Ratingagenturen und die Optimierung von Ratingprozessen. Welchen Herausforderungen sehen sich Standard & Poor's und Co. derzeit gegenüber?


Fachbuch, 2020

136 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Thematische Grundlagen
2.1 Begriffserläuterung
2.2 Zeitliche Entwicklung des Ratinggeschäfts
2.3 Differenzierung unterschiedliche Ratingarten
2.4 Unterschiedliche Ratingsymbolik
2.5 Funktionen von Ratings und Ratingagenturen
2.6 Der Ratingprozess bei S&P am Praxisbeispiel der REWE Group

3 Konzeptioneller Rahmen
3.1 Grundzüge der Principal-Agent-Theorie
3.2 Herleitung der Forschungsfrage

4 Methodik
4.1 Literaturanalyse als Forschungsansatz
4.2 Konzeption der Analyse

5 Ergebnisse
5.1 Problemfelder
5.2 Reformvorschläge
5.3 Kritische Würdigung

6 Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

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Impressum:

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Zusammenfassung

Ratingagenturen haben sich trotz ihrer noch relativ jungen Historie schnell zu einer der wichtigsten und einflussreichsten Akteure auf dem globalen Finanzmarkt entwickelt.1 Ihre Hauptaufgabe besteht in der Reduzierung von Informationsasymmetrien zwischen Unternehmen (Emittenten) und den Investoren. Dies geschieht mittels einer Einschätzung über die zukünftige Zahlungs- und Ertragsfähigkeit der jeweiligen Unternehmen.2 Doch aufgrund diverser Fehlleistungen und fragwürdiger Entscheidungen wurden tiefgründige Probleme der Bewertungspraktiken offenbart. Spätestens seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007/08 stehen Ratingagenturen weltweit massiv im Fokus öffentlicher Kritik.

Abgeleitet aus der an Ratingagenturen geäußerten Kritik ist das Ziel der vorliegenden Arbeit die Untersuchung der in der wissenschaftlichen Literatur geführten Diskussion über die Problemfelder von Ratingagenturen (Forschungsfrage 1) sowie sich daraus ergebenden möglichen Reformvorschläge zur Reduzierung dieser Schwächen (Forschungsfrage 2).

Zur Beantwortung der Forschungsfragen ist eine systematische Literaturanalyse durchgeführt worden, bei der Artikel aus wissenschaftlichen Zeitschriften, Beiträge aus Sammelwerken, Dissertationen und Arbeitspapiere verwendet wurden. Die Ergebnisse der durchgeführten Literaturanalyse zeigen zum einen, dass eine Vielzahl an unterschiedlichsten Problemfeldern bei Ratingagenturen existieren. Diese reichen von Fehlleistungen über generelle Kritik am Geschäftsmodell und dem Personal bis hin zur aktuellen oligopolistischen Marktstruktur und dem damit verbundenen Machtgefüge. Zum anderen werden diverse Reformvorschläge diskutiert, die zur Reduzierung der Schwächen von Ratingagenturen beitragen sollen. Im Fokus stehen hier insbesondere Reformvorschläge zur Reduzierung des Einflusses und der Macht von Ratingagenturen (bspw. durch eine Wettbewerbsintensivierung oder die Einführung von Marktalternativen zu klassischen Ratingagenturen) sowie Forderungen nach alternativen Bezahlsystemen (z. B. Anreizbezahlung oder Investor-Pays-Modell). Auch die Einführung von Haftungsmechanismen stellt eine konkrete Reformforderung dar.

Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass die bisher in der Literatur diskutierten Reformvorschläge noch nicht zur Überwindung aller Problemfelder von Ratingagenturen geeignet sind und sich auch noch nicht in der Praxis etabliert haben. Weiterführende Forschung könnte sich mit weiteren Reformvorschlägen zur Überwindung der Problemfelder von Ratingagenturen beschäftigen.

Abstract

Despite their relatively young history, rating agencies have quickly developed into one of the most important and influential players on the global financial market.3 Their main purpose is to reduce information asymmetries between companies (issuers) and investors. This is done by estimating the future solvency and profitability of the respective companies.4 However, due to various mistakes and questionable decisions, fundamental problems of valuation practices have been revealed. Since the outbreak of the global financial crisis in 2007/08 at the latest, rating agencies around the world have been the focus of massive public criticism.

Derived from the criticism expressed to rating agencies, the aim of this paper is to examine the discussion in academic literature about the problem areas of rating agencies (research question 1) and the resulting possible reform proposals to reduce these weaknesses (research question 2).

To answer these research questions, a systematic literature analysis has been carried out, using articles from academic journals, contributions from compilations, dissertations and working papers. On the one hand, the results of the literature analysis show that rating agencies have a large number of different problem areas. These range from failures to general criticism about the business model and the employees to the current oligopolistic market structure and the associated power structure. On the other hand, various reform proposals are being discussed that should contribute to reducing the weaknesses of rating agencies. The focus here is in particular on reform proposals to reduce the influence and power of rating agencies (e.g. by intensifying competition or introducing market alternatives to traditional rating agencies) as well as demands for alternative payment systems (e.g. incentive payment or investor-pays model). The introduction of liability mechanisms also represents a concrete demand for reform.

The results of this study show that the reform proposals discussed so far in literature are not yet suitable for overcoming all the problem areas of rating agencies and have not yet become established in practice. Further research could deal with additional reform proposals for overcoming the problem areas of rating agencies.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aufbau und Vorgehensweise der Arbeit

Abbildung 2: Marktanteile im Ratinggeschäft

Abbildung 3: Typischer Ablauf eines Ratingprozesses

Abbildung 4: S&P Ratingkriterien zur Bewertung von Unternehmen

Abbildung 5: Rating-Herleitung der REWE Group

Abbildung 6: Ablauf einer systematischen Literaturanalyse

Abbildung 7: Schneeballsystem im Rahmen der Literatursuche

Abbildung 8: Zusammensetzung der identifizierten Literatur

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Verschiedene Rating-Definitionen in der Literatur

Tabelle 2: Aktuelle NRSROs

Tabelle 3: Wesentliche Merkmale von S&P, Moody’s und Fitch Ratings

Tabelle 4: Internes vs. externes Rating

Tabelle 5: Ratingagenturen und Ratingskalen

Tabelle 6: Abhängigkeit von Rating und Eigenkapitalhinterlegung

Tabelle 7: REWE Group – S&P Überleitungsrechnung

Abkürzungsverzeichnis

ABLJ American Business Law Journal (Fachzeitschrift)

ACCR The Accounting Review (Fachzeitschrift)

AER American Economic Review (Fachzeitschrift)

AP Arbeitspapier

APV Adjusted Present Value

BFuP Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Fachzeitschrift)

BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

CRA Credit Reporting Agencies

CRARA Credit Rating Agency Reform Act

DBRS Dominion Bond Rating Services

DCF Discounted Cash Flow

DIRK Deutscher Investor Relations Kreis e. V.

Diss. Dissertation

DNB Deutsche Nationalbibliothek

e. V. eingetragener Verein

EBITDA Earnings before Interests, Taxes, Depreciation and Amortisation

ECFR European Company and Financial Law Review (Fachzeitschrift)

ESMA European Securities and Markets Authority

EUR Euro

FFO Funds From Operations

FRP Finanzrisikoprofil

GRP Geschäftsrisikoprofil

GuV Gewinn- und Verlustrechnung

IAS International Accounting Standards

IASB International Accounting Standard Board

ICR Issuer Credit Rating

IDW Institut der Wirtschaftsprüfer

IFRS International Financial Reporting Standards

IOSCO International Organization of Securities Commissions

J Journal

JAAF Journal of Accounting, Auditing & Finance (Fachzeitschrift)

JCL The Journal of Corporation Law (Fachzeitschrift)

JEI Journal of Economic Issues (Fachzeitschrift)

JEP Journal of Economic Perspectives (Fachzeitschrift)

JFE Journal of Financial Economics (Fachzeitschrift)

JFQA Journal of Financial and Quantitative Analysis (Fachzeitschrift)

JZ JuristenZeitung (Fachzeitschrift)

LLC Limited Liability Company

Mio. Millionen

Mrd. Milliarden

ND Net Debt

NRSRO Nationally Recognized Statistical Rating Organizations

S Sammelwerk

S.A. de C.V. Sociedad Anonima de Capital Variable

S&P Standard & Poor’s

SACP Stand-Alone Credit Profile

SEC Securities and Exchange Comissions

sec. Section

SJR SCImago Journal Rank

Tab. Tabelle

USD US-Dollar

VHB Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft

WACC Weighted Average Cost of Capital

WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Fachzeitschrift)

ZfP Zeitschrift für Politik (Fachzeitschrift)

ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik (Fachzeitschrift)

1 Einleitung

„Banking is necessary, banks are not“, sagte Bill Gates vor etwa 25 Jahren und zielte damit auf die Dynamik der internationalen Finanzmärkte und die Notwendigkeit für Veränderungen ab. Heutzutage scheint diese viel zitierte Aussage nicht nur für den Bankensektor zu gelten, sondern auch für andere Branchen des Finanzsektors.5

Insbesondere die Ratingbranche zeigt gegenwärtig ein ähnliches Bild, wie es Bill Gates vor 25 Jahren von der Bankenbranche hatte. Ratingagenturen haben sich trotz ihrer noch relativ jungen Historie zu einer der wichtigsten und einflussreichsten Säulen im Finanzmarkt entwickelt. Im Jahre 1909 erstellte John Moody die ersten Ratings von Anleihen amerikanischer Eisenbahngesellschaften nach einer eigens entwickelten Methodik und verkaufte diese an interessierte Investoren.6 Seitdem hat sich die Ratingbranche zu einem Multi-Milliarden-Dollar-Markt entwickelt. In diesem sind die drei großen Ratingagenturen Standard & Poor’s (S&P), Moddy’s und Fitch Ratings nicht mehr wegzudenken und zählen mittlerweile zu den einflussreichsten Akteuren auf den internationalen Finanzmärkten.

Die Hauptaufgabe der Ratingagenturen ist die Reduzierung von Informationsasymmetrien zwischen Unternehmen (Emittenten) und Investoren7. Dies soll durch die Bereitstellung einer vergleichbaren Beurteilung über die zukünftige Zahlungs- und Ertragsfähigkeit des Unternehmens geschehen. Die Ergebnisse dieser Beurteilung werden in Form von Ratingnoten (Kombination aus Buchstaben, Symbolen und/oder Zahlen) veröffentlicht und sollen dadurch den Finanzmarktakteuren Orientierung bieten. Viele Investoren begründen ihre Investitionsentscheidungen im Wesentlichen anhand der Bewertung der Ratingagenturen. Dementsprechend stellen Ratings für Unternehmen sowie Investoren eine zentrale Determinante der Finanzierungsmöglichkeiten und -kosten dar.8

In der jüngeren Vergangenheit haben die angesehenen Ratingagenturen durch diverse Fehleinschätzungen und fragwürdige Anpassungen jedoch schwerwiegende Probleme ihrer Bewertungspraktiken offenbart.9 Spätestens seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007/08 und der Eurokrise 2010 stehen Ratingagenturen massiv im Fokus der öffentlichen Kritik, sowohl politischer als auch medialer Natur.

„There are two superpowers in the world today in my opinion. There’s the United States and there’s Moody’s Bond Rating Service. (…) And believe me, it’s not clear sometimes who’s more powerful.”10

Friedman erkannte schon 1996 die Macht der Ratingagenturen auf dem Finanzmarkt und hat auf diese besorgniserregende Entwicklung aufmerksam gemacht. Im Nachgang der Finanzkrise wird den Ratingagenturen primär vorgeworfen, diese oligopolistische Marktmacht auszunutzen und nur noch ein geringes Interesse an objektiven und qualitativ hochwertigen Beurteilungen zu haben.11

Aufgrund dieser Problemfelder sind in der Vergangenheit diverse wissenschaftliche Publikationen über Reformansätze und -vorschläge veröffentlicht worden, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Zu den diskutierten Reformen gehört beispielsweise die Eindämmung der Marktmacht der Ratingagenturen. Dazu soll der Wettbewerb der Ratingbranche erhöht werden. Dies kann zum Beispiel durch die Schaffung von Alternativen, wie etwa die Gründung einer non-profit Ratingagentur auf europäischer Ebene oder die Einführung eines Ratingfonds, geschehen.12

Abgeleitet aus der Kritik an Ratingagenturen verfolgt die vorliegende Arbeit die Zielsetzung, die aktuell in der wissenschaftlichen Literatur diskutierten Problemfelder sowie Reformforderungen und -vorschläge im Zusammenhang mit Ratingagenturen und Ratings herauszuarbeiten und detailliert zu untersuchen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen zwei zentrale Forschungsfragen beantwortet werden:

1. Welche Problemfelder gibt es bei den Ratingagenturen?
2. Welche Reformvorschläge werden in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur diskutiert, um die Schwächen von Ratingagenturen zu reduzieren?

Zur Beantwortung der Forschungsfragen und entsprechend der Zielsetzung ist diese Arbeit in vier Hauptabschnitte aufgeteilt, die von einer Einleitung sowie einer Schlussbetrachtung und einem Ausblick umrahmt werden.

In Abschnitt 2 werden zunächst thematische Grundlagen des Ratinggeschäfts vermittelt. Diese beinhalten einführend notwendige Begriffsdefinitionen und -abgrenzungen sowie die Aufzeigung der historischen und aktuellen Entwicklung der Ratingbranche. Des Weiteren wird im Speziellen auf die unterschiedlichen Ratingarten, Ratingsymboliken und die Bedeutung von Ratings für die unterschiedlichen Finanzmarktakteure (Investoren, Emittenten und Aufsichtsbehörden) eingegangen. Ferner erfolgt eine Darstellung des Ratingprozesses am Praxisbeispiel von S&P und der REWE Group.

Abschnitt 3 umfasst die Formulierung der Fragestellungen, die im Rahmen der Literaturanalyse untersucht werden. Die Aspekte der Untersuchung werden mithilfe der Principal-Agent-Theorie abgeleitet, die zur Erklärung der Beziehung zwischen Ratingagenturen und Finanzmarktakteuren herangezogen wird.

Der vierte Abschnitt widmet sich den methodischen Grundlagen. Zunächst wird die Literaturanalyse als Forschungsmethode beschrieben, anschließend wird das Vorgehen zur Identifikation und Analyse relevanter akademischer Literatur detailliert erläutert.

Im fünften Abschnitt werden die Ergebnisse der Literaturanalyse dargelegt. Die Darstellung der in der analysierten Literatur identifizierten Aussagen hinsichtlich der formulierten Fragestellungen werden anhand deduktiv gebildeter Kategorien aufgezeigt. Abschließend erfolgt eine kritische Würdigung der Literaturanalyse im Lichte der wissenschaftlichen Gütekriterien.

Die Arbeit endet mit einer Schlussbetrachtung inklusive eines Ausblicks (Abschnitt 6). Hier werden die wichtigsten Aspekte und Ergebnisse der Arbeit kurz zusammengefasst.

Folgende Abbildung stellt das Vorgehen dieser Arbeit grafisch dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Aufbau und Vorgehensweise der Arbeit

(Quelle: Eigene Darstellung)

2 Thematische Grundlagen

Zum Aufbau eines fundierten Verständnisses des Themengebiets ‚Rating und Ratingagenturen‘ ist es essenziell, vorab grundlegende Begrifflichkeiten abzugrenzen und theoretische Grundlagen zu vermitteln. Aufgrund des weitreichenden Verständnisses des Ratingbegriffs im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Themengebieten erfolgt zunächst die Abgrenzung und Definition der wesentlichen Begriffe (Abschnitt 2.1). Im Abschnitt 2.2 folgt ein kurzer historischer Abriss zur Aufzeigung der Entwicklung des Ratinggeschäfts im Zeitablauf. Eine Unterscheidung der unterschiedlichen Ratingarten (Abschnitt 2.3) sowie Ratingsymboliken (Abschnitt 2.4) ist von elementarer Bedeutung. Darüber hinaus ist die Aufzeigung unterschiedlicher Funktionen und Ziele, differenziert nach verschiedenen Interessensgruppen, für das weitere Verständnis notwendig (Abschnitt 2.5).

2.1 Begriffserläuterung

Der Ratingbegriff ist im angloamerikanischen Sprachraum bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts existent und in Gebrauch,13 hierzulande findet er jedoch erst seit Anfang der 2000er Jahre zunehmende Verbreitung. Insbesondere seit Inkrafttreten der Vereinbarungen im Rahmen von Basel II aus dem Jahre 2004 sehen sich Banken und Unternehmen zunehmend mit der Rating-Thematik konfrontiert. Oftmals existiert nur ein grundlegendes (meist unzureichendes) Verständnis des Ratingbegriffs und der dahinterstehenden Ratingagenturen.14 Was genau unter einem Rating zu verstehen ist und wer hinter solchen Ratings steht, soll in diesem Abschnitt erklärt werden.

2.1.1 Rating

Seine sprachlichen Ursprünge hat der Ratingbegriff in der englischen Sprache, abgeleitet aus dem Verb ‚to rate‘, was übersetzt so viel wie abschätzen, einstufen bzw. bewerten bedeutet. Das dazugehörige Substantiv ‚rate‘ bezeichnet eine Quote oder einen Anteil. Der Begriff ‚Rating‘ wird heutzutage in verschiedenen Fachbereichen genutzt und beschreibt im Allgemeinen einen Beurteilungsprozess, bei dem ein bestimmtes Untersuchungsobjekt hinsichtlich einer gewählten Zielsetzung bewertet und in einer Rangfolge eingestuft wird.15 Der Duden definiert Rating als „Verfahren zur Beurteilung von Personen oder Situationen mithilfe von Ratingskalen“16. Diese Auffassung des Ratingbegriffs ist allerdings sehr weit gefasst und kann dementsprechend auf viele unterschiedliche Themengebiete und Arten der Bewertung angewandt werden. Dazu gehören zum Beispiel die Bewertung von Restaurants, Hotels, Professoren, Universitäten/Hochschulen, Immobilien, Wertpapieren usw.17 Im deutschen Sprachgebrauch taucht der Ratingbegriff bereits seit den 1960er Jahren auf; damals hauptsächlich im wissenschaftlichen Bereich der Psychologie und Soziologie, was auch den Personenbezug der Duden-Definition erklärt.18 Aufgrund dieses Facettenreichtums ist es schwer, den Ratingbegriff einheitlich zu definieren; insbesondere, da die jeweilige Auffassung bzw. das Verständnis abhängig von unterschiedlichen Ratingarten und -objekten ist.19 Für die Zwecke dieser Arbeit ist es daher angemessen, sich auf die Bedeutung des Ratingbegriffs im Finanzwesen bzw. wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhang zu fokussieren.

Im wirtschaftswissenschaftlichen und finanztechnischen Kontext wird der Ratingbegriff häufig im Zusammenhang mit der Bonitätsbewertung von Schuldnern genannt. In diesem Bezug wird im deutschen Sprachgebrauch in der Regel der Begriff Kredit-Rating (engl.: Credit Rating) verwendet. Bei Kredit-Ratings handelt es sich grundlegend um ein Instrument zur Beurteilung und Klassifizierung von Finanztiteln an den Finanzmärkten, mit dem Ziel, die Bonität von Finanzinstrumenten (z. B. Anleihen, Wertpapiere, Forderungsrechte etc.) sowie von Emittenten (bspw. Staaten oder Unternehmen) anhand von quantitativen und qualitativen Merkmalen zu bewerten.20 Bezüglich des Bedeutungsinhalts des Ratingbegriffs im Zusammenhang mit dem Finanzwesen kristallisieren sich in der gängigen Literatur zwei unterschiedliche Auffassungen heraus:

1. Zum einen bezeichnet er die Vorgehensweise (Ratingverfahren), mit der die zukünftige Zahlungsfähigkeit (Bonität) eines Unternehmens oder Staates festgestellt wird.
2. Zum anderen beschreibt er das Ergebnis einer solchen Bonitätsanalyse und stellt somit ein Urteil über die Bonität eines Emittenten oder einer Emission dar.21 22 23

In der Literatur lassen sich zahlreiche Definitionen des Ratingbegriffs (bzw. Credit-Rating-Begriffs) finden. Die folgende Tabelle 1 gibt einen Überblick der in der Literatur verwendeten Definitionen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Verschiedene Rating-Definitionen in der Literatur

(Quelle: Eigene Darstellung)

Zusammenfassend und vereinfachend ausgedrückt handelt es sich bei einem Credit Rating somit um eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung – häufig als Symbol kombinierter Buchstaben und Zahlen einer festgelegten Ordinalskala dargestellt – über die zukünftige Fähigkeit eines Kreditnehmers, seinen vertraglichen Zahlungspflichten stets vollständig und fristgerecht nachzukommen.24 25 26 27 28 Diese Definition wird in dieser Arbeit zugrunde gelegt.

Die Nähe des Ratingbegriffs zu Themen wie Bilanzanalyse sowie Unternehmensbewertung und -prüfung ist offensichtlich und kann nicht abgestritten werden. In der Praxis werden diese Begriffe fälschlicherweise oftmals synonym genutzt. Zum besseren Verständnis und eindeutigerer Differenzierung werden im Folgenden die Begriffe voneinander abgegrenzt.

Gegenstand der klassischen Bilanzanalyse ist in der Regel der Jahres- bzw. Konzernabschluss des zu beurteilenden Unternehmens. Dazu gehört gem. International Financial Reporting Standards (IFRS) neben der Bilanz unter anderem auch die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), die Eigenkapitalveränderungsrechnung, die Kapitalflussrechnung und der Anhang.29 Im Rahmen der Bilanzanalyse wird anhand von Jahresabschlussdaten und Bilanzkennzahlen die wirtschaftliche Lage (Vermögens-, Finanz- und Ertragslage) eines Unternehmens beurteilt. Es werden demnach hauptsächlich quantitative Unternehmensdaten benutzt, um die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu beurteilen.30 Der Fokus auf Bilanzkennzahlen zeigt, dass die klassische Bilanzanalyse auf historischen Zahlen basiert und somit vergangenheitsorientiert ist.31 Das (externe) Rating dahingegen untersucht deutlich mehr Beurteilungsfelder und versucht die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens einzuschätzen. Hierzu werden neben quantitativen Unternehmensdaten ebenfalls qualitative Bewertungsfaktoren (z. B. Branchenentwicklung, Qualität des Managements, Länderrisiko etc.) in der Rating-Beurteilung mitberücksichtigt.32

Bei der Unternehmensbewertung handelt es sich um ein Verfahren zur Ermittlung des wirtschaftlichen Wertes eines Unternehmens.33 Mögliche Bewertungsanlässe gemäß dem Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) sind der Kauf oder Verkauf eines Unternehmens, Unternehmensfusionen, Zuführungen von Eigen- oder Fremdkapital, ein geplanter Börsengang,34 Zwecke der externen Rechnungslegung (bspw. Kaufpreisallokation oder Impairment-Test), steuerrechtliche Gründe35 sowie das Ausscheiden oder der Eintritt von Gesellschaftern einer Personengesellschaft36. Für die Durchführung einer Unternehmensbewertung gibt es verschiedene Verfahren, wie zum Beispiel das Ertragswertverfahren37 oder Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF)38 (hierunter fallen bspw. der WACC-Ansatz39, der APV-Ansatz40 und der Equity-Ansatz41 ). Ziel ist die stichtagsbezogene Errechnung eines Zahlenwerts für den Wert des Unternehmens. Bei der Unternehmensbewertung werden meistens nur zukünftige Erträge und Risiken beurteilt, die für die Eigentümer von Bedeutung sind. Ratingverfahren dahingegen beurteilen meist nur die Ansätze, die aus Sicht der Fremdkapitalgeber maßgeblich sind. Zudem steht am Ende des Ratingverfahrens keine konkrete Zahl, sondern eine in Buchstaben und/oder Zahlen ausgedrückte Zusammenfassung der Bewertung.42

Die Unternehmensprüfung beruht auf reinen Tatsachenbehauptungen und zielt darauf ab, die Richtigkeit und Vollständigkeit von Ansätzen zu kontrollieren. Im Gegensatz zum Unternehmensprüfer ist der Ratinganalyst auf die Richtigkeit der Angaben angewiesen, da er keine eigenständige Prüfung durchführt. Beim Ratingverfahren geht es in erster Linie um die Einschätzung von zukünftigen Ausfallwahrscheinlichkeiten und die Erstellung von präzisen Prognosen. Die Prüfung verfolgt die Fragestellung, ob etwas richtig oder falsch ist; das Rating dahingegen, ob etwas gut oder schlecht ist. Ein weiteres Differenzierungsmerkmal zwischen Prüfung und Rating ist die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse. Bei der Prüfung kann die Korrektheit des Testats simpel nachvollzogen werden, da es auf Tatsachenbehauptungen basiert. Das Rating basiert hingegen auf Prognosen über die Zukunft, die nicht sofort kontrolliert werden können. Die Korrektheit stellt sich erst beim Eintreten oder Nicht-Eintreten in der Zukunft heraus.43

2.1.2 Ratingagentur

Theoretisch kann jedes Unternehmen, dessen Aufgabe die Erteilung von Ratings ist, als Ratingagentur bezeichnet werden. Mit Hinblick auf die Zielsetzung dieser Arbeit ist es jedoch sinnvoll, den Fokus auf das Credit-Rating unabhängiger Ratingagenturen zu legen, wie es zum Beispiel Moody’s, Standard & Poor’s (S&P) und Fitch Ratings sind.44

Bei Ratingagenturen handelt es sich um privatwirtschaftliche, gewinnorientierte Unternehmen aus dem Bereich der Finanzdienstleistungen, die sich auf die Bonitätsbewertung von Emittenten und Emissionen mittels Ratings spezialisiert haben und die Ergebnisse dieser Beurteilungen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.45 Kuhner definiert eine Ratingagentur wie folgt:

„Rating agencies are independent third parties that are consulted in the course of a market transaction. Their goal is to overcome asymmetric information between both market sides by evaluating financial claims according to standardized quality categories.”46

Um als Ratingagentur bezeichnet zu werden, ist das Erteilen von Ratings maßgeblich. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist die Unabhängigkeit einer solchen Agentur. Die glaubhafte Erteilung von Ratings ist nur dann möglich, wenn die Ratingagentur von den von ihr beurteilten Einheiten unabhängig handelt. Dies ist ein entscheidender Grund, weshalb Banken nicht zu den Ratingagenturen gezählt werden können, obwohl viele Bankinstitute interne Ratings ihrer Kunden erstellen. Durch die von ihnen angebotenen Produkte und Dienstleistungen agieren Banken in eigener Sache und somit nicht als unabhängige Agentur. Darüber hinaus stehen die Veröffentlichung und Verwendung solcher bankinternen Ratings im Konflikt mit dem Bankgeheimnis. Daher ist die externe Verwendbarkeit für Unternehmen stark limitiert.47

Das Tätigkeitsfeld von Ratingagenturen ist sehr breit aufgestellt. Sie bewerten beispielsweise Unternehmen und deren Emissionen (z. B. Anleihen, Konsortialkredite, Handelspapiere etc.48 ), Staaten, Banken, Investmentfonds oder Versicherungen.49 In Europa gilt eine Ratingagentur erst dann als solche, wenn sie bei der European Securities and Markets Authority (ESMA) registriert und offiziell durch diese anerkannt wurde.50

Der Bewertungsfokus klassischer Ratingagenturen liegt auf dem Fremdkapitalrating (auch Credit Rating51 genannt). In erster Linie dienen Ratingagenturen dazu, Risiken und Unsicherheiten auf den internationalen Finanzmärkten zu reduzieren. Die durch die Agenturen veröffentlichten Ratings tragen dazu bei, die Informationsasymmetrie zwischen Käufer und Verkäufer (oder Kreditgeber und -nehmer) zu schmälern, indem sie Aussagen über die Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit veröffentlichen.52 Die Ratingagenturen betonen jedoch mit Nachdruck, dass es sich bei den veröffentlichten Ratings um nicht mehr als ‚Meinungen‘ über die zukünftige Kreditwürdigkeit handelt und keineswegs um Kauf- oder Verkaufsempfehlungen.53

In den meisten Fällen handeln die Ratingagenturen auf Anfrage des zu bewertenden Unternehmens. Das Rating einer international anerkannten Agentur dient häufig als Einstieg in viele Finanzmarktsegmente. Üblicherweise erstreckt sich solch eine Rating-Mandatierung über mehrere Jahre, in denen die Agentur das Rating überwacht und gegebenenfalls, im Falle von wesentlichen wirtschaftlichen Veränderungen, korrigiert.54

Zu den international größten und angesehensten Ratingagenturen gehören gegenwärtig Moody’s, S&P und Fitch Ratings. Gemeinsam besitzen diese drei Agenturen einen globalen Gesamtmarktanteil von ca. 95 %.55 Die derzeitige Marktsituation und aktuelle Lage werden im späteren Abschnitt 2.2.2 weiter ausgeführt.

2.2 Zeitliche Entwicklung des Ratinggeschäfts

Das Ratinggeschäft und die drei heutzutage dominierenden Ratingagenturen blicken auf eine lange und gemeinsame Historie zurück, die ihre Anfänge bereits Mitte des 19. Jahrhunderts hat. Was Eisenbahngesellschaften und Ratingagenturen verbindet, wie sich der Markt und die Wettbewerbssituation im Laufe der Zeit entwickelt haben und wie die aktuelle Situation des Ratinggeschäfts aussieht, wird in den folgenden zwei Abschnitten vermittelt.

2.2.1 Entstehung und Geschichte

Die Anfänge des Ratinggeschäfts und der heutigen Ratingagenturen liegen in den Vereinigten Staaten.56 Dort entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts, vor allem im Zuge der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung und Industrialisierung, hohe Investitionsbedarfe. Insbesondere der Ausbau der landesweiten Infrastruktur durch die Eisenbahn setzte einen beachtlichen Kapitalbedarf voraus. Dieser wurde weitgehend durch die Emission von Anleihen der Eisenbahngesellschaften finanziert.57 Für potenzielle Investoren war es zu dieser Zeit sehr schwierig, eine genaue Einschätzung des Risikos der Eisenbahnanleihen sowie deren Emittenten durchzuführen. Dies lag in erster Linie daran, dass sich die Informationsbeschaffung aufgrund des Pioniercharakters solcher Projekte und der großen Entfernungen im Land als äußerst schwierig erwiesen hat.58 Folglich entstanden erhebliche Informationsasymmetrien und es kam zu einer Anhäufung von Betrugsfällen und Insolvenzen.59 Infolgedessen wurden vermehrt Agenturen gegründet, die Auskunft über die Bonität von Schuldnern zur Verfügung stellten. Diese auf Kreditauskünfte spezialisierten Agenturen wurden damals als Credit Reporting Agencies (CRA) bezeichnet.60 Die Dienstleistungen der CRA halfen insbesondere den Investoren, die Informationsbeschaffung zu vereinfachen, die Informationsgüte zu verbessern und somit das Insolvenzrisiko zu senken.61

John Moody veröffentlichte bereits im Jahr 1909 die ersten Ratings von Anleihen amerikanischer Eisenbahngesellschaften nach einem eigens entwickelten System (Analyses of Railroad Investments) und stellte diese Investoren entgeltlich zur Verfügung.62 1914 ging er mit seiner Ratinggesellschaft Moody’s Investors Service an die Börse. Bis heute existiert seine Firma als unabhängige Aktiengesellschaft (AG).63 Bevor weitere Agenturen in den Ratingmarkt einstiegen, erweiterte Moody’s in den Folgejahren nach seiner ersten Veröffentlichung die Inhalte sukzessive und dehnte die Ratinganalysen auf andere Branchen aus. Eine im Zuge der Industrialisierung stetig steigende Anzahl an Industrieunternehmen mit hohem Fremdkapitalbedarf führte dazu, dass (potenzielle) Investoren vermehrt verlässlichen Informationen über die Emittenten nachfragten. Infolgedessen drängten weitere Agenturen in den Ratingmarkt.64 1916 stieg die Poor’s Publishing Company in den Ratingmarkt ein, gefolgt von der Standard Statistics Company im Jahr 192265 und der Fitch Publishing Company 1924.66 In den Anfangsjahren fokussierten sich alle drei Agenturen auf den Verkauf von Informationsbroschüren, Büchern und Zeitungen über die US-amerikanischen Eisenbahngesellschaften.67

Durch Fortschreiten der Industrialisierung in den USA drängten zunehmend unbekannte Emittenten in die Märkte und das Verlangen der Anleger nach relevanten Informationen stieg weiter an. Dies führte zu einer regelrechten Expansionsphase des Credit-Rating-Geschäfts, das zunehmend an Bedeutung gewinnen konnte.68 Zusätzlichen Aufschwung erhielt die Ratingbranche durch den Börsencrash im Oktober 1929 und die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre, die dazu führten, dass das Interesse von Investoren an verlässlichen Informationen über die Sicherheit ihrer Anlagen merklich anstieg. Höhepunkt dieses Aufschwungs bildete eine Änderung des Bankenaufsichtsrechts aus dem Jahre 1931, als erstmalig explizit auf die Ratings der privatwirtschaftlichen Ratingagenturen, im Zusammenhang mit regulatorischen Zwecken der Bankenaufsicht, verwiesen wurde.69 Nach dem Aufschwung der 1930er Jahre kam es vorübergehend zu einer Wachstumsstagnation des Ratinggeschäfts, was in erster Linie an steigender Kritik an den Ratingagenturen lag. Die ausgestellten Ratings und Bonitätsanalysen wurden als wenig mehrwertbringend angesehen und weniger nachgefragt.70 Pinches und Singleton bestätigen diese Kritik anhand ihrer Studie aus dem Jahr 1978. Diese erstreckte sich über einen Zeitraum von 22 Jahren (1950–1972) und kam zu dem Ergebnis, dass im Anleihengeschäft der zusätzliche Informationsgewinn durch Ratingveränderungen zu vernachlässigen sei und keinen Mehrwert gegenüber den Marktpreisen biete; was unter anderem auch daran lag, dass Ratingurteile, im Vergleich zu Marktpreisen, nur mit großen Verzögerungen veröffentlicht wurden.71

Zunehmende Bedeutung für die internationalen Kapitalmärkte haben Ratings und die dazugehörigen Ratingagenturen erst etwa seit den 1970er Jahren erhalten. Zuvor war das Ratinggeschäft nahezu ausschließlich auf Nordamerika beschränkt. Die zunehmende internationale Präsenz resultierte folglich in einem starken Wachstum der ursprünglichen drei Ratingagenturen, aber auch in einer steigenden Gesamtanzahl von Ratingagenturen.72 Das Wachstum der drei marktführenden Agenturen wurde durch zahlreiche Übernahmen aufstrebender Agenturen weiter bekräftigt, wodurch diese ihre Marktstellung verteidigten.73 Diese Marktmacht von Moody’s, S&P und Fitch war darüber hinaus ein Grund dafür, dass sie in den USA im Jahr 1975 durch die Wertpapieraufsichtsbehörde Securities and Exchange Comissions (SEC) zu Nationally Recognized Statistical Rating Organizations (NRSRO) ernannt wurden. Dieser Status entbindet sie unter anderem von manchen Veröffentlichungspflichten.74

Anfang der 2000er Jahre sahen sich die Ratingagenturen erneut großer Kritik von geschädigten Investoren und Konkurrenzunternehmen ausgesetzt. Ihnen wurde primär vorgeworfen bei der Bewertung von insolvent gegangenen Firmen zeitlich deutlich zu verzögert reagiert und demnach in ihrer Funktion versagt zu haben. Insbesondere das Beispiel Enron (2001) wird in diesem Zusammenhang öfters genannt. Nichtsdestotrotz beherrschen diese drei Ratingagenturen auch heutzutage noch das Ratinggeschäft und verfügen über eine marktbeherrschende Stellung.75

2.2.2 Aktuelle Situation und marktführende Unternehmen

Derzeit existieren Schätzungen zufolge weltweit etwa 150 verschiedene Ratingagenturen, wobei es sich beim Großteil um kleine bis mittelgroße Institutionen handelt, die sich hauptsächlich auf Marktnischen (bspw. auf spezielle Wirtschaftszweige, Branchen, Länder usw.) spezialisiert haben.76 So hat sich zum Beispiel das Unternehmen A. M. Best Rating Services, Inc. auf die Bonitätsbeurteilung von Versicherungen spezialisiert.77 Der Markt wird im Wesentlichen von den drei großen Ratingagenturen Moody’s (ca. 40 %), S&P (ca. 40 %) und Fitch Ratings (ca. 15 %) beherrscht, die zusammen über einen Anteil am globalen Ratingmarkt von ca. 95 % verfügen (siehe Abbildung 2).78

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Marktanteile im Ratinggeschäft

(Quelle: Eigene Darstellung.)

Die aktuelle Marktsituation des Ratinggeschäfts, bei der viele Nachfrager einer geringen Anzahl an marktbeherrschenden Anbietern und einer Vielzahl an kleineren Konkurrenten gegenüberstehen, kann somit als Angebotsoligopol bezeichnet werden.79 Aufgrund des, im Vergleich zu Moody’s und S&P, geringen Marktanteils von Fitch Ratings wird in der Literatur häufig von einem amerikanischen Duopol gesprochen.80

Der aktuell vorherrschende, mangelnde Wettbewerb im Ratinggeschäft kann hauptsächlich auf zwei maßgebliche Faktoren zurückgeführt werden: Zum einen weist der Ratingmarkt typische Charakteristika eines natürlichen Monopols auf, da ein Credit Rating der drei großen Agenturen vom Markt als deutlich aussagekräftiger und wertvoller angesehen wird als das von einer kleineren oder neu in den Markt eingetretenen Ratingagentur. Zum anderen wird die dominierende Marktposition der großen Agenturen durch hohe Markteintrittsbarrieren zusätzlich begünstigt.81 Beispielsweise dürfen in den USA nur Credit Ratings von zertifizierten NRSROs zur Erfüllung aufsichtsrechtlicher Vorgaben herangezogen werden. Dies führt unter anderem dazu, dass regulierte Investoren bevorzugt Finanztitel kaufen, die über ein Investment-Grade-Rating einer NRSRO zertifizierten Ratingagentur verfügen. Infolgedessen bevorzugen Emittenten das Rating einer solchen anerkannten Agentur, um den potenziellen Investorenkreis nicht schon vor einer Emission bedeutend einzuschränken. Dementsprechend stellt die NRSRO-Zertifizierung durch die SEC eine bedeutsame Markteintrittsbarriere in den USA dar, die zugleich die Marktmacht der Oligopolisten stärkt.82

Seit Beginn der Zertifizierungen durch die SEC im Jahr 1975 bis zum Jahr 2003 waren Moody’s, S&P und Fitch Ratings die einzigen offiziell durch die SEC anerkannten Ratingagenturen. Erst im Jahr 2003 erhielt die kanadische Ratingagentur Dominion Bond Rating Services (DBRS) als erstes Unternehmen neben den ursprünglichen drei den Status als NRSRO. Es folgte A. M. Best Rating Services, Inc. im Jahr 2005.83 Zur Verbesserung der Ratingqualität sowie Förderung von Transparenz und Wettbewerb in der Ratingbranche wurden am 29. September 2006 die Zulassungsvorschriften für eine NRSRO-Zertifizierung durch den sogenannten Credit Rating Agency Reform Act (CRARA) etwas gelockert.84 Seitdem erhielten fünf weitere Ratingagenturen den Status als NRSRO (siehe Tabelle 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Aktuelle NRSROs

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Securities and Exchange Comission (SEC) [o. J.], o. S.)

Alle drei marktführenden Unternehmen konnten in den letzten Jahren ihre Umsätze im Ratinggeschäft kontinuierlich verbessern und somit ihre Marktstellung behaupten bzw. weiter ausbauen. S&P erwirtschaftete 2017 knapp 50 % des Gesamtumsatzes im Rating-Segment. Von insgesamt 6,063 Mio. USD entfallen 2,988 Mio. USD auf das Ratinggeschäft. Die Zahlen von Moody’s sind ähnlich beachtlich. Alle drei Unternehmen beschäftigen derzeit jeweils mehr als 1.000 Kreditanalysten, die Bonitätsurteile in deutlich mehr als 100 verschiedenen Staaten durchführen.85 In Tabelle 3 erfolgt eine vergleichende Darstellung der wichtigsten aktuellen Unternehmensdaten der drei führenden Ratingagenturen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Wesentliche Merkmale von S&P, Moody’s und Fitch Ratings

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wieben 2004, S. 10; Michel 2010, S. 15, mit eigener Erhebung aktueller Daten, vgl. insbesondere S&P Global 2017; Moody’s 2017; Fimalac 2016.)

Gängige Praxis heutzutage ist die Anwendung der sogenannten „two rating norm“86. Diese beschreibt das Phänomen, dass Emittenten dazu tendieren, sich in der Regel von zwei der drei großen Ratingagenturen gleichzeitig beurteilen zu lassen. Dies führt dazu, dass der Wettbewerb der Marktführenden Agenturen untereinander eher gering ist.87 Aufgrund der untergeordneten Rolle der kleineren Ratingagenturen werden diese im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit vernachlässigt und der Fokus auf die dominierenden drei Ratingagenturen, insbesondere S&P, gelegt.

2.3 Differenzierung unterschiedliche Ratingarten

Wie bereits bei der Rating-Definition88 angedeutet ist die jeweilige Auffassung bzw. das Verständnis von Ratings abhängig von unterschiedlichen Ratingarten und -objekten. Ratings können nach unterschiedlichen Kriterien differenziert werden, dazu gehören beispielsweise das Untersuchungsobjekt, der Auftraggeber oder die Zielsetzung. Generell wird in der Praxis zunächst übergreifend eingeordnet, ob es sich um ein (banken-)internes Rating handelt oder um ein Rating einer externen Ratingagentur. Daher erfolgt im Folgenden zunächst die Differenzierung zwischen externem und internem Rating, bevor anschließend weitere Differenzierungsmöglichkeiten und Ratingarten erläutert werden.89

2.3.1 Externes und internes Rating

Die Beurteilung der Bonität kann sowohl durch interne als auch durch externe Ratings erfolgen.90 Interne Ratings werden in der Regel von Bankinstituten erhoben und dienen diesen als interner Risikoindikator des Kreditportfolios hinsichtlich Kreditwürdigkeit und Ausfallwahrscheinlichkeit. Üblicherweise wird der (potenzielle) Kunde vor einem gewünschten Kreditengagement vom Bankinstitut anhand eines eigens entwickelten internen Ratingverfahrens bewertet, woraus sich eine Aussage über die mögliche Ausfallwahrscheinlichkeit der Kreditvergabe ableiten lässt.91 Gemäß den Vorgaben von Basel II haben sich interne Ratingverfahren an quantitativen Kriterien (Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage) sowie an qualitativen Bewertungskriterien (z. B. Unternehmensentwicklung, Management-Qualität, Unternehmensplanung etc.) zu orientieren.92

Ein externes Rating wird dagegen von einer (banken-)unabhängigen, privaten Ratingagentur oder -gesellschaft durchgeführt. Wie bereits zuvor erwähnt handelt es sich bei den führenden internationalen Ratingagenturen um Moody’s, S&P und Fitch Ratings. Neben den drei Großgesellschaften sind diverse kleine, überwiegend national tätige, Ratingagenturen zu unterscheiden, die bis heute jedoch noch keine wesentliche Bedeutung im Markt erlangt haben.93 Die jeweiligen Charakteristika interner und externer Ratings sind in Tabelle 4 zusammengefasst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Internes vs. externes Rating

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schneck 2008, S. 51.)

2.3.2 Emissions- und Emittentenrating

Eine weitere Differenzierungsmöglichkeit von Ratings ist die Unterscheidung nach dem Gegenstand der Analyse, ob ein einzelner Finanztitel (Emission) oder die grundsätzliche Finanzkraft eines Schuldners (Emittent) beurteilt werden soll.94

Ein Emissionsrating (engl.: Issue Rating) bezieht sich auf die Bewertung einzelner Finanztitel und spiegelt die aktuelle Meinung einer Ratingagentur über die Kreditwürdigkeit eines Emittenten hinsichtlich einer bestimmten Emission wider.95 Schneck definiert das Emissionsrating wie folgt:

„Ein Emissionsrating drückt die aktuelle Meinung einer Ratingagentur über die Kreditwürdigkeit eines Schuldners in Bezug auf eine bestimmte Schuldverschreibung (Obligation, Anleihe), eine bestimmte Art von finanziellen Verbindlichkeiten oder ein spezielles Finanzierungsprogramm aus.“96

Das Emissionsrating wird anhand von aktuellen Informationen des Emittenten oder anderen, von der Ratingagentur als zuverlässig eingestuften, Quellen erstellt. Hauptsächlich wird das Ergebnis des Emissionsratings von der Bonität des Emittenten beeinflusst, jedoch werden darüber hinaus noch zusätzlich die Kreditwürdigkeit von Garantiegebern oder Versicherern sowie weitere Maßnahmen zur Stärkung der Kreditwürdigkeit in Bezug auf die Emission berücksichtigt.97 Des Weiteren kommt der Währung, in der die Emission erfolgt, eine wichtige Rolle bei der Erteilung des Emissionsratings zu. Die vielen beeinflussenden Faktoren können zur Folge haben, dass einzelne Schuldverschreibungen desselben Unternehmens unterschiedliche Ratingnoten besitzen oder die Emission ein besseres/schlechteres Rating als der Emittent aufweist. Hauptgründe hierfür sind in erster Linie die individuellen Ausgestaltungsmöglichkeiten einzelner Emissionen in Bezug auf Besicherung, Erst- oder Nachrangigkeit, zusätzliche Rechte, Zins- und Tilgungszahlungen sowie die Laufzeit. Ferner wird zwischen kurz- und langfristigen Emissionsratings unterschieden, je nach Laufzeit der zu bewertenden Papiere.98

Demgegenüber stellen Emittentenratings (engl.: Issuer Rating) die aktuelle Meinung einer Ratingagentur über die generelle Finanzkraft und Kreditwürdigkeit eines Schuldners (Emittent) dar. Dabei beurteilen Emittentenratings im Wesentlichen die Bereitschaft und Fähigkeit des Schuldners, seine finanziellen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit pünktlich und vollständig zu zahlen. Das Emittentenrating bezieht sich auf keine spezielle finanzielle Verbindlichkeit und berücksichtigt weder Art noch Rangfolge im Falle einer eintretenden Insolvenz oder Liquidation. Somit trifft es eine grundsätzliche Aussage über die Bonität bzw. Kreditwürdigkeit des Schuldners hinsichtlich nicht nachrangiger, unbesicherter Forderungen.99

Ein Emissionsrating bezieht sich in der Regel auf das generelle Emittentenrating, wodurch sich das Bonitätsrisiko einer einzelnen Emission primär aus der Bonität des Emittenten ableiten lässt.100 Daher beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf langfristige Emittentenratings von Unternehmen als Schuldner (engl.: Long-term Issuer Credit Ratings).

2.3.3 Solicited- und Unsolicited-Rating

Eine weitere Differenzierungsmöglichkeit von Ratings stellen die Initiative zur Ratingerstellung und die damit einhergehende verfügbare Datenbasis dar. Grundsätzlich können Ratings entweder auf Basis unveröffentlichter oder veröffentlichter Informationen basieren. Im erstgenannten Fall handelt es sich um ein in Auftrag gegebenes Rating, auch Solicited-Rating genannt.101 Hierbei geht die Initiative für die Bonitätsbeurteilung vom zu bewertenden Unternehmen aus, das einen kostenpflichtigen Auftrag an eine Ratingagentur gibt. Die Ratingagentur verpflichtet sich somit zur Erstellung des Ratings, das beauftragende Unternehmen zur Zahlung des vereinbarten Entgelts sowie zur Bereitstellung aller von der Ratingagentur benötigten Informationen.102 Beim Solicited-Rating kommt der Kooperation zwischen Ratingagentur und Emittent eine wichtige Bedeutung zu. In der Regel finden im Ratingprozess persönliche Gespräche und Meetings zwischen Agentur und Management statt und es werden nicht öffentliche Daten ausgetauscht.103

Basiert ein Rating rein auf öffentlich zugänglichen Informationen und besteht kein Vertragsverhältnis zwischen Ratingagentur und den zu bewertenden Unternehmen, handelt es sich um ein auftragsloses Rating, auch Unsolicited-Rating genannt.104 Solch ein Rating wird beispielsweise auf Anfrage eines Investors erstellt. Grundsätzlich wird ein auftragsloses Rating ohne Mitwirkung und Kooperation des zu bewertenden Unternehmens durchgeführt. Da ein Unsolicited-Rating nur auf öffentlich zugängliche Informationen zurückgreift, gilt die Aussagekraft eines solchen Ratings als deutlich geringer im Vergleich zum Solicited-Rating.105

In den USA, insbesondere in der Versicherungsbranche, sind solche auftragslosen Ratings am häufigsten anzutreffen. In Deutschland hingegen sind Unsolicited-Ratings eher weniger verbreitet.106

2.3.4 Debt- und Equity-Rating

Die beiden Ratingarten Debt- und Equity-Rating unterscheiden sich hinsichtlich ihres Adressatenkreises. Beide Ratings basieren jedoch auf einer Analyse der grundlegenden Unternehmensstruktur. Das Debt-Rating verfolgt das Ziel, entscheidungsrelevante Informationen für Fremdkapitalgeber zur Verfügung zu stellen. Dazu zählt insbesondere die Bewertung der Unternehmensbonität hinsichtlich der Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredites. Demgegenüber verfolgt das Equity-Rating das Ziel, einem (Eigenkapital-)Investor fundierte Aussagen über das Entwicklungspotenzial seiner Investition, sprich über das Ausmaß und die Stabilität der Gewinne des Unternehmens, bereitzustellen.107

2.3.5 Branchen- und Länderrating

Ein Branchenrating beurteilt die Wachstums- und Ertragsstärke, die Wettbewerbssituation, die Rentabilität sowie die Konjunkturabhängigkeit einer bestimmten Wirtschaftsbranche. Die Bewertung der Branche ist von essenzieller Bedeutung, da diese einen erheblichen Einfluss auf die Bonität von Unternehmen ausübt und somit ein wichtiger Einflussfaktor für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens ist. Die für das Branchenrating benötigten Informationen stammen in der Regel von Behörden, statistischen Ämtern oder Ministerien, Berufs- und Industrieverbänden, Wirtschaftsforschungsinstituten sowie internationalen Organisationen. Kritisch hinzuzufügen ist der Fakt, dass innerhalb einer Wirtschaftsbranche sehr unterschiedlich zu beurteilende Unternehmen existieren, die sich auch entgegen dem Branchentrend entwickeln können. So existieren zum Beispiel in krisenanfälligen Branchen durchaus Unternehmen, die eine gute Wachstums- und Ertragskraft aufweisen.108

Zu den quantitativen Einflussfaktoren eines Credit-Ratings zählt ebenfalls das Länderrisiko des zu bewertenden Unternehmens, weshalb dem Länderrating (engl.: Sovereign Rating) im Rahmen des Credit-Ratings gleichermaßen eine wichtige Rolle zukommt. Bei einem Länderrating stehen die Prognose und Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes und die aus dieser Entwicklung entstehende Bedeutung für die Kapitalmärkte im Vordergrund. Darüber hinaus werden die Chancen und Risiken für Realinvestitionen, politische und soziale Risikofaktoren sowie Wechselkursrisiken ermittelt und beurteilt. Diese spielen insbesondere bei Investitionen in ein Land (dazu zählen auch Unternehmen in diesem Land) eine essenzielle Rolle. Anschließend fließen all diese Faktoren zusammen und bilden eine Ratingnote. Bei Länderratings handelt es sich um bedeutende Ratinginstrumente bei der Bewertung von Emittenten. Bei der Beurteilung des Länderrisikos kommt dem sogenannten ‚Sovereign Ceiling‘ eine besondere Rolle zu. Dieses Konzept besagt, dass ein Länderrating die jeweilige Rating-Obergrenze für sämtliche nicht staatliche Emittenten eines Landes und all deren Emissionen darstellt. Auf diese Weise kann das Credit-Rating eines Emittenten nicht höher liegen als das Rating des jeweiligen Staates.109

2.4 Unterschiedliche Ratingsymbolik

Wie bereits erwähnt stellt die Ratingnote eine Kombination aus Buchstaben und/oder Zahlen dar, die die zukünftige Fähigkeit eines Unternehmens hinsichtlich der fristgerechten und vollständigen Erfüllung seiner vertraglichen Zahlungsverpflichtungen (z. B. Zins- und Tilgungsleistungen) beurteilt. Somit stellt ein von einer externen Ratingagentur ausgestelltes Rating eine Art Benotung des Unternehmens dar. Typischerweise reicht die Skala der Ratingsymbolik von ‚AAA‘ bis ‚D‘. Im Detail können die einzelnen Ratingnotationen unterschiedlicher Agenturen jedoch voneinander abweichen. Die Einstufung in eine bestimmte Ratingstufe stellt dabei die durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit eines Emittenten dar. Somit werden bei einem Rating quantitative sowie qualitative Ratingkriterien in Ausfallwahrscheinlichkeiten transformiert und dargestellt.110 Ein ‚Triple A‘ (AAA) Rating symbolisiert dabei die höchste Bonität zusammen mit der geringsten Ausfallwahrscheinlichkeit. Mit einer steigenden Ausfallwahrscheinlichkeit erfolgt eine sukzessive Abstufung der Ratingnote bis zu den Buchstaben ‚D‘ (S&P, Fitch) bzw. ‚C‘ (Moody’s). Um innerhalb einzelner Ratingklassen zu differenzieren, werden Plus- bzw. Minuszeichen (S&P, Fitch) oder Zahlen (Moody’s) verwendet. Darüber hinaus bietet die Gliederung der Ratingnoten in den ‚Investment Grade‘ (Investmentbereich) sowie den ‚Speculative Grade‘ (spekulativer Bereich), auch ‚Non-Investment Grade‘ genannt, zusätzlich Orientierung. Der Investmentbereich beinhaltet die Ratingnoten von ‚AAA‘ bis ‚BBB-‚ (‚Aaa‘ bis ‚Baa3‘ nach Moody’s Ratingsymbolik), der spekulative Bereich die Ratingnoten von ‚BB+‘ bis ‚D‘ (‚Ba1‘ bis ‚C‘ nach Moody’s Ratingsymbolik).

Die Abstände zwischen den einzelnen Ratingklassen und Ratings sind nicht metrisch interpretierbar (wie z. B. bei Schulnoten ebenfalls der Fall). Daher liegen die Qualitäten im Investmentbereich näher beieinander, während sich die Notenabstände im spekulativen Bereich stärker voneinander unterscheiden.111

Zusätzlich zur Ratingnote wird von den Ratingagenturen auch ein Ausblick (engl.: Outlook) für das langfristige Kreditrating mitgeliefert. Dieser bewertet die potenzielle Ausrichtung des Ratings auf mittelfristige Sicht (typischerweise sechs Monate bis zwei Jahre). Bei der Bestimmung des Outlooks werden alle Veränderungen der wirtschaftlichen und/oder fundamentalen Geschäftsumstände des Unternehmens berücksichtigt. Dabei stellt ein Outlook nicht unbedingt einen Vorläufer für eine Ratingänderung dar. Er kann gemäß S&P folgende Ausprägungen annehmen:112

- ‚Positive‘ (engl.: positive) bedeutet, dass ein Rating angehoben werden kann.
- ‚Negative‘ (engl.: negative) bedeutet, dass eine Bewertung herabgesetzt werden kann.
- ‚Stabil‘ (engl.: stable) bedeutet, dass sich ein Rating wahrscheinlich nicht ändern wird.
- ‚In Entwicklung‘ (engl.: developing) bedeutet, dass ein Rating erhöht, gesenkt oder bestätigt werden kann.
- ‚Nicht relevant‘ (engl. not meaningful) bedeutet, dass die Aussicht nicht bedeutsam ist.113

Nachfolgend wird die Ratingsymbolik der drei größten internationalen Ratingagenturen (S&P, Moody’s und Fitch) vorgestellt und erläutert (siehe Tabelle 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 5: Ratingagenturen und Ratingskalen

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Ratingdefinitionen von S&P, Moody’s und Fitch)

2.5 Funktionen von Ratings und Ratingagenturen

Credit-Ratings werden in der Regel veröffentlicht und sprechen so einen breiten Adressatenkreis an; dazu gehören insbesondere die wesentlichen Akteure auf (Fremd-)Kapitalmärkten, hierzu zählen besonders Investoren/Anleger, Emittenten und Aufsichtsbehörden. Für jeden dieser Adressaten erfüllt das Credit-Rating auf verschiedene Weise vielfältige Funktionen und Nutzen. Nachfolgend werden die wichtigsten Funktionen von Credit-Ratings, differenziert nach jeweiliger Adressatengruppe, dargestellt und erläutert.

[...]


1 Vgl. Reidenbach 2006, S. 275 f.

2 Vgl. Wappenschmidt 2008, S. 1.

3 Vgl. Reidenbach 2006, S. 275 f.

4 Vgl. Wappenschmidt 2008, S. 1.

5 Vgl. Winkel 2018, S. 1.

6 Vgl. Reidenbach 2006, S. 275 f.

7 Zwischen Unternehmen und Investoren besteht eine Principal-Agent-Beziehung, bei der es zu Informationsasymmetrien zwischen den Parteien kommt. Siehe hierzu Abschnitt 3.1 in vorliegender Arbeit.

8 Vgl. Wappenschmidt 2008, S. 1.

9 Vgl. Theurl/Schätzle 2012, S. 103.

10 Friedman 1996, o. S.

11 Vgl. Reidenbach 2006, S. 339; Schuler 2012, S. 67; Winkel 2018, S. 257.

12 Vgl. Winkel 2018, S. 2.

13 Vgl. Braun/Gstach 2003, S. 13.

14 Vgl. Schneck 2008, S.43.

15 Vgl. Schneck 2008, S.43 f.

16 Dudenredaktion [o. J.]. o. S.

17 Vgl. Everling 2004, S. 327.

18 Vgl. Everling 1991, S. 21 f.

19 Vgl. Schneck 2008, S.44.

20 Vgl. Schneck 2008, S.44.

21 Vgl. Reichling/Bietke/Henne 2007, S. 45.

22 Gleißner/Füser 2014, S. 18.

23 Schneck 2008, S. 44.

24 Heim 2006, S. 17.

25 Peters 2001, S. 28.

26 Everling 2001, S. 466.

27 The Technical Committee Of The International Organization Of Securities Commissions 2004, S. 3.

28 Vgl. Everling 2001, S. 466.

29 Vgl. International Accounting Standards Board (IASB) 2007, Nr. 10.

30 Vgl. Gleißner/Füser 2014, S. 22 f.

31 Vgl. Pellens [o. J.], o. S.

32 Vgl. Schneck 2008, S. 45.

33 Vgl. Gleißner [o. J.], o. S.

34 Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) 2008, Abschn. 2, Abs. 2.2, Nr. 9.

35 Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) 2008, Abschn. 2, Abs. 2.2, Nr. 10.

36 Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) 2008, Abschn. 2, Abs. 2.2, Nr. 11.

37 Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) 2008, Abschn. 7, Abs. 2.

38 Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) 2008, Abschn. 7, Abs. 7.3.

39 Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) 2008, Abschn. 7, Abs. 7.3.2.

40 Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) 2008, Abschn. 7, Abs. 7.3.3.

41 Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) 2008, Abschn. 7, Abs. 7.3.4.

42 Vgl. Schneck 2008, S. 45 f.

43 Vgl. ebd.

44 Vgl. Everling 2004, S. 329.

45 Vgl. Gras 2003, S. 6.

46 Kuhner 2001, S. 2.

47 Vgl. Everling 2004, S. 329.

48 Vgl. Kuhner 2001, S. 3.

49 Vgl. Reidenbach 2006, S. 275.

50 Vgl. Munsch 2013, S. 262.

51 Siehe Abschnitt 2.1.1 in vorliegender Arbeit.

52 Vgl. Hiß/Nagel 2018, S. 167.

53 Vgl. Moody’s Investors Service 2002, S. 5; Michel 2010, S. 8 f.

54 Vgl.Kuhner 2001, S. 3.

55 Vgl. Statista 2011, o. S.

56 Vgl. Schneck 2008, S. 47.

57 Vgl. Kniese 1996, S. 11.

58 Vgl. Schneck 2008, S. 47.

59 Vgl. Kniese 1996, S. 11.

60 Vgl. Reidenbach 2006, S. 275.

61 Vgl. Schneck 2008, S. 47.

62 Vgl. Reidenbach 2006, S. 275 f.

63 Vgl. Schneck 2008, S. 48.

64 Vgl. Peters 2001, S. 41.

65 1941 fusionierten die Poor’s Publishing Company und die Standard Statistics Company zu Standard & Poor’s.

66 Vgl. Reidenbach 2006, S. 276 f.

67 Vgl. Rügemer 2012, S. 13 f.

68 Vgl. Michel 2010, S. 8 f.

69 Vgl. Peters 2001, S. 41.

70 Vgl. Michel 2010, S. 9.

71 Vgl. Pinches/Singleton 1978, S. 41 f.

72 Vgl. Reidenbach 2006, S. 276; Michel 2010, S. 9; Schneck 2008, S. 48.

73 Vgl. Reidenbach 2006, S. 276.

74 Vgl. Schneck 2008, S. 48.

75 Vgl. Schneck 2008, S. 48.

76 Vgl. Säverin 2010, S. 13.

77 Vgl. A. M. Best Company, Inc. [o. J.], o. S.

78 Vgl. Statista 2011, o. S.

79 Vgl. Mecke [o. J.], o. S.

80 Vgl. Ötsch 2012, S. 8.

81 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2008, S. 160.

82 Vgl. Michel 2010, S. 13.

83 Vgl. Securities and Exchange Comission (SEC) [o. J.], o. S.

84 Vgl. Securities and Exchange Comission (SEC) 2006, Abschnitt 2.

85 Bis April 2016 McGraw Hill Financial, Inc.

86 Hill 2004, S. 61.

87 Vgl. Michel 2010, S. 15.

88 Siehe Abschnitt 2.1.1 in vorliegender Arbeit.

89 Vgl. Schneck 2008, S. 50.

90 Vgl. Düsterlho/Pöhlsen 2004, S. 422.

91 Vgl. Schneck 2008, S. 50.

92 Vgl. Düsterlho/Pöhlsen 2004, S. 422.

93 Vgl. Schneck 2008, S. 50; Düsterlho/Pöhlsen 2004, S. 422.

94 Vgl. Buschmeier 2011, S. 156.

95 Vgl. Schneck 2008, S. 52.

96 Schneck 2008, S. 52.

97 Vgl. Buschmeier 2011, S. 156.

98 Vgl. Schneck 2008, S. 52.

99 Vgl. Schneck 2008, S. 53.

100 Vgl. Euler Hermes Rating GmbH [o. J.], o. S.

101 Vgl. Everling/Trieu 2007, S. 104.

102 Vgl. Reidenbach 2006, S. 281.

103 Vgl. Everling/Trieu 2007, S. 104.

104 Vgl. Everling/Trieu 2007, S. 104.

105 Vgl. Schneck 2008, S. 53.

106 Vgl. Everling/Trieu 2007, S. 104.

107 Vgl. Schneck 2008, S. 53 f.

108 Vgl. Schneck 2008, S. 56 f.

109 Vgl. Schneck 2008, S. 63 f.

110 Vgl. Düsterlho/Pöhlsen 2004, S. 423.

111 Vgl. Schneck 2008, S. 65 ff.

112 Vgl. S&P Global [2018c], o. S.

113 Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 136 Seiten

Details

Titel
Ratingagenturen und die Optimierung von Ratingprozessen. Welchen Herausforderungen sehen sich Standard & Poor's und Co. derzeit gegenüber?
Autor
Jahr
2020
Seiten
136
Katalognummer
V520337
ISBN (eBook)
9783963560743
ISBN (Buch)
9783963560750
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rating, Ratingagentur, S&P, Moody's, Fitch, Analyse, REWE, REWE Group, Ratingprozess, Standard & Poor's, Bewertung, Unternehmensbewertung, Principal-Agent-Theorie, Anreizbezahlung, Investor-Pays-Modell
Arbeit zitieren
Patrick Odenhausen (Autor:in), 2020, Ratingagenturen und die Optimierung von Ratingprozessen. Welchen Herausforderungen sehen sich Standard & Poor's und Co. derzeit gegenüber?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/520337

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