Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Einbettung der Länderbeispiele
2.1 Die Holländische Krankheit
2.2 Politische Dimension des Ressourcenfluchs
2.2.1 Rohstoffreichtum und Demokratie
2.2.2 Rohstoffreichtum und Institutionen
2.2.3 Rohstoffreichtum und Bürgerkriege
2.3 Ökonomische Dimension des Ressourcenfluchs
3. Länderbeispiele
3.1 Botsuana
3.1.1 Rohstoffvorkommen und Landwirtschaft
3.1.2 Politische Lage
3.1.3 Ökonomische Lage
3.2 Simbabwe
3.2.1 Rohstoffvorkommen und Landwirtschaft
3.2.2 Politische Lage
3.2.3 Ökonomische Lage
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Afrika ist reich an Rohstoffen, aber vielerorts geht der Rest der Volkswirtschaft zugrunde.“ (Pfaff 2017). Diesen Satz schreibt die Redakteurin Isabel Pfaff im Jahr 2017 in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung. Sie beschreibt darin treffend den Zustand vieler afrikanischer Länder, die trotz umfangreicher Rohstoffvorkommen im Vergleich zu rohstoffärmeren Ländern nicht profitieren können und sowohl wirtschaftlich als auch politisch Entwicklungsdefizite aufweisen (vgl. Sachs & Warner 1995, 1).
Dieses Paradoxon, der sogenannte Fluch der Ressourcen, taucht erstmals Ende des 20. Jahrhunderts u.a. bei Auty (1990), Sachs & Warner (1995) und Gylfason et. al. (1999) in der Literatur auf und ist seither in einer Vielzahl von Arbeiten untersucht worden, beispielsweise in zahlreichen Arbeiten des britischen Wirtschaftswissenschaftlers Paul Collier.
Dass jedoch offensichtlich kein Kausalzusammenhang zwischen einem hohen Bestand an natürlichen Ressourcen und einer negativen sozioökonomischen Entwicklung besteht, zeigen die Beispiele der Länder Vereinigte Staaten von Amerika und Kanada (vgl. Mikesell 1997, 191). Diese Länder zählen heute gerade wegen ihrer Vielzahl an Bodenschätzen zu den größten Wirtschaftsnationen der Welt (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2018). Der Rohstoffreichtum dieser Länder kann also nicht als Fluch, sondern vielmehr als Segen bezeichnet werden.
Die Auswirkungen eines Ressourcenreichtums scheinen also nicht in jedem Land gleich, sondern von verschiedenen Kontextfaktoren abzuhängen, wie der geographischen Lage oder der Art der Ressourcen (vgl. Lay & Mahmoud 2004, 2; Tetzlaff 2018, 43).
Exemplarisch sollen in dieser Arbeit nun die im südlichen Afrika gelegenen Nachbarländer Botsuana und Simbabwe genauer untersucht werden1. Konkret wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Rohstoffreichheit in diesen Ländern einen Fluch oder einen Segen darstellt.
Um die Frage zu beantworten, erfolgt anfangs eine theoretische Einbettung der Fallbeispiele in die Forschungslage. Konkret heißt das, dass einige Aspekte des Ressourcenfluchs beleuchtet, empirische Erkenntnisse der Forschung herausgestellt und Erklärungsversuche beschrieben werden. Dazu zählt zunächst die sogenannte Holländische Krankheit, die in der Literatur vielfach als eine Variante des Ressourcenfluchs aufgeführt wird. Um einen differenzierten Blick auf die Auswirkungen des Ressourcenfluchs zu erhalten, werden im Anschluss separat die politische und die wirtschaftliche Dimension des Ressourcenfluchs betrachtet. Darauf folgt die eigentliche Analyse der beiden Länder Botsuana und Simbabwe. Für beide Länder erfolgt ausgehend von den vorhandenen Rohstoffen eine Analyse der politischen und ökonomischen Lage. Dabei wird auf die im vorherigen Kapitel herausgearbeiteten theoretischen und empirischen Erkenntnisse aufgebaut.
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die Forschungslage zu Botsuana wesentlich breiter ist als die zum direkten Nachbarland Simbabwe. Dementsprechend fällt auch die in dieser Hausarbeit durchgeführte Analyse für das Land Botsuana etwas umfänglicher aus als die für Simbabwe.
2. Theoretische Einbettung der Länderbeispiele
2.1 Die Holländische Krankheit
Erstmals erwähnt wurde der Begriff der Holländischen Krankheit2 im Jahr 1977 in der britischen Wochenzeitung The Economist (vgl. The Economist 2014). Ursprünglich beschreibt er die Auswirkungen von großen Erdgasvorkommen auf die wirtschaftliche Lage in Holland in den 1960er Jahren (vgl. Tetzlaff 2011, 44).
Sachs und Warner (1995) gliedern die Wirtschaft eines Landes in diesem Modell in drei Bereiche: einen binnenorientierten Sektor nicht handelbarer Güter, einen exportorientierten Produktionssektor und einen exportorientierten Sektor, der in erster Linie natürliche Rohstoffe exportiert. Die Ursache der Holländischen Krankheit ist dabei das schnelle Wachstum des exportorientierten Rohstoffsektors. Durch den Export großer Mengen von Rohstoffen entstehen Außenhandelsüberschüsse, die eine Aufwertung der Währung des Landes bedingen (vgl. Tetzlaff 2014, 44). Als Folge schrumpft der Produktionssektor und der Sektor nicht handelbarer Güter neigt zur Expansion. Dieser Zustand zeigt sich durch eine Verschiebung der Produktionsfaktoren wie von Arbeitskräften in den boomenden Rohstoffsektor (vgl. Lewin 2011, 83). Es findet also ein Stück weit eine Deindustrialisierung statt, während gleichzeitig die Nachfrage der Bevölkerung nach Importgütern steigt (vgl. Tetzlaff 2014, 44). Letztendlich führt die Konzentration auf einen Sektor zu steigenden Preisen innerhalb der anderen Sektoren, also zu konkreten Auswirkungen für die Bevölkerung eines Landes und deshalb zu einer Krankheit (vgl. Corden & Neary 1982, 841).
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass das Modell der Holländischen Krankheit als Erklärungsmodell in der Literatur nicht unumstritten ist. Zudem wird der Begriff der Holländischen Krankheit teilweise synonym mit dem des Ressourcenfluchs verwendet; meist - wie auch in dieser Hausarbeit - wird für letzteren jedoch ein umfassenderes Verständnis zu Grunde gelegt (vgl. Pegg 2010, 15).
2.2 Politische Dimension des Ressourcenfluchs
Michael L. Ross (2015, 241) beschreibt drei politische Bereiche, die im Zusammenspiel mit einem Ressourcenreichtum relevant erscheinen: Demokratie und Demokratisierung, die Qualität staatlicher Institutionen sowie das Auftreten eines Bürgerkriegs. Die Zusammenhänge dieser Bereiche mit dem Rohstoffreichtum eines Landes sollen in den folgenden drei Abschnitten untersucht und mögliche Auswirkungen eines Rohstoffreichtums herausgearbeitet werden.
2.2.1 Rohstoffreichtum und Demokratie
Viele Studien haben das Verhältnis zwischen dem Ressourcenreichtum eines Landes und der jeweiligen Herrschaftsform analysiert. Ein Schwerpunkt wird dabei oft auf den Zusammenhang von Ressourcenreichtum und Demokratie gelegt.
Konsens herrscht in der Literatur darüber, dass die Rohstoffart signifikanten Einfluss auf dieses Abhängigkeitsverhältnis hat. So beschreibt Ross (2015, 241), dass vor allem das Vorhandensein großer Ölvorkommen mit dem einer Autokratie korreliert. Konkret führt er aus, dass große Ölvorkommen dazu beitragen, autokratische Systeme stabiler und damit die Entstehung eines demokratischen Systems unwahrscheinlicher zu machen.
Anders gestaltet sich die Forschungslage beim Zusammenhang von Demokratie und dem Vorhandensein von Bodenschätzen. Während Mikesell (1997, 198) noch davon ausgeht, dass zwischen dem Vorhandensein von Bodenschätzen und Demokratie kein konsistenter Zusammenhang besteht, führt Ross (2001, 356) an, dass auch ein Reichtum an Mineralstoffen wie Diamanten einen Demokratisierungsprozess hemmen kann.
Unabhängig vom Ressourcentyp, stellen Collier & Hoeffler (2007, 32-33) zudem fest, dass in Entwicklungsländern die Kombination von hohen Einkünften aus Rohstoffexporten und Demokratie das Wachstum eines Landes signifikant verringert.
Ein Mechanismus, der versucht diesen Zusammenhang zu erklären, ist der sogenannte Rentiereffekt bzw. -staat. Das Konzept des Rentierstaates ist eine Theorie über Staaten, die auf Einnahmen aus Rohstoffexporten angewiesen sind (vgl. Lay & Mahmoud 2004, 6). Autokratische Regierungen solcher Staaten können durch die hohen Einnahmen aus den Rohstoffverkäufen niedrige Steuersätze und hohe Ausgaben finanzieren und damit einen etwaigen Demokratiewunsch ihrer Bevölkerung abdämpfen (vgl. Ross 2001, 356).
2.2.2 Rohstoffreichtum und Institutionen
Ein zweiter Bereich, dem in der Literatur besondere Bedeutung zugemessen wird, ist die Beziehung zwischen Rohstoffreichtum und der Qualität staatlicher Institutionen. Während Sachs & Warner (1995) noch keinen Zusammenhang zwischen diesen beiden Aspekten sehen, betont Tetzlaff (2014, 44), dass
„bei der Nutzung des Ressourcenreichtums das politische Verhalten der Staatsklasse im Zusammenhang mit vorhandenen gesellschaftlichen oder verfassungsmäßigen Kontroll-Institutionen (wie z.B. Parlamente, unabhängige Gerichte, eine kritische Presse oder eine wachsame Zivilgesellschaft) von ausschlaggebender Bedeutung“
ist.
Relevante Indikatoren dafür können beispielsweise die Effektivität des Bürokratieapparats, das Auftreten von Korruption oder die Eignung der staatlichen Führung, wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen, sein (vgl. Ross 2015, 248). Diese Indikatoren sollen im Folgenden genauer untersucht und kurz erklärt werden.
Mangelnde Regierungsqualität offenbart sich häufig durch übermäßige bürokratische Lasten. Grund dafür ist, dass bei hohen Einnahmen aus Rohstoffexporten eine vernünftige Ordnungspolitik zur Schaffung von Wohlstand nicht mehr relevant zu sein scheint. Dadurch werden der politische Wettbewerb geschwächt und bürokratische Hürden erhöht (vgl. Bardt 2005, 7).
Eine weitere Folge des schwachen politischen Wettbewerbs sind Korruption und der sogenannte Rent-Seeking-Effekt (vgl. Sachs & Warner 2001, 835). Verschiedene Studien belegen, dass die Gefahr einer korrupten Regierung in rohstoffreichen Ländern wesentlich höher ist als in rohstoffarmen (vgl. Ross 2003, 24). Das Phänomen des Rent-Seeking beschreibt ursprünglich eine Konkurrenz um Renten bzw. Einkommen, die ohne einen konkreten Produktivitätsbeitrag erlangt werden können (vgl. Krueger 1974, 291). Im Fall des Ressourcenreichtums haben dabei die Rohstoffeinnahmen den Charakter leistungsloser Einkommen, um die sich verschiedene Interessengruppen der Ober- und Mittelschicht mit allen Mitteln bemühen. Im Extremfall steigt dadurch die Ungleichheit zwischen den verschiedenen sozialen Schichten und die Solidarität mit den unteren sozialen Schichten wird geschwächt (vgl. Tetzlaff 2014, 45).
Die Eignung einer Regierung, wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen, ist eng mit der Investitionstätigkeit einer Regierung verknüpft (vgl. Mehlum et. al. 2006, 2). Häufig werden Investitionen in Human- und Sachkapital vernachlässigt, obwohl die Erlöse aus den Rohstoffexporten die Möglichkeit dazu böten. Die Erlöse werden hingegen oft in Bereiche wie das Militär investiert, die eben nicht dazu beitragen, den sozialen Frieden innerhalb einer Gesellschaft zu wahren (vgl. Bardt 2005, 6).
2.2.3 Rohstoffreichtum und Bürgerkriege
„[T]he extent of primary commodity exports is the largest single influence on the risk of conflicts“ schreiben Collier & Hoeffler (2000, 26) in ihrer Studie „Greed and Grievance in Civil War“. Eindrucksvoll macht dieser Satz das Konfliktpotential in rohstoffreichen Ländern deutlich. Auch der im vorherigen Abschnitt beschriebene Rent-Seeking-Effect deutet das mögliche Konfliktpotential in rohstoffreichen Länder an. Eng verbunden damit ist das Aufkommen von sogenannten Warlords. Schwache Regierungen ermöglichen militärischen Anführern, durch Gewalt Einfluss auf das Marktgeschehen zu nehmen und Kontrolle über Teile der Bevölkerung zu erlangen (vgl. Münkler 2002, 33-35). Die Folge dieser gewaltsamen Auseinandersetzungen ist häufig ein Bürgerkrieg. In diesem Zusammenhang sind oft auch die sogenannten Blutdiamanten relevant. Darunter verstanden werden geschmuggelte, oft gestohlene Diamanten, die zur Finanzierung von illegalen Geschäften genutzt und mit denen Bürgerkriege finanziert werden (vgl. Tetzlaff 2014, 257).
Etliche Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Rohstoffreichtum und der Entstehung von Bürgerkriegen (vgl. Ross 2015, 250). Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Konflikt auftritt, nicht in jedem rohstoffreichen Land gleich hoch, sondern hängt von zahlreichen Kontextfaktoren ab. Zum einen herrscht ein erhöhtes Konfliktpotential in Ländern, die neben dem Rohstoffreichtum auch eine große ethnische Zersplitterung aufweisen (vgl. Bhattacharyya & Collier 2011, 15). Zum anderen sind Konflikte aufgrund von Ressourcen vor allem in armen ehemaligen Kolonien am wahrscheinlichsten, die hauptsächlich von einem Rohstoff abhängig sind. Darüber hinaus spielt auch der Ressourcentyp eine gewichtige Rolle. So tritt ein Konflikt eher in Ländern auf, die Öl und Gas fördern; die Abhängigkeit von Bodenschätzen verlängert hingegen tendenziell einen laufenden Konflikt. Überdies sind Länder, die vor allem von der Landwirtschaft abhängig sind, häufig von Konflikten geringer Intensität betroffen, die eher kurz andauern (vgl. David & Gagné 2006, 16).
2.3 Ökonomische Dimension des Ressourcenfluchs
Vor allem zu Beginn der Forschung über den Ressourcenfluch Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Schwerpunkt der Untersuchungen nicht auf die politische, sondern auf die ökonomische Dimension des Ressourcenfluchs gelegt. Dass sich die beiden Dimensionen jedoch nicht immer scharf voneinander abgrenzen lassen, zeigt das Beispiel des Bürgerkriegs aus dem vorherigen Abschnitt. Neben Bevölkerungsverlusten, führen Bürgerkriege vor allem zu wirtschaftlichen Kosten (vgl. Collier & Hoeffler 2004, 569).
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1 In der Literatur tauchen verschiedene Schreibweisen für die Namen der beiden Länder auf. In dieser Hausarbeit wird einheitlich die amtliche deutsche Schreibweise des Auswärtigen Amtes verwendet (vgl. hierzu Auswärtiges Amt 2019e).
2 Der Ablauf der Holländischen Krankheit wird hier nur sehr knapp beschrieben und die für die Hausarbeit relevanten Schritte herausgearbeitet. Für eine umfangreiche Analyse siehe Corden & Neary (1982).