Das indigene Medizinsystem - Krankheit und Heilung


Hausarbeit, 2001

13 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Einleitung

In Yucatan, wie auch in anderen Gegenden Lateinamerikas, hat sich vor allem in den ländlichen Gemeinschaften bis heute ein traditionelles Medizinwesen erhalten, das trotz 450 Jahre spanischer Kolonialherrschaft aus seinen präkolumbischen Wurzeln überlebt hat (Gubler 1997: 71) und wohl nur geringfügige Änderungen erfahren hat.

Umfangreiche Quellen aus der Kolonialzeit zeigen eine detaillierte Auflistung zahlreicher Krankheiten mit ihren Symptomen verbunden mit deren Therapiemöglichkeiten und den benötigten Heilpflanzen und Zauberformeln. Die bekanntesten Vertreter dieser medizinischen Handschriften sind wohl das Ritual de los Bacabes, das Libro de Judío und die Libros de los Chilam Balam.

Da umfangreichen Quellen aus der Zeit der spanischen Herrschaft diese Thematik zum Inhalt haben, baut diese Ausarbeitung in großem Umfang auf die ethnohistorischen Quellen auf, berücksichtigt aber auch die Gegenwart und versucht, die kulturelle Kohärenz aufzuzeigen.

Krankheitsbezeichnungen

Da man das indigene Medizinsystem nur verstehen kann, wenn man weiß, wie Krankheiten verursacht werden, soll zuerst eine Einführung über die Konzeption von Krankheiten gegeben werden, d.h. wie Krankheiten „übertragen“ werden und, mehr von einer linguistischen Sicht, wie Krankheiten benannt werden.

Betrachtet man die Bezeichnungen für Krankheiten, v.a. die nicht alltäglichen, so fällt auf, daß sie in ihrer indigenen Nomenklatur einer gewissen Regelmäßigkeit unterliegen und aufgrund ihrer Bestandteile in einer Taxonomie untergebracht werden können. Diese Nomenklatur orientiert sich an deskriptiven symptomatischen Effekten, wie etwa sensorische oder visuelle Eindrücke, und verbindet diese mit metaphorischen Bezeichnungen ihrer Wesensart.

So tragen Krankheiten die Namen von Tieren (Gubler 1997: 72), beispielsweise werden Krämpfe oder Zuckungen als „Tobsucht/Besitzergreifung eines Tieres“ bezeichnet, so etwa im Ritual de los Bacabes: mo tancas [1] (Tobsucht des Aras), balam tancas (Tobsucht des Jaguar) u.ä. Hier treten aber auch spezifische Charakteristika auf, wie etwa ah ci tancas (Trunkene Tobsucht) oder nicte tancas (Erotische Besitzergreifung). Neben seiner Grundbedeutung „Feuer“ wird k’ak’ (und orthographische Varianten) auch zur Bezeichnung von „Krankheit“ im allgemeinen und von Hautkrankheiten im speziellen (die größte Zahl an lexikalischen Einträgen) benutzt. Der Cordemex[2] (364) liefert dazu folgenden Eintrag: „ fuego, enfermedad, tómase por viruelas en general (Feuer, Krankheit, es wird genommen für Pocken im allgemeinen)“. Mit zusätzlichen Worten werden neue Bedeutungen geformt, wie folgendes Beispiel im Cordemex (367) zeigt: k’ak’ ek’incordio, tumor (Geschwür, Tumor)“.

Wie bereits oben allgemein erwähnt, scheint auch in diesem speziellen Fall die Verwendung von „Feuer“ zur Bezeichnung von Hautkrankheiten nicht ohne Grund zu sein, denkt man nur an die rote Farbe von Hautausschlägen, ihre erhöhte Temperatur und den auftretenden Juckreiz.

Daneben können auch vergleichbare sensorische Eindrücke zur Namengebung verwendet werden. So ist die Bezeichnung für Gicht „ chibal oc “ (Gubler 1997: 76) wörtlich als „Bißwunde (chibal) am Fuß (oc)“ zu übersetzen (Cordemex 92, 594), ein treffender Umstand für die zumeist nur am Fuß auftretenden Beschwerden in Form plötzlich auftauchender, stechender Schmerzen.

Entstehung von Krankheiten

Zum Verständnis der Heilungsprozeduren ist die Kenntnis der Entstehung von Krankheiten und die Einwirkung von schadhaften Einflüssen auf den Menschen wesentlich, da die Rekonvaleszenz den umgekehrten Prozeß der Erkrankung darstellt. Das Ritual de los Bacabes ist die wichtigste ethnohistorische Quelle, um das indigene Konzept von Krankheit zu verstehen und zu sehen, wie der Schamane die Krankheit behandelt (vgl. u.a. Gubler 1997: 81). Eine Unterscheidung zwischen geistigen und körperlichen Krankheiten wird grundsätzlich nicht gemacht (Gubler 1995: 63). Wie auch bei der Heilung kann man bei der Erkrankung eine metaphysische und eine natürliche Ebene unterscheiden: die Ursachen für alltägliche Beschwerden werden gewöhnlich vernunftmäßig erklärt, falls hier Heilungsversuche scheitern, oder bei anderen Ursachen, wird schnell auf die übergeordnete Ebene gesprungen (Gubler 1995: 63), immer in der Hoffnung, daß die Situation nicht allzu gravierend ist. Ein aus der jüngeren Vergangenheit (Redfield 1970: 318) stammender Vorfall demonstriert dies sehr deutlich:

„One afternoon Bicha went into her yard to look after her chickens. She had taken only a few steps when she felt a sharp pain in her right leg. It was so severe, that she could hardly stand [...]. From the first a wind was suspected, but it was hoped that it was only rheumatism.“

[...]


[1] Angaben in yukatekischer Sprache werden immer in der Orthographie der jeweiligen Quelle angegeben, was bei kolonialzeitlichen Dokumenten zu Abweichungen zur heute gebräuchlichen Schreibweise führen kann.

[2] Literaturhinweise auf das Diccionario Maya werden statt dem Format (Barrera Vásquez 1995: Seite) nur in der Kurzform „Cordemex (Seite)“ angegeben.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Das indigene Medizinsystem - Krankheit und Heilung
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
13
Katalognummer
V51762
ISBN (eBook)
9783638476454
ISBN (Buch)
9783656798316
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medizinsystem, Krankheit, Heilung
Arbeit zitieren
Sven Gronemeyer (Autor:in), 2001, Das indigene Medizinsystem - Krankheit und Heilung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51762

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