Experiment Planwirtschaft: Die Wirtschaftspolitik der DDR am Beispiel der Automobilindustrie 1949-1989


Dossier / Travail de Séminaire, 2005

29 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Plan-Pleite oder Miss-Management? – Einleitung

2 Rahmenbedingung: Die allgemeine Situation in der SBZ/DDR nach Kriegsende
2.1 Vorkriegszeit, Zerstörung, Demontagen und Teilung Deutschlands
2.2 Automobilproduktion nach Kriegsende
2.2.1 Produktionsbeginn
2.2.2 Zuliefersituation

3 Die allgemeine Wirtschaftspolitik in der DDR
3.1 Grundsätzliche Überlegungen zur Planwirtschaft
3.2 Entwicklung der Wirtschaftspolitik in der DDR: Reform
3.3 und Gegenreform
3.4 Die Rolle der Volkseigenen Betriebe in der DDR-Wirtschaft

4 Automobilisierung in der DDR
4.1 Rolle des Automobils in der DDR und
4.2 Massenmotorisierung
4.3 Innovationen in der Automobilindustrie
4.3.1 Innovationsvorhaben des VEB Sachsenring (Trabant)
4.3.2 Innovationsvorhaben des VEB Eisenach (Wartburg)
4.3.3 Innovationsvorhaben im Bereich Motor
4.4 Der Automobilvertrieb in der DDR
4.5 Die Ersatzteilversorgung

5 Ursachenforschung
5.1 Arbeitsmarkt
5.2 Planerfüllung als Hindernis
5.3 Einfluss von Partei und Staat in den VEB
5.4 Fehlender Wettbewerb
5.5 Management-Fehler der Politik

6 Zusammenfassung, Beantwortung der Fragen, Überprüfung der Hypothesen

1 Plan-Pleite oder Miss-Management? – Einleitung

Fünfzehn Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung werden von den einstmals in der DDR gebauten Automobilen weder der Trabant noch der Wartburg weiterhin produziert. Mit dem Fall der Mauer kam für die im Volksmund mehr oder weniger liebevoll „Plastebomber“ genannten Fahrzeuge und für die Volkseigenen Betriebe (VEB) Sachsenring in Eisenach (Trabant) und Zwickau (Wartburg) das Ende.

Wohl kaum ein politisches System dürfte im Ausland je so sehr mit den automobilen Artefakten seiner Wirtschaft identifiziert, ja mitunter auf diese reduziert worden sein, wie die DDR dies mit dem Trabant (und auch hier zeigt sich wiederum eine Reduktion, da es sich beim im Volksmund gemeinten „Trabi“ wohl ausschließlich um den Trabant P 601 handeln dürfte, allein aufgrund der ab 1964 kaum veränderten Optik), natürlich aber auch mit dem Wartburg wurde (vgl. Bauer 1999: 15). Beide sind heute (wenn auch selten noch) rollende Beweise für die Rückständigkeit eines ganzen Wirtschaftssystems. Die Industrie der DDR ist zu einem Synonym für die real nicht funktionierende Plan- und Zentralverwaltungswirtschaft des sozialistischen Regimes geworden. Viele Vorgänge aus der Wirtschaft der DDR erscheinen heute geradezu kurios, denkt man z.B. an Warteschlangen für Konsumgüter oder den täglichen Bedarf (siehe Saretzki u.a. 1992: 139 ff.) oder in Bezug auf das Automobil an die horrend langen Wartezeiten bis zur Auslieferung.

Welche Determinanten aber waren letztlich verantwortlich für die verglichen mit marktwirtschaftlichen Systemen rückständige Entwicklung der DDR- Wirtschaft und insbesondere der DDR-Automobilindustrie? Hierfür kommt eine ganze Reihe von Gründen in Frage (vgl. etwa Wagener 1996: 21 ff.). Im Wesentlichen werden in der Literatur aber immer wieder die folgenden angeführt:Erstensdie umfangreichen Demontagen während der Zeit der Sowjetischen Besatzungszone und darüber hinaus, die Industrie und Verkehrsinfrastruktur betrafen, verbunden mit Entnahmen aus der laufenden Produktion, die den Kapitalbestand verminderten (vgl. Knortz 2004: 15 f.), sowie die hohen Reparationsleistungen. Zweitensdie Idee des innovationstheoretischen Ansatzes (Bauer 1999: 126): Demnach kennzeichnen Zentralverwaltungswirtschaften grundsätzlich fehlende Innovationsanreize, da die Innovationen Eingriffe in die erstellten Pläne und somit Unsicherheit für die staatlichen Lenker darstellen. Eindritter, personalistischer Ansatz (Bauer 1999: 129) sieht eher die politischen Lenker als schlechte Manager: Demnach war die DDR-Führung schuld am Ausbleiben der Innovationen, da sie den Bedarf an Investitionen nicht erkannt hat.

Die vorliegende Arbeit versucht die Gründe für die Rückständigkeit der DDR-Wirtschaft aufzuzeigen und zu vergleichen. Dies geschieht am Beispiel der Entwicklung der DDR-Automobilindustrie (ohne die Nutzfahrzeugindustrie) von Kriegsende bis zur deutschen Wiedervereinigung. Die nachstehenden Arbeitshypothesen sollen Leitfaden für die weitere Untersuchung sein:

1) Die Rahmenbedingungen für einen wirtschaftlichen Wiederaufbau der SBZ/DDR infolge von Demontagen und Reparationsleistungen waren ungünstig. Sie alleine können die Rückständigkeit bis einschließlich 1989 aber nicht erklären.
2) Für das Scheitern der DDR-Wirtschaft war weniger die generelle Ausrichtung als Planwirtschaft, denn mehr eklatante Managementfehler der politischen Führung verantwortlich, die sich v.a. in der marxistisch-leninistischen Ideologie begründeten. Dies äußerte sich schon im Umstand, dass der individuellen Massenmotorisierung keine große Bedeutung beigemessen wurde. Daraus resultierten wiederum die wiederholt auftretenden Abbrüche von Innovationsvorhaben in später Phase trotz hoher verausgabter Investitionssummen.
3) Das Management der Automobilindustrie in der DDR war erheblichen Restriktionen seitens der politischen Führung unterworfen. Die Ausge-staltung des Wirtschaftssystems als zentralistische Planwirtschaft behinderte die Entwicklung von wichtigen Innovationsvorhaben. Zudem hatten die Automobil-produzierenden Betriebe erhebliche Probleme bei der Versorgung mit wichtigen Rohstoffen, beim Einkauf von Technologien und nicht zuletzt damit, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden.

Es werden im Folgenden daher zunächst die kriegs- bzw. nachkriegsbedingten Ursachen für die Schwäche der ostdeutschen Automobilindustrie erörtert, danach die systemimmanenten Ursachen der zentralistischen Planwirtschaft.

2 Rahmenbedingung: Die allgemeine Situation in der SBZ/DDR nach Kriegsende

In diesem Abschnitt werden die folgenden Fragen gestellt: Welche Ausgangsbasis für die Automobilproduktion fand sich in der DDR nach dem Krieg? Wie verliefen Produktion und Absatz der Fahrzeuge in der SBZ? Die Beantwortung dieser Fragen soll Aufschluss darüber geben, ob die weitere Entwicklung der DDR-Wirtschaft und insbesondere der Automobilproduktion dadurch bereits vorgezeichnet war.

2.1 Vorkriegszeit, Zerstörung, Demontagen und Teilung Deutschlands

Zum Verständnis der wirtschaftlichen Gesamtsituation der SBZ/DDR ist es sinnvoll, zunächst einen kurzen Blick auf die dortige Industriestruktur zu werfen. Im Vergleich mit dem früheren Reichsdurchschnitt und im Vergleich mit dem Durchschnitt der drei Westzonen war das Gebiet der DDR überproportional stark industrialisiert (Bauer 1999: 47). Die sowjetische Besatzungsmacht wollte das nach den Kriegszerstörungen noch vorhandene Potenzial ihrer Zone entsprechend weitestmöglich für den eigenen Wiederaufbau einsetzen. Das geschah hauptsächlich auf den folgenden Wegen:

1) Entnahme aus der laufenden Produktion (offene und getarnte Reparationen, Versorgung der Besatzungstruppen), mit denen ein erheblicher Teil des Sozialprodukts in die Sowjetunion abfloss,
2) Demontagen am maschinellen Produktionsapparat der Industrie sowie an den Verkehrsanlagen (teilweise erfolgte ein Abbau von 100 % der maschinellen Kapazität),
3) Überführung eines wesentlichen Teils der größten und wichtigsten Industriebetriebe in unmittelbares sowjetisches Eigentum in der Rechtsform von Sowjetischen Aktiengesellschaften (SAG),
4) Beanspruchung eines Teiles der in der SBZ vorhandenen Arbeitskräfte für unmittelbare sowjetische Zwecke (siehe Thalheim, 1988: 11).

Durch die Kriegsschäden hatte die DDR bereits ca. 50 % ihrer industriellen Kapazitäten eingebüßt (Schneider 1980: 16). Die jährliche Belastung an Reparationen betrug in der SBZ/DDR bis 1950 noch einmal zwischen 30 und 35 % der Jahresproduktion (Schwarzer 1999: 22). Von den Kraftfahrzeugbetrieben, die nur teilweise zerstört waren, traf das Los der Demontage alle bis auf BMW und: „Demontage hieß: Abbau bis zum letzten Lichtschalter, auch wenn die aus ihren Bettungen gerissenen Geräte und Maschinen anschließend unbrauchbar waren.“ (Kirchberg 1990: 170).

Vom Krieg ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen war das Straßennetz. (Pesch 1992: 215). Da ein gut ausgebautes Verkehrswesen einer der wichtigsten Bestandteile der Infrastruktur einer Volkswirtschaft ist, bedeutete zudem die Teilung Deutschlands für die SBZ erhebliche Nachteile. Die wichtigsten Verkehrswege gingen zuvor vor allem in Ost-West-Richtung, während in den beiden Staaten des geteilten Deutschland die Süd-Nord Richtung erheblich an Bedeutung gewann (Thalheim 1988: 97). Besonders hart betroffen von der Nachkriegssituation war auch der Eisenbahnverkehr: Erhebliche Teile des Schienennetzes – fast alle zweiten Gleise – wurden von der sowjetischen Besatzungsmacht demontiert. Somit waren alle Strecken nur noch jeweils in eine Richtung befahrbar. (Thalheim 1988: 97). Die Besatzungszone wurde geradezu geplündert. Für die spätere Versorgung mit Rohstoffen und den Abtransport von Fertiggütern war dies ein entscheidender Nachteil und somit maßgeblich für die schleppende Entwicklung der Wirtschaft: Selbst wenn Rohstoffe vorhanden waren, konnten sie den verarbeitenden Betrieben häufig nicht zugeführt werden. Umgekehrt konnten Fertigprodukte häufig nicht abtransportiert werden, was wiederum weit über die Zeit der Besatzung hinaus zu einer Drosselung der Produktion führte (Bauer 1999: 48).

Ein weiterer entscheidender Faktor waren die früh einsetzenden Enteignungen in der SBZ. Auf der Grundlage des im Juni 1946 in Sachsen veranstalteten Volksentscheids über die Überführung der Betriebe von Kriegs- und Naziverbrechern in so genanntes Volkseigentum wurden in Sachsen in großzügiger Auslegung des Gesetzes über 1700 Betriebe vollständig und über 100 Betriebe entschädigungslos enteignet. Kurz danach nahm man das sächsische Plebiszit zur Rechtfertigung, um in der ganzen SBZ bis 1947 insgesamt 9281 Betriebe ebenfalls entschädigungslos zu enteignen. (Schneider, 1980: 20 f.)

Erst im Jahre 1953 fand das Reparationsregime in der DDR sein offizielles Ende (Thalheim, 1988: 11)

2.2 Automobilproduktion nach Kriegsende

Für die Nachkriegssituation im Automobilbau sind zwei Aspekte entscheidend: Erstens die Produktion von Pkw im Wesentlichen als Reparationsleistung und die sich bereits abzeichnende Unterversorgung der Automobilindustrie aufgrund der wirtschaftlichen Teilung Deutschlands. Beide Aspekte werden im Folgenden erörtert.

2.2.1 Produktionsbeginn

Im Juni 1945 nahm die ‚Sowjetische Militäradministration in Deutschland’ (SMAD) ihre Arbeit auf. Sie konnte dabei zunächst auf während des Krieges erlassene Bewirtschaftungsvorschriften zurückgreifen. Im gleichen Jahr gab die SMAD erste Produktionsbefehle heraus. Die aus den zentralen Verwaltungen hervorgegangene Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) erließ 1948 den ersten Halbjahresplan für den Zeitraum von Juli bis Dezember (Bauer 1999: 48).

Bereits 1946 waren alle Kraftfahrzeugunternehmen enteignet, in Volkseigene Betriebe (VEB) verwandelt und der Industrieverwaltung Fahrzeugbau (IFA) unterstellt worden. Damit verloren sie ihre Rechtsfähigkeit, die für alle zunächst durch die Industrieverwaltung, später durch die Vereinigung der Volkseigenen Betriebe (VVB) Automobilbau wahrgenommen wurde (Kirchberg 1990: 171).

Bei der Pkw-Produktionsaufnahme waren nach Ende des zweiten Weltkriegs die meisten europäischen und alle deutschen Automobilproduzenten gezwungen, zunächst auf bewährte Vorkriegsmodelle zurück zu greifen. Für die SBZ bedeutete dies: In Eisenach wurde zunächst der vor dem Krieg produzierte BMW 320 als BMW 321 unverändert weiter gebaut, in Zwickau wurde der DKW-F 8 montiert (Bauer 1999: 54; 56). Sie dienten vorrangig als Reparationsleistungen und der Versorgung der staatlichen Stellen und der Militäradministration mit Fahrzeugen. Eine Versorgung der Bevölkerung mit den produzierten Pkw war in der SBZ noch nicht vorgesehen. Erst nach der Gründung der DDR 1949 wurden Pkw an Privatpersonen abgegeben (Kirchberg 2000: 303).

Später galt als wichtigstes Ziel des Fahrzeugbaus die Fertigung und Bereitstellung von Fahrzeugen für die übrige Industrie, die aufgrund der ihr gelieferten Fahrzeuge ihre Pläne erfüllen konnte (vgl. Kirchberg 2000: 136).

2.2.2 Zuliefersituation

Die Automobilproduktion in der SBZ/DDR wurde schon bald durch die mangelhafte Zuliefersituation belastet: Infolge der dortigen Industriestruktur war die schwerwiegendste und langfristigste Folge des Krieges die nach Kriegsende einsetzende wirtschaftliche Teilung Deutschlands – etliche wichtige Zulieferer wie z.B. Bosch oder Sachs saßen im Westen. Im Laufe des Jahres 1946 ergaben sich auch für die Automobil-produzierenden Betriebe bereits erhebliche Probleme aus der unzureichenden Belieferung u.a. mit Kohle und Rohstoffen in der SBZ. Sie zwang die Produktionsleitungen immer wieder zu Unterbrechungen der Montage. Die Disproportionen zwischen Zuliefererbetrieben und Endfertigungswerken des Automobilbaus konnten nach 1950 zwar erheblich verringert, jedoch nicht gänzlich beseitigt werden. Gravierende Engpässe traten bei Autoglas, Kolben, Getriebeteilen, Gelenkwellen, Bremsen, Gummiformteilen, Lacken und Farben und bei der Fahrzeugelektrik auf (Bauer 1999: 81). Die Vernachlässigung des Transportwesens infolge der Demontage des Eisenbahnnetzes spielte hier noch eine untergeordnete Rolle (Bauer 1999: 48).

Weitere Determinanten der schleppenden wirtschaftlichen Entwicklung waren der rasche Beginn des Kalten Krieges, das Scheitern des alliierten Kontrollrates, vor allem aber die Nichtverwirklichung des einheitlichen deutschen Wirtschaftsgebietes.

[...]

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
Experiment Planwirtschaft: Die Wirtschaftspolitik der DDR am Beispiel der Automobilindustrie 1949-1989
Université
Johannes Gutenberg University Mainz
Note
1,0
Auteur
Année
2005
Pages
29
N° de catalogue
V51950
ISBN (ebook)
9783638477789
ISBN (Livre)
9783656771999
Taille d'un fichier
544 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Arbeit untersucht die Gründe für die Rückständigkeit der DDR-Wirtschaft und vergleicht diese miteinander. Dies geschieht am Beispiel der Entwicklung der DDR-Automobilindustrie von Kriegsende bis zur deutschen Wiedervereinigung.
Mots clés
Experiment, Planwirtschaft, Wirtschaftspolitik, Beispiel, Automobilindustrie
Citation du texte
Stefan Rupp (Auteur), 2005, Experiment Planwirtschaft: Die Wirtschaftspolitik der DDR am Beispiel der Automobilindustrie 1949-1989, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51950

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