Die surprise ending short story - Struktur und Komposition


Mémoire de Maîtrise, 2006

97 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I Einleitung

II Theoretische Grundlagen Teil 1: short story -Typologisierungen und short story -Theorien
II.1 Mögliche Typologisierungen von short stories – Einordnung der surprise ending short story
II.2 Die grundlegenden Theorien von E.A. Poe und Brander Matthews im Hinblick auf die Struktur der surprise ending short story
II.2.1 "Short" story
II.2.2 "Preconceived Effect"
II.2.3 "Unity of Impression"
II.3 Die Blütezeit der kommerziellen short story: Schreibanweisungen in Zeitschriften und Handbüchern
II.3.1 Wirtschaftliche sowie kulturwissenschaftliche Auslöser und Definition der kommerziellen short story
II.3.2 Die Medien der kommerziellen short story: Magazine und Zeitschriften
II.3.3 Handbooks und College courses

III Theoretische Grundlagen Teil 2: Das surprise ending
III.1 Struktur und Komposition einer traditionellen short story
III.2 Struktur und Komposition der surprise ending short story – Der Weg zur Pointe über die Erwartungen des Lesers
III.2.1 Interaktion: Exposition – Denouement
III.2.2 Spannungsentwicklung
III.2.3 Klimax, Pointierung und Komik – die Technik des surprise ending
III.3 Typen des surprise ending
III.4 Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen

IV Das surprise ending – eine Untersuchung der Struktur in ausgewählten angloamerikanischen short stories
IV.1 O. Henry (William Sidney Porter, 1862-1910)
IV.1.1 "A Lickpenny Lover" (1904)
IV.1.2 "The Gift of the Magi" (1905)
IV.2 Saki (Hector Hugh Munro, 1870-1916): "The Reticence of Lady Anne"
IV.3 Evelyn Waugh (1903-1966): "Mr. Loveday’s little Outing"
IV.4 Daphne du Maurier (1907-1989): "The Old Man"
IV.5 Roald Dahl (1916-1990)
IV.5.1 "Lamb to the Slaughter" (1953)
IV.5.2 "The Way Up to Heaven" (1954)

V Zusammenfassung

VI Anlagen

VII Bibliographie

I Einleitung

Das Phänomen des surprise ending ist weder auf Mündlichkeit noch Schriftlichkeit beschränkt. Diese Form des geistreichen finalen Gedankenumschwungs, die auch als Pointe bezeichnet wird, wusste schon Cicero in seinen Reden zu verwenden.[1] Auch heute begegnet uns das surprise ending in verschiedenen Bereichen, seit einigen Jahren hat sogar die amerikanische Kinofilmindustrie den überraschenden und gleichsam paradoxen Filmschluss wieder entdeckt.[2] In der Literatur finden wir die Pointierung vor allem in kurzen epischen Werken, wie dem Epigramm, der Anekdote, dem Aphorismus und dem Witz.

Im Zentrum dieser Magisterarbeit steht die pointierte short story – ein in literaturwissenschaftlichen Abhandlungen bisher nur wenig betrachteter Typus der kurzen Prosaerzählung. Eine weitreichend gültige Bezeichnung für diese Gattung hat sich in der Literaturwissenschaft noch nicht festgesetzt, zu viele Möglichkeiten der Benennung existieren parallel: Twisting tail tale, anekdotische short story, twisted tale, punch-line short story – all diese Betitelungen sprechen von der gleichen kurzprosaischen Gattung, und doch setzt sich meines Erachtens in der wenigen Literatur über diesen Zweig deutlich der Begriff surprise ending short story[3] durch.

Sieht man von den zahlreichen literaturwissenschaftlichen Schriften über die humoristische Pointe im Allgemeinen ab, fand die surprise ending short story an sich bislang nur wenig Beachtung.[4] Allein die Werke des amerikanischen Autors O. Henry sind, besonders zu Anfang des 20. Jahrhunderts, hinsichtlich ihrer Struktur näher untersucht worden, aktuelle Betrachtungen zu dieser speziellen Gattung gibt es jedoch kaum. Unter den wenigen neueren Werken sind besonders Peter Wenzels[5] und Ralph Müllers[6] Abhandlungen hervorzuheben. Das Vorurteil des bloßen kommerziellen Entertainments wiegt offensichtlich zu stark; für künstlerisch ambitionierte Kritiker bleibt unterhaltende Literatur scheinbar stets mit dem Klischee des Trivialen verbunden und ist daher weniger interessant für die nähere Untersuchung.

Hinzu kommt, dass die surprise ending short story zumeist über eine einfache Plot-orientierte Struktur verfügt, welche das Image der Trivialität noch verstärkt. Diese Voreingenommenheiten sind, meines Erachtens, der Grund für die wenig ausgeprägte literaturwissenschaftliche Bearbeitung dieses short story -Typus. Diese Arbeit will daher auch nebenbei Augenmerk auf den bedeutenden Unterhaltungswert der pointierten short story werfen, und beabsichtigt literarisches Entertainment nicht nur als anspruchslose, Kommerz-orientierte Kunst darzustellen, um auf diesem Wege das der surprise ending short story – nach meiner Ansicht zu Unrecht – anhaftende Image der Trivialität zu rehabilitieren.

Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit soll jedoch auf der Untersuchung der Struktur dieser pointierten Kurzgeschichten, der Komposition von Pointen und deren Effekt auf den Leser liegen. Gegenstand und Ziel wird es sein, die strukturellen Besonderheiten dieses short story -Typus sowie die kompositorischen Mittel zur effektvollen Pointierung und Spannungssteigerung vorzustellen – sowohl aus der Sicht des Autors als auch des Rezipienten.

Die theoretische Grundlage dieser Arbeit bilden mehrere Ansätze. Zum einen soll die hier im Mittelpunkt stehende Gattung in ein größeres Geflecht von Kurzprosa- und short story -Typen eingeordnet werden, sowie ihre Herkunft und dominierenden Merkmale mit Hilfe von Edgar Allan Poes und Brander Matthews Gattungspoetiken vorgestellt werden. Zum anderen wird der allgemeine Bau einer short story präsentiert, um letztlich zur eigentlichen Struktur und Kompositionsweise der speziellen surprise ending short story zu gelangen. Die wesentlichen strukturellen Eckpunkte werden dabei die Gestaltung der Exposition, des Spannungsbogens und des finalen Überraschungseffektes sein.

Im zweiten, praktischen Teil dieser Arbeit liegen verschiedene short stories als Beispiele vor, anhand welcher die in der Theorie aufgeführten strukturellen Merkmale und kompositorischen Mittel nachgewiesen werden sollen. Auch die stilistischen Besonderheiten der jeweiligen Autoren bezüglich des Kreierens eines surprise ending werden involviert.

Es handelt sich bei den Texten um eine Auswahl an angloamerikanischen surprise ending short stories aus unterschiedlichen Dekaden zwischen Ende des 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts. Schon Edgar Allan Poe gab mit "The Murders in the Rue Morgue" (1841) und "The Cask of Amontillado" (1846) Beispiele für derartige auf den Schlusseffekt hin zielende short stories. Diesem Handlungsmuster verschrieben sich fortan viele der nachfolgenden Autoren, denn das Leseinteresse an dieser besonders spannungsintensiven Gattung stieg. Das führte sogar dazu, dass um den Jahrhundertwechsel die Erkenntnis 'ein guter Plot plus eine pointierte Schlusssequenz' gar als Erfolgsgarant galt. Es folgte die Kommerzialisierung des short story-Schreibens, welche vor allem in Amerika stark geprägt wurde. Autoren, z.B. O. Henry, wurden zu "Brotschriftstellern". Aufgrund der starken Veränderungskraft sollen mehrere Beispiele von surprise ending short stories aus dieser Periode des massiven Kommerzstrebens in dieser Arbeit analysiert werden.

Nach der großen Blütezeit des Kommerzes veränderten sich die Ansichten und Ansprüche hinsichtlich der Prosa im Allgemeinen. Die moderne und eher impressionistisch gestaltete plotless short story dominierte von nun an, und doch verschwand die traditionelle handlungsorientierte Erzählung nie völlig, obgleich die Zeit des "O. Henryism"[7], das heißt der kommerzialisierten short story, seit den 20er und 30er Jahren zunehmend verblasste.

Einige Autoren in der Zeit zwischen den Weltkriegen hielten zwar an der althergebrachten plot story fest, nur wenige jedoch auch an der Konstruktion hin auf eine Pointe. Graham Greenes "The Basement Room" (1935) und Somerset Maughams "The Verger" (1929) sind durchaus Beispiele für Kurzprosa mit einem surprise ending, jedoch sind sie vollkommen untypisch für beide Autoren, wenn man ihr Gesamtwerk an short fiction betrachtet. Auch Evelyn Waugh, dessen Werk "Mr. Loveday’s little outing" hier als Exampel dieser Autoren der 30er und 40er Jahre zur Betrachtung stehen soll, veröffentliche nur diese eine surprise ending short story. Sein Ruhm begründet sich eher auf seine Tätigkeit als Verfasser von Romanen.

Daphne du Maurier dagegen ist als Romanautorin und als Verfasserin von Kurzgeschichten geachtet. Ihre hier zur Analyse stehende short story"The Old Man" weist beispielhaft das womöglich meist genutzte Grundmuster des surprise ending bzw. einer Schlusspointe auf: nämlich das durch den Erzähler (un-)bewusste Vorenthalten wichtiger Informationen bis hin zum finalen "Punch", welcher die für das Verständnis fehlende Informationen erst freigibt. Dieser und andere surprise ending -Typen werden im Verlauf der Arbeit noch näher erläutert.

Erst ab den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, durch einen erneuten Aufschwung der Magazinkultur, erlebte die surprise ending short story ihre zweite Blütezeit.[8] In erster Linie trägt ein Name besondere Mitschuld an dieser neu entfachten Begeisterung: Roald Dahl. Seine drei berühmten Short Story-Sammlungen "Someone like you" (1953) , "Kiss Kiss" (1960) und "Switch Bitch" (1975) – mit ausschließlich humorvollen, satirischen und zugleich auch makaberen kurzen Werken – trugen zum Entstehen einer neuen "Fangemeinde" der surprise ending short story bei. Verglichen seine Kritiker ihn seinerzeit noch mit O. Henry[9], so wird in heutigen Kritiken über Autoren dieser Gattung auf Dahl selbst rückverwiesen. Aus seinem Oeuvre sind daher ebenfalls verschiedene Kurzgeschichten zur Untersuchung ausgesucht worden.

Anhand dieser Auswahl soll im Laufe der Strukturanalyse geklärt werden, welche ähnlichen strukturellen bzw. kompositorischen Merkmale surprise ending short stories im Allgemeinen besitzen. Es wird der Frage nachgegangen, ob sich ein universales Muster finden lässt, das den Leser letztlich "packen" kann. Mit welchen strukturellen Mitteln lässt sich diese Spannung für den Leser bis zum finalen "Überraschungsschlag" steigern? Interessant wird ebenso die Betrachtung des Überraschungseffektes selbst sein, da dieser zweifellos verantwortlich zu sein scheint für des Lesers Interesse an der surprise ending short story. Doch wirft sich zugleich die Frage auf, ob dieser wirkungsvolle Schlusspunkt nicht etwa nur ein kurz andauerndes Strohfeuer ist, welches aufgrund seines aufdeckenden Charakters ein nochmaliges Lesevergnügen unmöglich macht?

[...]


[1] Vgl. Müller, 2003(b), S. 14.

[2] Zu finden u.a in folgenden Werken: "The Sixth Sense" (1996), "Identity" (2000), "The Village" (2004). In den 50er und 60er Jahren fielen diesbezüglich vor allem die mit makaberen surprise endings ausgestatten Werke Alfred Hitchcocks auf, der u.a. short stories von Daphne du Maurier und Roald Dahl verfilmte.

[3] Jedoch ist der Term surprise ending short story im literaturwissenschaftlichen Bereich bislang auch kein anerkannter Begriff.

[4] Vgl. Wenzel, 1989, S. 10.

[5] Wenzel, P. Von der Struktur des Witzes zum Witz der Struktur – Untersuchungen zur Pointierung in Witz und Kurzgeschichte. 1989.

[6] Müller, R. The Pointe in German Research und Theorie der Pointe. Beide 2003.

[7] Den Begriff prägte der Literaturkritiker N. Bryllion Fagin. Vgl. dazu Fagin, 1923, S. 75-77.

[8] Vgl. Wilson, 1998, S. 129.

[9] Vgl. Time Magazine, 1953, S. 51.

Fin de l'extrait de 97 pages

Résumé des informations

Titre
Die surprise ending short story - Struktur und Komposition
Université
Dresden Technical University  (Institut für Anglistik/Amerikanistik)
Note
1,7
Auteur
Année
2006
Pages
97
N° de catalogue
V51971
ISBN (ebook)
9783638477987
ISBN (Livre)
9783656775515
Taille d'un fichier
1090 KB
Langue
allemand
Annotations
Im Zentrum dieser Magisterarbeit steht die pointierte Kurzprosa. Neben theoretischen Grundlagen (u.a. zur Gattung 'short story' und zur Pointe) bietet die vorliegende Arbeit außerdem eine Analyse mehrerer angloamerikanischer Kurzgeschichten hinsichtlich ihres Spannungsaufbaus und der Pointenart. Die untersuchten short stories stammen von O. Henry, Saki, Evelyn Waugh, Daphne du Maurier und Roald Dahl.
Mots clés
Struktur, Komposition
Citation du texte
Adeline Pissang (Auteur), 2006, Die surprise ending short story - Struktur und Komposition, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51971

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