittel für anpassungsfähigere Unternehmen dar, sondern es hängt von den individuellen Voraussetzungen ab, welches Erfolgsrezept am vielversprechendsten und welches Ziel sowohl realistisch als auch innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes erreichbar ist (Häusling & Kahl 2015: 18). Es gibt keine Formel für ein agiles Programm, wohl aber Richtlinien, die bei der Umsetzung einer agilen Strategie helfen. Folglich liegt es in der Hand eines Unternehmens, ein eigenes marktspezifisches und dynamisches Programm zu entwickeln, um ein aktives und in Folge dessen ein Agiles Unternehmen zu werden (Goldman et al. 1996: 60). Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich mit den wesentlichen Aspekten der Gestaltung einer Agilen Organisation auseinander zu setzen. Das soll in dieser Arbeit ausgehend von der folgenden Forschungsfrage erfolgen:

„Wie kann eine Organisation in ihrer Organisationskultur, Führungsprinzipien, der Selbstorganisation sowie des Informationsflusses gestaltet werden, um den Anforderungen der Aktivität gerecht zu werden?“

In den beiden folgenden Unterkapiteln werden der Organisationsbegriff sowie der Wandel der Organisation anhand des second order change definiert. Darauf aufbauend werden im zweiten Kapitel der Begriff der Agilität, die Entwicklung der Agilen Prinzipien und die organisationale Agilität vorgestellt. Das dritte Kapitel befasst sich mit vier für das Thema dieser Arbeit zentralen Ansätzen zur Veränderung einer Organisation. Zu diesen zählt die Veränderung der Organisationskultur anhand des „Prozessmodells der Kultur“ von Mary Jo Hatch. Zwei weitere Ansätze betreffen das organisatorische Lernen in Form des „Organisationalen Lernens“ von Argyris und Schön sowie der „Lernenden Organisation“ von Senge. Des Weiteren wird der Ansatz „Accelerate“ von John Kotter vorgestellt. Aus diesen Ansätzen werden Hypothesen abgeleitet, die in dem vierten Kapitel „Wesentliche Aspekte für die Gestaltung einer Agilen Organisation“ tiefgreifender bearbeitet werden. Das fünfte Kapitel beschäftigt sich als Fazit mit den gewonnenen Erkenntnissen und bietet einen Ausblick.

1.1 Der Organisationsbegriff

Unter dem Begriff „Organisation“ ist rein sprachlich betrachtet eine ordnende Gestaltung zu verstehen, die in Organismen aufgrund von Naturgesetzen vorliegt. Folglich stellt das Organisieren eine Nachahmung von Gestaltungsprozessen durch den Menschen dar und steht in diesem Kontext für die strukturierende Gestaltung einer Unternehmung (Kosiol 1976: 19f).

Klassisch werden drei Organisationsbegriffe unterschieden: der instrumentale beziehungsweise instrumentelle, der institutionale beziehungsweise institutionelle sowie der funktionale Organisationsbegriff (Schulte-Zurhausen 2005; Thom & Wenger 2010; Schreyögg & Geiger 2016). Der instrumentale Organisationsbegriff legt den Fokus auf ein besonderes Merkmal eines Systems wie die Organisationsform (Schreyögg & Geiger 2016: 5). Die Organisation wird demnach als Regelsystem verstanden, das durch festgelegte Verhaltensregeln und Funktionsregeln die effektive und effiziente Aufgabenerfüllung gewährleisten soll (Thom & Wenger 2010: 44). Der institutionale Organisationsbegriff hingegen betrachtet die Organisation als gesamtes System, also als das ganze soziale Gebilde anhand seiner spezifischen Zweckorientierung, der geregelten Arbeitsteilung und beständiger Grenzen zur Umwelt (Schreyögg & Geiger 2016: 9f). Zudem werden die Aktivitäten der Mitglieder mittels Koordination auf die Organisationsziele ausgerichtet (Thom & Wenger 2010: 44). Der institutionale Organisationsbegriff zielt auf drei wesentliche Eigenschaften von Organisationen: 1. Organisationen sind soziale Systeme, 2. Organisationen sind zielgerichtet und 3. Organisationen weisen eine formale Struktur auf (Schulte-Zurhausen 2005: 1f). Im Rahmen der funktionalen Sichtweise wird die Organisation als Organisationsmanagement in Form von Führungs- und Managementfunktionen verstanden (Thom & Wenger 2010: 45), wobei alle Aktivitäten umfasst werden, die im Zusammenhang mit der Planung, der Einführung und der Durchsetzung von organisatorischen Regeln verbunden sind (Schulte-Zurhausen 2005: 4). Weitere Aufgaben bestehen in der konkreten Ausgestaltung, der Einführung und Durchsetzung organisatorischer Regeln zur Konkretisierung, in der Zuteilung von Aufgaben auf Mitarbeitende sowie in der Verknüpfung mit Aufgaben-erfüllungsprozessen (Thom & Wenger 2010: 45).

Allgemein betrachtet ist die Organisation ein Ressourcenpool oder korporativer Akteur und entsteht, wenn Individuen einen Teil ihrer Ressourcen – Geld, Arbeitskraft oder das Recht, in ihrem Namen zu handeln – einer zentralen Disposition unterstellen (Kieser & Kubicek 1992: 1). Als Organisation wird sowohl die Tätigkeit des Organisierens als auch das Ergebnis in Form der Institution bezeichnet, wodurch sich auch ein Unternehmen in Form eines Sozialgebildes als Organisation begreifen lässt (Kosiol 1976: 15). Dies begründet Bühner (2004: 4) einerseits damit, dass der Begriff Organisation für sämtliche zielgerichtete soziale Systeme steht. Andererseits stellt die Unternehmung ein zielgerichtetes informationsgewinnendes und -verarbeitendes Sozialsystem dar und ist damit per Definition eine Organisation.

Organisationen stellen soziale Gebilde dar, „...die dauerhaft ein Ziel verfolgen sowie eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe Aktivitäten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel ausgerichtet werden sollen.“ (Kieser & Kubicek 1992: 4). Des Weiteren kann die Organisation als planvolle Zusammenfassung geeigneter Menschen und Sachdinge zu der gemeinschaftlichen Lösung von Aufgaben verstanden werden (Kosiol 1976: 15), wobei festgehalten werden muss, dass ein Individuum nicht seine sämtlichen verfügbaren Ressourcen in eine einzige Organisation einbringt und folglich gleichzeitig Mitglied in mehreren Organisationen sein kann (Kieser & Kubicek 1992: 1).

Die ersten Organisationen entstanden im 14. Jahrhundert mit der Gründung von sogenannten Gesellschaften von Fernhandelskaufleuten, in die einzelne Kaufleute eintreten konnten, indem sie bestimmte Ressourcen einbrachten. Erst mit dem Beginn der gewerblichen Produktion in Verlagen und Manufakturen im 18. Jahrhundert setzten sich Organisationen in der Form, wie wir sie heute kennen langsam durch (Kieser & Kubicek 1992: 3).

Neben Mitgliedern sind Organisationen auch auf Regeln angewiesen. Die organisatorischen Regeln ermöglichen die Arbeitsteilung mittels der Koordination der Aufgaben und geben den Mitgliedern Orientierung (Kieser & Kubicek 1992: 16). In Bezug auf den Aspekt Regeln wird in der Literatur zwischen der formalen beziehungsweise formellen Organisation und der informalen beziehungsweise informellen Organisation unterschieden (Schwager & Haar 1996; Bühner 2004; Olfert 2009; Schreyögg & Geiger 2016).

Die formale Organisation beschreibt die Organisationsstruktur, die mit Hilfe eines Systems aus geltenden Regelungen für die Steuerung von Leistungen und für das Verhalten der Organisationsmitglieder verantwortlich ist (Schwager & Haar 1996: 200). Es handelt sich demnach um eine bewusst geschaffene und rational gestaltete Struktur mit dem Ziel, die unternehmerischen Zielsetzungen zu erfüllen (Bühner 2004: 6). Dabei steht neben der geplanten Aufgabenstellung auch die Rangordnung im Vordergrund, die unter anderem durch die Unternehmens- beziehungsweise Abteilungsleitung vorgegeben wird (Olfert 2009: 43f).

Die informale Organisation beschreibt hingegen soziale Strukturen, die durch persönliche Ziele, Wünsche, Sympathien und Verhaltensweisen der Mitarbeiter entstehen (Bühner 2004: 6) und somit nicht generell geregelt und autorisiert sind, sondern einen gruppeninternen Konsens darstellen (Schwager & Haar 1996: 201). Diese soziale Struktur wird durch die Mitarbeiter bestimmt und bildet sich aufgrund von zwischenmenschlichen Dynamiken spontan und ungeplant (Olfert 2009: 44). In der Theorie erscheint die informale Organisation aufgrund fehlender fixierter Regelungen flexibler, birgt allerdings die Gefahr in sich, dass zielgerichtetes betriebliches Handeln blockiert wird (Schwager & Haar 1996: 201). Bühner (2004: 7) stellt hingegen fest, dass informale Organisationssachverhalte vermehrt mit dem Begriff der Organisations-/Unternehmenskultur in Verbindung gebracht werden und durch eine starke Unternehmenskultur „…den Mitarbeitern ein relativ stabiler sozialer Orientierungsrahmen vorgegeben [wird], der ihr zielbezogenes Handeln leitet.“ (ebd.).

Die Organisation wie auch das Verhalten der Organisationsmitglieder werden neben den Regeln auch durch Umweltfaktoren beeinflusst (Dill 1958: 409). Für die Organisation stellt die Umwelt eine Informationsquelle sowie ein Ressourcen-reservoir dar. Die Klärung, was alles zu der Umwelt einer Organisation zählt, stellt sich indes als schwierig heraus; als wichtige Komponenten sind die generelle beziehungsweise globale Umwelt und die Aufgabenumwelt zu sehen (Schanz 1994: 357f; Kieser & Walgenbach 2010: 384; Schreyögg & Geiger 2016: 199). Zu der generellen Umwelt zählen insbesondere gesellschaftliche, politische, gesetzliche, ökonomische, technologische und ökologische Bedingungen, während die Aufgabenumwelt die einzelne Organisation betrifft und vor allem die Lieferanten, Kapitalgeber, Arbeitsmarktverhältnisse, Kunden sowie die Konkurrenz umfasst (Schanz 1994: 359).

Eine andere Betrachtungsweise verfolgt der Interessengruppen- beziehungsweise Stakeholder-Ansatz, der von externen Gruppierungen Ansprüche und Einfluss auf die Organisation ausgeübt sieht. So können Interessengruppen als Umweltfaktoren betrachtet werden, wie unter anderem Aktionäre, Abnehmer, Verbände, Wettbewerber oder die Politik (Schreyögg & Geiger 2016: 204).

Der Einfluss der Umweltfaktoren auf eine Organisation bedingt den Wandel formaler Strukturen, die zu der Überlebensfähigkeit der Organisation in ihrer Umgebung beitragen. Wandel bedeutet in diesem Kontext eine Änderung der Form, der Struktur oder der Natur von etwas (Fletcher 1990: 7). Organisatorischer Wandel liegt vor, wenn viele organisatorische Elemente gleichzeitig und in einer umfassenden Weise verändert werden. Dieser Wandel kann durch die Entdeckung einer neuen und effizienteren Technologie oder durch die bessere Erfüllung von Kundenwünschen ausgelöst werden und zu einer grundlegenden Änderung der Organisationsstruktur führen (Kieser & Walgenbach 2010: 376). Es handelt sich dabei um einen Prozess, in dem die Organisation bewertet was sie war, was sie ist, was sie sein muss und wie sie die notwendigen Änderungen vornehmen kann (Fletcher 1990: 8). Die Umwelt erzwingt folglich nicht eine bestimmte Organisationsveränderung, sondern die Organisationsgestalter legen fest, welche Veränderungen eingeführt werden müssen, damit die Leistungsfähigkeit der Organisation aufrechterhalten werden kann (Kieser & Walgenbach 2010: 376f). Dies erfordert einen systemweiten Prozess, der völlig neue Verhaltensweisen, neues Denken und Wahrnehmen seitens aller Mitglieder der Organisation erfordert (Fletcher 1990: 8).

Generell bestehen zwei Möglichkeiten, um auf Umweltfaktoren zu reagieren: Zum einen gibt es Maßnahmen zur Reduzierung der Interaktion mit der Umwelt und zum anderen für die Erhöhung der Anpassungsfähigkeit der Organisation an die Umwelt. Dadurch wird letztlich eine Flexibilisierung der Organisation erzielt, die diese in die Lage versetzt schnelle Entscheidungen zu treffen, indem sie angemessene Reaktionen konzipiert und umsetzt als Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse wie Preissenkungen oder Lieferschwierigkeiten von Konkurrenten oder das Auftauchen von Absatzchancen (Kieser & Walgenbach 2010: 389f). Der aufgrund solcher Ereignisse zunehmende Wettbewerb fordert von Unternehmen leistungsfähigere Organisationsformen, in denen neben Qualität und Kosten auch der Faktor Zeit Berücksichtigung findet (Schwager & Haar 1996: 221).

Flexibilität gilt als Erfolgsfaktor für Organisationen, da nur die Unternehmen, die ihre Organisation schnell und reibungslos an die veränderten Umweltfaktoren anpassen, in einem hart umkämpften Markt bestehen können. Aus diesem Grund begannen amerikanische Führungskräfte das Prinzip des Agilen Unternehmens zu propagieren, das durch drei Hauptmerkmale gekennzeichnet ist:

1. ein Management des Wandels, welches sich in einer fortlaufenden Erneuerung des Unternehmens auswirkt,
2. eine hohe Reaktionsfähigkeit aufgrund einer funktionierenden Kommunikations- und Informationspolitik, die über die Bereichsgrenzen hinaus geht sowie
3. ein erweitertes Qualitätsverständnis, bei dem nicht mehr nur die Produkteigenschaften betrachtet werden, sondern das ganze Unternehmen aus Kundensicht betrachtet wird (Schwager & Haar 1996: 53f).

Demzufolge müssen Organisationsstrukturen eher breit und dezentral ausgelegt werden; nur wenn wenige zentrale Funktionen mit einer geringen Anzahl von hierarchischen Stufen bestehen, wird ein direkter Kommunikationsfluss in alle Richtungen ermöglicht (Schwager & Haar 1996: 226).

Organisationen können folglich über ihre Mitglieder ihre eigene Umgebung anhand eines Interaktionsprozesses gestalten. Während Einzelpersonen der Organisation beitreten und diese wieder verlassen, bewahrt die Organisation das Wissen und die Werte, wodurch diese über ein eigenes Interpretationssystem verfügt. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Management der Organisation der wichtigste Schöpfer und Erhalter gemeinsamer Überzeugungen und Werte ist (Björkman 1989: 251).

1.2 Organisatorischer Wandel

Sobald Veränderungen in der Umwelt sowie die vermeintlichen Lösungen für den Umgang mit ihnen identifiziert sind, wird ein organisatorischer Wandel ausgelöst (Weick & Quinn 1999: 363). Die Untersuchung dieses Wandels und mit ihm der Weiterentwicklung einer Organisation hatte zunächst den Schwerpunkt auf Einzelpersonen und Gruppen, später auch auf Organisationsstrukturen. Dabei wird zwischen zwei Typen von Wandel unterschieden: Während der „first order change“ für eine schrittweise Änderung in einem festgelegten Umfeld oder Verfahren innerhalb einer Organisation steht, beschreibt der „second order change“ Änderungen der Rahmenbedingungen innerhalb einer Organisation (Bartunek & Moch 1987: 483f). Das Konzept des first und second order change wurde zuerst von Paul Watzlawick, John H. Weakland und Richard Fisch beschrieben (Bartunek & Moch 1987: 484; Fletcher 1990: 8; Weick & Quinn 1999: 363). Im Laufe seiner Arbeit mit menschlichen Problemen führte Watzlawicks wachsende Unzufriedenheit mit bestehenden Mythologien des Wandels zu seiner näheren Beschäftigung mit dem Wesen des Wandels (Watzlawick et al. 1974: 99), wobei die folgenden vier Grundsätze erkennbar wurden (ebd.: 105):

1. Lösungen zweiter Ordnung werden auf Lösungen erster Ordnung angewandt, wo diese nicht nur keine Lösung herbeiführen, sondern selbst das zu lösende Problem sind.
2. Lösungen erster Ordnung gründen meist auf gesundem Menschenverstand, während Lösungen zweiter Ordnung eher überraschend und paradox erscheinen.
3. Lösungen zweiter Ordnung gehen Probleme sofort an und verändern die Wirkungen der betreffenden Situation.
4. Lösungen zweiter Ordnung heben die Situation aus dem paradoxen und selbstrückbezüglichen Teufelskreis heraus und stellen sie in einen neuen und weiteren Rahmen.

Der Prozess einer Veränderung, der second order planned change, wird laut Levy (1986) in der Regel ausgelöst, wenn Bedürfnisse, Probleme, Krisen oder Chancen erkannt werden: „…planned change has both intentional (explicitly planned for) and realized (emerged out of the situation) aspects. Very rarely, organizational change is based on strategies that are explicit, purposefully developed, and planned in advance.” (Levy 1986: 7). Levy und Merry (1986: 5 In: Vier 1996: 61) beschreiben second-order change differenzierend als: „…multidimensional, multi-level, qualitative, discontinous, radical organizational change involving a paradigmatic shift.“. Demnach beschreibt second order change eine irreversible Veränderung im Kern der Organisation, während first order change kleine Verbesserungen und Anpassungen umfasst, die das System wachsen und sich entwickeln lassen (Levy 1986: 10). Die Unterschiede zwischen first und second order change werden in der folgenden Tabelle 1 deutlich:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: First-Order Change und Second-Order Change (nach Levy 1986: 11)

Wie die Tabelle zeigt, handelt es sich bei first order change um einen Wandel, der kontinuierlich verläuft, während der Wandel im second order change diskontinuierlich verläuft. Der Wandel im second order change verläuft im Gegensatz zum first order change mehrdimensional, auf vielen Ebenen und in allen Verhaltensaspekten und führt so in eine neue Weltsicht beziehungsweise ein neues Paradigma, wodurch die Veränderung des Seins in einen neuen Zustand führt. Dies kann allerdings erst dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Bewusstmachung einer neuen Wirklichkeit erfolgt ist.

Der second order change umfasst vier wesentliche Veränderungsfelder: erstens das Organisationsparadigma, welches Metaregeln bezüglich Verfahren und Verhaltensweisen betrifft, zweitens organisatorische Aufgaben und Absichten hinsichtlich „explicitly stated programs for direction of action“, drittens die Unternehmenskultur hinsichtlich deren Überzeugungen, Werten und Normen der Organisation sowie viertens die Kernprozesse, wozu neben der organisatorischen Struktur und dem Management auch Entscheidungsprozesse sowie Kommunikationsmuster zählen (Levy & Merry 1986: 276f).

Aus dem Modell des second order change sind für die Beantwortung der vorliegenden Forschungsfrage vor allem die Veränderung der Organisationskultur, der Organisationsstruktur sowie der Kommunikationsmuster von Interesse, da diese wichtige Prinzipien der Agilität betreffen. So befasst sich das folgende Kapitel mit der Einordnung und Erklärung des Begriffs der Agilität sowie mit der Bedeutung der organisationalen Agilität.

2 Agilität

Der Begriff „Agilität“ bezeichnet in der Organisationslehre eine Form der flexiblen und kundenorientierten Organisationsgestaltung (Förster & Wendler 2012: 1). Ausführlich betrachtet bedeutet dies: „An effective integration of response ability and knowledge management in order to rapidly, efficiently and accurately adapt to any unexpected (or unpredictable) change in both proactive and reactive business/ customer needs and opportunities without compromising with the cost or the quality of the product/ process.” (Ganguly et al. 2009: 411). Demnach bedeutet Agilität für eine Organisation die Fähigkeit, in einer Wettbewerbsumgebung gewinnbringend zu operieren, die durch Kundenwünsche geprägt ist, die sich ständig und unvorhersehbar verändern. Für das Individuum hingegen bedeutet Agilität die Fähigkeit dazu beizutragen, dass trotz der stetigen Veränderung der menschlichen und technischen Ressourcen die Organisation in der Lage ist, die ständig wechselnden Kundenanforderungen zu erfüllen (Goldman et al. 1996: 3). Zwei wichtige Erkenntnisse dabei sind, dass zum einen Agilität keine Haltung ist, die bei Büroschluss an der Pforte abgegeben werden kann, sondern gelebt werden muss (Gloger & Margetich 2014: 5) und zum anderen, dass Agilität die Fähigkeit beschreibt, in einem turbulenten und intensiv wettbewerbsbestimmten Geschäftsumfeld Gewinn zu erzielen (Goldman et al. 1996: 4). So prägt Agilität die Begriffe des industriellen Wettbewerbs neu und erfordert damit eine neue Geisteshaltung für die Organisation und das Management (ebd.: 6).

2.1 Der Entstehungsprozess der Agilität in Organisationen

Der Begriff der Agilität ist keine neue Wortschöpfung, wie das Beispiel von Kelly Johnson aus den 1940er Jahren zeigt. Um die technische Überlegenheit im Zweiten Weltkrieg zu wahren, wurde der Konstrukteur Johnson mit einem für die damalige Zeit scheinbar unmöglichen Projekt beauftragt. Das Ziel war es, innerhalb von 180 Tagen einen völlig neuen Kampfjet zu bauen. Zur Erreichung dieses Zieles überging Johnson die zu der Zeit gängigen Organisationsformen, indem er die benötigten Ingenieure in einem Zelt zusammenkommen ließ, bürokratische Störungen von ihnen fernhielt, die Experten sich selbst organisieren ließ sowie indem er den Kontakt mit Piloten als zukünftigen Nutzern forcierte. Schon nach 143 Tagen konnten die Entwickler um Johnson ein fertig entwickeltes Flugzeug präsentieren. Dieser Erfolg wurde damals vor allem auf die bis dahin ungewöhnlichen Vorgehensweisen zurückgeführt (Gloger & Margetich 2014: 5).

In den 1960er Jahren entstand in der Softwareentwicklung, die wiederum geprägt war durch die Rüstungsindustrie und das Mercury-Programm der NASA, die iterative und inkrementelle Entwicklungsform (IDD – Stufenweise Entwicklung), auf der die in den 2000er Jahren durch die Softwareindustrie neu angestoßene Welle der Agilität beruht (Gloger & Margetich 2014: 5). Bei der stufenweisen Entwicklung liegt der Unterschied zu den klassischen Vorgehensmodellen darin, dass die zeitlich starren und langen Phasen seziert und durch kürzere Intervalle ersetzt werden (Wieczorrek & Mertens 2011: 108). Dabei zeichnet die iterative und inkrementelle Entwicklung aus, dass Teams sehr fokussiert sowie in kurzen und zeitlich genau bemessenen Iterationen – wiederholten Anwendungen des gleichen Prozesses – arbeiten. Daran schließt sich eine Review-Phase an, die Änderungsnotwendigkeiten technischer oder produktmäßiger Natur identifiziert und erst im Anschluss daran die nächste Phase der Iteration startet (Larman & Basili 2003: 47), wodurch im Prozess mehrere Iterationsstufen entstehen. Dieser Iterationsprozess ersetzt zudem die eingehende und umfassende Planung zu Beginn des Projekts, da anhand der Planungsiterationen Änderungswünsche flexibler eingearbeitet werden können und die zu Beginn noch diffuse Zielsetzung im Prozess klarer wird (Wieczorrek & Mertens 2011: 108). Zunächst soll eine Fokussierung auf das Problem vorgenommen und anschließend das Problem in kleine überschaubare Bearbeitungseinheiten zerlegt werden. Durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem Anwender soll eine stetige Verbesserung des Produkts herbeigeführt werden (Gloger & Margetich 2014: 6).

Ende der 1970er Jahre gab es einen neuen militärischen Standard in der Softwareentwicklung, der das IDD-Entwicklungsmodell durch das Wasserfallmodell ablöste, welches eine strenge Abfolge in der Anforderungsanalyse, des Designs und der Entwicklung vorsieht (Larman & Basili 2003: 48). Aufgrund bestimmter Nachteile des Wasserfallmodells stellten vor allem erfahrene Informatiker fest, dass die iterativen Ansätze dem Konstrukt überlegen sind. Zu dessen Nachteilen zählen, dass alle Anforderungen von Beginn an bekannt und während der Entwicklung stabil sein müssen, dass eine hohe Dokumentationsnotwendigkeit besteht sowie erst nach der Realisierungsphase abschließend festgestellt werden kann, ob alle Anforderungen richtig interpretiert und erfüllt worden sind (Wieczorrek & Mertens 2011: 115). So war es letzten Endes die gestiegene Dynamik in der Softwareentwicklung, die zu kurzlebigeren Projekten, Veränderungen während der Projektlaufzeit sowie häufig zu einem bei Projektbeginn unklaren Umfang des Projektes und einer kleineren Entwicklungsteamgröße führten (Borowski 2011: 63). Zeitgleich erhöhte sich allmählich die Häufigkeit von Änderungen im Markt aufgrund der globalen Konkurrenz, wodurch das Wasserfallmodell nicht mehr flächendeckend funktionieren konnte (Cohn 2010: 89). Als Reaktion auf diese Entwicklung suchten die Experten der Softwareentwicklung alternative Vorgehensweisen, durch die Projekte schneller und änderungsfreundlicher abgewickelt werden können (Borowski 2011: 63). In Folge dessen wurden Versuche unternommen, wieder zurück zum IDD-Entwicklungsmodell zu kommen. Diese waren jedoch erst aufgrund der gestiegenen Anforderungen und Komplexität der neuen Software-Projekte sowie der Gründung des „Agile Manufacturing Enterprise Forum“ am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den 1990er Jahren von Erfolg gekrönt (Gloger & Margetich 2014: 6).

Den Grundstein zu diesen Versuchen legten eine Untersuchung der amerikanischen Wirtschaft und die Erstellung des sogenannten Lehigh Reports. Letzterer entstand aufgrund des Rückgangs der Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft in den 1970er Jahren als Ergebnis einer Mitte der 1980er Jahre am MIT gegründeten Kommission, die ihre Forschungsergebnisse über die wesentlichen Schwächen der amerikanischen Wirtschaft in dem Lehigh Report veröffentlichte. Dabei wurden als wesentliche Schwächen veraltete Strategien, kurze Zeithorizonte, technologische Schwächen in Entwicklung und Produktion, die Vernachlässigung von Humanressourcen, schlechte Kommunikation mit Kunden und Lieferanten sowie Missverständnisse zwischen Politik und Industrie ausgemacht. Aufgrund dieser Erkenntnisse empfahl die Kommission unter dem Begriff Agilität folgende Verbesserungen: eine Verbesserung der Performance-Kriterien Qualität, Zeit und Kosten, eine engere Kunden- und Lieferantenbeziehung, bessere Technologie-ausnutzung, flachere Organisationen sowie eine innovative Personalpolitik (Förster & Wendler 2012: 7f). Daraus ergab sich das Ziel, einfache und erfolgreich erprobte Regeln der Projektarbeit sowie neu entwickelte mensch- und kommunikations-orientierte Regeln zu verwenden (Borowski 2011: 63).

Zur Umsetzung dieser Verbesserungen wurde zu Beginn der 1990er Jahre das „Agile Manufacturing Enterprise Forum“ gegründet, das das ursprüngliche Konzept der Agilität weiterentwickeln und verbreiten sollte (Förster & Wendler 2012: 8). Zudem ermöglichten neue IT-Konzepte, dass die einzelnen Komponenten einer Organisation nicht mehr an einem Standort gebunden waren, sondern dass sich weltumspannende Netzwerke bilden und die Verantwortlichkeiten von der Stabsstelle zurück in die entsprechende Abteilung oder das Projektteam fließen konnten (Scheer et al. 1998: 5f).

2.2 Definition Agilität

Wie kann Agilität definitorisch erfasst werden? So lautet beispielsweise eine Weiterführung früherer Definitionen: “Agility is a successful exploration of competitive bases (speed, flexibility, innovation proactivity, quality and profitability) through the integration of reconfigurable resources and best practices in a knowledge-rich environment to provide customer-driven products and services in a fast changing market environment.” (Yusuf et al. 1999: 37).

Die Autoren stellen fest, dass ihre Definition zwar einige Eigenschaften früherer Definitionen aufweist, jedoch in vierfacher Hinsicht über diese hinausgeht: Erstens verstehen sie Agilität als ein System, das auf Input, Operationalisierung und Output beruht. Zweitens wird mit den Faktoren Geschwindigkeit, Flexibilität, Innovation, Proaktivität, Qualität sowie Wirtschaftlichkeit auf die unverzichtbaren Wettbewerbsgrundlagen der agilen Fertigung hingewiesen; dabei ist das proaktive Handeln als neues Attribut hinzugekommen, während früher in erster Linie reaktiv vorgegangen worden war. Der dritte Unterschied zu früheren Definitionen besteht darin, dass die Autoren drei Ebenen der Agilität unterscheiden: „…agility for the individual (and other ressources), enterprise and inter-enterprise.“ (Yusuf et al. 1999: 37). Neu daran ist der Vorschlag der Ebene des inter-enterprise, die für Jointventure steht, um gemeinsam Gewinne zu maximieren. Viertens und letztens berücksichtigt diese Definition die vier Kernkonzepte der Agilität: „…competition based on core competence management, virtual enterprise formation, capability for re-configuration and knowledge-driven enterprise.“ (Yusuf et al. 1999: 37).

Gunasekaran 1998 sieht unter dem Aspekt der Agilität fünf Bereiche in einem Fertigungsprozess vor:

1. „Individual customer-perceived value,
2. Rapidly producing variety of goods and services to customer order in arbitrary order quantities, a methodology that integrates supplier relations, production processes, business processes, customer relations, and the product’ s use and eventual disposal,
3. Ability to synthesize new productive capabilities – facilities and skills regardless of their physical location,
4. Leadership, motivation, support and trust [und]
5. Knowledgeable, skilled, empowered and entrepreneurial total workforce.” (Gunasekaran 1998: 1226).

Wie die vorgestellten Definitionen zeigen, waren die 1990er Jahre dadurch gekennzeichnet, dass es ein relativ undifferenziertes Verständnis des Agilitätsbegriffes gab, weshalb es 2001 auf einem Treffen von 17 Software-Entwicklern zu einer Vereinheitlichung des Begriffsverständnisses in Form des „Agile Manifesto“ kam (Gloger & Margetich 2014: 6).

2.3 Das Agile Manifest

Das „Agile Manifest“ wurde 2001 von Softwareentwicklern verfasst und spiegelt folglich Merkmale von IT-Projekten wieder. Es beruht auf der Basis traditioneller Managementansätze und stellt eine logische Weiterentwicklung im Bereich des Projektmanagements dar (Wieczorrek & Mertens 2011: 110), die auf den folgenden vier Grundsätzen basiert:

„We are uncovering better ways of developing software by doing it and helping others do it.

Through this work we have come to value:

Individuals and interactions over processes and tools

Working software over comprehensive documentation

Customer collaboration over contract negotiation

Responding to change over following a plan

That is, while there is value in the items on the right, we value the items on the left more.”

Quelle: http://agilemanifesto.org/ 05.03.2016

Aus diesen Grundsätzen können die folgenden Kriterien abgeleitet werden, die für den erfolgreichen Verlauf eines Projektmanagements erforderlich sind (Wieczorrek & Mertens 2011: 110):

Der erste Grundsatz, „Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge“, rückt die menschliche Rolle in Form einer Team-Beziehung sowie die damit einhergehende veränderte Organisation der notwendigen Arbeitsumgebung im Gegensatz zu institutionalisierten Prozessen und Entwicklungstools in den Vordergrund (Abrahamsson et al. 2002: 11). Die höchste Priorität der agilen Ansätze hat die Motivation und Kooperation im Projektteam sowie die Eigenverantwortlichkeit aller Projektmitarbeiter (Wieczorrek & Mertens 2011: 110). Grundlage dafür sind die Qualifikation der Mitarbeitenden und die effiziente Kommunikation zwischen ihnen (Borowski 2011: 67).

Mit dem zweiten Grundsatz, „Funktionierende Programme sind wichtiger als umfangreiche Dokumentation“, sind die kontinuierliche Prüfung der laufenden Software sowie einfach und unkompliziert gehaltene Programmiercodes gemeint, wodurch die Notwendigkeit einer zeitaufwändigen Dokumentation in den Hintergrund rückt (Abrahamsson et al. 2002: 11). Es geht darum, dass nicht eine Dokumentation, sondern eine lauffähige Software zeigt, ob die Kundenbedürfnisse befriedigt werden (Borowski 2011: 67). So formulieren Wieczorrek und Mertens (2011: 110), dass eine umfangreiche und viel Papier erfordernde Dokumentation durch eine effiziente und erschöpfende Kommunikation zum Beispiel mittels einer lauffähigen Software ersetzt wird.

Der dritte Grundsatz, „Kooperation mit Projektbetroffenen ist wichtiger als Festhalten an Verträgen“, befasst sich mit der Beziehung zwischen Entwicklern und Kunden, die eine höhere Präferenz hat als die strikte Befolgung von Verträgen (Abrahamsson et al. 2002: 11). Das bedeutet nicht, dass Verträge nicht notwendig sind oder keine Funktion mehr haben, sondern es geht vielmehr darum, dass eine enge Zusammenarbeit, die auch den Kunden in die Verantwortung nimmt und auf einem belastbaren Vertrauensverhältnis beruht, wichtiger ist als jeder Vertrag: ein mit Mitspracherecht kombiniertes Vertrauensverhältnis beherrscht ein Projektrisiko umfassender als jede Vertragsabsicherung (Wieczorrek & Mertens: 2011: 111). Die Verträge manifestieren in erster Linie die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien (Borowski 2011: 67).

Mit dem vierten und letzten Grundsatz des Agilen Manifestes, „Reaktion auf Veränderungen ist wichtiger als Festhalten an einem starren Plan“, wird die Entwicklungsgruppe, die aus Software-Entwicklern und Kundenvertretern besteht, dank eines guten Informationsflusses sowie entsprechender Kompetenz ermächtigt, eigenständig Anpassungen während des Entwicklungsprozesses vorzunehmen (Abrahamsson et al. 2002: 12). Damit soll gewährleistet werden, dass während eines laufenden Projektes Änderungen als natürlicher Bestandteil eines Projektverlaufs wahrgenommen werden. Die Planungs- und Anforderungsdimensionen sind demzufolge evolutionär und werden schrittweise verfeinert (Wieczorrek & Mertens 2011: 111).

Neu an agilen Methoden sind demnach nicht die angewendeten Praktiken, sondern es ist die Anerkennung des Menschen als primären Treibers eines Projekterfolgs, der aus einem intensiven Fokus auf Wirksamkeit und Wendigkeit resultiert (Abrahamsson et al. 2002: 12). Die unabdingbare Voraussetzung dafür besteht in der Schaffung von Bedingungen, die in Form der Selbstorganisation des gesamten Transformationsprozesses eine weitgehende Eigenverantwortung der Teammitglieder gestatten (Wieczorrek & Mertens 2011: 113). Die vier Grundsätze des Agilen Manifestes werden anhand von 12 Prinzipien konkretisiert, die im folgenden Kapitel vorgestellt werden.

2.4 Agile Prinzipien

Zur Konkretisierung der agilen Werte wie auch zu der Darstellung eines agilen Prozesses haben die Verfasser des Agilen Manifestes die folgenden 12 Prinzipien entwickelt:

„1.Our highest priority is to satisfy the customer through early and continuous delivery of valuable software.

2. Welcome changing requirements, even late in development. Agile processes harness change for the customer's competitive advantage.

3. Deliver working software frequently, from a couple of weeks to a couple of months, with a preference to the shorter timescale.

4. Business people and developers must work together daily throughout the project.

5. Build projects around motivated individuals. Give them the environment and support they need, and trust them to get the job done.

6. The most efficient and effective method of conveying information to and within a development team is face-to-face conversation.

7. Working software is the primary measure of progress.

8. Agile processes promote sustainable development.

The sponsors, developers, and users should be able to maintain a constant pace indefinitely.

9. Continuous attention to technical excellence and good design enhances agility.

10. Simplicity - the art of maximizing the amount of work not done - is essential.

11. The best architectures, requirements, and designs emerge from self-organizing teams.

12. At regular intervals, the team reflects on how to become more effective, then tunes and adjusts its behavior accordingly.”

Quelle: http://agilemanifesto.org/principles.html 05.03.2016

Die Bedeutung dieser Agilen Prinzipien wird im Folgenden als Weiterentwicklung der auf Software bezogenen Ausführungen Borowskis (2011: 68ff) näher erläutert:

Das erste Prinzip sieht vor, dass durch eine frühzeitige und kontinuierliche Auslieferung eines Produktes, wie zum Beispiel von Software, der Kunde Einfluss auf die Gestaltung des Prozesses und damit auch auf das Produkt hat.

Mit dem zweiten Prinzip betonen die Verfasser, dass im Gesamtprozess der Entwicklung – aber auch später noch bei der Gestaltung eines Systems – Änderungen möglich sein müssen, um dem Kunden einen Wettbewerbsvorteil zu ermöglichen.

Das dritte Prinzip sieht in Folge häufiger Auslieferungen die Möglichkeit eines kontinuierlichen Feedbacks durch den Kunden vor, als dessen Folge Kosten für Anpassungen und Korrekturen eines bereits implementierten Systems vermieden werden können.

Mittels des vierten Prinzips wird die Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit zwischen Entwickler und Kunden hervorgehoben, die allerdings nicht zu intensiv sein darf, da dies nicht praktikabel wäre; der Schwerpunkt liegt auf dem Erhalt und der Weitergabe von Informationen.

Das fünfte Prinzip stellt fest, dass ein Projekt um motivierte Mitarbeiter herum aufgebaut werden sollte. Wichtig ist, diese neben einem Vertrauensvorschuss mit einer Entscheidungsbefugnis auszustatten und ihnen die Umgebung und Unterstützung zu geben, die sie zum Erzielen eines erfolgreichen Arbeits-ergebnisses benötigen. Der Fokus in einem Projekt sollte folglich auf dem Individuum liegen, da dieses über den Erfolg oder Misserfolg eines Projektes entscheidet.

Mit dem sechsten Prinzip wird die Notwendigkeit der direkten Kommunikation hervorgehoben, durch die eine Klärung von Fragen und Missverständnissen sofort erfolgen kann.

Das siebte Prinzip befasst sich mit der Fortschrittsmessung: Ein funktionierendes Produkt, wie zum Beispiel eine einwandfrei laufende Software, zeigt am deutlichsten das Ergebnis eines erfolgreich verlaufenen Entwicklungsprozesses auf.

Die Gewährleistung von kontinuierlicher und beständiger Arbeit ist der Kern des achten Prinzips der Agilität. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Umsetzung des fünften Prinzips, denn nur zufriedene Mitarbeiter gewährleisten auf Dauer Kontinuität.

Das neunte Prinzip betrifft die Berücksichtigung des technischen Fortschrittes, der in herausragende Qualität und ansprechendes Design umgesetzt werden muss.

Mit dem zehnten Prinzip rückt die Unkompliziertheit in den Fokus. Es soll nur das eingesetzt werden, was in der jeweiligen Situation erforderlich ist. Damit ist gewährleistet, dass sich die beteiligten Akteure auf den konkreten Prozess konzentrieren, wodurch ein effektives Arbeiten gewährleistet ist.

Das elfte Prinzip betont die Notwendigkeit der Selbstorganisation in Teams bei der Zuteilung von Aufgaben durch Führungskräfte. Jedes Mitglied kann und muss seine Fähigkeiten individuell einbringen und damit zu der Gesamtlösung beitragen.

Das zwölfte und letzte Prinzip fordert eine ständige Reflexion innerhalb des Teams und bietet dadurch die Möglichkeit der Anpassung an eine sich ständig verändernde Umwelt.

Inspiriert von den vier Dimensionen agilen Wettbewerbs bei Goldman et al. (1996) – Schaffung eines Mehrwerts für den Kunden, Kooperation zum Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit, Organisation zur Bewältigung von Wandel und Unbeständigkeit und schließlich Nutzung des Einflusses von Menschen und Informationen als Hebelkraft – können die 12 Agilen Prinzipien in vier thematische Blöcke aufgeteilt werden, wie Tabelle 2 verdeutlicht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Die vier thematischen Blöcke der Agilen Prinzipien

Der erste Block umfasst die Prinzipien eins bis drei, in denen die Kundenbeziehung im Vordergrund steht. Es wird geschaut, wie die Verbindung zum Kunden optimiert werden kann, um einen Vorteil für die Entwicklung von Produkten, aber auch im Wettbewerb mit Konkurrenten zu erhalten.

Die Prinzipien vier bis sechs befassen sich als zweiter Block mit den optimalen Organisationsbedingungen und dem Informationsfluss zwischen den Mitarbeitern, damit ein effizienter und reibungsloser Prozess ablaufen kann.

In dem dritten Block lassen sich unter dem Begriff der Leistungsgestaltung die Prinzipien sieben bis zehn zusammenfassen. Hierbei geht es um die Leistungsmessung sowie die Gestaltung bezüglich des Projektes und der Reaktion auf Veränderungen.

Als vierter und letzter Block können die Prinzipien elf und zwölf abgegrenzt werden, in denen es um die Teamorganisation bezüglich der Gestaltung und Anpassung der Arbeitsweisen geht.

Zur Umsetzung der vier wesentlichen Aspekte einer Agilen Organisation – Organisationskultur, Führungsprinzipien, Selbstorganisation und Informationsfluss – sind die in vier Blöcke unterteilbaren zwölf Agilen Prinzipien von großer Bedeutung. Anhand der Agilen Prinzipien wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit überprüft, inwiefern unterschiedliche Ansätze zur Veränderung einer Organisation die wesentlichen Aspekte berücksichtigen, aufgrund derer eine Organisation den Anforderungen der Aktivität in Form von Agilität gerecht werden kann. Des Weiteren wird erarbeitet, für welchen wesentlichen Aspekt welcher Veränderungsansatz besonders geeignet ist.

2.5 Organisationale Agilität

Wie bereits im Verlauf der Arbeit deutlich geworden ist, ist das Konzept der Agilen Organisation kein neuer Ansatz, sondern stellt eine Weiterentwicklung verschiedener Ansätze dar. Zwei zentrale Ansätze, die in das Konzept der Agilen Organisation eingeflossen sind, sind die der flexiblen sowie die der schlanken Organisation (Conboy 2009: 334). Allerdings stellt Conboy (ebd.: 336) fest: „In many ways, the terms flexibility and agility are very similar and have often been used interchangeably throughout the literature.” So enthält die Agilität alle Eigenschaften der Flexibilität zuzüglich der Attribute Reaktivität, Proaktivität und einer positiven Einstellung gegenüber Umweltveränderungen, womit sie prinzipiell weiter gefasst ist als die Flexibilität. Zudem laufen in einer Agilen Organisation Geschäftsprozesse innerhalb von Organisationskomponenten, den dezentralen Einheiten, ab (Scheer et al. 1998: 6). Agilität ist ein Oberbegriff, der eine Definition auf verschiedenen Ebenen zulässt. Diese Ebenen zu unterscheiden ist insofern wichtig, als Organisationen das richtige Maß an Agilität für ihre spezifischen Märkte und Geschäftsziele identifizieren müssen und somit ein Rahmen der organisationalen Agilität benötigt wird (Gunasekaran et al. 2002: 412).

Goldman et al. (1996: XIII) unterscheiden neben der organisationalen Ebene noch die Ebenen Marketing, Management und menschliche Ressourcen. Während die organisatorische Ebene sich mit dem Fachwissen von Menschen und deren physischen Anlagen auf die produktive Nutzung von Ressourcen bezieht – unabhängig davon, wo diese in einer Organisation angesiedelt sind –, beschreibt die Ebene des Marketings die individualisierte Kombination von Produkten und Dienstleistungen für den maximalen Kundennutzen. Die Managementebene ist durch eine Verlagerung der Befehls- und Kontrollphilosophie auf eine hierarchisch gesehen niedrigere Ebene gekennzeichnet, während sich die menschliche Ebene durch die Entwicklung einer erfahrenen, begabten und innovativen Mitarbeiterschaft auszeichnet (Goldman et al. 1996: XII). Daraus entwickeln die Autoren ein vierdimensionales Modell, das auf den Attributen Kundenmehrwert, Kooperation, Organisation im Sinne von Kultur, Struktur und Prozessen sowie der Nutzung der Hebelkraft von Menschen und Informationen basiert (ebd.: XV).

In dem Artikel „An investigation into the application of agile manufacturing in an aerospace company“ stellen Gunasekaran, Tirtiroglu und Wolstencroft 2002 fest, dass für eine Verbesserung der Geschäftsentwicklung und damit der Erfüllung einer agilen Produktion folgende Bedingungen erfüllt werden müssen: Die Entwicklung einer Vision, einer Strategie und technologischer Lösungen, wie auch die Änderung der Organisationskultur; zudem darf in Menschen nicht nur investiert, sondern diese müssen auch integriert werden. Hieraus ergibt sich ein vierstufiges Modell mit den Hauptbereichen Strategie, Technologie, Organisation und Menschen. Die Autoren sehen vier mögliche Verbindungen zwischen den Hauptbereichen:

1. „Business process re-engineering“ als Verbindung zwischen Strategie und Technologie; Reduktion nicht wertschöpfender Tätigkeiten durch neue Techniken.
2. „Information technology and electronic commerce“ als Verbindung zwischen Technologie und Organisation, indem eine bessere Kommunikation innerhalb und außerhalb der Organisation gefördert wird.
3. „Quality function deployment“ als Verbindung zwischen Organisation und Menschen; Verbesserung der Kommunikation zwischen Menschen und der Organisation führt zu einer besseren Kundenorientierung.
4. „Training, education, and incentive schemes“ als Verbindung zwischen Menschen und Strategie, durch die die Menschen im Sinne der Geschäftsstrategie agiler werden, da diese die Möglichkeiten und Befähigungen bekommen, sich zu verbessern und zu motivieren. (Gunasekaran et al. 2002: 412f)

Folglich muss eine Organisation, um erfolgreich agil gestaltet zu werden, aus dezentralen Einheiten bestehen, da nur diese auf die Dynamik der Märkte reagieren können; eine zentrale Planungseinheit wirkt sich störend auf die Flexibilität aus. Damit einhergehend muss zur Sicherstellung organisationsinternen Lernens eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der einzelnen Komponenten untereinander gewährleistet sein. Bei der praktischen Umsetzung ist die Organisation auf die Mitwirkung aller Mitglieder angewiesen und dabei vor allem darauf, dass der Wandel von allen als normal angesehen wird. Die gesamte Organisation muss wie das einzelne Mitglied das Ziel haben, sich kontinuierlich zu verändern, zu lernen und lernfähig zu bleiben (Scheer et al. 1998: 4f).

Nach der Bearbeitung des Begriffs der Agilität und der Darlegung der damit verbundenen Agilen Prinzipien werden im Folgenden vier für die Gestaltung einer Agilen Organisation verwendbare Ansätze der Veränderung vorgestellt.

[...]

Final del extracto de 121 páginas

Detalles

Título
Agile Organisation. Ausrichtung von Organisationskultur und -prozessen auf die Anforderung der Aktivität
Universidad
University of Dusseldorf "Heinrich Heine"
Calificación
2,0
Autor
Año
2016
Páginas
121
No. de catálogo
V513700
ISBN (Ebook)
9783346107480
ISBN (Libro)
9783346107497
Idioma
Alemán
Palabras clave
Agilität, Agiles Manifest Organisationskultur Transformationsprozess, Organisatorischer Wandel Accelerate, Selbstorganisation
Citar trabajo
Jan Brune (Autor), 2016, Agile Organisation. Ausrichtung von Organisationskultur und -prozessen auf die Anforderung der Aktivität, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/513700

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