Ein wichtiger Grundsatz der Besteuerung ist die gerechte und gleichmäßige Verteilung der öffentlichen Lasten auf alle Steuerbürger, die einen gesetzlich bestimmten Tatbestand verwirklichen. Wie hoch der dabei zu tragende Beitrag des einzelnen Steuerpflichtigen sein soll bemisst sich nach dessen individueller wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Wird Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, zeigt dies an, dass der Schuldner, da er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht in vollem Umfang nachkommen kann, sich in einer wirtschaftlichen Lage der quasi Nichtleistungsfähigkeit befindet. Es stellt sich die Frage wie die Besteuerung in der Insolvenz durchzuführen ist und Forderungen der Finanzbehörden behandelt werden.
Weder im Insolvenzrecht noch im Steuerrecht sind ausführliche Regelungen zu finden, die Auskunft darüber geben, wie sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen auf die materielle Besteuerung und den Ablauf des Besteuerungsverfahren auswirken.
So hat auch die am 1.1.1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung trotz zahlreicher positiver Veränderungen wenig Hilfe bei den zahlreichen Problemen gebracht, die sich aus dem Aufeinandertreffen der beiden Rechtsgebiete mit ihren völlig unterschiedlichen Regelungsbereichen ergeben. Als Ausnahmen sind der Wegfall fiskaler Vorrechte und die Behandlung der Umsatzsteuer bei abgesonderter Befriedigung zu nennen. Die Klärung von Einzelfragen zur Behandlung von Steuerforderungen im Insolvenzverfahren bleibt aber auch weiterhin der Rechtsprechung und den Rechtswissenschaften überlassen.
Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über die Auswirkungen des Regelinsolvenzverfahrens auf die Rechtsstellung der Beteiligten und die Besteuerung eines Unternehmens. Nach einigen rechtlichen Vorbemerkungen wird im dritten Teil die Behandlung von Steuerforderungen und das Besteuerungsverfahren näher erörtert. Den Abschluss bildet die Betrachtung der wichtigsten Einzelsteuern und deren Besonderheiten. Insolvenzrechtliche Ausführungen finden nur dann Berücksichtigung, wenn sie dem besseren Verständnis der besonderen steuerrechtlichen Situation in der Insolvenz dienen.
Inhaltsverzeichnis
I. Einführung
II. Insolvenz und ihre steuerrechtlichen Folgen
1. Der Insolvenzantrag
2. Die Stellung der Rechtsgebiete zueinander
3. Die rechtliche Stellung der Beteiligten
3.1. Das Insolvenzgericht
3.2. Der Steuerschuldner
3.3. Der Insolvenzverwalter
3.4. Der Steuergläubiger
III. Steuerforderungen und Besteuerungsverfahren
1. Einordnung der Steuerforderung in das System der Insolvenz
1.1. Begründung von Steuerforderungen
1.2. Die Steuerschuld als Insolvenzforderung
1.3. Die Steuerschuld als Masseverbindlichkeit
1.4. Die Aufrechnung von Steuerforderungen
2. Das Besteuerungsverfahren in der Insolvenz
2.1. Steuerermittlungsverfahren
2.2. Steuerfeststellungs- und Steuerfestsetzungsverfahren
3. Steuererhebungsverfahren
4. Vollstreckungsverfahren
IV. Einfluss der Insolvenz auf einzelne Steuerarten
1. Einkommensteuer
1.1. Allgemeines
1.2. Aufteilung der Einkommensteuerschuld
1.3.Verlustausgleich und Verlustabzug
1.4. Forderungsverzicht und Sanierungsgewinn
1.5 Aufdeckung stiller Reserven
2. Lohnsteuer
3. Körperschaftsteuer
3.1. Betriebsaufspaltung
4. Gewerbesteuer
5. Umsatzsteuer
5.1. Vorsteuer
5.2 Umsatzsteuerliche Organschaft
Quellenverzeichnis
I. Einführung
Ein wichtiger Grundsatz der Besteuerung ist die gerechte und gleichmäßige Verteilung der öffentlichen Lasten auf alle Steuerbürger, die einen gesetzlich bestimmten Tatbestand verwirklichen. Wie hoch der dabei zu tragende Beitrag des einzelnen Steuerpflichtigen sein soll bemisst sich nach dessen individueller wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.[1] Wird Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, zeigt dies an, dass der Schuldner, da er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht in vollem Umfang nachkommen kann, sich in einer wirtschaftlichen Lage der quasi Nichtleistungsfähigkeit befindet. Es stellt sich die Frage wie die Besteuerung in der Insolvenz durchzuführen ist und Forderungen der Finanzbehörden behandelt werden.
Weder im Insolvenzrecht noch im Steuerrecht sind ausführliche Regelungen zu finden, die Auskunft darüber geben, wie sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen auf die materielle Besteuerung und den Ablauf des Besteuerungsverfahren auswirken.[2]
So hat auch die am 1.1.1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung trotz zahlreicher positiver Veränderungen wenig Hilfe bei den zahlreichen Problemen gebracht, die sich aus dem Aufeinandertreffen der beiden Rechtsgebiete mit ihren völlig unterschiedlichen Regelungsbereichen ergeben. Als Ausnahmen sind der Wegfall fiskaler Vorrechte und die Behandlung der Umsatzsteuer bei abgesonderter Befriedigung zu nennen. Die Klärung von Einzelfragen zur Behandlung von Steuerforderungen im Insolvenzverfahren bleibt aber auch weiterhin der Rechtsprechung und den Rechtswissenschaften überlassen.[3]
Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über die Auswirkungen des Regelinsolvenzverfahrens auf die Rechtsstellung der Beteiligten und die Besteuerung eines Unternehmens. Nach einigen rechtlichen Vorbemerkungen wird im dritten Teil die Behandlung von Steuerforderungen und das Besteuerungsverfahren näher erörtert. Den Abschluss bildet die Betrachtung der wichtigsten Einzelsteuern und deren Besonderheiten. Insolvenzrechtliche Ausführungen finden nur dann Berücksichtigung, wenn sie dem besseren Verständnis der besonderen steuerrechtlichen Situation in der Insolvenz dienen.
II. Insolvenz und ihre steuerrechtlichen Folgen
1. Der Insolvenzantrag
Die Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat einschneidende Auswirkungen auf das Vermögen des Schuldners und die Verfahrensbeteiligten. Es ist für einen Antrag daher nicht ausreichend, Forderungen innezuhaben die noch nicht bezahlt wurden. Meist sind jedoch deutliche Anzeichen für eine mögliche Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vorangegangen und die ersten Gläubiger haben bereits begonnen ihre Ansprüche zwangsweise durchzusetzen. Die Steuerbehörden sind angehalten bei Zahlungsverzug geeignete Vollstreckungsmaßnahmen nach §§ 249 ff. AO einzuleiten.[4]
Ebenso liegt es im Ermessen des Finanzamtes als Steuergläubiger Insolvenzantrag zu stellen (§ 5 AO),[5] allerdings soll dieses Ermessen als Verwaltungshandeln pflichtgemäß ausgeübt[6] und von mehreren in Betracht kommenden Maßnahmen die ausgewählt werden, die für den Schuldner den geringsten Eingriff darstellt.[7] Damit ist auch die finanzamtliche Insolvenzantragstellung häufig Gegenstand der Rechtsprechung.
Das Verfahren wird nur auf Antrag und mit vorhandenem Grund eröffnet (§ 16 ff. InsO). Antragsberechtigt sind nach § 13 Abs. 1 S. 2 InsO die Gläubiger[8] und der Schuldner bzw. die persönlich haftenden Gesellschafter sowie jedes Mitglied der Vertretungsorgane (§ 15 Abs.1 InsO). Daneben haben Vertreter bestimmter juristischer Personen die gesetzliche Insolvenzantragspflicht zu beachten.[9] Gemäß § 13 Abs. 2 InsO ist eine Rücknahme des Antrags bis zur Rechtskraft des Insolvenzeröffnungsbeschlusses bzw. seiner Abweisung jederzeit möglich.
2. Die Stellung der Rechtsgebiete zueinander
Die Einleitung des Insolvenzeröffnungsverfahren unterbricht nicht die Besteuerung, doch wird ihr weiterer Ablauf sowohl von steuerrechtlichen als auch insolvenzrechtlichen Regelungen bestimmt. Beide Gesetze aber enthalten nur sehr wenige Verweise auf das jeweils andere Rechtsgebiet.
In den Steuergesetzen ist das Insolvenzverfahren lediglich in den §§ 75 Abs. 2, 171 Abs. 13, 231 Abs. 1 und 2, 251 Abs. 2 sowie 282 AO und den §§ 4 und 16 GewStDV erwähnt. Ebenso sind in der Insolvenzordnung neben den §§ 87, 88, 155 Abs. 1, 170 Abs. 2 und 171 Abs. 2, sowie 185 InsO kaum weiteren Regelungen zu finden die spezielle Einzelfragen der Besteuerung klären könnten.[10]
Diese Nichtregelung des Insolvenzsteuerrechts geht zurück bis auf die Reichsabgabenordnung und eine grundlegende Entscheidung des RFH,[11] aus der heraus der Grundsatz „Konkursrecht geht vor Steuerrecht“ entwickelt wurde. Das bestätigt auch der § 251 Abs. 2 S. 1 AO, wonach im Bezug auf die Vollstreckbarkeit von Steuerforderungen die Vorschriften der Insolvenzordnung den Bestimmungen der Abgabenordnung vorangehen.[12] Das allerdings bedeutet nicht, dass das Insolvenzrecht dem Steuerrecht generell vorgeht. Vielmehr lässt sich daraus ableiten, dass sich die Geltendmachung von Steuerforderungen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich nach den Regeln der Insolvenzordnung vollzieht.
Das Insolvenzrecht tritt damit an die Stelle des Verwaltungsverfahrensrechts, Aufgrund welchen Sachverhalts und in welcher Höhe ein Steueranspruch entsteht, bestimmt jedoch mangels abweichender Regelungen im Einzelfall weiterhin das Steuerrecht.[13] Damit besteht lediglich eine Verzahnung der unterschiedlichen Regelungsbereiche, aber kein eindeutiger Vorrang des einen Gesetzes vor dem anderen.
Der Ansatzpunkt für eine sinnvolle Abgrenzung beider Rechtsgebiete ist der im § 1 InsO genannte Insolvenzzweck in Verbindung mit der Aussage des § 251 Abs. 2 AO „die Vorschriften der Insolvenzordnung bleiben unberührt“. Demnach können die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen der Steuergesetzgebung dem Insolvenzrecht nur solange übergeordnet bleiben, wie sie der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger, dem Erhalt des Unternehmens und der Restschuldbefreiung des redlichen Schuldners nicht entgegenwirken und damit den Ablauf eines geordneten Insolvenzverfahrens stören.[14]
3. Die rechtliche Stellung der Beteiligten
3.1. Das Insolvenzgericht
Für ein Regelinsolvenzverfahren zuständig ist das Amtsgericht des Ortes an dem der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners liegt. Es ermittelt von Amts wegen alle Umstände, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind (§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 2, 5 Abs. 1 S. 1 AO) und trifft grundlegende Entscheidungen in dessen Verlauf. Aber es ist nicht alleinige Entscheidungsinstanz für alle im Rahmen eines Insolvenzverfahrens auftretenden Rechtsfragen. Auseinandersetzungen die verschiedene Rechtsgebiete betreffen werden auch weiterhin von den Institutionen entschieden, in deren Zuständigkeit sie bisher fielen.[15]
3.2. Der Steuerschuldner
3.2.1. Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis
Mit Beschluss des Insolvenzantragverfahrens kann das Amtgericht Maßnahmen zur Sicherung der vorhandenen Masse ergreifen und einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen (§ 21 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 InsO). Um den Sicherungszweck zu erreichen wird es dem Schuldner regelmäßig Beschränkungen auferlegen, die von einem Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Insolvenzverwalters für Verfügungen des Schuldners bis zum allgemeinen Verfügungsverbot reichen können (§ 22 Abs. 1 u. 2 InsO). Handelt der vorläufige Insolvenzverwalter ohne allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsmacht, so verbleibt das Recht zur Verwaltung des Vermögens bis zur Eröffnung des Verfahrens beim Schuldner. Anderenfalls jedoch geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen, sogenannten „starken“ Insolvenzverwalter über. Er ist damit Verwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 AO.[16]
Mit Insolvenzeröffnung verliert der Schuldner grundsätzlich, vom Fall der Eigenverwaltung abgesehen, das Recht über sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO), bei juristischen Personen und Personengesellschaften endet auch die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der vertretungsberechtigten Organen bzw. Geschäftsführer, sowie die Organstellung der nichtvertretungsberechtigten Organe (§ 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 InsO).[17]
3.2.2. Die steuerrechtliche Stellung des Schuldners
Der Schuldner bleibt trotz des Verlustes der Verwaltungs- und Verfügungsmacht zivilrechtlicher Eigentümer und Rechtsträger seines Vermögens. Durch Handlungen des Verwalters entstandene Vermögensmehrungen und –minderungen sind dem Schuldner zuzurechnen, deshalb auch das wirtschaftliche Eigentum an den zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenständen (§ 39 AO). Folglich berechtigen und verpflichten Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters den Schuldner auch im steuerlichen Bereich, er bleibt Steuerpflichtiger und Steuerschuldner im Sinne der §§ 33 Abs. 1 und 43 AO.[18]
Da bei Einkunftsarten gemäß § 2 Abs. 1 EStG nicht darauf abgestellt wird wer die Verfügungsmacht hat, sondern auf wessen Rechnung ein Tatbestand verwirklicht wurde, sind die steuerlichen Folgen der Handlungen des Verwalters bezogen auf die Insolvenzmasse dem Schuldner zuzurechnen, sobald durch ihn ein Tatbestand erfüllt ist.
Ähnliches gilt für die Umsatzsteuer. Obwohl der Schuldner durch den Verlust der Verfügungsbefugnis keine Umsätze mehr für die Masse ausführen kann, ist er noch immer Unternehmer im Sinne von § 2 UStG.[19] Ihm sind die, durch die Tätigkeiten des Insolvenzverwalters für und gegen die Insolvenzmasse bewirkten Umsätze steuerlich zuzurechnen.[20]
Im Hinblick auf die Pflichten des Insolvenzschuldners, insbesondere der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach § 140 ff. AO bleibt anzumerken, dass er durch den Übergang der Verfügungsmacht zwar seine Handlungsfähigkeit verliert (§ 79 AO), aber dennoch Beteiligter des Besteuerungsverfahrens bleibt (§ 78 AO). Der Verwalter hat für die Erfüllung der handels- und steuerrechtlichen Pflichten zu sorgen, was den Schuldner allerdings nicht davon befreit (§ 155 Abs. 1 InsO). Er ist dieser Pflichten nur in sofern enthoben, wie es ihm tatsächlich und rechtlich unmöglich ist sie auszuführen. Darüber hinaus hat der Schuldner als Beteiligter des Verfahrens umfangreiche Mitwirkungspflichten nach §§ 90 und 93 AO sowie § 97 InsO zu erfüllen. Ferner sind bereits abgegebene Steuererklärungen gemäß § 153 AO von ihm zu berichtigen, sobald er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkennt. Der Verwaltungs- und Verfügungsbereich des Insolvenzverwalters beschränkt sich auf die insolvenzbehaftete Masse, soweit insolvenzfreies Vermögen vorhanden ist hat der Schuldner diesbezüglich alle steuerlichen Rechte und Pflichten weiterhin selbst zu tragen.[21]
3.3. Der Insolvenzverwalter
3.3.1. Die steuerrechtliche Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters
Im Eröffnungsverfahren hängt die steuerrechtliche Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters vom Umfang der ihm übertragenen insolvenzrechtlichen Befugnisse ab (siehe 3.2.1). Wird er vom Gericht nicht mit der allgemeinen Verwaltungs- und Verfügungsmacht ausgestattet (§ 22 Abs. 1 S. 1 i.V. m. Abs. 2 InsO), was in der Praxis aus Haftungsgründen die Regel ist, entspricht seine Stellung auch nicht der eines Vermögensverwalters im Sinne des § 34 Abs. 3 AO. Als „schwacher“ vorläufiger Verwalter begründet er keine Masseverbindlichkeiten und der Schuldner bleibt im Außenverhältnis in vollem Umfang verwaltungs- und verfügungsbefugt.[22]
Ist dem Schuldner dagegen ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so entspricht die Stellung des vorläufigen „starken“ Verwalters weitgehend der des endgültigen Insolvenzverwalters. Seine Aufgaben unterscheiden sich zur Abwicklung im eröffneten Verfahren lediglich dadurch, dass er das Vermögen zu sichern und zu erhalten, sowie das Unternehmen fortzuführen hat bis über die Eröffnung des Verfahrens entschieden ist oder das Gericht der Stillegung zustimmt (§ 22 Abs.1 S.2 Nr.1 u. 2 InsO).[23]
3.3.2. Die steuerrechtliche Stellung des Insolvenzverwalters
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Innerhalb seines Verwaltungsbereiches gemäß § 34 Abs. 3 AO, tritt damit der Insolvenzverwalter in alle steuerlichen Rechte und Pflichten ein, die ohne Eröffnung des Verfahrens dem Schuldner obliegen würden.[24] Diese Rechte und Pflichten sind von ihm sowohl für die Zeit vor als auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in vollem Umfang zu erfüllen.[25]
Im Wesentlichen sind das Steuererklärungspflichten (§§ 137 ff. AO und §§ 149 ff. AO), Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (§§ 140 ff. AO und § 22 UStG), sowie Anzeige- Auskunfts- und Nachweispflichten (§§ 90, 93, 97 AO). Erfüllt der Verwalter eine dieser Verpflichtungen nicht, kann er mit Zwangsmitteln nach §§ 328, 329, 332 und 333 AO belangt werden. Zwangsgeldandrohungen können nur gegen ihn persönlich ergehen und richten sich nicht gegen die Masse.[26]
3.3.2.1. Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten
Der Verwalter übernimmt neben insolvenzrechtlichen Rechnungslegungspflichten auch die handels- und steuerrechtliche Rechnungslegung, die Pflicht dazu verbleibt jedoch beim Schuldner (siehe 3.2.2.). Ist im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger „schwacher“ Verwalter bestellt, wird der Schuldner diese Pflichten auch weiterhin selbst erfüllen. Einer Mindermeinung zufolge gilt das ebenso für den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, weil § 155 InsO im Antragsverfahren nicht entsprechend anwendbar und die Erstellung fehlender Buchführung nicht vom Auftrag des vorläufigen Insolvenzverwalters gedeckt sei.[27]
Die herrschende Meinung allerdings,[28] der hier der Vorzug zu geben ist, sieht eine Verpflichtung zur Buchführung und Rechnungslegung auch beim vorläufigen „starken“ Insolvenzverwalter. Sie ergibt sich aus den §§ 140 ff. i.V.m. § 34 Abs. 3 AO, wonach die Rechtstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Verfügungsmacht eindeutig der des Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren gleichgestellt ist und er somit Aufzeichnungen für den Schuldner zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind.
In welchem Umfang der Verwalter seine Rechnungslegungspflichten unter möglicherweise widrigen Gegebenheiten eines Insolvenzverfahren zu erfüllen hat, ist rechtlich nicht klar geregelt. Nach § 155 Abs. 1 InsO gelten sie uneingeschränkt, doch im Hinblick auf den Erhalt der Insolvenzmasse ist hier im Einzelfall zu entscheiden. Die Finanzbehörde kann auf Antrag Erleichterungen gewähren, wenn die Erfüllung der Rechnungslegungspflichten Härten mit sich bringt und das Besteuerungsverfahren dadurch nicht beeinträchtigt ist (§ 148 S. 1 AO). Das Einverständnis der Behörde ist für den Insolvenzverwalter zwingend erforderlich um steuerliche Haftungsrisiken zu vermeiden, es kann jedoch auch rückwirkend gewährt werden (§ 148 S. 2 AO).
Der BFH[29] schränkt die Buchführungs- und Bilanzierungspflichten des Verwalters in sofern ein, als sie „in einem übergeordneten öffentlichem Interesse“ zu erfüllen sind.[30] In welchem Ausmaß eine mangelhafte Buchführung nachgeholt bzw. vervollständigt werden muss, um Steuererklärungen für die Zeit vor Insolvenzeröffnung anfertigen zu können, ist nach Ansicht des BGH ebenfalls im Einzelfall zu entscheiden.[31]
3.3.2.2. Steuererklärungs- und Steuerabführungspflichten
Die Abgabe von Steuererklärungen ist eine Verfahrenshandlung die Handlungsfähigkeit im Sinne des § 79 Abs. 1 AO voraussetzt.[32] Durch den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsmacht gemäß §§ 22 Abs. 1, 80 InsO ist der Insolvenzverwalter Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs.1 AO und hat sowohl für die Zeit vor als auch nach Eröffnung der Insolvenz die Steuererklärungspflichten für den Schuldner zu erfüllen.
Der Schuldner verliert dadurch nicht die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen, ist jedoch durch den Verlust seiner Verfügungsbefugnis im Bezug auf sein insolvenzbehaftetes Vermögen handlungsunfähig. Zudem hat der Verwalter die Geschäftsbücher in Besitz zu nehmen, dem Schuldner ist damit der Zugang dazu verwehrt (§§ 36 Abs. 2, Nr. 1, 148 Abs. 1 InsO). Dies hindert ihn an der Ausübung seiner Steuererklärungspflichten tatsächlich und insolvenzrechtlich (siehe auch 3.2.2.).
[...]
[1] Vgl. Grefe, Unternehmenssteuern, S. 27.
[2] Vgl. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 17.
[3] Vgl. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 5.
[4] Vgl. Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, S.6 f..
[5] Vgl. FG Köln, Urt. v. 9.11.2004 – Az. 15 K 4934/04, www.beck-online.de.
[6] Vgl. FG des Saarlandes, Urt. v. 21.1.2004 – Az. 1 K 67/03, www.beck-online.de.
[7] Vgl. FG Münster, Beschl. v. 15.3.2000, EFG 2000, 634, www.beck-online.de.
[8] Gläubiger haben zudem den Eröffnungsgrund und ein rechtliches Interesse an der Eröffnung glaubhaft
zu machen (§ 14 Abs.1 InsO).
[9] u.a. § 42 Abs. 2 BGB, § 92 Abs. 2 AktG, § 64 Abs. 1 GmbHG, § 130a HGB.
[10] Vgl. Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, S. 11.
[11] RFH, Urt. v. 25.10.1926, REHE 19, 355, RStBl.1926, 37.
[12] Vgl. Bringewat/Waza, Insolvenzen und Steuern, S. 76.
[13] Vgl. Tipke/Kruse, AO; § 251, Rn. 5 in Bringewat/Waza, Insolvenzen und Steuern, S. 76.
[14] Vgl. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 18 ff..
[15] Vgl. Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, S. 15.
[16] Vgl. Bringewat/Waza, Insolvenzen und Steuern, S. 79 f..
[17] Vgl. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 22.
[18] Vgl. Bringewat/Waza, Insolvenzen und Steuern, S. 77.
[19] BFH, Urt. v. 15.6.1999, BStBl. II 2000, 46.
[20] Vgl. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 24 f..
[21] Vgl. Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, S. 22.
[22] Vgl. Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, S. 54 f..
[23] Vgl. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 43.
[24] Vgl. Bringewat/Waza, Insolvenzen und Steuern, S. 48.
[25] zur Steuererklärungspflicht BFH, Urt. v. 23.8.1994 – VII 143/92, BStBl. II 1995, 194.
[26] Vgl. Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, S. 56.
[27] so Hess/Mitlehner und Uhlenbruck, NZI 1999, 289, 291 in Hess/Mitlehner,
Steuerrecht-Rechnungslegung-Insolvenz, S. 24.
[28] U. a. Bringewat/Waza, Insolvenzen und Steuern, S. 153; Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, S. 54.
[29] BFH, Urt. v. 23.8.1994 – VII 143/92, BStBl. II 1995, 197.
[30] Vgl. Bringewat/Waza, Insolvenzen und Steuern, S. 155 f..
[31] BGH, Urt. v. 29.5.1997 – VI ZR 104/78, ZIP 1980, 25.
[32] Vgl. Tipke/Kruse, AO, § 149 Rn. 2 in Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, S. 58.
- Citation du texte
- Ulrike Messbacher (Auteur), 2005, Besteuerung in der Insolvenz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52359