Die Förderung der sozial-emotionalen Kompetenz in der frühen Kindheit

Ein systematisches Review der aktuellen empirischen Forschungsliteratur


Bachelorarbeit, 2017

53 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund

3. Methoden

4. Ergebnisse

5. Diskussion

Literaturverzeichnis:

Zusammenfassung

Ein großer Aspekt im Alltag eines Kindes sind sozialen Beziehungen. Von der Fähigkeit diese zu Führen hängt ein großer Teil der Lebensqualität und der weiteren Entwicklung eines Kindes ab. Hierfür sind sozial-emotionale Kompetenzen Grundvorraussetzung. Dennoch zeigt sich, dass ein nicht unerhbelicher Teil der Kinder Defizite in diesen Bereichen vorweist. Dies zeigt wie unerlässlich umfassende Förderprogramme für die weitere Entwicklung der Kinder sind. Ziel dieser Arbeit war es die Wirksamkeit diesbezüglicher Förderprogramme auf das Sozialverhalten, die Gesundheit und en Schulerfolg bei Klein- Vorschul- und Grundschulkindern zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurden 20 aktuelle empirische Studien systematisch untersucht. Für alle untersuchten Bereiche konnten gemischte aber in der Tendenz positive Befunde gefunden werden. Diese wurden Kritisch betrachten und die Implikationen für die zukünftige Forschung diskutiert.

Abstract

A big aspect in the everyday life of a child are social relations. A large part of their life quality and further development depends on the ability to lead relationships. Social-emotional competences are a fundamentel precondition für this ability. Nevertheless a significant proportion of children have shortcomings in these sectors. The aim of this work was to investigate the effectiveness of relevant support progammes for the social behavior, health und school success for toddlers, preschoo- and elemantary school children. For this purpose 20 current empirical studies were investigatet sytematically. For all examined sectors mixed but in the tendency positive effekts were found. These were critically exermined and future research implications were discussed.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Schlüsselkompetenzen nach Saarnin(1999)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Im Alltagspsychologischem Bereich sind soziale- und/oder emotionale Kompetenzen mittlerweile in aller Munde und der Begriff hat sich als Modewort etabliert. Gefordert werden solche Kompetenzen auch unter den Begriffen soft skills oder als Schlüsselkompetenzen bei Bewerben auf freie Stellen, von modernen Führungskräften aber auch von Kindergarten und Schulkindern.

So legt beispielsweise das hessische Ministerium für Soziales und Integration (2010) in seinen „Handreichungen zum Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0-10“ großen Wert auf Stärkung von sozialen und emotionalen Kompetenzen und betont deren Bedeutung für das Lernen (Hessisches Ministerium für Soziales und Integration, 2010).

Sec.II

Auch die Europäische Kommission sieht die soziale Kompetenz als eine der acht Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen, die in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in ihren Bildung- und Berufsbildungssystemen fördern sollen. Auch werden hier unter anderem der konstruktivem Umgang mit Emotionen als Grundlage für den Erwerb der Schlüsselkompetenzen genannt (Europäische Kommission, 2007).

Dennoch beschäftigte sich der Diskurs über frühkindliche Bildung meist mit den klassischen Bildungsbereichen. Der gezielten Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen wurde demgegenüber wenig Aufmerksamkeit geschenkt (Fröhlich-Gildhoff & Petermann, 2013). Das eine genauere Betrachtung notwendig wäre zeigen Angaben über die Häufigkeit von Kindern mit Entwicklungsstörungen in sozial-emotionalen Bereichen.

Fröhlich-Gildhoff und Petermann (2013) gehen davon aus, dass mindestens 15% der Kinder im Kindergartenalter auffälliges Verhalten zeigen und auch Rudolph, Franze, Gottschling-Lang und Hoffmann (2013) fanden in ihere Studie mit 599 Kindern zwischen drei – sechs Jahren, dass 15,4% der Kinder in ihrer sozialen Entwicklung gefährdet und 7,7% fraglich gefährdet sind. Auch die Auswertung der aktuellen Erhebung der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) kommt zu einer Prävalenzrate von 17,2% für Kinder im Kindergartenalter und 23,1% für Grundschulkinder mit einem erhötem Risiko für psychische Auffälligkeiten (Höllig et al., 2014).

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich deswegen mit Programmen zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen für Klein- Vorschul- und Grundschulkinder und untersucht anhand der aktuellen empirischen Forschungsliteratur eren Wirksamkeit auf Sozialverhalten und Verhaltensprobleme, Gesundheit und Schulerfolg. Dafür werden nach Einführung in wichtige Theorien und Definitionen der Begrifflichkeiten, die Methodik zur Literaturrecherche beschrieben. Folgend werden die 20 in diese Studie eingeflossenen Studien eingehend beschrieben und anschließend auf ihren Nutzen für die drei oben genannten Aspekte analysiert und abschließend Analysiert. Dabei erfolgt auch eine kritische Auseinandersetzung mt den betrachteten Studien sowie Implikationen für die weitere Forschung abgeleitet.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Soziale Kompetenz

Die meisten Definitionen sozialer Kompetenz gehen von einer Mutlidimensionalität des Konstrukts aus. Schon Thorndike (1920) unterschied dabei zwischen zwei Komponenten sozialer Kompetenz. Die soziale Sensitivität beschreibt die Qualität des Verständnisses für andere. Die soziale Handlungskompetenz bezieht sich mehr auf das erfolgreiche Verhalten in sozial schwierigen Situationen. Auch Asendorpf (2011) beschreibt soziale Kompetenz als ein aus den zwei Komponenten Durchsetztungsfähigkeit und Beziehungsfähigkeit bestehendes Konzept, wobei sich erstgenanntes auf die Fähigkeit bezieht „die eigenen Interessen gegenüber anderen zu wahren“ (S.83) und letztgenanntes die Fähigkeit meint „positive Beziehungen mit anderen einzugehen und aufrechtzuerhalten“ (S.83).

Je nach Herkunft der Definition unterscheiden sich diese jedoch im Hinblick auf ihren Blickpunkt.

Die eher aus dem Bereich der klinischen oder Organisationspsychologie stammenden Definitionen stellen dabei naturgemäß das interessierende Individuum in den Mittelpunkt und betrachten kaum oder gar nicht die Konsequenzen für etwaige Interaktionspartner (Kannig, 2009). So verstehen Hinsch und Pfingsten (2009) soziale Kompetenz als „ die Verfügbarkeit und Anwendung von kognitiven, emotionalen und motorischen Verhaltensweisen, die in bestimmten sozialen Situationen zu einem langfristig günstigem Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen für den Handelnden führt." und fokussieren damit eher den Bereich der selbstbezogenen sozialen Kompetenzen bzw. der Durchsetzungsfähigkeit.

Einen anderen Schwerpunkt setzten Definitionen aus dem Bereich der Entwicklungspsychologie. Hier wird vor allem die Anpassung de Individuums an seine soziale Umwelt betrachtet (Kannig, 2009).

Beide Aspekte betrachtet die Definition von Perren, Argentino-Groeben, Stadelmann, von Klitzing (2016) „soziale Kompetenz „die Fähigkeit, in sozialen Interaktionen eine eigenen Ziele zu erreichen und Bedürfnisse zu befriedigen und gleichzeitig die Ziele und Bedürfnisse von anderen zu berücksichtigen“. Sie vereint somit beide Perspektiven. In solchen integrierenden Definitionen ist soziale Kompetenz dementsprechend ein Kompromiss aus Durchsetzungs- und Beziehungsfähigkeit. Sozial Kompetentes Verhalten zeigt, wer es schafft beide im Gleichgewicht zu halten.

Die Beurteilung dessen was als sozial kompetentes Verhalten gilt ist immer auch an die spezifische Situation gebunden. Verhalten welches in der einen Situation als sozial kompetent bewertet wird, kann in einer anderen Situation oder einer anderen Kultur vollkommen unangebracht erscheinen. Soziale Kompetenzen sind also keine stabile Persönlichkeitseigenschaft sondern immer situationsabhängig (Bischoff et al., 2012).

2.2 Emotionale Kompetenz

Eng verwand mit dem Konstrukt der sozialen Kompetenz ist das der emotionalen Kompetenz. Unter der Begrifflichkeit der emotionalen Kompetenz werden die Bereiche des Emotionsausdruck, Emotionswahrnehmung und Emotionsregulation erstmals zusammengefasst betrachtet (Klinkhammer & Salisch 2015). Auch die emotionale Kompetenz wird als multidimensional verstanden und bezeichnet allgemein die Fähigkeit mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen und denen anderer umgehen zu können (Pfeffer, 2012). Hier wird bereits deutlich, dass für die Entwicklung emotionaler Kompetenzen soziale Kontakte unerlässlich sind. Dies zeigt auch Saarnis (1999). Konzept der emotionalen Kompetenz. Sie betont dass emotionale und soziale Erfahrungen untrennbar miteinander verbunden sind und vom kulturellen Kontext beeinflusst werden. Demnach zeigt sich emotional kompetentes Verhalten in der erfolgreichen Bewältigung sozialer Interaktionen und hängt mit einer Steigerung des Selbstwertgefühls und der Resilienz zusammen. Sie nennt außerdem acht Schlüsselfertigkeiten emotionaler Kompetenz (siehe Tabelle 1), welche sie an empirischen Befunden und eigener praktischer Erfahrung orientieren. Diese werden vom Kind im Laufe des Heranwachsens in sozialen Interaktionen gelernt und geübt. Daher sind vor allem die Interaktionen mit den primären Bezugspersonen aber auch zu Gleichaltrigen oder Erzieherinnen wichtig.

Tabelle 1

Schlüsselfertigkeiten nach Saarni (1999)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Petermann und Wiedebusch (2016) nennen Bereiche in denen Kinder emotionale Kompetenzen entwickeln. Dazu gehören: „ der eigene mimische Emotionsausdruck, das Erkennen des mimischen Emotionsausdrucks anderer Personen, der sprachliche Emotionsausdruck, das Emotionswissen und –verständnis und die selbstgesteuerte Emotionsregulation.“ (S.14).

2.3 Sozial-emotionale Kompetenz

Wie oben bereits angeklungen sind soziale und emotionale Kompetenzen untrennbar miteinander verbunden. Um erfolgreich sozial interagieren zu können ist es beispielsweise unabdingbar die Emotionen des Interaktionspartners erfolgreich zu interpretieren und angemessen darauf zu reagieren. Umgekehrt werden soziale Interaktionen benötigt um beispielsweise Rückmeldung über den Ausdruck und die Angemessenheit der eigenen Emotionen zu erhalten. Auch fungieren Bezugspersonen als Vorbild zum Beispiel im Bezug auf Emotionsregulation.

Ein Versuch diesen Überschneidungen von sozialer und emotionaler Kompetenz gerecht zu werden entwickelten Halberstadt, Denham und Dunsmore (2001) mit ihrem Konzept der affektiven sozialen Kompetenz die sie über die erfolgreiche Kommunikation der eigenen Gefühle, aber auch Interpretation und Reaktion auf die Gefühle anderer und Beobachtung und Management der eigenen Gefühle definieren. Ihr dynamisches Konzept wird als Windmühle dargestellt um die ständigen Veränderungen in sozialen Interaktionen zu symbolisieren. Die Räder der Windmühle stellen die drei Komponenten Senden emotionaler Botschaften, Empfangen emotionaler Botschaften und Erleben von Emotionen dar, angetrieben wird das Rad durch die sozialen Interaktion und beeinflusst von weiteren Kontextfaktoren wie familiären, kulturelle oder historische Faktoren. Im Zentrum befindet sich das Selbst mit seinen Merkmalen wie Temperament, Selbst-Konzept oder Motivation zu interagieren. Es ist nicht direkt Teil der sozialen Interaktion, beeinflusst diese aber.

Petermann und Petermann (2015) beschrieben vier Dimensionen sozial-emotionaler Kompetenz: Emotionen bei sich und anderen erkennen und benennen, Emotionen auf Grundlage des Emotionswissens verstehen, angemessene Emotionsregulation, Empathie und prosoziales Verhalten.

Auf Grund der dargestellten Abhängigkeiten in der Entwicklung sozialer und emotionaler Kompetenz und der Überschneidung der Begrifflichkeiten wird in der Literatur häufig von sozial-emotionalen Kompetenzen gesprochen (Jungmann, Koch & Schulz, 2015). Auch in dieser Arbeit wird weitergehend so verfahren.

2.4 Einflussfaktoren für die Entwicklung sozial-emotionaler Kompetenzen

Der Prozess der Entwicklung sozial-emotionaler Kompetenzen kann von einer Reihe von Faktoren beeinflusst werden die sich grob in kindbezogene und familiäre bzw. Faktoren der weiteren sozialen Umwelt einteilen lassen (Koglin & Petermann, 2013). Die Faktoren addieren sich dabei nicht einzeln auf, sondern beeinflussen sich gegenseitig und können sich sowohl positiv als auch negativ auf die Entwicklung sozial-emotionaler Kompetenzen auswirken.

Zu den kindbezogenen Faktoren gehören beispielsweise das Temperament und das Geschlecht.

2.4.1 Temperament

Temperament ist eine konstitionelle Fähigkeit zur Selbstregulation und betrifft Affekt, Aufmerksamkeit und Aktivitätsniveau (Kullik & Petermann, 2012). Temperaments-Unterschiede werden bereits ab dem vierten Lebensmonat deutlich (Klinkhammer & Salisch, 2015) und können sowohl protektiv als auch problemverstärkend wirken. So zeigte sich beispielsweise in einer Untersuchung an Trennungskindern von Lengua, Wolchik, Sandler und West (2010). dass negative Emotionalität beim Kind Depressivität und Impulsivität Verhaltensprobleme vorhersagten. Positive Emotionalität moderierte den Zusammenhang zwischen Ablehnung durch die Eltern und Verhaltensproblemen und Depressivität. Diese Eigenschaft des Kindes scheint also protektiv zu wirken. Außerdem wirkte sich das Temperament des Kindes direkt auf möglichen Anpassungsproblemen aus.

2.4.2 Geschlecht

Über den Einfluss von Geschlecht auf die sozial-emotionalen Kompetenzen wurde viel diskutiert und geforscht, jedoch waren die Ergebnisse widersprüchlich in Abhängigkeit des Forschungsfokus und Methode (Klinkhammer & Salisch, 2015).

So zeigt zum Beispiel auch die Daten Welle 1 der KiGGS bei Kinder zwischen drei – 17 Jahren, dass sowohl der Gesamtproblemwert, als auch Verhaltensauffälligkeiten und Probleme mit Gleichaltrigen bei Jungen stärker ausgeprägt waren als bei Mädchen, die eher zu emotionalen Problemen neigten (Höllig et al. 2014)

der Geschlecht könnte moderieren was und wie Kinder über Emotionen lernen auf Grund kulturell abhängiger Geschlechtsstereotypen. Über die folgen dieser unterschiedlichen Verstärkung verschiedener Gefühle bei Jungen und Mädchen existiert noch forschungsbedarf (Root & Denham, 2010). So vermuten Denham, Bassett & Wyatt (2010) dass Mädchen besonders empfänglich für elterliche emotionale Sozialisation scheinen.

2.4.3 Familiäre Einflüsse

Für die sozial-emotionale Entwicklung im frühen Alter ist vor allem die Bindung zu den engsten Bezugspersonen entscheidend. Kinder sind erst ab einem Alter von fünf Jahren zu einer suffizienten intrapsychischen Emotionsregulation in der Lage und deshalb von der Koregulation ihrer Gefühle durch die Bezugspersonen abhängig. Dabei lernen Kindern von ihren Bezugspersonen Bedeutung und Umgang mit den jeweiligen Emotionen.. Um ein eigenes Emotionswissen und die Fähigkeit zum Ausdruck der Emotionen zu entwickeln hat sich der emotional talk, also die Kommunikation der Bezugspersonen über Emotionen und ihre Regulation mit ihrem Kind, als wichtiger herausgestellt. Auch im Vorschulalter bleiben die Bezugspersonen Wichtig für die Entwicklung der sozial-emotionalen Kompetenzen da sie als Modellperson für den Umgang mit Emotionen fungieren (Wiedebusch und Petermann, 2011). Kinder internalisieren sozusagen das familiäres Klima und lernen welches Level an Gefühlsausdruck bei den jeweiligen Emotionen angebracht ist (Root & Denham, 2010). Gottmann, Katz und Hooven (1997) arbeiteten dazu fünf Punkte des Emotions-Coaching durch Eltern heraus: 1. Eltern sind sich der Emotionen ihrer Kinder bewusst; 2. Die Eltern sehen die kindlichen Emotionen als Gelegenheit für Intimität; 3. Eltern helfen ihren Kindern bei der Benennung ihrer Gefühle 4. Eltern sind empathisch für die Gefühle ihrer Kinder; 5. Eltern helfen ihren Kindern bei der Lösung ihrer Probleme.

Das Bindungs- und Erziehungsverhalten der primären Bezugspersonen hat also eine große Bedeutung für die sozial-emotionale Kompetenz, auch für die Entwicklung von Verhaltensstörungen (Petermann, Helmsen & Koglin, 2010).

In der oben bereits genannten Studie von Lengua, Wolchik, Sandler und West (2010) zeigte sich eine additive Wirkung von Impulsivität und Inkonsistenz der Eltern auf Depressivität und Verhaltensprobleme bei ihren Kindern.

Eine wechselseitige Beziehung scheint auch zwischen physischer Bestrafung durch die Eltern und emotionalen Problemen zu bestehen. So konnten Hahlweg, Heinrichs, Bertram, Kuschel und Widdecke (2008) signifikante Korrelationen zwischen körperlicher Bestrafung und internalisierten und externalisierten Störungen zeigen. Ebenso führt ein autoritärer Erziehungsverhalten zu internalisierenden Problematiken (Belhadj Kouider & Petermann, 2015).

2.5 Prävention

Mit Präventionsprogrammen wird versucht das Auftreten eines bestimmten Ereignisses, hier einer Krankheit oder psychischen Störung abzuwenden oder abzumildern (Petermann, Koglin, Natzke & von Marées, 2013). Dabei kann unterscheiden werden ob es sich um primärpräventive, sekundärpräventive oder psychotherapeutischer Verfahren handelt, wobei sich primärpräventive Maßnahmen an entwicklungsunauffällige Kinder richtet, das sekundärpräventive an Kinder bei denen ein erhöhtes Risiko besteht und das psychotherapeutische an Kinder die bereits Auffälligkeiten oder Defizite zeigen (Petermann & Wiedebusch, 2016). Des weiteren lassen sich präventive Maßnahmen danach unterscheiden, ob sie Personenzentriert sind, sich also beispielsweise direkt an die zu fördernden Kinder richtet, oder kontextorientiert und bei anderen wichtigen Personen des sozialen Umfelds ansetzten (Petermann, Natzke, Gerken & Walter, 2016). Des weiteren gibt es kombinierte Programme. Universelle Programme bieten den Vorteil, dass sie nicht zu eine Stigmatisierung führen da alle Kinder einer Klasse, Schule oder ähnlichem daran teilnehmen.

2.6 Problematisches Verhalten und Verhaltensstörungen

Verhaltensauffälligkeiten werden häufig als Abweichung von der Norm verstanden und sind somit im Zusammenhang mit der sozialen Umwelt zu interpretieren. Meistens wird von einem Kontinuum zwischen auffällig und nicht auffällig ausgegangen. Verhaltensstörungen können von psychischen/psychiatrischen Störungen unterscheiden werden, da Verhaltensstörungen zwar immer mit einer Abweichung von der Norm einhergehen aber nicht zwingend Krankheitswert haben (Fröhlich-Gildhoff & Petermann, 2013). Laut Petermann, Helmsen & Koglin (2010) liegt eine Verhaltensstörung vor, wenn das Verhalten über längere Zeit beobachtbar ist, in verschiedenen Situationen und in Beziehungen zu unterschiedlichen Personen auftritt.

Verhaltensauffälligkeiten könne in externalisierende (oppositionelle, aggressive und hyperkinetische Verhaltensprobleme) und internalisierende (soziale Ängstlichkeit, Unsicherheit, emotionale Labilität) Auffälligkeiten eingeteilt werden (Fröhlich-Gildhoff & Petermann, 2013). Defizite im Bereich der sozial Kompetenz führten in einer Längsschnitt-Studie von Bornstein, Hahn und Haynes (2010) zu mehr externalisiertem und internalisierenden Verhaltensproblemen, jedoch war ein angepasstes sozialverhalten nicht zwingend Anzeichen für eine hohe soziale Kompetenz.

2.6.1 Oppositionell-aggressives Verhalten

Petermann & Petermann 2013 gehen davon aus, dass 5% - 10% der Kinder als opositionell-aggresiv eingestuft werden können, wobei die Häufigkeit mit dem Alter bis zum jungen Erwachsenenalter ansteigt und sich häufig schon vor Beginn Grundschulalters zeigt. Hauptmerkmal dieser Vehaltensauffälligkeit sind Trotz, Ungehorsam und feindseliges Verhalten, Wutausbrüche, Wiederspruch gegen Aufforderungen durch Erwachsene und externe Schuldzuweisung. Schwerwiegendes Aggressives Verhalten kann jedoch nicht beobachtet werden. Dieses Verhaltensmuster tritt hauptsächlich gegenüber der nahen Bezugspersonen wie Eltern oder pädagogischen Fachkräften auf, mit zunehmendem Alter kommen Kontaktschwierigkeiten mit Gleichaltrigen hinzu. Jungen sind deutlich häufiger betroffen als Mädchen und zeigen häufiger offene Aggressivität (z.B. Schlagen oder Treten) während Mädchen eher zu indirekter Aggressivität (Lügen, Ausschließen anderer) neigen (Koglin & Petermann, 2013; Petermann, Helmsen & Koglin, 2010). Folgen einer frühen Verhaltensauffälligkeit können unter anderem aggressiv-dissoziales Verhalten, Substanzmittelmissbrauch, Depressionen und Ängste sein (Fröhlich-Gildhoff & Petermann, 2013).

2.6.2 Soziale Ängstlichkeit und soziale Unsicherheit

Im Vergleich zu den Kinder mit oppositionell-aggressivem Verhalten fallen unsichere Kinder nicht auf und können leicht übersehen werden. Sie sprechen leise, meiden Blickkontakt und nehmen selten von sich aus Kontakt zu anderen Kindern auf (Koglin & Petermann, 2013). Aus sozialer Unsicherheit können sowohl Trennungsangst als auch soziale Ängste bis hin zu generalisierten Ängsten entstehen. Ein sozial ängstliches Kind hat eine deutliche und anhaltende Angst vor sozialen Situationen und Bewertung durch andere. Dies hat zur Folge, dass sie einen kleineren Freundeskreis haben und Sozialkontakt vermeiden was zur Folge hat, dass ihr Beziehungen, außer zu engen Bezugspersonen, deutlich gestört sind (Petermann & Petermann, 2010). Auch soziale Ängstlichkeit tritt mit zunehmendem Alter vermehrt auf, im Gegensatz zum oppositionell-aggressiven Verhalten tritt soziale Ängstlichkeit allerdings häufiger bei Mädchen auf (Behadj Kouider & Petermann, 2015, ...).

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung inwieweit Programme zur Förderung der sozial-emotionalen Kompetenz problematisches Verhalten verhindern oder verbessern können, beziehungsweise allgemein zu Verbesserung des Sozialverhaltens führen (Fragestellung 1).

2.7 Sozial-emotionale Kompetenzen und Gesundheit

Externalisierende Verhaltensstörungen weisen auf Grund der Erfahrenen Ablehnung eine hohe Komorbidität zu internalisierenden Störungen auf (Petermann, Helmsen & Koglin 2010). Ängstliches Verhalten aber auch feindlich-aggressives Verhalten im Kindergartenalter stehen in Verbindung mit psychischen Störungen im Jugendalter, wie beispielsweise Depressionen (Slemming et al., 2010). Belhadj Koudier und Petermann (2015) haben gemeinsame Risikofaktoren, für die Entwicklung von sozialer Ängstlichkeit und Depressionen zusammengestellt. Dazu gehören das weibliche Geschlecht, zunehmendes Alter, geringe soziale Kompetenz mit Gleichaltrigen, Stresserleben, geringe Selbstwirksamkeit und geringe familiäre Unterstützung. Dies erweckt den Anschein als liege beiden Störungen gemeinsam Schwierigkeiten in der emotionalen Bewältigung zu Grunde (Petermann, Petermann & Nitowski, 2016). So ist bei beiden Störungsbildern die Fähigkeit vermindert negative Emotionen herunter und positive herauf zu regulieren (Cole, Michel & Teti, 1994) Im Jungendalter sind Angststörungen zudem häufig mit Substanzmissbrauch verbunden (Koglin & Petermann, 2013). In der Selbstmedikationshypothese geht man geht davon aus, dass Jugendliche zu Alkohol oder Drogen greifen um ihr negativen Emotionen zu regulieren oder zu mildern (Hussong & Hicks, 2003).

Fragestellung 2

2.8 Sozial-emotionale Kompetenzen und Schulerfolg

Im Vergleich zu anderen Bereichen der sozial-emotionalen Kompetenz ist der Anteil an Forschung zu den Auswirkungen sozial-emotionale Kompetenz auf Aspekte des Schulerfolgs vergleichsweise klein (Garner, 2010). Es mehren sich allerdings Ergebnisse die darauf hinweisen, dass sozial-emotionale Kompetenz das akademische Lernen fördert und sich somit positiv auf den Schulerfolg auswirkt. Kindergartenkinder mit guten Kompetenzen im sozial-emotionalen Bereich fällt der Übergang in die Grundschule deutlich leichter, da sie in der Lage sind soziale Kontakte mit Gleichaltrigen aufzubauen und zu erhalten, mit ihnen zusammenzuarbeiten und negative Emotionen regulieren zu können (Klinkhammer & Salisch, 2015). Zwei Aspekte finden als Einflussfaktoren für Schulerfolg besondere Beachtung: Emotionswissen und Emotionsregulation (Garner, 2010). Izard et a. (2001) konnten in einer Längsschnittstudie nachweisen, dass Emotionswissen bei fünfjährigen ihre akademische Kompetenz im Alter von neun Jahren vorhersagt und zwar auch nachdem sie um die durch sprachliche Fähigkeiten und Temperament erklärten Varianzanteile bereinigt worden sind. Diesen Zusammenhang konnte von Trentacosta & Izard (2007) in einer methodisch verbesserten Studie repliziert werden. So operationalisierten sie beispielsweise akademische Kompetenz nicht nur Anhand von Beurteilung durch die Lehrkräfte sondern auch durch standardisierte Leistungstests und Emotionswissen durch das Erkennen von Emotionen in Gesichtsausdrücken, soziale Situationen und das Erkennen von Auslösern für Emotionen erfassen. Auch hier zeigte sich Emotionswissen als direkter Prädiktor für akademische Kompetenz. Des Weiteren kommen sie zu dem Schluss, dass sich Emotionsregulation indirekt auf den akademischen Erfolg auswirkt, da sie die Aufmerksamkeit schützt. Salisch et a. (2015) fanden in ihrer Studie bei der- bis sechsjährigen Kindern ebenfalls einen positiven Einfluss von Emotionswissen auf Aufmerksamkeitsprobleme. Ein umfangreiches Emotionswissen führt offenbar zu größeren kognitive Ressourcen, da diese nicht für die Interpretation der eigenen und der Gefühle andrer benötigt werden.

Demgegenüber führt problematisches Verhalten zu niedrigeren Arbeitsfähigkeiten was wiederum zu niedrigerer schulischer Leistung beitragen kann (McClelland, Morrison & Holmes, 2000).

Die vorliegende Arbeit untersucht die Wirksamkeit sozial-emotionaler Förderprogramme auf den Schulerfolg (Fragestellung 3).

3. Methoden

Zur Auswahl der für diese Arbeit relevanten aktuellen Forschungsliteraur wurde eine Systematische suche mit festgelegten Suchbegriffen Ein- und Ausschlusskriterien durchgeführt. Die Suche wurde im Juni 2017 mittels der Suchmaschine EBSCOhost® durchgeführt. Durchsucht wurden dabei die Datenbanken PsyINFO®, PSYINDEX: Literatur and Audiovisual Media with PSYNDEX-Tests® und PsyARTICLES®. Um den aktuellen Stand der Forschung widerzuspiegeln wurde die Suche auf die Publikationsjahre von 2006-2017 eingeschränkt. Es wurden ausschließlich Artikel einbezogen die das sogenannte „peer-review“ Verfahren durchlaufen hatten und Dissertationen ausgeschlossen. Da für dieses Review der Einfluss der Förderprogramme auf Klein-, Vorschul- und Grundschulkinder interessierte, wurde die Suche auf die Altersgruppe „Kindheit“ von Geburt bis zu 12 Jahren eingegrenzt.

Eingegeben wurden bis auf die erste Suche immer vier Suchwörter. Für jede Suche wurden dabei „social emotional competence“ „AND“ „programme“ „OR“ „training“ verwendet und mittles des Operators „AND“ mit den weiteren Suchbegriffen kombiniert. Alle Begriffe sollten dabei gesucht werden. Die Ergebnisse wurden des Weiteren auf englische- und deutschsprachige und aus dem westlichen Kulturkreis stammende Veröffentlichungen begrenzt und nur Forschungen berücksichtig die quantitativ durchgeführt wurden. Dabei ergaben sich folgende Trefferzahlen: ohne weitere Begriffe (7468), „prevention“ (1585) „social behavior“ (1966), „well-beeing“ (239), „health“ (3652), „health behavior“ (1997), „school success“ (395), „academic success“ (294), „academic achievement“ (631). Betrachtet wurden je die 50 relevantesten Treffer. Daraus wurden nur Studien ausgewählt die sich mit der Wirkung von Programmen zur Förderung der sozial-emotionalen Kompetenz befassen. Handelte es sich um kombinationsprogramm so musste der Hauptfokus auf der Förderung sozial-emotionaerl Kompetenzen liegen. Es wurde des weiteren versucht ein möglichst umfassendes Bild bezüglich Personenzentrierung oder Kontextorientierung und den untersuchten Altersgruppen zu erreichen. Dies gelang erst ab dem Kindergartenalter da keine relevanten Ergebnisse für jüngere Kinder unter den Suchergebnissen waren. Aussortiert wurden des Weiteren Studien die sich mit einer zu speziellen Untersuchungsgruppe beschäftigen (z.B. Wirkung eines Programmes auf autistische Kinder). Die 20 ausgewählten Studien werden in Tabelle 2 dargestellt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 53 Seiten

Details

Titel
Die Förderung der sozial-emotionalen Kompetenz in der frühen Kindheit
Untertitel
Ein systematisches Review der aktuellen empirischen Forschungsliteratur
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Psychologie)
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
53
Katalognummer
V517893
ISBN (eBook)
9783346132451
ISBN (Buch)
9783346132468
Sprache
Deutsch
Schlagworte
förderung, kompetenz, kindheit, review, forschungsliteratur
Arbeit zitieren
Nathalie Baehr (Autor:in), 2017, Die Förderung der sozial-emotionalen Kompetenz in der frühen Kindheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/517893

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