Wie wird man Hochschulprofessor? Eine multimethodale Messung und Analyse zum Auswahlverfahren


Akademische Arbeit, 2016

39 Seiten, Note: 1.2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Tatigkeitsbeschreibung

2. Personlichkeitsfragebogen

3. Verhaltensbeobachtung

4. Situatives Interview

5. Analyse der Bewerberunterlagen

6. Diskussion
6.1. Personlichkeitsfragebogen
6.2. Verhaltensbeobachtung
6.3. Situatives Interview
6.4. Analyse der Bewerbungsunterlagen

I. Literaturverzeichnis

Anmerkung der Redaktion: Der Anhang ist nicht Teil dieser Veroffentlichung.

1. Tatigkeitsbeschreibung

,,Leider ist Professor kein Beruf, den man so einfach lernen kann. Eine geregelte Ausbildung gibt es nicht. Der Weg sieht furjede/n Nachwuchswissenschaftler/-in anders aus. Wer es geschafft hat, hat einen Arbeitsplatz mit Prestige, Inhalte nach seiner Interessenslage und taglich Kontakt mit vielenjungen Menschen“ (Hartmann, XXXX). Die Zahl an Erstsemestern, die eine akademische Laufbahn einschlagen wollen steigt stetig an. Im Wintersemester 2015 gab es in ganz Deutschland 2 755 408 Studenten. Dementsprechend steigen die Anspruche an den Beruf des Hochschulprofessors (Statistisches Bundesamt, 2016).

Die Tatigkeiten eines Hochschulprofessors umfassen ein sehr weites Spektrum. Er muss nicht nur Aufgaben in der Lehre gegenuber seinen Studenten wahrnehmen, sondem ist zudem zur Forschung verpflichtet und besetzt im Normalfall eine verwaltungstechnische Stelle innerhalb der Hochschule.

In der Lehre ist es seine Aufgabe, regelmaBig seine Vorlesungen vorzubereiten, die die Lerninhalte an die Studierenden vermitteln sollen und Ubungen und Seminare zur Vertiefung der Vorlesungsinhalte fur die Studierenden zu organisieren. Mit Versuchspraktika leitet er seine Studenten zu wissenschaftlichen und kunstlerischen Arbeiten an, um neben dem Fachwissen auch praktische Fertigkeiten zu vermitteln, die seine Studenten nach dem Studium benotigen. Besonders wichtig ist dabei die Unterweisung in wissenschaftlichen Methoden. Weiterhin zahlt zu dem Aufgabenbereich von Professoren Klausuren vorzubereiten, zu korrigieren und mundliche Prufungen abzuhalten. Bei Bedarfkann der Professor die Studierenden auch beraten und betreuen. An Universitaten und ihnen gleichgestellten Hochschulen werden die Studenten nach dem Abschluss ihres Master- Studiums von ihren Professoren zur Promotion bzw. Habilitation gefuhrt (Horstkotte, 2013).

Die Aufgaben in der Forschung, die ein Hochschulprofessor zu erledigen hat, sind unter anderem Forschungsvorhaben und kunstlerische Entwicklungsvorhaben zu initiieren, zu planen, zu koordinieren und durchzufuhren. Dazu sollte er regelmaBig an Fachtagungen, Symposien und ahnlichen Fachveranstaltungen teilnehmen, um sich fachlich mit seinen Kollegen auszutauschen und z. B. gemeinsame Forschungsprojekte zu planen. Des Weiteren fallt in den Aufgabenbereich die Mitarbeit in der Verwaltung, die auch uberregionale Aufgaben mit einbeziehen kann (SRH Riedlingen, 2016).

2. Personlichkeitsfragebogen

Das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Personlichkeitsbeschreibung- 6 Faktoren (BIP- 6F) wurde von Rudiger Hossiep und Claudia Kruger 2012 veroffentlicht. Es entstammt dem in den 90er Jahren deduktiv entwickelten BIP. Somit grenzt es sich von empirisch erstellten Testverfahren durch die von R. Hossiep und Michael Paschen vorab festgelegten Skalen ab. Das BIP vereinigt sowohl psychologische Konstrukte, die nachweislich Indikatoren fur beruflichen Erfolg sind wie z. B. Leistungsmotivation, als auch Faktoren des 5- Faktoren Modells. Dazu zahlen unter anderem die emotionale Stabilitat (Neurotizismus) und die Kontaktfahigkeit (Extraversion) sowie weitere Anforderungen der Wirtschaft wie etwa Teamorientierung und Flexibilitat. Das BIP- 6F entstand mithilfe einer Faktoranalyse der 210 Items des BIP und reprasentiert die sechs starksten Personlichkeitsfaktoren. Diese sind Engagement, Disziplin, Sozialkompetenz, Kooperation, Dominanz und Stabilitat. Die Items fur das BIP- 6F wurden durch induktive, sprachliche, teststatistische und inhaltliche Kriterien aus einem Pool von mehr als 300 Items selektiert. Dazu wurden nicht nur die Items verwendet, die bereits im BIP vorhanden waren, sondern zusatzlich bereits erprobte Items aus bis dato noch nicht publizierten Forschungsversionen (Hossiep & Kruger, 2012).

Die objektive Durchfuhrung des BIP- 6F wird dadurch gewahrleistet, dass der Proband zu Beginn eine detaillierte Instruktion mit moglichst leicht verstandlich formulierten Anforderungen erhalt. Die Auswertung und Interpretation der Ergebnisse erfolgt durch die Auswertungsfolie bzw. durch Normwerte. Die Reliabilitat der internen Konsistenz ergibt bei der Konsistenzanalyse einen Cronbachs Alpha-Wert a = .74- .85. Die Retest-Reliabilitat wies bei einer Stichprobe von N = 80 und einer Zeitspanne von 4 bis 6 Wochen fur alle Faktoren einen Wert zwischen .80 - 89. Die Kriteriumsvaliditat liegt bei R = .46.

Fur die Normierung wurden (N = 7757) Datensatze verwendet, welche zum Zeitpunkt der Testbearbeitung als Fach- und Fuhrungskrafte hauptberuflich tatig waren. (Hossiep & Kruger, 2012).

Das BIP- 6F weist durch seine relativ kurze Bearbeitungszeit von 10 Minuten mit 48 Items im Gegensatz zu dem BIP eine hohe Testokonomie auf. Durch die kurze Instruktion, die einfache Durchfuhrung und die ebenso einfache Auswertung kann beim BIP- 6F eine hohe Zumutbarkeit angenommen werden, sowohl fur den Probanden, als auch fur den Testleiter und eine hohe okonomische Gute, was nicht zuletzt auf die geringe Itemanzahl zuruckzufuhren ist. Der Proband bewertet die einzelnen Aussagen auf einer sechsstufigen Likert- Skala von „trifft voll zu“ bis „trifft nicht zu“, wobeije acht Items einen Personlichkeitsfaktor erfassen. Das BIP- 6F unterliegt heute noch der Aufsicht von R. Hossiep und wird an der Ruhr- Universitat Bochum standig weiterentwickelt (Wirtz, 2013).

Fur die Einschatzung eines potenziellen Hochschulprofessors wurden die verschiedenen Faktoren mit den unterschiedlichen Facetten auf die benotigten Personlichkeitsauspragungen angepasst. Dabei wurde versucht furjedes der 48 Items eine Idealauspragung zu generieren und diese nach den Anweisungen im BIP- 6F auszuwerten. Die dabei resultierende Tabelle 1 gibt einen Vorschlag fur die durchschnittlichen berufsbezogenen Personlichkeitsmerkale eines Hochschulprofessors. Zudem wurden ebenfalls Toleranzbereiche eingefugt, da es sich hierbei lediglich um einen fiktiven Vorschlag und nicht um eine empirisch belegte Idealauspragung fur Hochschulprofessoren handelt.

Tabelle 1

Vorgeschlagene Auspragungen des Professors

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkungen. WFentspricht dem gewunschten Auspragungsgrad des Professors; entspricht der Abweichung, die toleriert werden kann.

Kooperation hatte mit drei die niedrigste Auspragung. Sie setzt sich aus den Subfacetten Teamorientierung, Kompromissbereitschaft und Integrationsfahigkeit zusammen. So sollten sich Dozenten, der der Bedeutung des Hochschulprofessors gleichkommt, der SRH in den Hochschulbetrieb integrieren und mit ihren fachlichen Kompetenzen unterstutzen. Jedoch mussen sie aufgrund ihrer hoher- gestellten Position gegenuber Studenten weniger kompromissbereit sein, da sie dies sonst in ihrer Unabhangigkeit einschranken konnte. Auch mussen sich die Dozenten gegenseitig mit dem angemessenen Umgang behandeln, um nicht den Betrieb zu storen, sind allerdings weniger an Teambildung angewiesen wie dies zum Beispiel in Betrieben der freien Wirtschaft der Fall ware.

Engagement wurde mit der Auspragung funf ziemlich hoch ausgepragt, da hierunter auch die Facette Karriereorientierung aufgefuhrt wird. Ein Hochschulprofessor sollte in seinem bisherigen Leben eine gewisse Erfahrung in der Arbeitswelt erzielt haben, um den Bezug zu spateren Anwendungsmoglichkeiten die eine Hochschule von einer Universitat abgrenzt, den Studenten naher zu bringen. Auch sollten die Dozenten einen Leistungsanspruch nicht nur an die Studenten, sondern auch an sich haben, welcher durch sorgfaltige Bearbeitung der Folien und gut organisierte Vorlesungen zur Geltung kommt. Nicht zuletzt wirkt hier auch der Punkt der Absprache mit anderen Kollegen, eventuell fur die Erstellung eines Lehrplans und im Fall der SRH auch die zeitliche Absprache zur Erstellung eines Stundenplans und der Organisation von Tutorien fur Studenten, wofur auch der Kontakt zu den Studenten von Noten ist, da diese teilweise Tutorien ubernehmen. Zudem muss der Dozent eine Wettbewerbsorientierung aufHochschulebene aufweisen, die nicht zuletzt durch die Privatisierung der SRH gerechtfertigt ist.

Dominanz wurde mit einem Wert vier in dieser Arbeit niedrig ausgepragt. Darunter wurde unter anderem die Durchsetzungsfahigkeit der Dozenten gegenuber den Studenten aber auch die eigene Unabhangigkeit bezeichnet, wobei hier keine Abgrenzung von der Hochschule bzw. von der Fakultat gemeint ist. Die Lehrkraft muss zudem bereit sein sich in extremen Fallen aufKonflikte mit den Studenten einlassen um z. B. bei mutwilliger Storung des Unterrichts diese nicht dauerhaft zu dulden, da dies wiederum die Vorlesungen stort und bei kleineren Kursen als es an Universitaten und Hochschulen der Fall ist, noch starker ins Gewicht fallt.

Die Sozialkomponente war mit funf ausgepragt, da sie sich hauptsachlich auf den zwischenmenschlichen Bereich konzentriert. Dozenten sollten in ihren Studenten zumindest ansatzweise Begeisterungsfahigkeit fur die verschiedenen Themen ihrer Vorlesung wecken was an der SRH haufig durch interessantes umsetzen des zu lemenden Stoffes umgesetzt wird. Zudem wird dadurch versucht einen praktischen Bezug zum spateren Tatigkeitsfeld herzustellen. Des Weiteren sollten sich Dozenten durch eine hohe Kontaktstarke auszeichnen und einen aktiven Umgang mit den Studenten erzielen. Dies und das Einfuhlungsvermogen das zu einem optimalen Zusammenspiel zwischen Lehrendem und Lernendem beitragt wird nicht zuletzt durch die regelmaBigen Evaluationen ermoglicht.

Auch Disziplin gehort zu den wichtigen Eigenschaften, die ein Dozent mit sich bringe sollte. Die gute Planung braucht der Hochschulprofessor nicht nur um seinen Lehrstoff auf seinen Folien zu strukturieren, sondern allgemein in der Vorlesung, da er die verfugbare Zeit so aufteilen muss um seine Lernziele zu erreichen. AuBerdem muss er die Arbeiten erstellen, die die Leistungen der Studenten moglichst genau erfassen. Nicht zuletzt erfullt ein Hochschulprofessor auch eine forschende Rolle und muss bei seinen Forschungen genau vorgehen was beispielsweise schriftliche Protokolle und Versuchsberichte miteinschlieBt. Zudem kommt ihm die hohe Sorgfalt bei den verwaltungstechnischen Aufgaben innerhalb der Hochschule.

Stabilitat sollte die hochste Auspragung erzielen, da sie aufFacetten besteht, die fur das Dozieren des Professors mit wichtigsten Merkmale vereint. Ein Dozent sollte vor Studenten in der Hochschule Selbstbewusst auftreten, nicht zuletzt damit diese ihn als Fuhrungsperson anerkennen und die notige Aufmerksamkeit entgegenbringen. Zudem sollte er gelassen bleiben, damit bei etwaigen Problemen dennoch ein angenehmes Arbeitsklima bestehen bleibt, wobei ihm die Stresstoleranz beim anstrengenden Hochschulbetrieb zusatzlich entgegenkommt. Sie setzt sich aus den Subfacetten Gelassenheit, Selbstbewusstsein und einer Stress- bzw. Frustrationstoleranz zusammen.

3. Verhaltensbeobachtung

In der weiteren Untersuchung der Eignung eines Hochschulprofessors ist im multimethodalen Verfahren haufig auch eine Verhaltensbeobachtung vorgesehen. Dabei beleuchten Ergebnisse, die aus einer solchen Beobachtung generiert wurden weitere oder ganzlich andere Aspekte im Vergleich zu Untersuchungen basierend auf Selbstauskunften. In der Verhaltensbeobachtung erhofft man sich dabei Erkenntnisse uber fachliche Kompetenzen, die Art der Erledigung von Arbeitsauftragen, Verhaltensstile, Temperamentsmerkmale sowie den Umgang mit anderen Menschen, wobei sich dies in diesem Fall auf Studenten bezieht (Westhoff, Hagemeister, Kersting, Lang, Moosbrugger, Reimann & Stemmier, 2010).

Um Verhaltensbeobachtungen und deren Erkenntnisse zu derjeweiligen Person dennoch in Einklang mit den anderen durchgefuhrten Methoden zu bringen, wurden die gleichen sechs Faktoren mit den dazugehorigen Facetten des BIP- 6F verwendet. Dabei wurde versucht, anhand dieser sechs Faktoren Engagement, Disziplin, Sozialkompetenz, Kooperation, Dominanz und Stabilitat Verhaltensanker zu generieren. Diese Verhaltensanker wurden anhand einer gemeinsamen Beobachtungssituation festgelegt. Dabei handelte es sich um eine vom Bewerber zu leistende Probevorlesung. Zur Generierung von den fur die Faktoren charakteristischen Verhaltensankem wurden Beobachtungsausschnitte festgelegt, auf die geschulte Beobachter besonders achten sollten. Diese Beobachtungsausschnitte reichen von der zu beobachtenden Person selbst und ihrem Verhalten, uber das verwendete Vorlesungsmaterial bis zu der Reaktion von etwaigen Interaktionspartnern auf die beobachtete Person. Aus diesen Beobachtungsausschnitten, die furjeden Faktor einzeln im Verhaltensbogen angegeben sind, wurden dann moglichst verhaltensnahe Auspragungen generiert, die es moglich machen sollten, ein umfangreiches Bild eines Bewerbers in der Situation der Probevorlesung zu bekommen.

Die Beobachtung findet in einer realitatsnahen, fur einen Hochschulprofessor gangigen Situation statt. Aufgrund dessen handelt es sich um eine Beobachtung im Feld. Da sich die Beobachter dem Bewerber sichtbar im Raum befinden,jedoch keinerlei Einfluss auf dessen Aufgabenlosung ausuben liegt eine passiv- teilnehmende Beobachtung sowie eine direkte Beobachtung vor. Dadurch, dass Beobachter eingesetzt werden und keine beobachtungsunterstutzenden Gerate, kann von einer vermittelten Fremdbeobachtung ausgegangen werden. Durch die Anwendung des BIP- 6F und dessen Faktoren, sowie der strukturierten Ableitung der Verhaltensanker, handelt es sich des Weiteren um eine strukturierte Beobachtung. Je nach Faktor ist in dieser Verhaltensbeobachtung eine Ereignisstichprobe der Beobachtung bzw. eine Zeitstichprobe vorgesehen. Dabei wurde besonders darauf geachtet, dass die Verhaltensanker fur diejeweiligen Faktoren besonders eng an den Beobachtungsraum, also die Probevorlesung gelegt wurden. Es resultierten Verhaltensanker, die von Faktor zu Faktor hochst unterschiedliche Bereiche abdecken, von Beobachtungen der verwendeten Vorlesungsmaterialien bis hin zu verbalen AuBerungen des Bewerbers. (Westhoff etal., 2010)

Der Verhaltensbogen ist in tabellarischer Form gestaltet. Er ist furjeden Faktor und dessen Facetten gleichermaBen aufgebaut und folgt einer standardisierten Struktur. Zunachst wird eine Facette eines der sechs Faktoren beschrieben und in welchen Bereichen der Probevorlesung sie moglicherweise zu beobachten ist. Dabei ist als Resumee angegeben auf welchen Beobachtungsausschnitt sich der Beobachter konzentrieren sollte. Darauffolgend sind, unterteilt in eine hohe, mittlere und eine niedrige Auspragung, moglichst verhaltensnahe Beschreibungen um diejeweilige Facette im Verhalten des Bewerbers zu identifizieren. Bei denjeweiligen Auspragungen sind ebenfalls die dazugehorigen Punkte angegeben, um eine Ubertragung auf den BIP 6F zu ermoglichen. Die Punkte eins und zwei sind der niedrigen Auspragung zugeordnet, zwei und drei einer Mittleren und funf und sechs geben eine hohe Auspragung an. Beobachter sind dann aufgefordert aus diesen Auspragungen die am meisten zutreffende auszuwahlen und eine Punktzahl im Verhaltensbogen zu notieren. AuBerdem besteht im Verhaltensbogen die Moglichkeit eventuelle weitere Beobachtungen, falls den Beobachtern Verhalten auffallt, welches nicht durch die Beschreibungen erfasst wurde, zu notieren. Die daraus resultierenden Punkte der jeweiligen Facetten konnen in eine Auswertungstabelle eingetragen und mithilfe des Mittelwerts ein reprasentativer Wert fur die Faktoren bestimmt werden. Diese Auswertung kann dann mit dem Vorgegebenen durchschnittlichen Bewerberprofil abgeglichen werden, um entscheiden zu konnen, ob ein Bewerber geeignet ist oder nicht.

Mogliche Beobachter, die den Verhaltensbeobachtungsbogen in einer Probevorlesung verwenden, sollten darauf achten, dass alle Instruktionen und Beschreibungen vor der Beobachtung grundlich durchzulesen sind. Des Weiteren ware es ratsam sich bei der Beobachtung an den Beobachtungsausschnitten derjeweiligen Facetten zu orientieren. Dies hilft den geschulten Beobachtern zu gliedern, welcher Beobachtungsausschnitt gerade verwendet werden kann und welche Facetten dafur in der Situation in Frage kommen.

Die verschiedenen Personlichkeitsmerkmale des BIP- 6F finden in der Beobachtung und damit in dem hier vorgegebenen Beobachtungsbogen einige Anwendungsunterschiede. Einige Faktoren des BIP- 6F sind tendenziell leichter im direkten Verhalten zu beobachten als andere. Dies zielt vor allem aufFaktoren wie Disziplin und Engagement ab. Mit ihren Facetten, beispielsweise der Sorgfalt fur Disziplin und der Karriere- und Wettbewerbsorientierung fur Engagement, ist eine Uberprufung in der Beobachtung anspruchsvoll. Dies wurde im Verhaltensbogen gelost, indem derBeobachtungsausschnitt „Verwendetes Vorlesungsmaterial“ hinzugenommen wurde. Dabei sollen Beobachter in ihren Verhaltensbogen den Eindruck mit einflieBen lassen, der von den prasentierten Vorlesungsmaterialien ausgeht. Andere Faktoren wie Sozialkompetenz, sowie Dominanz sind fur die Beobachtung besser geeignet und uber die Beobachtungsausschnitte ,,Bewerber, Sprachliche AuBerungen und die Reaktion eines Interaktionspartners“ zu beobachten.

4. Situatives Interview

Definition und Inhalte

„Grundgedanke des situativen Interviews (Latham et al., 1980) ist, Arbeitsproben nicht in Form eines tatsachlichen Handlungsvollzugs durchfuhren zu lassen, sondern zu erfragen, auf welche Weise ein Bewerber in einer vorgestellten, moglichst realistisch geschilderten Arbeitssituation reagierenwurde.“ (Stock-Homburg, 2013, S. 39).

Diese Arbeitssituationen werden vorher unter anderem mithilfe der sogenannten Critical Incident Technique (Flanagan, 1954) genau ermittelt und die potentiellen Antwortmoglichkeiten in sogenannten Verhaltensankern festgelegt (Weuster, 2012). Dadurch werden Versuchsleitereffekte weitestgehend ausgeschlossen und das Interview bleibt reliabel. Da sich die Situationen moglichst nahe an den Berufssituationen orientieren, spricht man haufig von einer mentalen Tatigkeitssimulation (Stock- Homburg, 2013).

Bezug auf die Professorenstelle

Mit Bezug auf die Professorenstelle, ist dieses Interviewverfahren sinnvoll, da die Tatigkeit eines Hochschulprofessors sowohl einen hohen Grad an Flexibilitat, als auch Spontaneitat verlangt. Die Tatigkeit eines Professors ist viele unterschiedliche Aufgaben gegliedert, zum Beispiel das Planen und Halten einer Vorlesung, die Organisation in der Hochschulverwaltung und Hochschulpolitik, sowie das Betreuen von Studenten. Hier ist es wichtig, abwagen zu konnen, Prioritaten zu setzen, mit dem Ziel ein zufriedenstellendes Niveau zu erreichen. In einer Vorlesung oder einem

Seminar werden ebenfalls besondere Fachkenntnisse verlangt. Professoren sollten auf Fragen oder Anregungen der Studenten spontan und zugleich kompetent reagieren konnen.

Um die fur das Interview der Professorenstelle geeigneten Situativen Fragen zu ermitteln, galten die sechs Faktoren des BIP-6F als Orientierung. Die einzelnen Faktoren und diejeweiligen Begrundungen werden im Folgenden erlautert.

Engagement

In Situation 1) wird der Bewerber bezuglich seines Engagements getestet. Ein zentraler Punkt des Faktors Engagement ist laut BIP-6F die Karriereorientierung (Hossiep & Kruger, 2012).

Diese wird in der Situation dahingehend uberpruft, dass der Bewerber die Moglichkeit bekommt, eine Beforderung anzunehmen, in der er Kontakte knupfen kann, die ihm bei seiner zukunftigen beruflichen Laufbahn, seiner Karriere, weiterhelfen. Dieser Punkt sollte fur den Bewerber ein hohes Entscheidungskriterium darstellen, was einer guten Antwort entsprechen wurde.

Der Faktor Engagement korreliert unter anderem mit der Skala Leistungsmotivation, Wettbewerbsorientierung, Gestaltungsmotivation, Belastbarkeit, Fuhrungsmotivation und negativ mit der Skala Freizeitorientierung (Hossiep & Kruger, 2012).

Leistungsmotivierte Bewerber konnen sich in der Situation dadurch auszeichnen, dass fur sie die neue, anspruchsvollere Aufgabe kein Problem, sondern bestenfalls eine spannende Herausforderung darstellt. Die AuBerung von Bedenken, oder gegebenenfalls eine Verschiebung der Beforderung, ist als mittlere Antwort einzustufen, falls der Bewerber die Beforderung nicht ausschlieBt. Ein komplettes AusschlieBen der Beforderung ware eine unzureichende Antwort.

Da ein engagierter Bewerber laut BIP-6F belastbar und fuhrungsmotiviert ist und der Faktor negativ mit Freizeitorientierung korreliert, sollte sowohl die hohere Verantwortung, als auch der hohere Arbeitsaufwand aus der Situation und die damit verbundene Zuruckstellung der Freizeit fur den Bewerber keine Hurde darstellen. Die Freizeit in den Vordergrund zu stellen, wurde somit einer schlechten Antwort entsprechen. Einen Kompromiss auszuhandeln, entsprache einer mittleren Antwort.

[...]

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Wie wird man Hochschulprofessor? Eine multimethodale Messung und Analyse zum Auswahlverfahren
Hochschule
SRH Hochschule Heidelberg
Note
1.2
Autor
Jahr
2016
Seiten
39
Katalognummer
V516047
ISBN (eBook)
9783346118004
ISBN (Buch)
9783346118011
Sprache
Deutsch
Schlagworte
BIG5 Multimethodale Messung
Arbeit zitieren
Philipp Lange (Autor:in), 2016, Wie wird man Hochschulprofessor? Eine multimethodale Messung und Analyse zum Auswahlverfahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/516047

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