Aussiedlerfamilien zwischen Tradition und Moderne - Eine empirische Untersuchung aus der Sicht rußlanddeutscher Frauen


Mémoire de Maîtrise, 2006

232 Pages, Note: 1,1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Vorwort:

Einleitung

1. Historiographie
1.1. Die Kolonisierung durch die Zaren
1.2. Der erste Weltkrieg (1914 - 1918)
1.3. Die Oktoberrevolution
1.4. Der zweite Weltkrieg (1939 – 1945)
1.5. Das Ende der UDSSR
1.6. Der Beginn der Aussiedler-Migration in die Bundesrepublik

2. Moderne Gesellschaft und Modernisierung
2.1. Modernisierungstheoretische Definitionen
2.2. Ein Rückblick in die Geschichte der Modernisierungstheorie
2.3. Reformierte modernisierungstheoretische Konzeptionen
2.4. Modernisierung in Westdeutschland

3. Familiensoziologische theoretische Konzeptionen
3.1. Der Familiendiskurs und die These über die Krise der Familie
3.1.1. Thomas Meyer: Familialer Wandel im Spiegel der Demographie
3.1.2. Hartmann Tyrell: Die Deinstitutionalisierungsformel
3.1.3. Ulrich Beck/Elisabeth Beck-Gernsheim (1990): Die Individualisierungsthese
3.1.4. Rosemarie Nave-Herz: Zerfall oder strukturelle Verfestigung der Familie ?
3.1.5. Beurteilung der wissenschaftlich theoretischen Konzeptionen
3.2. Der Wandel der Geschlechterrollen

4. Empirische Untersuchung
4.1. Forschungsthemen, Hypothese:
4.2. Methodik
4.2.1. Qualitative Sozialforschung „theoretisch-methodische Aspekte“
4.2.2. Das qualitative Interview als Methode der Datenerhebung
4.2.3. Das problemzentrierte Interview
4.2.4. Die Gruppendiskussion
4.2.5. Die Erstellung des Kurzfragebogens/Interviewleitfadens
4.2.6. Die Durchführung der Interviews
4.2.6.1. Anmerkungen
4.2.6.2. Verlauf der Interviews
4.3. Auswertung
4.3.1. Transkription
4.3.2. Sozialprofil der Probandinnen
4.3.3. Zur Auswertung Qualitativer Interviews
4.3.4. Die qualitative Inhaltsanalyse
4.3.5. Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
4.4. Analyse und Interpretation
4.4.1. Relevanz und Zentriertheit der rußlanddeutschen Familie
4.4.1.1. Die Ursprünge des rußlanddeutschen Familienverständnisses
4.4.1.2. Das kollektivistisch ausgerichtete Familienkonzept
4.4.1.3. Die rußlanddeutsche Familie in der Situation der Einwanderung
4.4.1.4. Die geographische Nähe ihrer Mitglieder
4.4.1.5. Die rußlanddeutsche Familie und ihre Wertstellung
4.4.2. Das Eheverständnis innerhalb der rußlanddeutschen Ethnie
4.4.2.1. Die Bedeutung der Kinder
4.4.2.2. Scheidung – eine legitime Form der Konfliktlösung?
4.4.3. Neue Formen der Privatheit – eine Alternative zur Ehe ?
4.4.3.1. Nichteheliche Lebensgemeinschaft
4.4.3.2. Single-Dasein
4.4.3.3. Alleinerziehend
4.4.3.4. Kinderlosigkeit/Kinderlose Ehen
4.4.4. Erziehung und Sozialisation in der rußlanddeutschen Familie
4.4.5. Die Rolle der rußlanddeutschen Frau
4.4.5.1. Ihre berufliche Orientierung
4.4.5.2. Mutterschaftsvorstellungen
4.4.6. Die Arbeitsteilung in der rußlanddeutschen Familie
4.4.7. Die Wertvorstellungen innerhalb der rußlanddeutschen Familie
4.4.8. Die Bedeutung der Religion für die rußlanddeutsche Familie

5. Resümee
5.1. Die Bedeutung der rußlanddeutschen Familie im Migrationsprozeß
5.2. Die rußlanddeutsche Familie und die Pluralität der Privatheit
5.4. Der Binnenraum der rußlanddeutschen Familie
5.4.1. Der Grad ihrer Zentriertheit
5.4.2. Erziehung und Sozialisation
5.4.3. Der Rollenwandel der rußlanddeutschen Frau
5.4.4. Die Arbeitsteilung in der rußlanddeutschen Familie
5.4.5. Hypothesenprüfung
5.4.6. Schlußwort:

Bibliographie:

Aussiedlerfamilien zwischen Tradition und Moderne

Eine empirische Untersuchung aus der Perspektive rußlanddeutscher Frauen

Vorwort:

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu einem der wichtigsten Einwanderungsländer in Europa entwickelt. Nachdem Deutsche massenweise über Jahrzehnte, gar Jahrhunderte hinweg, ihrem Heimatland den Rücken kehrten, um in anderen Ländern und Kontinenten ihr Glück zu suchen, ist Deutschland inzwischen selbst im Zuge der Wohlstandsexplosion zu einem begehrten Ziel für verschiedenste Gruppen von Zuwanderern geworden (Bade 1983; 1992; Bade/Oltmer 1999). Die Entwicklung unseres Landes von einer monoethnischen zu einer multiethnischen Gesellschaft ist somit ein reales Charakteristikum der Moderne.

Migration als eine globale Tatsache, wird jedoch überwiegend problematisiert, ohne die damit verbundenen Chancen und Potentiale zur Kenntnis zu nehmen. Die historische Erfahrung hat gelehrt, daß Zuwanderung nicht nur mit sozialen und kulturellen Problemstellungen und Herausforderungen korreliert, sondern „vielfach ein Fundament wirtschaftlicher Dynamik und kultureller Vitalität war“ (Kulturpolitische Gesellschaft, 1).[1] Im Kontext des kulturellen Pluralismus zeugen die Zuwanderer vielfach von ihrer interkulturellen und kosmopolitischen Kompetenz, ihrer Arbeitsmotivation und Aufstiegsorientiertheit.

Die explizite Botschaft dieser Magisterarbeit ist somit im Zuge der Moderne, verstärkt zur Kommunikation und Verständigung zwischen Menschen anzuregen, die einen unterschiedlichen soziokulturellen Hintergrund haben; hinsichtlich des multiethnischen Segmentes gilt es Bedingungen zu schaffen, die helfen, „Brücken zur Integration in die „Mehrheitsgesellschaft“ [Hervorhebung durch den Autor selbst] (Kulturpolitische Gesellschaft, 1) zu bauen.

Einleitung

Im Zuge des säkularen Staatsverständnisses der Bundesrepublik, mit einer paradigmatisch multiethnischen und multireligiösen Verflechtung, soll im Rahmen dieser Magisterarbeit der Fokus auf die Gruppe der Aussiedler gerichtet werden, die „als isolierte und häufig rechtlich diskriminierte Minderheit() mit nur geringen Möglichkeiten ihre kulturelle Identität zu erhalten“ (Geißler 2002, 70), seit Beginn der 50er Jahre aus Osteuropa in die Bundesrepublik Deutschland kommen. Aussiedler sehen sich im Rahmen ihrer Selbstdefinition als Deutsche und verfolgen im Zuge ihrer Migration das Ziel, in das Land ihrer Vorfahren zurückzukehren (vgl. Westphal 1999, 127).

Die wirtschaftliche Rezession und die damit verbundene signifikante Krise des Arbeitsmarktes sowie überstrapazierte Sozialkassen führen jedoch seitens der einheimischen Population, zu einer Verstärkung und Manifestierung latent vorhandener Skepsis und Ablehnung der Aussiedler-Migration. „(O)bwohl die Immigration fast immer als Unterschichtungsprozeß verlief und verläuft“ (Ingenhorst 1997, 10), werden Aussiedler vornehmlich als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt angesehen und darüber hinaus als Mitbewerber im Kampf um bezahlbare Wohnungen. Angesichts der sehr hohen Arbeitslosenzahlen beschwichtigt auch die Tatsache nicht, daß das Einreisekontingent dieser Ethnie[2] mittlerweile durch staatlich administrative Maßnahmen gesteuert und eingegrenzt wird.[3] Die Tatsache, daß Aussiedler durch ihre günstigere Altersstruktur und die im Schnitt höhere Kinderzahl im Zuge des Geburtendefizits der einheimischen Bevölkerung einen demographischen Entlastungseffekt erzeugen, trifft ebenso bei der Mehrheit der einheimischen Population nicht auf fruchtbaren Boden.

Das in den Statuten fixierte Faktum, daß Aussiedler à priori einen Sonderstatus begleiten, der sich auf dem Abstammungsprinzip, dem sogenannten ius sanguis [4] gründet und sie als deutsche Staatsangehörige auszeichnet, mit einer damit verbundenen Garantie auf volle Bürgerrechte, trifft zusätzlich bei vielen Einheimischen auf Unverständnis, da ihrer Meinung nach viele der Aussiedler kein Deutsch sprechen und auch ansonsten ihre Lebensgewohnheiten und Lebensstile zu den deutschen Gepflogenheiten polarisieren. Darüber hinaus erscheinen vielen Einheimischen die Eingliederungshilfen für diese Ethnie, im Zuge leerer Staatskassen als Farce.

Die Erinnerung an eine von Kriegswirren und Kriegsverbrechen inhaltvolle Epoche des 20. Jahrhunderts, die sehr eng mit dem biographischen Erleben dieser Minderheit verknüpft ist, ist der Mehrheit der Population des 21. Jahrhunderts nicht mehr präsent;

der Sowjetkommunismus erscheint obsolet und die aus dieser Zeit resultierenden Verfolgungen und Diskriminierungen gegenüber der rußlanddeutschen Minderheit wenig aktuell (vgl. Thränhardt 1999, 231f.; vgl. Ingenhorst 1997, 10).

Die Situation dieser Ethnie verschärft sich durch die Tatsache, daß aufgrund der steigenden Zahl gemischtnationaler Ehen der Anteil der Einreisenden mit deutscher Volkszugehörigkeit deutlich zurückgegangen ist (vgl. Geißler 2002, 72). Die Konsequenz sind rudimentär vorhandene Deutschkenntnisse bei dem Gros der Zugereisten und eine „Zunahme von Qualifikationen, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt kaum noch zu verwerten sind“ (Geißler 2002, 72).

Gekürzte Eingliederungshilfen sowie Individualisierungs - und Entsolidarisierungstendenzen der Moderne drohen zusätzlich zu einer Verstärkung und Dynamisierung vorhandener Diskriminierungs- und Segregationstendenzen beizutragen und die Herausbildung anomischer Symptomatik zu fördern.[5]

Die Magisterarbeit „Aussiedlerfamilien zwischen Tradition und Moderne“, die die Familie der rußlanddeutschen Aussiedler, als Träger ihres Kulturgutes, in das Zentrum der Betrachtung rückt, will zunächst, um das Familienverständnis zu fördern, in Kapitel eins einen Einblick in die Historie liefern, die den soziokulturellen Hintergrund dieser Minderheit entscheidend geprägt hat, und daher sehr eng mit Einstellungen, Wertmustern und Lebensgewohnheiten/-stilen derselben verknüpft ist (vgl. Ingenhorst 1997, 15). Ziel ist es, die von Dramatik und Deprivationen genährte historische Vergangenheit der Rußlanddeutschen zu erhellen, „die (als Deutsche) vor gut zweihundert Jahren ins zaristische Rußland ausgewandert sind und dann dort wie in der späteren Sowjetunion gelebt haben“ (Ingenhorst 1997, 15).

Im Zuge ihrer Migration sieht sich die rußlanddeutsche Familie, die ihrem Selbstverständnis nach großfamilial geprägt ist und sich als Dreigenerationenhaushalt definiert, in welchem dem intergenerativen Band eine große Bedeutung zukommt (vgl. Schnepp 2002, 85) mit den Zeitzeichen rasant fortschreitender Modernisierungstendenzen des Aufnahmelandes konfrontiert, die mit signifikanten Novellierungen familialen Zusammenlebens einhergehen. Infolge des erweiterten Spektrums an Handlungsspielräumen, die dem Modernisierungsprozess unserer Gesellschaft anhaften, haben Ehe und Familie an Attraktivität verloren und alternative Formen des privaten Zusammenlebens weiten sich aus.

Im Rahmen weitreichender Individualisierungs- und Säkularisierungstendenzen der Neuzeit unterliegt das einheitliche Modell der bürgerlichen Normalfamilie, die in den 50er und 60er Jahren ihre größte Wertschätzung erfuhr, einer nostalgischen Verklärung und wird durch ein buntes Potpourri privater Lebensformen abgelöst (vgl. Meyer 2002, 412-413). Die ökonomische Wohlstandssteigerung, das sozialstaatliche Absicherungssystem und darüber hinaus im Besonderen, die Feminisierung der Bildung, die eine Zunahme der weiblichen Erwerbstätigkeit bedingt und somit eine Modifikation der traditionellen Geschlechterrollen bewirkt, verstärken diese Entwicklungen (vgl. Nave-Herz 1998, 292f.). Das Bild der Institution Familie ist collagenhaft geworden;

der Wandel der Familienstrukturen korreliert mit einer Schrumpfung der Haushaltsgröße, einem Rückgang der Eheschließungen (nicht notwendigerweise auch der Paarbeziehungen), einer Zunahme der Scheidungen und einem Rückgang der durchschnittlichen Geburten der Frau sowie elementarer Wandlungen im Eltern-Kind-Verhältnis (vgl. Meyer 2002; Nave-Herz 1998; Geißler 2002; von Trotha 1990).

Freisetzungs- und Enttraditionalisierungstendenzen der Postmoderne, die eine Maximierung des individuellen Wohlbefindens fokussieren (vgl. Inglehart 1998), kollidieren mit einem traditionsreichen Familienverband, vormoderner Herkunft [siehe hierzu Schnepp 79ff.] , von höchster Familienzentriertheit und –orientierung [siehe hierzu Dietz/Hilkes 1994, 98-101], die bereits dadurch zum Ausdruck kommt, „daß die Ausreise von Aussiedlern eine Familienausreise ist“ (Herwartz-Emden 1997, 4).[6]

Insofern soll die Thematik „Aussiedlerfamilien zwischen Tradition und Moderne“ in Kapitel zwei der Magisterarbeit in den Diskurskontext der Modernisierungstheorie eingebettet werden. In Anlehnung an die Konzeption von Rainer Geißler (2002, 434-439) „Grundlinien der Entwicklung zu einer modernen Sozialstruktur“, werden elementare Entwicklungen und Trends sozialstruktureller Modernisierung aufgezeigt, um sie als Fundament bei der analytischen Erarbeitung wesentlicher Herausforderungen zu nutzen, auf die die rußlanddeutsche Familie im Zuge ihrer Wanderung trifft.

Das dritte Kapitel ist der Deskription der neueren familiensoziologischen Forschung gewidmet. Es gilt die Thematik in den Kontext zentraler, familientheoretischer Ansätze einzubauen, die den Diskurs “Zerfall oder Wandel der Familie“ aufgreifen. Namhafte Autorinnen und Autoren werden in ihrer fundierten, aus verschiedenen Perspektiven entwickelten Auseinandersetzung mit dem aktuellen Diskurs der Familienentwicklung, rezitiert.

Im Brennpunkt der Erörterung steht zunächst die Frage: Ist die Familie durch die Facetten der fortschreitenden Modernisierung in ihren Grundfesten bedroht?

Im Zuge dessen ist es die Intension der Verfasserin aufzuzeigen, wie sich die gegenwärtige Situation der Familie, unter dem Einfluß der Komplexität des postmodernen Wandels, präsentiert. Der Rekurs auf die Konturen des deutschen Familienbildes wird deshalb zum unverzichtbaren Postulat, um im Zentrum der Magisterarbeit, im Rahmen einer Gegenüberstellung, die Differentia Spezifica der rußlanddeutschen Familie und ihrer Strukturen in aller Deutlichkeit herausstellen zu können.

Der Familiendiskurs, der mit einem Diskurs „über die Krise oder den Zerfall der Familie“ (Nave-Herz 1998, 286) gleichgesetzt werden kann, impliziert die Unterstellung, daß es retrospektiv ein allgemein verbindliches, normiertes Grundmuster familialen Zusammenlebens gegeben hat, das einer zunehmenden Erosion unterliegt (vgl. Peuckert 2004, 20). Insbesondere die epochale Zeitspanne der 50er und 60er Jahre zeugt von dem Vorbildcharakter der moderne Kleinfamilie, die unter der Option eines soziokulturellen Selbstverständnisses von der Mehrheit der Bevölkerung gelebt wurde - nie zuvor hat eine bestimmte Form von Familie eine vergleichbare Dominanz und Legitimität erfahren [siehe hierzu Peuckert 2004; Tyrell 1988; Nave-Herz 1998].

Im viel zitierten „golden age of marriage“ heiratete man früh, und den Statistiken ist eine auffällige Ehefreudigkeit zu entnehmen. Eine relativ hohe Kinderzahl war selbstverständlich und die Zahl der Ehescheidungen gering. Zudem waren erwerbstätige Mütter relativ selten. „Unkonventionelle [Hervorhebung durch den Autor selbst] “ und „alternative [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ Lebensformen wurden bestenfalls als „Notlösungen“ toleriert, in der Regel aber mit offenen oder verdeckten Sanktionen bedacht (Meyer 2002, 403).

Unter dem Einfluß fortschreitender Modernisierung beginnt sich jedoch zu Beginn der 70er Jahre das Selbstverständnis des „kollektiv einheitlichen, bürgerlich eingefärbten Familientyps“ (Meyer 2002, 403) zu lockern - das Lebensmodell entwickelt sich allmählich, zu einer frei wählbaren Option unter vielen (vgl. Meyer 2002, 403).

Die Entstehung der modernen Kleinfamilie ist das Ergebnis eines langfristigen und vielschichtigen strukturell-funktionalen Prozesses der Differenzierung unserer Gesellschaft (vgl. Peuckert 2004, 20; Geißler 2002, 43). „Die stark vereinfachten Thesen der älteren Familiensoziologie – die Schrumpfung der Großfamilie zur Kleinfamilie oder der Wandel der „erweiterten“ Familie zur Kernfamilie von Eltern und Kindern“ (Geißler 2002, 43) – unterliegen mittlerweile einer durch sozialgeschichtliche Studien differenzierten und teilweise revidierten Sichtweise [siehe hierzu auch Mitterauer 1977; 1979; Rosenbaum 1982; Weber-Kellermann 1981; Sieder 1987; sowie die Aufsatzsammlungen von Mitterauer/Sieder 1977; Rosenbaum 1978].

Bereits vor dem Beginn der Industrialisierung hat es in unserem Kulturkreis eine Vielzahl nebeneinander existierender, unterschiedlicher Familienformen gegeben [siehe hierzu Rosenbaum 1982] (vgl. Peuckert 2004, 21).

Die Familien waren hinsichtlich Struktur und Funktion sehr eng mit der Produktionsweise der unterschiedlichen Gruppen der Bevölkerung verknüpft. Die vorindustrielle Wirtschaft war im wesentlichen Familienwirtschaft und die Familien somit vordergründig Produktionsstätten.

„Das wichtigste [...] Wirtschafts- und Sozialgebilde war die besonders für die bäuerliche und handwerkliche Lebensweise typische Sozialform des ‚ganzen Hauses‘ [zitiert nach Brunner 1978], das eine Vielzahl gesellschaftlich notwendiger Funktionen (Produktion, Konsumption, Sozialisation, Alters- und Gesundheitsvorsorge) (erfüllte)“ (Peuckert 2004, 21).[7] „Dem „Hausvater“ unterstanden nicht nur die verwandten Familienmitglieder“ (Peuckert 2002, 21), sondern zum Hausverband zählten ebenso nicht verwandte Angehörige, wie Knechte und Mägde auf den Bauernhöfen und Lehrlinge bei den Handwerkern. Ausschlaggebend für die Eheschließung waren sorgfältig kalkulierte ökonomische Aspekte, die vor allem die Intension verfolgten, den Besitz zu sichern und den familialen Fortbestand auf dem eigenen Grund und Boden zu gewährleisten. Die Brautwahl orientierte sich an der Höhe der Mitgift und an der Arbeits- und Gebärfähigkeit der Frau. Das Verhältnis der Geschlechter zueinander, wie auch die Stellung der Kinder, die vordergründig als potentielle Arbeitskräfte und somit gesindegleich angesehen wurden, waren vornehmlich von sachlichem Pragmatismus getragen und nur rudimentär emotional-affektiv unterlegt ( vgl. Peuckert 2004, 20ff.; Ariès 1978; Rosenbaum 1993; Geißler 2002, 42ff.). Die auch noch in der heutigen Zeit mit der Vorstellung des „ganzen Hauses“ sehr häufig verknüpfte idealisierte Assoziation einer Großfamilie mit Großeltern, Eltern und zahlreichen Kindern als dominanter Familientypus der vorindustriellen Zeit, gilt zurecht schon aufgrund der für diese Epoche charakteristischen niedrigen Lebenserwartung, dem fortgeschrittenen Heiratsalter und der hohen Säuglings- und Kindersterblichkeit als widerlegt (vgl. Peuckert 2004, 22-23; Hausen 1996, 76 f.), so daß Mitterauer zu Recht vom „Mythos [...] der vorindustriellen Großfamilie“ (Mitterauer/Sieder 1977, 38) spricht. Darüber hinaus war ein großer Teil der Bevölkerung (Gesinde, Lehrlinge, Gesellen) gezwungen, ohne eine eigene Familie zu leben, da ihnen entweder eine Heirat von Rechtswegen untersagt war oder die ihnen hierfür erforderliche materielle und ökonomische Voraussetzung fehlte (vgl. Geißler 2002, 44).

Die Ausweitung des Industriekapitalismus und die damit einhergehende Trennung von Arbeits- und Wohnstätte führten dazu, daß die Sozialform des „ganzen Hauses“ an Bedeutung einbüßte.

Der multifunktionale Lebenszusammenhang des „ganzen Hauses“ wird zunächst im wohlhabenden und gebildeten Bürgertum (hohe Beamte, Unternehmer, Kaufleute) in der Zeit des 18. Jahrhunderts, von der auf emotional-intimen Funktionen basierenden bürgerlichen Familie, als Vorläufermodell der modernen Familie, abgelöst. Das sich prospektiv-sukzessiv herausbildende bürgerliche Familienleitbild setzt sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts in allen bürgerlichen Gruppen durch und erhält auch zunehmend Vorbildcharakter für nicht-bürgerliche Gruppen (vgl. Peuckert 2004, 22; Meyer 2002, 402-403).

Hauptmerkmal des bürgerlichen Familienleitbildes ist die Auffassung, daß die Familie als ein privater und emotional besetzter Raum gilt, welcher der öffentlich-beruflichen Sphäre diametral entgegensteht. Der Modernität dieser Kleinfamilie inhärent ist die Vorstellung, daß sich die Ehe nicht auf Wirtschafts- und Statusinteressen gründet, sondern der Aspekt der Liebe ausschlaggebend wird (vgl. Pohlmann 1997, 157). Innerhalb der durch Intimität gekennzeichneten Privatheit der Kleinfamilie, sind die Beziehungen durch ein hohes Maß an Emotionalität bestimmt (vgl. Hausen 1986, 75). Die Familie wird vordergründig definiert als ein kind-zentriertes Gebilde, als eine Stätte bewußter Kindererziehung (vgl. Pohlmann 1997, 157).

Überdies führt das bürgerliche Familienleitbild zu einer bipolaren Neudefinition der Geschlechterrollen; dem Mann wird als Ernährer und Autoritätsperson die außerhäusliche Welt zugewiesen; die Frau erhält als liebevolle Ehefrau und Mutter die Zuständigkeit bzw. Verantwortung nach innen (vgl. Meyer 2002, 402-403).

Der sich im Zuge wohlfahrtsstaatlicher Entwicklungen des 20. Jahrhunderts festigende Typus der Kern- und Kleinfamilie, die in ihren Strukturen an das bürgerliche Familienleitbild anknüpft, wird über einen langen Zeitraum als typische adäquate Organisationsform moderner Industriegesellschaften angesehen [vgl. etwa Parsons 1955; Neidhardt 1975; Gysi 1988] (vgl. Meyer 2002, 402). Aktuelle demographische Entwicklungen verweisen jedoch dezidiert auf den „normativen Geltungsverlust der Familie“ (Meyer 1996, 307) und signalisieren „das Ende ihrer unumstrittenen kulturellen Vorherrschaft“ (Meyer 1996, 307).

Die Privatheit bildet zunehmend bipolare Konstellationen aus; zum einen entwickelt sich ein wachsender Nicht-Familiensektor mit einer stark ansteigenden Zahl von NELG, kinderlosen Paaren und Singles, und zum anderen ein schrumpfender und zunehmend veränderter Familiensektor, der neben der Normalfamilie, nichteheliche Lebensgmeinschaften mit Kindern, Alleinerziehende und Stieffamilien aufweist (vgl. Meyer 1996, 306; Meyer 2002, 429).

„Die demographisch anhaltenden familienstatistischen Entwicklungstrends“ (Nave-Herz 1998, 292) der Neuzeit werden in der Soziologie unter anderem unter dem Aspekt der „Pluralisierung privater Lebensformen“ (Meyer 1996, 306-332; Meyer 2002, 401-432), dem Prozess der „Deinstitutionalisierung“ (Tyrell 1988), im Hinblick auf die „Individualisierungsthese“ (Beck/Beck-Gernsheim 1990) und die zunehmende „Strukturelle Verfestigung der Familie“ (Nave-Herz 1998, 286-315) kontrovers diskutiert. Hinsichtlich dieses Richtungsstreites ist festzustellen, daß der Wandel der Familie aus der Perspektive der Wissenschaft, zum einen als Krise oder Zerfall interpretiert wird. Prominentester Vertreter des Krisenszenarios Familie ist Ulrich Beck, der „im Zuge der rasant fortschreitenden Modernisierungstendenzen, eine prospektiv, sich zunehmend verstärkende Infragestellung der Sinnhaftigkeit der Institution Familie prophezeit“ (Meyer 2002, 199). Hartmann Tyrell unterstreicht kontextuell die Krise der Familie durch den von ihm konstatieren Prozeß der „Deinstitutionalisierung“ (Tyrell 1988, 145); die Deinstitutionalisierungsformel betrachtet Ehe und Familie bis in die 60er Jahre hinein als „>wohlinstitutionalisiert< [Hervorhebung durch den Autor selbst] (Tyrell 1988, 145) - die Zeit danach sieht sie vornehmlich als „Minderung des Institutionellen“ (Tyrell 1988, 145).

Thomas Meyer, ein urteilsfähiger Vertreter der hiesigen Familiensoziologie, warnt jedoch überzeugend vor einer unreflektierten Übernahme radikaler Niedergangs-Prophetie der Institution Familie. Seiner Meinung nach deuten die Transformationsprozesse der Privatheit nicht auf eine Krise oder Gefährdung der Familie hin, sondern lediglich auf einen deutlichen Wandlungsprozess, „„der ein Stück ganz normaler Modernität“ [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Meyer 2002, 200) repräsentiert. Rosemarie Nave-Herz insistiert, entgegen des familialen Krisenszenarios, auf der Kontinuität und Stabilität der Institution Familie und spricht sogar von ihrer „strukturellen Verfestigung“ (Nave-Herz 1998, 286).

Die Institution Familie steht somit auf dem Prüfstand und das Testergebnis erscheint völlig offen. Familie – quo vadis?

Kontextuell soll darüber hinaus in Kapitel drei, unter Berücksichtigung des zeitgeschichtlichen Wandels, die aktuelle Geschlechtsrollensituation in der Familie in den Anfängen des 21. Jahrhunderts herausgearbeitet werden.

Das Ziel der Verfasserin ist es, auf der Basis von sozial-historischem Wissen, modernisierungstheoretischer Kenntnis und aktueller familientheoretischer Konzeption ein fundiertes Gerüst zu erarbeiten, welches im Zentrum der Magisterarbeit als Fundus dienen soll, die Bedeutung der rußlanddeutschen Familie im Migrationsprozeß, im Vergleich zu hiesigen Familienformen transparent zu machen. In der Gegenüberstellung zu der für westliche Industrienationen typischen Pluralisierung privater Lebensformen und der damit korrelierenden demographischen Veränderungen gilt es herauszufinden, ob die rußlanddeutsche Familie und ihre Strukturen in der schwierigen Einwanderungssituation Stabilität und Kontinuität demonstrieren, bzw. assimilative Tendenzen in Richtung der westdeutschen, von Modernität gekennzeichneten Privatheit, feststellbar sind. Darüber hinaus gilt es eine detaillierte und differenzierte Analyse der von Traditionen geprägten Binnenstruktur der Familie [siehe hierzu Schnepp 79ff.], im Zuge der Konfrontation mit den modernen Attributen unserer Gesellschaft, zu erarbeiten.

Der wissenschaftlichen Erörterung wird zum einen die Annahme zu Grunde gelegt, daß die Struktur der rußlanddeutschen Familie, Ähnlichkeiten zu dem, durch starken Privatismus und Familismus gekennzeichneten, einheitlichen Modell der bürgerlich eingefärbten modernen Kleinfamilie der 50er und 60er Jahre aufweist.

Zum anderen wird vermutet, daß das konservative Wertklima und die schwierige Einwanderungssituation dazu führen, daß sich das Binnenklima derselben durch ein hohes Maß an Familienzentriertheit und Kohäsion auszeichnet. Im Zuge dessen soll in der Untersuchung der Aspekt der Religiosität sowie die Zuordnung zu bestimmten bildungsspezifischen Milieuformen Berücksichtigung finden [siehe hierzu Wilkiewicz 1989, 57; 71; Schnepp 79ff.; Dietz/Hilkes 1994, 98-101; Herwartz-Emden 1997]. Außerdem gilt es darüber hinaus als Selbstverständnis, hinsichtlich der Thematik, den aktuellen Forschungsstand miteinzubeziehen.

Schlußendlich fällt der Blick der Verfasserin auf die Rolle der Familie im Integrationsverlauf; wirkt die familiale Struktur der rußlanddeutschen Familie integrationsfördernd oder eher als Integrationshemmnis?

Im Kontext dieser Fragestellung wird das integrationstheoretische Konzept „Einheit in Verschiedenheit“ von Rainer Geißler (2004) zu Grunde gelegt, in welchem eine interkulturelle Integration fokussiert wird.

Entgegen des „assimilativen Integrations-Konzeptes“, das den mainstream der deutschen Migrationsforschung bestimmt, versucht diese Konzeption „unterschiedliche Gruppeninteressen und gesellschaftliche Erfordernisse auszubalancieren“ (Geißler 2004, 295), darüber hinaus „die innovativen und produktiven Potentiale der Verschiedenheit“ zu bedenken (Geißler 2004, 295).

Der Brennpunkt der Magisterarbeit, die empirische Untersuchung in Kapitel vier , verfolgt die Absicht, die Erörterung der Bedeutung der rußlanddeutschen Familie im Migrationsprozeß und die Wirklichkeit ihrer binnenfamilialen Strukturen verstärkt in den Kontext von Herkunfts- und Aufnahmeerfahrung einzubetten.

Im Rahmen eines qualitativen Paradigmas, dessen Durchführung sich auf die Befragung rußlanddeutscher Frauen[8] der Altersstruktur zwischen vierundzwanzig und sechsundsiebzig Jahren beschränkt, hat die Verfasserin das Ziel, mittels problemzentrierter Interviews und einer Gruppendiskussion den Forschungsgegenstand zu ergründen und die ermittelten Ergebnisse zusammenzutragen.

Hinsichtlich des Projektes verweist die Verfasserin darauf, daß sich die Gültigkeit und Reichweite der im fortlaufenden Duktus der Magisterarbeit qualitativ gewonnener Aussagen, „auf die Auswahl-, Erhebungs- und Auswertungseinheiten beschränkt, die in der Studie tatsächlich berücksichtigt wurden“ (Lamnek 2005, 198). Ein Anspruch auf Repräsentativität kann somit nicht erhoben werden. Das durchgeführte Projekt ist deklariert als Pilotstudie, die hinsichtlich der gewonnenen Ergebnisse auf das Land Nordrhein-Westfalen, Region Siegen, eingegrenzt wird.

Zentrale Fragestellungen der empirischen Untersuchung richten ihren Fokus auf den Stellenwert der rußlanddeutschen (Groß-) Familie im Migrationsprozeß und ihre Wandlungsfähigkeit, Sozialisationsziele- und Erziehungspraktiken der Eltern, die Rolle der Ehefrau und Mutter, Rollendifferenzierung und Arbeitsteilung sowie allgemeine Wertorientierungen und die Relevanz ethnisch-religiöser Werte.

Schlußendlich dient Kapitel fünf dazu, die zentralen empirischen Ergebnisse einer abschließenden Betrachtung zu unterziehen.

1. Historiographie

Im Zuge der Proklamation einer verstärkten interkulturellen Verständigung, verfolgt die Verfasserin der Magisterarbeit „Aussiedlerfamilien zwischen Tradition und Moderne“ in den nachfolgenden Ausführungen zunächst das Ziel, über die historischen Wurzeln und die Gründe des Exodus der rußlanddeutschen Ethnie zu informieren; zudem wird in einem kurzen Exkurs, auf die Anfänge rußlanddeutscher Migration in die Bundesrepublik verwiesen.

1.1. Die Kolonisierung durch die Zaren

Ende des 17. Jahrhunderts begann die systematische Einwanderung von deutschsprachigen Siedlern durch die Öffnung Rußlands durch Peter I. (1682-1725). Der Zar, ein Bewunderer der deutschen Technik und Kultur war bestrebt, durch die angeworbenen Funktionseliten, wie Offiziere, Wissenschaftler, Ärzte, Lehrer, Handwerker und Baumeister, die sich vorwiegend in St. Petersburg und Moskau niederließen, die russische Gesellschaft zu modernisieren. Neben dieser relativ kleinen, der sozialen Oberschicht entstammenden Gruppe, wurde von Katharina II. (1762-1796) in den Jahren 1762 und 1763 eine größere Gruppe bäuerlicher Herkunft angeworben. Die Intension der Zarin war der wirtschaftliche Aufschwung und eine Steigerung der Produktivität „durch eine Vermehrung ihrer Untertanen, und die Ausdehnung der Anbauflächen durch Urbarmachung und Besiedlung von brachliegenden Steppengebieten an der mittleren Wolga“ (Ingenhorst 1997, 20). Durch den Zuzug der deutschen Kolonisten sollten neue, von Fortschritt gekennzeichnete Methoden in die rückständige russische Landwirtschaft einfließen; diese als Musterkolonien deklarierten Zusammenschlüsse beinhalteten die Zielsetzung, den russischen Bauern Anreiz zu sein, ihren landwirtschaftlichen Betrieb zu modernisieren.

Steuerliche Vorteile, Religionsfreiheit und die Befreiung vom Militärdienst veranlasste viele Deutsche die etwa dreitausend Kilometer lange, von großen Strapazen gekennzeichnete Reise nach Rußland anzutreten. Die fremden klimatischen Bedingungen und die damit einhergehende andersartige Bewirtschaftung der harten Böden in der baumlosen Steppe, führten anfangs zu disaströsen Mißernten und Hungersnöten. Diese Zeit der Schwierigkeiten und Mißwirtschaft wurde jedoch von den Kolonisten überwunden;

allgemeine Privilegien, eine fortgeschrittene Produktionsweise und vor allem der Fleiß und die Disziplin der Immigranten führten dazu, daß Ende des 18. Jahrhunderts ein prosperierendes Wachstum in den Kolonien verzeichnet werden konnte. Die Zeit des Aufschwungs kennzeichnete sich durch wirtschaftliche und bevölkerungsmäßige Expansion und setzte sich bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts fort. Die deutsche Minderheit entwickelte sich im Zarenreich zu „einer der politisch, wirtschaftlich und finanziell einflußreichsten Gruppen“ (Ingenhorst 1997, 28).

Die Privilegierung der dt. Kolonisten in politisch, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht und der damit einhergehende Wohlstand sowie demgegenüber die tiefgreifende Krise der russischen Bauernschaft förderten jedoch die Entstehung eines russischen Nationalismus. Seitens der nationalistischen Presse wurden die deutschen Bauern als Vorreiter des mächtigen deutschen Reiches angesehen und als potentielle Vaterlandsverräter stigmatisiert. Dies war der Beginn einer antideutschen Agitation, in deren Folge die deutsche Minderheit durch die zaristische Führung von zahlreichen Restriktionen getroffen wurde. Die bis dato geltende politische und rechtliche Autonomie wurde aufgehoben, die dt. Sprache als Amtssprache abgeschafft und der Zwang zum Erlernen der russischen Sprache ausgesprochen. Die Russifizierungswelle beinhaltete weiterhin die Aufhebung der Befreiung vom Militärdienst, was für viele Bauernfamilien den wirtschaftlichen Ruin bedeutete. Außerdem wurden der Grundbesitz und das Wahlrecht für nationale Minderheiten eingeschränkt.

Neben der russischen Innenpolitik spielte für den Marginalisierungsschub der Rußlanddeutschen, wie schon vorstehend angemerkt, die Gründung des zweiten Deutschen Reiches (Bismarck-Reich) eine dezidierte Rolle. Die außenpolitischen Beziehungen der beiden Staaten, die sich durch eine antagonistische Interessenspolitik kennzeichneten, wirkten sich fortan negativ auf die Situation der rußlanddeutschen Ethnie aus.

Die Beziehungen der Rußlanddeutschen zum zaristischen Staat verschlechterten sich zusehends und hatten durch die zahlreichen politischen und sozialen Repressionen eine Auswanderungswelle zur Folge (vgl. Ingenhorst, 18-32).

1.2. Der erste Weltkrieg (1914 - 1918)

Der erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 führte zu einem weiteren Segregationsschub und somit zu einer Zuspitzung der Krise.

Die rußlanddeutsche Minderheit wurde nun einer Nation zugerechnet, die mit dem zaristischen Rußland Krieg führte, „obwohl immerhin 300.000 Soldaten in der russischen Armee kämpften“ (lexikon.freenet.de 2005, 4). Erstmals setzten aufgrund ihrer deutschen Herkunft paradigmatische Zwangsmaßnahmen gegenüber ganzen rußlanddeutschen Kolonien ein. Liquidationsgesetze folgten, die Enteignungen und Deportationen zur Folge hatten, wobei viele der Betroffenen die Strapazen derselben nicht überlebten. Deutsche Schulen wurden geschlossen, das Erscheinen deutscher Zeitungen verboten, ebenso in der Öffentlichkeit Deutsch zu sprechen.

Das Zarenreich, seine feindliche Haltung und die damit verbundenen Diskreditierungen bedingte, daß die Familie als Institution für die rußlanddeutsche Ethnie zunehmend ‚Rückzugsort, Schutzraum und Ressource’ [zitiert nach Westphal 1999, 128] (Geißler 2002, 71) wurde (vgl. Ingenhorst, 32-33).

1.3. Die Oktoberrevolution

1917 kam die Oktoberrevolution mit der das Zarenreich zur Sowjetunion wurde. Die Oktoberrevolution bedeutete für die Rußlanddeutschen eine erneute Zäsur; auch für sie ergaben sich Veränderungen hinsichtlich ihrer bisherigen Lebensweise, der sozialen und politischen Strukturen sowie im Rahmen der Besitz und Produktionsverhältnisse. Zunächst schien sich jedoch eine Verbesserung ihrer Situation zu ergeben; die Liquidationsgesetze wurden außer Kraft gesetzt und somit viele Rußlanddeutsche vor Enteignung, Deportation und Ruin bewahrt (vgl. Ingenhorst, 33-42).

„Die von Lenin 1917 erlassene Gleichberechtigung aller Nationen und die Bildung des autonomen Gebietes der Wolgadeutschen (1918) sowie sechs Jahre später die Bildung der „Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen“ ( Schnepp 2002, 25) führten zu einer Entspannung der vormals sehr kritischen Lage.

1.4. Der zweite Weltkrieg (1939 – 1945)

Unter der despotischen Herrschaft Stalins begann im Jahre 1929 die zwangsweise Kollektivierung der Landwirtschaft. Dies führte im Jahre 1932/33 zu einer dramatischen Hungersnot, der auch unzählige Rußlanddeutsche, insbesondere der bäuerlichen Mittelschicht, zum Opfer fielen (vgl. lexikon.freenet.de 2005, 5).

Leszek Wilkiewicz (1989) beschreibt in seinem Buch „Aussiedlerschicksal: Migration und familialer Wandel“ sehr eindrucksvoll und akribisch die letzte und schlimmste Phase der sukzessiven Entrechtung dieser Ethnie, in einem generationenlangen Prozeß der ‚Entkolonialisierung‘ [zitiert nach Schlau 1979, 173] (Wilkiewicz 1989, 109).

Als direkte Reaktion auf den Einmarsch Hitlers am 22. Juni 1941 wurden alle im westlichen Teil der Sowjetunion lebenden Rußlanddeutschen nach Sibirien, Mittelasien und Kasachstan deportiert. Hunderttausende Deutsche waren betroffen - ihre ethnische Zugehörigkeit genügte, um sie der politischen Illoyalität zu bezichtigen.

„Das Schicksal der Wolgadeutschen markiert eines der eklatantesten Beispiele totalitärer ‘Sündenbockstrategien‘ [Hervorhebung durch den Autor selbst] der sowjetischen Nationalitätenpolitik [i.O. kursiv]“ (Wilkiewicz 1989, 100). Aufgrund eines Dekrets vom 28. August 1941 wurden sie pauschal der Spionage und Sabotage angeklagt [siehe hierzu Pinkus, 1981, 11f.]; die Modellrepublik der ASSR[9] der Wolgadeutschen wurde aufgelöst und ca. 400.000 Menschen verschleppt.

Insgesamt erforderten die Deportationen, welche die rußlanddeutsche Volksgruppe über das weite Gebiet der Sowjetunion zwangsverstreute, unzählige Opfer, vor allem unter den Alten und Kindern [siehe hierzu Pinkus 81, 13]. Familien wurden zerrissen und von ihren Familienoberhäuptern getrennt, die ihren Kriegsdienst, unter menschenunwürdigenden Bedingungen, in Arbeitsarmeen ableisten mußten.

Der zweite Weltkrieg wird somit zum „‘ traumatischen’ [Hervorhebung durch den Autor selbst] Kernerlebnis [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Wilkiewicz 1989, 95) der rußlanddeutschen Minderheit. „Die Erfahrung unverschuldeter Entrechtung und einer Pariaexistenz, deren Inhalt ‚harte Arbeit, Hunger und Kälte und ewiger Kampf um die nackte Existenz‘ [zitiert nach Roemmich 1958, 16]“ (Wilkiewicz 1989, 102) war, ist ein unvergessenes Kapitel des rußlanddeutschen Familienmythos. Diese Ära rußlanddeutscher Familiengeschichte hat sich bis in die Gegenwart prägend auf die rußlanddeutsche Familie ausgewirkt (vgl. Wilkiewicz 95ff.).

1.5. Das Ende der UDSSR

Der Tod Stalins und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion führten zu einer Verbesserung der Situation der Rußlanddeutschen. Im Jahre 1955 wurde die für sie geltende Rechtsbeschränkung aufgehoben.

Trotz der Tatsache, daß sie von der pauschalen Schuldzuweisung des Vaterlandsverrats freigesprochen wurden, „so war es ihnen nicht gestattet, in die alten Siedlungsgebiete zurückzukehren“ (Schnepp 2002, 25). Als Angehörige einer verfeindeten Nation, die verantwortlich ist, für die Auswüchse und das unermeßliche Leid des 2. Weltkrieges, wurden die Rußlanddeutschen nunmehr in einer russischen Umgebung weiteren Diskriminierungen ausgesetzt und als Faschisten und Fritze stigmatisiert.

Erst die deutschen Ostverträge und die Liberalisierung in der Sowjetunion ermöglichten den Rußlanddeutschen, in die Bundesrepublik auszureisen (vgl. Schnepp 25-26).

1.6. Der Beginn der Aussiedler-Migration in die Bundesrepublik

Die zunächst geringe Zahl der Zugereisten, die sich als mobile und motivierte Erwerbspersonen mit anschlußfähigen Qualifikationen gut in den Arbeitsmarkt integrieren ließen und halfen, im Zuge wirtschaftlicher Prosperität, regionale Engpässe zu mildern (vgl. Geißler 2002, 71) , blieb von der Öffentlichkeit fast unbemerkt. Da es in den Ländern des Warschauer Paktes keine Reisefreiheit gab, wurde die Aussiedlung erschwert und das Kontingent der Ausreisewilligen durch die allgemeinen, von Restriktionen gekennzeichneten Ausreisemodalitäten, auf ein Minimum eingegrenzt.

In der Zeit des kalten Krieges erwiesen sich die zugereisten Angehörigen der rußlanddeutschen Ethnie zudem für die bundesdeutsche Politik funktional, da man verknüpft mit ihrem Schicksal in den Ländern des ehemaligen Ostblocks doch immer wieder auf die dort praktizierten Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückungspraktiken verweisen konnte.

Die Kursänderung in der sowjetischen Politik im Jahre 1985 und die damit einhergehende Öffnung der Grenzen des Ostblocks, führten zu einer deutlichen Erleichterung des formalen Zuwanderungsprocedere (vgl. Ingenhorst, 8-9). Bald schon verzeichnete man in der Bundesrepublik utopische Aussiedlerzahlen, die neben den Übersiedlern und Asylbewerbern, das geregelte Aufnahmeverfahren drastisch überforderten. „Zwischen 1950 und 2001 wurden mehr als 4,2 Millionen Aussiedler [...] aufgenommen“ (Geißler 2002, 70), wobei seit Beginn der 90er Jahre die Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion dominieren (vgl. Baaden 1997,22ff.). Ihren Höhepunkt erreichte die Zuwanderung im Jahre 1990, in welchem 400.000 einreisende Rußlanddeutsche registriert wurden (vgl. Tröster 2004, 4).

Die zeitweise Unterbringung der Menschenmassen in Notunterkünften bedingte eine Zunahme des Interesses von Politik, Medien und Öffentlichkeit. Die Inszenierung der Medien von Schreckensszenarien der Überfremdung und einer neuen Völkerwanderung setzte ein. Der Spiegel sprach von einem „‚Ansturm der Armen‘ (Spiegel, 1991) und machte dabei keinen Unterschied zwischen Flüchtlingen, Aussiedlern und Asylanten“ (Ingenhorst 1997, 9), worauf im Zuge dieser Stimmungsmache die Akzeptanz der Bevölkerung allen Einwanderungsgruppen gegenüber bedeutsam sank (vgl. Ingenhorst 1997, 8-9).

2. Moderne Gesellschaft und Modernisierung

Die Modernisierung, die als gesellschaftlicher Prozess der Leistungssteigerung in den verschiedenen, funktional definierten sozialen Subsystemen bezeichnet wird, hat sich in den Nachkriegsjahren nochmals dynamisiert und verstärkt; die systemtheoretische Perspektive konstatiert eine vielfältige positive Rückkopplung der Modernitätsfolgen. Die Dynamik und Durchschlagskraft des Modernisierungsprocedere wird von namhaften Autoren metaphorisch als „Wohlstandsexplosion [Hervorhebung durch die Verfasserin]“ (Geißler 1996) oder „Wirtschaftsboom [Hervorhebung durch die Verfasserin]“ (Kaelble 1992) bezeichnet.

Der Modernisierungsschub mit weitreichenden Tendenzen zur Säkularisierung, Individualisierung, Pluralisierung und Rationalisierung korreliert mit signifikanten Novellierungen innerhalb der Varianten des privaten Zusammenlebens. Die Standardversion von Familie, das Ideal des bürgerlichen Familienmodells, verliert seinen Monopolanspruch und wird als Lebensform zunehmend hinterfragt, diskutiert und zur individuellen Disposition gestellt. Parallel zur wirtschaftlichen und technologischen Revolution vollzieht sich somit eine leise, aber kontinuierliche Revolution der Lebenswelt.

Insofern soll im Rahmen dieser Magisterarbeit das Familiensoziologische Theorem, mit seiner theoretischen Durchdringung und empirischen Erforschung des familialen Binnenklimas rußlanddeutscher Aussiedler, eine Anbindung an den Diskurskontext der Modernisierungstheorie finden.

2.1. Modernisierungstheoretische Definitionen

„Wenn im Folgenden von Modernisierungstheorie gesprochen wird, so ist vorauszuschicken, daß dieses theoretische Instrumentarium kein geschlossenes Theoriegebäude, sondern ein ‚Agglomerat von ähnlichen Vorannahmen, Methoden und Argumentationslinien‘ [zitiert nach Mergel 1997, 205] ist, die darauf abzielen, den Weg in die Moderne zu begreifen und den ‚sozialen Wandel westlicher Gesellschaften zu beschreiben‘ [zitiert nach Immerfall 1991/92, 14]“ (Uhl 2005, 1).

Reinhard Bendix verweist auf die „intellektuelle Tradition“ (Lepsius 1977, 12) der Modernisierungsforschung, „die um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert begründet wurde und bis heute die grundlegenden Erklärungsprogramme und Analysekategorien prägt“ [siehe hierzu Bendix 1966/67, 292-346] (Lepsius 1977, 12).

Innerhalb der neuen theoretischen Diskussion um die Modernisierung wird die Modernisierungstheorie als eine sich ‚vornehmlich mit tiefgreifenden Wandlungsprozessen langfristiger Art, die zumindest ex post eine klare Richtung haben‘ [zitiert nach Zapf 2001, 493] (Geißler 2002, 433), betraute Konzeption verstanden. En détail wird vor allem der westliche Modernisierungsprozess als ein Suchprozess begriffen „der entweder ungeplant eine Richtung genommen (N. Elias) oder am generellen Leitfaden der Differenzierung durch Versuch und Irrtum umweltadäquate, d.h. überlebens- und wachstumsfähige institutionelle Lösungen gefunden hat“ (Zapf 2001, 494).

Im Kontext dieser Magisterarbeit wird vor allem mit einem analytischen Verständnis von Modernisierung operiert, daß von Kaufmann inhaltlich sehr anschaulich beschrieben worden ist:

„Die gesellschaftlichen Transformationen der Neuzeit lassen sich in ihrer allgemeinsten Form beschreiben als fortschreitende funktionale Differenzierung und strukturelle Verselbständigung von Handlungszusammenhängen, bei gleichzeitiger Ausdehnung der räumlichen Vernetzungen. Daraus resultiert eine wachsende Komplexität der gesellschaftlichen Zusammenhänge und eine zunehmende Individualisierung der Lebensverhältnisse“ (Kaufmann 1993, 27).

Dem Modernisierungsprocedere inhärent ist also ein Prozeß kontinuierlicher sozialer Differenzierung von Rollen und Institutionen, welcher seinen Ausdruck findet in „wachsende(r) Arbeitsteilung, Spezialisierung, Ausdifferenzierung ehemals verbundener „Funktionen“ [Hervorhebung durch den Autor selbst], institutionelle Autonomisierung, Fragmentierung, Atomisierung und Anomie einzelner Lebensbereiche“ (Lepsius 1977, 10f.).

2.2. Ein Rückblick in die Geschichte der Modernisierungstheorie

In den Grundannahmen der sich zum Ende des 19. Jahrhunderts als Disziplin formierenden Soziologie, läßt sich bereits die Relevanz modernisierungstheoretischer Vorstellungen für die (Selbst-)beschreibung moderner Gesellschaften erkennen, in der Begriffe wie ‚Fortschritt‘, ‚Entwicklung‘ und ‚Krise‘ von signifikanter Bedeutung sind [zitiert nach Lichtblau 1991, S. 22; Lichtblau 1996] (vgl. Uhl 2005, 1).

Die fundierte Prägung und Etablierung des Modernisierungsbegriffs im soziologischen und politikwissenschaftlichen Schrifttum vollzieht sich jedoch erst in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Daniel Lerner verwendet den Terminus der Modernisierung 1958 im Titel seines Werkes „The passing of traditional society: Modernizing the Middle East“ und legt somit den Grundstein für seine kontextuelle Einordnung.

In dieser ersten Phase der Verwendung modernisierungstheoretischer Vorstellungen wird der Begriff also zum einen bestimmt, durch eine Kontrastierung zum Begriff der Traditionalität; zum anderen nimmt der Terminus Bezug auf die soziale und politische Entwicklung in unterentwickelten Gesellschaften [siehe hierzu Lepsius 1977, 11].

Im Zuge der Anfänge modernisierungstheoretischer Praxis verweist Rainer Geißler auf die Intension, „so genannte „unterentwickelte Länder“ [Hervorhebung durch den Autor selbst] mit der modernen nordamerikanischen „Erfolgs- und Führungsgesellschaft“ [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Geißler 2002, 434) wertend zu vergleichen.

Innerhalb des kritischen Modernisierungsdiskurses der 60er Jahre wurde der Modernisierungstheorie diesbezüglich eine „ethnozentrische, evolutionistische und harmonistische Verengung der Perspektive vorgeworfen“ (Geißler 2002, 435); man kritisierte die statisch-unreflektierte Orientierung am westlichen Vorbild und die damit verbundene normative Fixierung der amerikanischen bzw. der westlichen Industriegesellschaft als Ideal von Modernität.[10] Im Sog des Westens impliziere die Modernisierungstheorie einen linear-progressiven Weg des sozialen Wandels und übersehe diesbezügliche widersprüchliche Entwicklungen und Schattenseiten (z.B. Umweltgefährdungen, Rüstungswettbewerbe und etwaige wirtschaftliche Außenwirkungen der westlichen Industrieländer) (vgl. Geißler 2002, 435).

Der sich etablierende, neue Leitbegriff der Modernisierung wird zu Beginn der 60er Jahre in dieser Bedeutung allgemeingültig aufgegriffen; eine Erweiterung in der Semantik zeichnet sich dann Mitte der 60er Jahre ab:

(D)er Ausdruck Modernisierung (wird) aus seiner Beziehung zu den Entwicklungsländern gelöst und zu einer universellen Kategorie ausgeweitet.

Man spricht jetzt auch von der Modernisierung westlicher Industrieländer im Prozess ihrer historischen Entwicklung wie im Verlauf der gegenwärtigen Veränderung ihrer Sozialstruktur (Lepsius 1977, 10f.).

Der Terminus Modernisierung hat sich somit zu einer Sammelbezeichnung für soziale und politische Entwicklungen der verschiedensten Art entwickelt.

Damit ist Modernisierung nur noch rudimentär von der Bezeichnung sozialer Wandel zu unterscheiden, der alle Veränderungen in einer Gesellschaft umfaßt – Modernisierung könnte als eine Unterkategorie von sozialem Wandel bezeichnet werden (vgl. Lepsius 1977, 11-12).

2.3. Reformierte modernisierungstheoretische Konzeptionen

Reformierte modernisierungstheoretische Konzeptionen der Neuzeit unterliegen einer Erosion des zuvor vielfach demonstrierten „ naive(n) evolutionistische(n) Optimismus“ (Geißler 2002, 435); sie kennzeichnen sich durch eine zunehmend theoretische Differenziertheit und zeigen sich gegenüber den Mißerfolgen der Moderne sensibler und kritischer.

Dieser neue analytische Zugang zum Ablauf von Modernisierungsprozessen wird auch von Dieter Rucht bestätigt, der die Modernisierung als ‚ein(en) variantenreiche(n) und keineswegs lineare(n) Vorgang, gekennzeichnet von ungleichzeitigen Abläufen, Rückschritten und widersprüchlichen Teilentwicklungen‘ [zitiert nach Rucht 1994, 60] (Geißler 2002, 435) bezeichnet.

„Auf der Basis konvergierender Grundrichtungen des sozialen Wandels werden durchaus eine begrenzte Anzahl ‚unterschiedlicher Entwicklungspfade [zitiert nach Zapf 1996, 63]’ in Rechnung gestellt“ (Geißler 2002, 435), wobei Wolfgang Zapf, der prominenteste Vertreter neuerer modernisierungstheoretischer Konzeptionen, den systematischen Kern der Modernisierung als ‚Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Anpassungs- und Selbststeuerungskapazitäten (sieht), d. h. als positive Bilanz von steigenden Ressourcen und steigenden Belastungen‘ [zitiert nach Zapf 1995, 393] (Geißler 2002, 436). Diese systemische Perspektive von Wolfgang Zapf wird von Rainer Geißler in seiner theoretisch-analytischen Abhandlung „Grundlinien der Entwicklung zu einer modernen Sozialstruktur“ durch eine Akteursperspektive ergänzt, die auch die Bedürfnisstruktur der Menschen fokussiert:

Die treibende Kraft der Modernisierung ist hiernach die Steigerung der Fähigkeit einer Gesellschaft, die Bedürfnisbefriedigung möglichst vieler Menschen durch ein bestimmtes Arrangement ihrer sozialen Wirkungszusammenhänge zu erhöhen, d. h. einer immer größeren Mehrheit eine positive Bilanz von Befriedigungen (Gratifikationen) und Versagungen zu ermöglichen (Geißler 2002, 436).

Trotz der skizzierten Einwände und Doppelbödigkeiten, welche die Geschichte der Modernisierungstheorie widerspiegelt, ist die modernisierungstheoretische Perspektive dennoch, so Rainer Geißler, bestmöglich geeignet, die Entwicklung zu einer modernen Sozialstruktur – in dem fortlaufenden Duktus, vornehmlich die kapitalistische Entwicklung der alten Bundesrepublik und die damit verknüpften Individualisierungs-, Pluralisierungs- und Rationalisierungstendenzen - in allen Sphären von Gesellschaft, Staat und Kultur präziser begreifen und erklären zu können (vgl. Geißler 2002, 434-436).

2.4. Modernisierung in Westdeutschland

In Anlehnung an die modernisierungstheoretisch unterlegte Konzeption von Rainer Geißler (2000, 434-439) „Grundlinien der Entwicklung zu einer modernen Sozialstruktur“ möchte ich nachstehend, im Rahmen meiner analytischen Ausrichtung der Thematik „Aussiedlerfamilien zwischen Tradition und Moderne“, in komprimierter Form die wichtigsten Entwicklungen sozialstruktureller Modernisierung in Westdeutschland thematisieren und bilanzieren. Die Bearbeitung der Ergebnisse der sozialstrukturellen Modernisierung der alten Bundesrepublik begründet sich darin, daß sich die empirische Untersuchung dieser Arbeit ausschließlich auf die Region Siegen in NRW, einem Bundesland in Westdeutschland bezieht.

Die gesellschaftliche Entwicklungsrichtung der alten Bundesländer und ihre elementaren Novellierungen sollen im Rahmen dieser Magisterarbeit den Fundus liefern für die analytische Erarbeitung von Gemeinsamkeiten, Unterschieden und Nuancen der Assimilation zwischen westdeutschen Familienformen und der rußlanddeutschen Familie im Migrationsprozeß.

Nachfolgend werden die wichtigsten Innovationen im Kontext westdeutscher Modernisierungsprozesse genannt:

1. Leistungs- und Wohlstandsgesellschaft:

Die kapitalistisch-liberale Marktwirtschaft unserer Gesellschaft und die pluralistische Demokratie bedingen einen eklatanten Anstieg von Lebensstandard und Massenkonsum und eine daraus erwachsene soziale Sicherheit, von der durch die sozialstaatliche Umverteilung fast alle Schichten profitieren. Folgenreiche Entwicklung ist unter anderem der kollektive soziale Aufstieg der Arbeiterschicht.

2. Wissens- und Bildungsgesellschaft:

Wissenschaftlicher und technischer Fortschritt erhöhen kontinuierlich den Bedarf an fundierter Qualifikation; der zunehmend strukturelle Bedarf an Bildung führt zu einer „Höherqualifizierung [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Geißler 2002, 334) der Bevölkerung, d. h. „immer größere Teile der Bevölkerung verfügen über mittlere oder höhere Bildungsabschlüsse bzw. Qualifikationen“ (Geißler 2002, 334).

3. Industrielle Dienstleistungsgesellschaft:

Produktivitätssteigerung und Wirtschaftswachstum sowie damit in Wechselwirkung stehende soziokulturelle Neuheiten führen dazu, daß sich Beschäftigung und Wertschöpfung vom primären und sekundären auf den tertiären Produktionssektor verlagern, „wobei ein großer Teil der Dienstleistungen direkt oder indirekt auf die Güterproduktion bezogen ist“ (Geißler 2002, 437).

4. Umschichtungen nach oben und höhere Aufwärtsmobilität, aber fortbestehende

Mobilitätsbarrieren:

Die Bildungsexpansion und die Ausweitung des tertiären Sektors führen zu einer Expansion in den mittleren und oberen Bereichen des positionalen Gefüges. Diese Expansion „übt eine Sogwirkung auf Teile der mittleren und unteren Schichten aus, und erhöht deren Aufstiegschancen“ (Geißler 2002, 438).

Schichtspezifische Mobilitätsbarrieren zeigen sich jedoch nach wie vor veränderungsresistent.

5. Lockerung und Pluralisierung, aber keine Auflösung des Schichtgefüges:

„Nicht die Auflösung der Klassen und Schichten, sondern die Herausbildung einer dynamischeren, pluraleren und auch stärker latenten Schichtstruktur ist das Ergebnis des Modernisierungsprozesses“ (Geißler 2002, 140).

Zunehmende Individualisierung und Diversifizierung von Lebenslagen und Lebensstilen lockern die Zusammenhänge von Soziallagen und Subkulturen/Lebenschancen, führen jedoch nicht zu einer Auflösung des Schichtgefüges.

6. Pluralistische Funktionseliten mit eingeschränkter Macht:

Die gesellschaftlichen Funktionsbereiche werden von pluralen, teilautonomen Funktionseliten geführt, die sich durch eine große Bandbreite politischer und weltanschaulicher Orientierungen auszeichnen.

Der Pluralismus der Führungsgruppen spiegelt den funktionalen Differenzierungscharakter und die relative Autonomie der unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilbereiche wider.

7. Vertikale soziale Ungleichheiten:

Vertikale soziale Ungleichheiten verlieren durch den Anstieg von Lebensstandard und Bildung an sozialpolitischer Brisanz, bleiben jedoch, schichtspezifisch variierend, im Hinblick auf Einkommen, Vermögen und Bildung erhalten.

Die Funktionalistische Theorie sozialer Ungleichheit verweist darauf, daß ein gewisses Maß institutionalisierter Ungleichheit der Sicherstellung der sozioökonomischen Leistungskraft unserer Gesellschaft dient.

8. Dynamische, sozial zersplitterte Randschichten bzw. 85-%-Gesellschaft:

Wirtschaftswunder, Wohlstandsexplosion und der Sozialstaat haben zwar zu einer quantitativen und qualitativen Veränderung der Armut geführt, konnten jedoch die Randschichten, die an bzw. unter der relativen Armutsgrenze leben letztendlich nicht beseitigen. Ursächlich dafür verantwortlich ist unter anderem die strukturelle Arbeitsmarktkrise, die den marktwirtschaftlichen Weg in die Moderne begleitet.

Die Armut der Postmoderne kennzeichnet sich durch eine wachsende „Armutskluft [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Geißler 2002, 255), welche impliziert, daß der Abstand im Lebensstandard zwischen Armen und dem Durchschnitt der Bevölkerung sich kontinuierlich ausweitet.

Repräsentative Daten verweisen jedoch auch auf die hohe Fluktuation am Rand der Gesellschaft, die besagt, daß sich das Gros der Betroffenen wieder kurzfristig aus ihrer Randständigkeit befreien kann, und somit die Ausprägung einer „„Subkultur der Randständigkeit “ [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Geißler 2002, 267) verhindert wird.

Mit Beginn der 60er Jahre entstand eine zweite vielgestaltige und facettenreiche Randschicht der ethnischen Minderheiten. Den Randschichten inhärent sind eine starke Zersplitterung, hohe Fluktuationstendenzen und eine anomische Symptomatik, so daß keine eigenständige politische Kraft entwickelt werden kann.

9. Verringerung der sozialen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern:

Die soziale Ungleichheit zwischen Frauen und Männern wird im Bereich der Bildung, Arbeitswelt und in der Politik zunehmend entlegitimiert. Dieser emanzipatorische Trend der Moderne polarisiert jedoch zu den, innerhalb der Familie vorherrschenden, von bürgerlich-nostalgischen Vorstellungen ummantelnden, Rollenbildern, die sich als annähernd veränderungsresistent erweisen.

Dieser Status-quo verwundert insofern, da im Kontext der Rhetorik der Gleichheit, Frauen und Männer gleichermaßen mehrheitlich für eine geschlechtliche Gleichstellung eintreten.

10. Durchsetzung und Verlust des Monopols der bürgerlichen Familie sowie Lockerung und Differenzierung der Formen des privaten Zusammenlebens:

Im Rahmen privater Transformationsprozesse büßt das bürgerlich eingefärbte Familienmodell, dessen Institutionalisierung die Wohlstandsgesellschaft durch die Angleichung der materiellen Lebensbedingungen für alle sozialen Schichten bedingte, seine Monopolstellung ein und tritt in Konkurrenz zu alternativen Formen des privaten Zusammenlebens.

Entgegen vielfach proklamierter radikaler Niedergangs-Prophetie, bleibt jedoch das bürgerliche Familienleitbild für die Mehrheit der Bevölkerung Fixpunkt und Leitbild familialer Orientierung, wenn auch in einer von Wandlung unterzogenen Form:

„die Zahl der Kinder nimmt ab, Kinder erlangen eine größere Selbstständigkeit gegenüber den Eltern, die Fixierung der Frau auf die Familie lockert sich (und) starre Formen des familialen Zusammenhalts verwandeln sich in ‚ein bewegliches Gehäuse mit kündigungsbereiten Mitgliedern‘“ [zitiert nach von Trotha 1990, 470] (Geißler 2002, 439).

11. Geburtenrückgang – steigende Lebenserwartung – Alterung:

Der Modernisierungsprozess ist durch signifikante demographische Veränderungen gekennzeichnet, die in einem Einbruch der Geburtenziffern und einer steigenden Lebenserwartung ihren Ausdruck finden. Die drohende Vergreisung unserer Gesellschaft erfordert eine Modifikation der sozialen Sicherungssysteme und führt zu einem langfristigen Bedarf an Arbeitsmigranten, die durch ihre Zuwanderung einen demographischen Entlastungseffekt erzeugen.

12. Multiethnische Gesellschaft

Deutschland als Wohlstandsgesellschaft assoziiert bei Menschen in anderen Gesellschaften mit defizitären Lebensbedingungen die Vorstellung von einer reichen Nation, eines Landes, wo metaphorisch gesprochen, Milch und Honig fließt, und übt entsprechend eine starke Sogwirkung aus.

Deutschland als ursprünglich monoethnische Gesellschaft entwickelt sich durch die hohen Einwanderungszahlen zu einer multiethnischen Gesellschaft, einem Einwanderungsland modernen Typs.

Schlußendlich besteht durch die Einwanderungen die Möglichkeit, einen Ausgleich hinsichtlich der negativen Folgen der natürlichen Bevölkerungsbewegung zu schaffen (vgl. Geißler 2002, 436-439)[11].

Im Zuge des Modernisierungsprocedere sind zwei weitere Modernisierungsmerkmale zu nennen, die von Rainer Geißler in seiner analytischen Abhandlung nicht aufgegriffen werden, jedoch von elementarer und zentraler Wichtigkeit für die zu vertiefende Thematik und ihre Ausführungen sind:

1. Wertewandel

Das Wertesystem der unmittelbaren Nachkriegszeit war durch ‚das Zweck- und Lebensdienliche bestimmt’ [zitiert nach Klages 1988, 43] (Hammes 2002, 41). Innerhalb des Wertesystems der Wiederaufbauphase dominierten ‚(d)ie Erziehung zu Gehorsam und zu Unterordnung und die sogenannten Sekundärtugenden wie Ordnungsliebe und Fleiß’ [zitiert nach Klages/Gensicke 1994, 7] (Hammes 2002, 41).

Seit Beginn der 60er Jahre bis in die erste Hälfte der 70er Jahre ist ein deutlicher Abbau dieser „Pflicht- und Akzeptanzwerte( ) (gesellschafts- und selbstbezogene Werte)“ (Hammes 2002, 52) zu konstatieren und eine gleichzeitige Expansion von „Selbstentfaltungswerten (idealistisch gesellschaftskritische, hedonistische und individualistische Werte)“ (Hammes 2002, 52) festzustellen (vgl. hierzu Klages 1984, 17 f.; Hammes 2002, 44; Hammes 2002, 51).

Die Wertwandelforscher Helmut Klages und Thomas Gensicke, deren theoretischer Erklärungsansatz zum Wertewandel vorstehend im Ansatz skizziert wurde, verweisen darauf, daß nach einer kurzzeitigen Stagnationsphase dieses Wertwandelschubes, seit Beginn der 80er Jahre eine erneute Veränderung der Wertestruktur der Bevölkerung sichtbar ist, die jedoch weniger offensichtlich verläuft als der vorausgegangene Prioritätenwechsel [siehe hierzu Klages/Gensicke 1994, 6-7; Hammes 2004, 44; 51ff.].

Der Soziologe Ronald Ingelhart (1977) hat für den paradigmatischen Wertewandel der 60er Jahre den Begriff der „stillen Revolution“ geprägt.

In seiner Theorie gesellschaftlichen Wertewandels prononciert er, daß das Wirtschaftswachstum und der daraus sich entwickelnde Wohlstandsschub der Industriegesellschaften zu einer allmählichen Verschiebung von >>materialistischen<< [Hervorhebung durch den Autor selbst] Werten, bei denen die Betonung vor allem auf ökonomischer und körperlicher Sicherheit lag, hin zu >>postmaterialistischen << [Hervorhebung durch den Autor selbst] Prioritäten, die Selbstverwirklichung und Lebensqualität betonen führt (Inglehart 1998, 13).

2. Säkularisierung[12]

Matthias Junge verweist in seinem Aufsatz „Religiöser Wandel und Wertewandel“ (2002, 183-197) darauf, daß im Verlauf des Modernisierungsprocedere in unserer Gesellschaft ein signifikanter Prozess der Rationalisierung mobilisiert wird, „der zur Entzauberung der Welt führt“ ( Junge 2002, 183). Diese Entwicklung wird aus religionssoziologischer Perspektive als Säkularisierungsprozess aufgefaßt.

Der Bedeutung von Säkularisierung inhärent ist, „de(r) Verlust des Deutungsmonopols der Religion für Weltdeutung und die Entlassung des Individuums in eine Pluralität von Sinn- und Weltdeutungen“ (Junge 2002, 183).

Es vollzieht sich auf der Mikro-Ebene eine Säkularisierung des Bewußtseins; zu konstatieren ist ein Bedeutungsverlust religiöser Deutungen und eine verstärkte Hinwendung zu weltlichen Werten und Normen.

Makrosoziologisch betrachtet impliziert der Prozess der Säkularisierung zum anderen, ‚die Entwicklung eines ausdifferenzierten gesellschaftlichen Funktionssystems der Religion neben anderen Funktionssystemen’ [zitiert nach Fürstenberg 1994] (Junge 2002, 183). Im Zuge der funktionalen Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft in Teilgebiete wie Ökonomie, Politik, Wissenschaft und Erziehung/Bildung werden diese Subsysteme „desakralisiert“ (Ziebertz 1999, 38) und Religion wird zu einem eigenständigen gesellschaftlichen Teilgebiet (vgl. Ziebertz 1999, 38).

Auf der Meso-Ebene wiederum hat der Differenzierungsprozeß, vor allem die Trennung von Staat und Kirche, dazu geführt, daß die Kirchen an Regulierungskompetenzen verlieren und sich eine „Pluralisierung des religiösen Angebotes“ (Ziebertz 1999, 38) entwickelt, wodurch ihre Machtposition weiter geschwächt wird.

Diese Teilprozesse führen dazu, daß die Einflußgröße religiöser, mythologischer und mystischer Deutungsmuster geschmälert wird (vgl. Junge 2002, 183).

3. Familiensoziologische theoretische Konzeptionen

3.1. Der Familiendiskurs und die These über die Krise der Familie

Der scheinbar verloren gegangene Familiensinn des modernen Menschen, der durch amtliche Statistiken und öffentliche Verlautbarungen über die Zerfalls- und Auflöseerscheinungen der Familie zu Tage tritt, gewinnt Antrieb durch eine „Marktlogik, die auf den ungebundenen, mobilen, stets verfügbaren Einzelnen setzt“ (Szczesny-Friedmann 1996, 9). Die damit einhergehenden Wertvorstellungen von Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung erblühen zunehmend zum gesellschaftlichen Leitbild der Postmoderne. Individualismus und Autonomie scheinen erstrebenswerter und attraktiver als „enge Bindungen und die aus ihnen erwachsenen Verpflichtungen“ (Szczesny-Friedmann 1996, 9).

Divergent zum vorstehend skizzierten „Krisenszenario Familie“ signalisieren jedoch die Einstellungsforschung und die Analyse der Lebensformen, daß „Familie, Partnerschaft und Elternschaft ( ) nach wie vor äußerst geschätzte Werte sind“ (Familienbericht 1999, 1). Denn insbesondere in Anbetracht der vielfach durch Distanz und Rationalität gekennzeichneten sozialen Beziehungen in unserer modernen Gesellschaft, wird die Familie zum unverzichtbaren Ort fragloser Unterstützung und Zugehörigkeit.

Die Dramaturgie der Verfallsprognosen scheint insofern auszublenden, daß die Familie im Zuge fortschreitender Modernisierung und einer damit verbundenen Ausdehnung privat-familialen Wahlhandelns lediglich in eine Vielfalt familialer Lebensformen und Versionen des Zusammenhalts eingebettet ist.

Angesichts der gegenwärtigen, durchaus polarisierenden Verlautbarungen, haben die in der Folge aufgezeigten unterschiedlichen soziologischen Erklärungsansätze, die den Diskurs „Zerfall oder Wandel der Familie“ aufgreifen, somit das Ziel, in einer kritisch fundierten Auseinandersetzung, der Realität der Familie in Deutschland ein Stück näherzukommen.

3.1.1. Thomas Meyer: Familialer Wandel im Spiegel der Demographie

und die Differenzierung privater Lebensformen

Der dramatische gesellschaftliche Wandel der Moderne und seine anhaftenden Attribute Individualisierung, Enttraditionalisierung und Rationalisierung, macht vor der Familie „der Keimzelle der Gesellschaft“ nicht halt. Die demographischen Veränderungen, die seit Mitte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts bis in die Neuzeit in ihren Konturen zu konstatieren sind, werden im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs als die „wichtigsten Krisensymptome“ (Kaufmann 1988) der Familie bezeichnet. Der demographische Wandlungsprozess liefert Indizien dafür, daß es Paaren heute immer seltener gelingt dauerhaft zusammenzubleiben. Die Zahl der Ehescheidungen nimmt in Deutschland drastisch zu, demgegenüber unterliegen die Eheschließungen einer retardierenden Entwicklung. Ehen werden wenn überhaupt in einem späteren Lebensalter geschlossen, viele bleiben dabei bewußt kinderlos. Beinahe jede dritte in den 60er Jahren geborene junge Frau entscheidet sich mittlerweile gegen Nachwuchs [siehe hierzu Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2000, 14].

Die den Familiendiskurs bestimmende Niedergangs-Prophetie der Normalfamilie läßt sich auch an der Reduktion der normativen Verbindlichkeit der bürgerlichen Ehe- und Familienform hin zu einer Entwicklung größerer Vielfalt der Lebensformen ablesen (vgl. Meyer 2002, 401-432; Meyer 1996, 306-332; Meyer 2002, 199-224; Nave-Herz 1998; Peuckert 2004; Tyrell 1988, 145-156; Beck/Beck-Gernsheim 1990; Geißler 2002).[13]

Angesichts des sozialen Wandels der demographischen Merkmale und der Formen des Zusammenlebens, spricht Thomas Meyer von dem ‚ Monopolverlust der Familie [Hervorhebung durch den Autor selbst]’ [zitiert nach Hettlage 1992; Meyer 1992; Peuckert 1996] (Meyer 1996, 306), welcher überwiegend als ‚ Pluralisierung privater Lebensformen [Hervorhebung durch den Autor selbst]’ [zitiert nach Hettlage 1992; Meyer 1992; Peuckert 1996] (Meyer 1996, 306) verstanden wird.

Kontrastierend zu den kritischen Kundgebungen der gesellschaftlichen und familialen Entwicklung, unterstreicht der Autor jedoch in seinen Konzeptionen „Private Lebensformen im Wandel“ (2002) und „Familienformen im Wandel“ (1996) dezidiert, daß in der Folge des sozialen Wandels, „(d)as Kleinfamilienmodell (zwar) in seinem Monopolanspruch relativiert (ist) aber für die Mehrheit der deutschen Bevölkerung Fixpunkt und Leitbild familialer Orientierungen (bleibt) [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Meyer 1996, 330).

Thomas Meyer definiert die Familie, unter Berücksichtigung der historischen und kulturellen Vielfalt der Familienformen, im weitesten Sinne als eine ‚nach Geschlecht und Generationen differenzierte Kleingruppe mit einem spezifischen Kooperations- und wechselseitigem Solidaritätsverhältnis, dessen Begründung in allen Gesellschaften zeremoniell begangen wird’ [zitiert nach Nave-Herz 1989, 193] (Meyer 2002, 401). Die Institution Familie ist unter anderem funktional hinsichtlich der Gewährleistung von Schutz für die einzelnen Mitglieder, und dient darüber hinaus als Regulativ zur Steuerung ihres Sexualverhaltens [siehe hierzu Nave-Herz 1989, 193].

Die sogenannte Klein- bzw. Kernfamilie begründet sich aus der auf der Ehe basierten Gefühlsgemeinschaft der Eltern mit ihren Kindern. Entgegen früherer historischer Sinnzuschreibungen, hat die moderne Kleinfamilie einen Bedeutungszuwachs von „Emotionalität, Liebe und affektiver Solidarität“ (Meyer 2002, 401) erfahren.

Darüber hinaus wird der Familie die „soziale und biologische Reproduktionsfunktion [i. O. fett]“ (Meyer 2002, 401) zugewiesen. Ihre Aufgabe besteht darin, „für die Regeneration und Stabilisierung ihrer Mitglieder und für die Zeugung und Pflege des Nachwuchses zu sorgen und diese in Sprache, Rollen, Normen und Werte der Gesellschaft einzuführen (Sozialisationsfunktion) [i. O. fett]“ (Meyer 2002, 401). Als Aktivum fungiert die Familie außerdem, innerhalb des gesellschaftlichen Systems, für den Prozess, „durch den eine Person an bestimmte gesellschaftliche Positionen vermittelt wird (Platzierungsfunktion) [i. O. fett]“ (Meyer 2002, 401).

Der Typus der Kern- und Kleinfamilie wurde über einen langen Zeitraum als typische und adäquate Organisationsform moderner Industriegesellschaften angesehen [siehe hierzu etwa Parsons 1955; Neidhardt 1975; Gysi 1988].

Der Autor verweist jedoch überzeugend darauf, daß eine einseitige, historisch verkürzte, vielfach seitens der Wissenschaft getätigte Fokussierung auf die in der bürgerlichen Tradition stehenden Kleinfamilie, dem aktuellen Wandlungsprozess der Lebensformen in der Postmoderne nicht mehr gerecht wird. Thomas Meyer prononciert demgegenüber, daß „eine an Wandlungsprozessen orientierte Sichtweise ( ) sich [...] verstärkt der ‚ Differenzierung privater Lebensformen [Hervorhebung durch den Autor selbst]’ [zitiert nach Meyer 1992; 1993]“ (Meyer 2002, 402) zuzuwenden hat. Lebensformen werden als relativ stabile Beziehungsmuster definiert, die als Oberbegriff, familiale und nichtfamiliale Formen des Zusammenlebens implizieren. Der Begriff der Familie wird dabei als eine bestimmte Form des Zusammenlebens verstanden, der sich als Unterkategorie innerhalb der privaten Lebensform einordnet (vgl. Meyer 2002, 401-402).

I. Die demographischen Entwicklungen im Einzelnen:

1. Geburtenentwicklung:

Im Zuge fortschreitender Säkularisierungstendenzen ist in allen Industriegesellschaften ein Rückgang der Geburtenzahlen beobachtbar.

Der so genannte „„demographische Übergang“ [Hervorhebung durch den Autor selbst; i. O. fett]“ (Meyer 2002, 404) verweist auf die bedeutendste Wandlungsphase der Geburtenkennziffern. In der Zeitspanne „vom letzten Viertel des 19. Jahrhunderts bis zur Zeit nach dem Ersten Weltkrieg“ (Meyer 2002, 404) vollzieht sich, im Zuge der wachsenden Industrialisierung, eine Anpassung der Kinderzahlen an die aktuellen sozioökonomischen Rahmenbedingungen. Höhn (2000, 377) verweist darauf, daß sich in dieser Zeit „die Zahl der durchschnittlichen Geburten pro Frau von knapp fünf auf zwei Kinder“ verringerten (Meyer 2002, 404).

Angesichts des eklatanten Geburtenrückgangs in Westdeutschland seit Beginn der 60er Jahre, sprechen namhafte Autoren von einem ‚„zweiten demographischen Übergang“ [Hervorhebung durch den Autor selbst; i. O. fett]‘ [zitiert nach Höpflinger 1997, 42] (Meyer 2002, 404); nach dem „Nachkriegs-Babyboom (1995-1964) reduzierte sich die durchschnittliche Geburtenzahl pro Frau in gut zehn Jahren von 2,5 auf 1,4“ (Meyer 2002, 404), ein Wert der sich seit über 25 Jahren als relativ stabil erweist (vgl. Meyer 2002, 404-406).

2. Eheschließungen

Die Heiratsneigung ist bei Männern und Frauen angesichts kontinuierlich sich ausweitender Modernisierung erheblich gesunken. Nicht-Heiraten gilt zunehmend als soziokulturelle Selbstverständlichkeit; annähernd „30 % (1970: weniger als 5 %)“ (Meyer 2002, 401) der heute lebenden jüngeren Frauen und Männer werden zeitlebens ledig bleiben. Dem Attraktivitätsverlust der Eheschließungen inhärent ist „der Anstieg des durchschnittlichen Erstheiratsalters“ (Meyer 2002, 406).

Durch das Einbeziehen der überzeugenden und differenziert ausgerichteten analytisch-theoretischen Konzeption des Autors „Das „Ende der Familie [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ Szenarien zwischen Mythos und Wirklichkeit“ (2002), verlieren jedoch die Zahlenreihen zur zurückgehenden Heiratsneigung ihre Brisanz, wenn sie nicht, wie in der Praxis vielfach geschehen, nur mehr auf den Zeitraum der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts bezogen werden, einer Epoche mit einer ausgeprägt starken Heiratsneigung; statt dessen, so Thomas Meyer in seinen Ausführungen, sollte die geschichtliche Perspektive vergrößert und das gesamte Jahrhundert betrachtet werden.

In einer in diesem Zusammenhang durchgeführten Untersuchung von Paul B. Hill und Johannes Kopp wurde unter anderem festgestellt, daß „die Menschen der Weimarer Republik hinsichtlich der Faktoren Heiratsalter, Heiratsneigung und Fertilität größere Ähnlichkeiten zu den, wie sie schreiben, familialen „‚Mustern der Postmoderne‘ [zitiert nach Hill/Kopp 1997, 3] als zu den Mustern der 60er Jahre zeigen“ (Meyer 2002, 210).

3. Scheidungen

Ein weiterer säkularer Trend spiegelt sich in dem kontinuierlichen Anstieg der Scheidungen wider. In den beiden letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hat sich die Wahrscheinlichkeit der Eheauflösung fast verfünffacht. In der Gegenwart werden annähernd 40 Prozent der in den letzten Jahren geschlossenen Ehen wieder geschieden.

Das Gros der Ehescheidungen findet zwischen dem fünften und sechsten Ehejahr statt. Aktuelle Entwicklungen verweisen jedoch auch auf das Phänomen der ‚späten Scheidung [i. O. fett]‘ [zitiert nach Fooken/Lind 1996] (Meyer 2002, 408). Im Vergleich zu den 70er Jahren, ist heute das Scheidungsrisiko zwischen dem 20. und 30. Ehejahr mehr als doppelt so hoch. Während damals annähernd 9 % der Langzeitehen geschieden wurden, spricht man heute von fast 20 % [siehe hierzu Kögel 1999]. Diese Entwicklung ist bedingt, durch die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen im mittleren Lebensalter und das damit verbundene Unabhängigkeitsstreben, sowie die erhöhte Lebenserwartung, die in den letzten hundert Jahren dazu geführt hat, daß sich die Dauer der Ehe von 20 Jahren auf 40 bis 50 Jahre ausgedehnt hat.

Die Entwicklung der Scheidung zum „„massenstatistischen Phänomen [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Meyer 2002, 410) deutet der Autor durch das Faktum, daß das geltende Eheverständnis die Möglichkeit der Scheidung als legitimes Mittel der Ehe-auflösung nicht nur rechtlich akzeptiert, sondern auch zum kulturellen Selbstverständnis deklariert (vgl. Meyer 2002, 408-412).

II. Die Differenzierung privater Lebensformen:

Das zunächst im Zuge der Moderne sich entwickelnde, von weitreichender Einheitlichkeit gekennzeichnete Familienmuster bürgerlicher Herkunft, hat sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte, durch die Erweiterung von Handlungsspielräumen, zunehmend aufgelöst und ist einer Vielfalt von Privatheitsformen gewichen, auf die vordergründig das Augenmerk zu richten ist.

1. Nichteheliche Lebensgemeinschaften

Die in den vergangenen Jahren kontinuierlich zu verzeichnende Zunahme der NELG als eigenständige Lebensform bescheinigt den Geltungsverlust und Plausibilitätsverlust der Institution Ehe: voreheliches Zusammenleben ist mittlerweile entdiskriminiert und fast schon zu einer Norm geworden (vgl. Meyer 1996, 318).

Im Detail:

Die Zahl der NELG hat sich in der Zeit von 1972 bis 2000 in Westdeutschland ‚von 137.000 auf über 1,5 Millionen erhöht‘ [zitiert nach Gruber 1999; Huinink 1999; StBA 2001a] (Meyer 2002, 413). Die Zunahme dieser Lebensform in unserer Gesellschaft unterstreicht ihre mittlerweile hohe soziale Akzeptanz. Insbesondere die jüngeren Alterskohorten spielen bei der Ausweitung der NELG eine bedeutsame Rolle; für die Gruppe der 20- bis 29-jährigen repräsentiert sie in der Neuzeit die vorherrschende Lebensform.

Ihre Ausdehnung über alle Soziallagen und Regionen der BR läßt dennoch hervortreten, daß sich das Gros ihrer Mitglieder durch Wohlstand und gehobene Bildung auszeichnet;

insbesondere Frauen verfügen über eine fundiertere Ausbildung als ihre verheirateten Geschlechtsgenossinnen. Sie zeigen sich weitgehend skeptisch gegenüber traditionellen Vorstellungen von Ehe und Familie, und sehen für sich ‚in den alternativen Lebensformen erweiterte Handlungsspielräume‘ [zitiert nach Krüger 1991; Meyer/Schulze 1989] (Meyer 2002, 415); (vgl. Meyer 2002, 413-415).

2. Kinderlosigkeit/kinderlose Ehen

Die eheliche Kinderlosigkeit stellt als geplante Maxime ein „Novum der jüngeren Zeit dar [Hervorhebung durch die Verfasserin]“ (Meyer 1996, 321).

Während sich vor einigen Jahren die kinderlose Ehe noch als ein ausschließlich medizinisches Problem darstellte, gilt sie heute als eine durchaus wählbare und von zunehmender soziokultureller Akzeptanz begleitete Option.

Im Generationenverlauf hat sich der Anteil der „zeitlebens kinderlosen Frauen [i. O. fett]“ (Meyer 2002, 415) stetig erhöht. Dennoch prononciert der Autor, daß der Verzicht auf Kinder weniger in einer bewußt getroffenen Entscheidung gegen Kinder verankert ist, als vielmehr in einem wiederholt aufgeschobenen Wunsch der Familiengründung, der dann vielfach ungewollt aus gynokologischen und andrologischen Gründen für die Paare in einem Leben ohne Kinder mündet [siehe hierzu Nave-Herz u.a. 1996].

In einer dynamischen Wirtschaftsgesellschaft mit expandierenden Individualisierungstendenzen und zunehmenden Mobilitätserwartungen, ist dennoch für viele Paare im Laufe ihres Daseins, eine abnehmende Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung auszumachen, weil Kinder die Anpassungsfähigkeit an die vorherrschenden postmodernen Züge unserer Gesellschaft, sprich unter anderem die dominanten Postulate des Arbeitsmarktes [siehe hierzu Birg 2001, 73] erschweren, ebenso Einschränkungen bezüglich der Annehmlichkeiten unserer Freizeit- und Konsumgesellschaft bedeuten (vgl. Meyer 2002, 415-416 ).

3. Alleinerziehende

Als Einelternfamilie oder Alleinerziehende werden Familienformen bezeichnet, in denen ein Elternteil die Erziehungsverantwortung für ein oder mehrere Kinder besitzt, mit dem oder denen es in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenwohnt [zitiert nach Nave-Herz/Krüger 1992, 32] (Meyer 2002,417).

Retrospektiv wurde die Einelternfamilie in unserer Gesellschaft, das Leitbild der bürgerlichen Normalfamilie visionierend, durch eine offensichtlich erscheinende Unvollständigkeit stigmatisiert und darüber hinaus im Rahmen der Erziehungs- und Sozialisationsfunktion als defizitär beurteilt; in der Gegenwart ist sie als familiale Lebensform durchaus sozial anerkannt.

Der Zuwachs der Einelternfamilie ist vordergründig eine Konsequenz der hohen Scheidungsraten. In Deutschland wurden im Jahre 2000 annähernd 2,0 Millionen Einelternfamilien registriert, „in denen ungefähr 18 % der Minderjährigen lebten“ (Meyer 2002, 417). Die Zahl der Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahren hatte sich im früheren Bundesgebiet zwischen 1970 und 2000 von 660.000 auf über 1,4 Millionen mehr als verdoppelt. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß es sich bei den Einelternfamilien hauptsächlich um Mutterfamilien handelt und seltener um Vaterfamilien, wobei hier jedoch eine ansteigende Tendenz verzeichnet werden kann [siehe hierzu StBA 2001a; Schneider u.a. 2001, 19].

Alleinerziehend“ bedeutet jedoch nicht zwangsläufig „alleinstehend“; Thomas Meyer akzentuiert, daß mehr als 25 % der 2 Millionen Alleinerziehenden in Deutschland eine nichteheliche Lebensgemeinschaft führen. Die profunde Studie von Norbert Schneider u. a. (2001) über alleinlebende Alleinerziehende unterstreicht diesbezüglich, daß „rund ein Drittel der Befragten wenn auch nicht im gemeinsamen Haushalt, so aber doch in einer festen Partnerschaft lebt“ (Meyer 2002, 418). Angesichts ihrer primären Erziehungsverantwortung definieren sich diese dennoch vordergründig als Alleinerziehend, da die wenigsten der neuen Partner Bereitschaft zeigen, eine ausdrückliche Stiefelternrolle zu übernehmen [siehe hierzu Schneider u. a. 2001, 17, 435]

Schlußendlich ist darauf zu verweisen, daß sich in der Einstellung der Alleinerziehenden bezüglich ihrer Lebenssituation, sich zum einen offenbart, daß der persönliche Fokus durchaus auch auf das Ideal der Zweielternfamilie gerichtet sein kann; zum anderen zielt das Gros der ledigen und geschiedenen Mütter jedoch auf eine Partnerschaft, die gleichzeitig Nähe und Distanz ermöglicht und ist bestrebt, ihre Unabhängigkeit nicht durch eine erneute Heirat aufzugeben [siehe hierzu Peuckert 1999, 179ff.]; (vgl. Meyer 2002, 417-419).

4. Alleinlebende und Singles

Die säkulare Entwicklung unserer Gesellschaft bedingt eine Einschmelzung sehr großer Haushalte und eine verstärkte Dominanz von Zwei- und insbesondere Einpersonenhaushalte. Im Zuge der Durchsetzung individualistischer Wertvorstellungen, wird die zunehmende Etablierung der Einpersonenhaushalte und ihr gesellschaftlicher Prestigezuwachs vor allem von der jüngeren Generation vorangetrieben, für die als sogenannter Single Grundsatz-Attribute wie „Selbstverwirklichung, „Eigenständigkeit und „Mobilität“ (Meyer 2002, 420) bedeutsam sind. Zwischen 1972 und 2000 hat sich die Zahl der 25- bis 45-jährigen Singles von einer Million auf 4,3 Millionen vervierfacht.

Entgegen der vielfach prophezeiten „„Single-Gesellschaft“ [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Meyer 2002, 422) unterstreicht Thomas Meyer, daß das Single-Dasein überwiegend „eine Übergangsphase im Lebenslauf“ darstellt und dauerhaft nur von einer Minderheit bewußt gelebt wird. Vorliegende wissenschaftliche Ergebnisse verweisen darauf, daß trotz der zunehmenden Hochschätzung dieser Lebensform, die ‚Paargesellschaft‘ [zitiert nach Nave-Herz 1997, 40] (Meyer 2000, 422) unsere postmoderne Welt bestimmt. Empirische Befunde untermalen kontextuell, „daß die Bindungsquote über die Generationen hinweg eher zu- als abgenommen hat“ (Meyer 2002, 420-422).

III. Binnenfamiliale Veränderungen

Neben der Pluralisierung der Privatheitsformen, sind auch wesentliche „Veränderungsprozesse innerhalb des Familienlebens“ (Meyer 2002, 422) auszumachen. Vordergründig verweist Thomas Meyer diesbezüglich auf den „Wandel der Rolle der Frau [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Meyer 2002, 422), der sich seit den 60er Jahren dezidiert in der steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen widerspiegelt. Das berufliche Engagement fungiert neben ökonomischer Selbständigkeit vor allem als Mittel der Selbstverwirklichung.

Immer seltener ist die Erwerbstätigkeit von Frauen, wie in der Zeit der 50er und 60er Jahre eine zeitlich befristete Phase vor Ehe und Mutterschaft. Familien, in denen der Mann als Alleinverdiener fungiert, zählen heute fast schon zu den Relikten einer vergangenen Zeit. Dagegen haben Familien mit erwerbstätigen Frauen und Müttern eine kontinuierliche Zunahme erfahren.

Der Anstieg der weiblichen Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen begründet sich mehrheitlich in der starken Etablierung der Teilzeitbeschäftigung. Drei von fünf erwerbstätigen Müttern, die mindestens ein minderjähriges Kind haben, übten im Jahr 2000 eine Teilzeitbeschäftigung aus [siehe hierzu BiB 2001a, 30].

Dennoch bedeutet die Zunahme der weiblichen Erwerbstätigkeit nicht, daß das von bürgerlichen Attributen geprägte Leitbild der Hausfrau und Mutter außer Kraft gesetzt ist. Mütter mit Kleinkindern sind auch heute mehrheitlich bereit, auf berufliches Engagement zu verzichten – nur gut ein Drittel von Müttern mit Kindern unter sechs Jahren ist berufstätig. Der Anstieg der Müttererwerbstätigkeit ist also vornehmlich auf die Frauen bezogen, deren Kinder nicht mehr der Gruppe der Kleinkinder zuzuordnen sind [siehe hierzu Bib-Mitteilungen 2001, 3].

Im Zuge der wohlfahrtsstaatlichen Entwicklung ist darüber hinaus die Abnahme der Mehrgenerationenhaushalte zu nennen. Dennoch prononciert der Autor, daß in der ‚individualisierten Gesellschaft‘ [zitiert nach Szydlik 2000] (Meyer 2002, 424) der Postmoderne, von einer paradigmatischen Stabilität des „normativ institutionalisierte(n) Zusammenhalt(es) zwischen den Generationen“ (Meyer 2002, 424) auszugehen ist.

Im Fokus der Betrachtung steht weiterhin, daß die Familie der Gegenwart, die im Unterschied zu früheren historischen Epochen als primär kindorientierter Privatheitstypus verstanden wird, heute einer verstärkten Verpflichtung hinsichtlich eines stetig wachsenden Normkomplexes ‚verantworteter Elternschaft‘ [zitiert nach Kaufmann 1995, 125f] (Meyer 2002, 424) unterliegt. Neben der Erwartung, sich nur dann für Kinder zu entscheiden, wenn man überzeugt ist, der mit dieser Entscheidung einhergehenden Verantwortung gerecht zu werden, implizieren die Richtlinien, unter Berücksichtigung kindspezifischer Bedürfnisse, ihre bestmögliche Förderung anzustreben (vgl. Beck-Gernsheim 1990; Meyer 2002). Zudem spiegelt auch der Wandel der Erziehungsleitbilder und Autoritätsstrukturen die vermehrte Kindzentriertheit wider [siehe hierzu Fend 1988; Feldkircher 1994]. Intrafamilial entwickelt sich die Familie sukzessive von autoritär geprägten Umgangsformen zu einer partnerschaftlichen Beziehungsstruktur, wobei sich dieser Prozess auch im Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern widerspiegelt.

Das hohe Maß der neuzeitlichen Verpflichtung der Eltern ihren Kindern gegenüber hat außerdem dazu geführt, daß sich die mit der Elternrolle verbundenen Aufgaben ausgeweitet haben [siehe hierzu Nave-Herz 1989a; Kaufmann 1995; Meyer 2002].

Thomas Meyer resümiert, daß im Rahmen der binnenfamilialen Veränderungen der Bedeutungsverlust der Ehe mit einem Bedeutungsanstieg der elterlichen Verantwortung einhergeht. Darüber hinaus ist die gestiegene psychische Bedeutung der Partnerschaft zu nennen; Idealvorstellungen von Glück, Geborgenheit, Kommunikation und Sexualität werden angestrebt und führen nicht selten, neben den annähernd utopischen Erwartungen an die Elternrolle, zu einer Leistungsüberforderung der Familie (vgl. Meyer 2002, 422-425).

IV. Theoretische Erklärungsversuche der von Dynamik und Pluralität

gekennzeichneten Privatheit

Der hier aufgezeigte Strukturwandel der Familie läßt sich als das Ergebnis komplexer gesellschaftlicher Veränderungsprozesse begreifen. Säkularisierungstendenzen, die eine Loslösung von religiösen Normen implizieren, die Wohlstandsentwicklung, der Wertewandel, die Expansion der Bildung, einhergehend mit zunehmend individualistischen Orientierungen und verstärkten sozialen Mobilitätserwartungen sowie der Wandel der Rolle der Frau, als insgesamt deutliche Modernisierungsattribute, sind ursächlich für den Strukturwandel verantwortlich (vgl. Meyer 2002, 426).

Zur theoretischen Erklärung des Wandels privater Lebensformen verweist der Autor vordergründig auf die ‚ Individualisierungstheorie [Hervorhebung durch den Autor selbst]’ [siehe hierzu Beck 1983; 1986, Kap. 4; Beck-Gernsheim 1998] (Meyer 2002, 426); aus dieser Perspektive repräsentiert die Vielfalt privater Lebensformen der Neuzeit eine „Ausdehnung der Spielräume privat - familialen Wahlhandelns [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Meyer 2002, 425). Eklatante gesellschaftliche Modernisierungsschübe der letzten Jahrzehnte, haben eine Zunahme an „Wohlstand und Sozialstaatlichkeit, Geld, Bildung, Freizeit, Mobilität und Konsum“ (Meyer 2002, 426) bedingt. En gros verfügt die Bevölkerung also über mehr Ressourcen, die den Weg in eine individualistisch eingefärbte, von Selbstverwirklichungsbestrebungen untermauerte Lebensweise ebnen. Ehe und Elternschaft sind ihres Bedeutungsgrades beraubt und werden nicht mehr als verbindliche Modelle des jeweiligen Lebenslaufs begriffen. Schicht- und milieuspezifisch variierend, steigt der Entscheidungs- und Begründungsdruck für ehemals selbstverständliche Handlungsmaxime; die Familie verliert ihre durch Dignität gekennzeichnete biographische Primatstellung, und das Individuum wird zunehmend „‚zum Bastler und Konstrukteur seiner Privatheitsbiographie, ohne auf den stabilisierenden Rückhalt fraglos institutionalisierter Vorgaben setzen zu können“ [zitiert nach Burkart/Kohli 1992] (Meyer 1996, 329). Rainer Geißler (2001) verweist kontextuell darauf, daß insbesondere den höheren Schichten durch prosperierenden Wohlstand eine starke „Freisetzung aus materiellen Zwängen und mit höherer Bildung ein höheres Maß an Selbstreflexion und eine weitgehendere Lösung aus traditionellen Bindungen“ ermöglicht wird, als niedrigeren Schichten.

Der Wandlungsprozess, der sich hinsichtlich der Rolle der Frau vollzieht, läßt sich ebenfalls in dieses Erklärungsmuster einfügen. Während die zunehmende Erosion des Nur-Hausfrauen-Daseins in unserer Gesellschaft auf die Verabschiedung traditioneller Vorgaben verweist, zeugt die verstärkt erfolgsorientierte, auf den Arbeitsmarkt gerichtete Sichtweise der Frau von erweiterten Handlungsspielräumen. Diese implizieren aber nicht nur eine Zunahme an Freiheit, sondern die Individuen sind auch einem hohen Potential an Unsicherheiten ausgesetzt, die aus dem Übermaß an Möglichkeiten entstehen, aus denen nicht gewählt werden kann, sondern gewählt werden muß.

Während die Individualisierungstheorie im Zuge der Moderne und ihren Einflüssen die Mechanismen zur Entstehung der Pluralität der Privatheit aufgreift, ist es die Intension der Theorie sozialer Differenzierung aufzuzeigen, welche neuen Strukturmuster die Veränderungen der Privatheit erzeugen.

„Den sozialen Wandel begreift sie als Tendenz zunehmender funktionaler Ausdifferenzierung neuer gesellschaftlicher Teilsysteme, denen ein jeweils spezifischer Sinn eigen ist“ (Meyer 2002, 427). In dieser Perspektive verweist die Theorie sozialer Differenzierung darauf, daß sich die Familie als Teilsystem mit ihrem starren und traditionellen Rollengefüge im Zeitalter der Postmoderne, durch Prozesse der Ausdifferenzierung in einen „familien- und kindzentrierten [Hervorhebung durch den Autor selbst] („Normalfamilien“, Einelternfamilien, NELG mit Kindern), einen partnerschaftszentrierten [Hervorhebung durch den Autor selbst] (kinderlose Ehen und NELG) und in einen individualistischen Privatheitstypus [Hervorhebung durch den Autor selbst] („Singles“, living apart together)“ [zitiert nach Meyer 1992; 1993] (Meyer 2002, 427), durch ein Mehr an Flexibilität und Elastizität, an die modernen gesellschaftlichen Gegebenheiten, mit ihren zunehmend individualistischen Anforderungen, Mobilitätserfordernissen und Ausbildungszwängen, anpasst. Infolgedessen deutet die Theorie sozialer Differenzierung die Dynamik und Vielfalt der Privatheit nicht als ein Krisen- und Verfallsszenario, sondern vielmehr als einen Wandlungsprozess, der sich innerhalb unserer von postmodernen Zügen gekennzeichneten Welt vollzieht.

Schlußendlich betont der Autor dezidiert und einleuchtend, daß es im Rahmen des Familiendiskurses weniger um die Entstehung neuer Privatheitsmuster geht, als darum, daß an die Seite der weiterhin dominierenden Zweielternfamilie neue Formen der Privatheit getreten sind, die nur von einer Minderheit als Ideal aufgefaßt werden.

Eine wirkliche extreme Pluralität privater Lebensformen ist für die Gruppe der 25-30-jährigen zu konstatieren; hierin liegt somit ein Indiz für einen sozialstrukturellen und altersabhängigen Prozess (vgl. Meyer 2002, 426ff.).

3.1.2. Hartmann Tyrell: Die Deinstitutionalisierungsformel

Der Beitrag „Ehe und Familie – Institutionalisierung und Deinstitutionalisierung “ von Hartmann Tyrell (1988) hat das Ziel, die vornehmlich in den westlichen Industriegesellschaften vonstatten gehende signifikante Veränderung des ehelich-familialen Verhaltens, als einen Prozeß der „Deinstitutionalisierung“ (Tyrell 1988, 145) zu erklären. Die Intension des Autors ist, den umfassenden Wandlungsprozess „als einen Prozeß der Reduktion (aber durchaus nicht: des Verschwindens) der institutionellen Qualität von Ehe und Familie aufzuweisen“ (Tyrell 1988, 145).

Hartmann Tyrell bezieht seine Ausführungen zum Wandel der Familie ausschließlich auf den „Familientypus der Moderne, der bürgerlicher Abkunft ist [Hervorhebung durch die Verfasserin]“ [zitiert nach Stone 1981, 72ff.; Rosenbaum 1982] (Tyrell 1988, 146).

Die mit bürgerlichen Attributen eingefärbte Kultur westlicher Gesellschaften hat diese Familienform vor allem in der Mittelschicht etabliert und institutionalisiert und ihr zu „gesellschaftsweiter Geltung und Dignität“ (Tyrell 1988, 148) verholfen. Charakteristisch für den hier porträtierten Typus von Familie ist, daß sie auf den Rekrutierungsprin-zipien Ehe und Filitation fußt und sich durch ein hohes Maß an personeller Konstanz auszeichnet. Das Zusammenleben ist gekennzeichnet durch „>Intimität< [Hervorhebung durch den Autor selbst], soziale Nähe und Dichte des Interagierens“ (Tyrell 1988, 147). Zudem ist dem Zusammenleben in der Ehe inhärent: die Sexualität (vgl. Tyrell 1988, 145-148).

Im Duktus der Konzeption wird in Anlehnung an die institutionentheoretische Tradition der Soziologie [siehe hierzu Berger und Luckmann 1969, 98ff.] in fünf Punkten aufgezeigt, wie die ursprüngliche „>institutionelle Qualität< [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Tyrell 1988, 148) der modernen, von bürgerlichen Attributen geprägten Kleinfamilie, soziokulturell untermauert ist und demgegenüber präzisiert, warum die Veränderungen der Neuzeit auf einen Deinstitutionalisierungsprozess - auf die Abnahme der normativen Verbindlichkeit der Familie - schließen lassen.

1. Im Sinne von Berger und Luckmann bedürfen gesellschaftliche Institutionen der

Legitimierung ‘ [zitiert nach Berger und Luckmann 1969, 98ff.] (Tyrell 1988, 148); vor allem dort wo Abweichung droht, ist die Herausstellung von Sinn für die Richtigkeit eines institutionalisierten Verhaltenskomplexes unverzichtbar und es genügt nicht die „bloße Absicherung an Selbstverständlichkeiten“ (Tyrell 1988, 148).

Im öffentlichen Familiendiskurs, „wie er seit der Mitte des 19. Jahrhunderts (etwa W. H. Riehl) Konturen gewinnt“ (Tyrell 1988, 148), wird, neben der Mobilisierung eines eklatanten Krisenszenarios, vor allem die Werthaftigkeit der Institution Familie herausgestellt, diese somit sinnhaft untermauert und dadurch kulturell legitimiert und etabliert. Innerhalb dieses Diskurses wird ausschließlich die Ehe als „angemessene Form des Geschlechterverhältnisses“ (Tyrell 1988, 149) hofiert und die von emotional-affektiven Bindungen getragene Familie als eine von Einzigartigkeit gekennzeichnete Einrichtung fruchtbarer Erziehung und Sozialisation gepriesen; kontextuell wirken hier die Untersuchungen zur frühkindlichen Sozialisation von Bowlby und Spitz seit Beginn der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts als wissenschaftlicher Rückhalt für das familiale Legitimationssystem.

Institutionelle Festigkeit gewinnen Ehe und Familie zudem aus dem Recht.

Hinzu kommen Sanktionierungsmechanismen bei Abweichung von dem institutionellen Regelwerk durch religiöse Anschauungen und Haltungen.

Darüber hinaus erhebt die Einstellungsforschung der 50er und 60er Jahre das denkbar höchste Maß an sozialer Akzeptanz für die Institution Ehe/Familie [siehe hierzu Köcher 1979] und sichert damit zweifellos bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts ihre soziokulturelle Legitimation und Vorherrschaft.

Hartmann Tyrell betont, daß im Zuge fortschreitender Modernisierung jedoch unverkennbare Legitimitätseinbuß en der bürgerlich eingefärbten Normalfamilie auszumachen sind. Bereits die offensiv geführte Familienkritik der späten 60er Jahre prangerte die Familie als alleinigen Ort optimaler Sozialisationsbedingungen an; man verwies auf Alternativen, die als zeitgemäß humanere Lebensformen angepriesen wurden. Darüber hinaus wurde die „Legitimität ihrer rechtlichen Privilegierung“ (Tyrell 1988, 149) dezidiert bestritten.

Die heutige Situation spricht zumindest der Ehe eine Legitimitätskrise zu; neben der nach wie vor stabilen rechtlichen Verankerung, entwickelt sich bei den jungen Jahrgängen, im Zuge fortschreitender Säkularisierung, eine zunehmende Infragestellung dieser Institution hinsichtlich Sinn und Notwendigkeit, insbesondere bezüglich des staatlichen Trauzwangs und der normierten lebenslangen Monogamie [siehe hierzu Köcher 1979]. Das substantielle Heiratsmotiv bei Paaren, die schon sehr lange zusammenleben, scheint heute im Kinderwunsch verankert zu sein [siehe hierzu Nave-Herz 1984, 45ff.].

Selbst den Kirchen als befürwortende Fraktion fällt es angesichts der säkularen Tendenzen schwer, den nicht auszumachenden Sinn neu zu definieren und kulturell zu etablieren (vgl. Tyrell 1988, 148-150).

2. Ein wesentliches Charakteristikum der Institutionalisierung der bürgerlichen Familie in der Moderne ist ihre „exklusive Monopolstellung [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Tyrell 1988, 150). Im Sinne von ‚> Inklusion < [zitiert nach Luhmann 1984] [Hervorhebung durch den Autor selbst]’ (Tyrell 1988, 150), ist die Gesamtheit der Bevölkerung auf diese Institution verwiesen.

Auf die Ehe bezogen heißt dies, daß alles Nichteheliche negativ besetzt ist und keineswegs als Alternative gilt; hier ist vor allem auf die gesellschaftliche Stigmati-

sierung der ledigen Mutterschaft hinzuweisen – gerade Elternschaft und Ehe gelten als stringente Kohäsion.

Im Rahmen legitimen Zusammenlebens zwischen Eltern und Kindern läßt sich generell auf die Monopolstellung der Familie verweisen – alternative und „beliebige Formen des Zusammenlebens von Erwachsenen und Kindern jenseits des Filitationsprinzips“ (Tyrell 1988, 151) unterliegen dezidiert einer sozialen Marginalitätsstellung.

Im Zuge revolutionärer Umwälzungen der Familienbildung innerhalb des 19. Jahrhunderts, die für die breite Masse der Bevölkerung die Ehe- und Familiengründung ermöglicht hat [siehe hierzu Pfeil 1968, 61], zeugen vor allem die 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, dem golden age of marriage, von dem Inklusionserfolg der Institution Ehe; statistische Erhebungen verweisen auf ‚über 90 % innerhalb der einzelnen Jahrgänge, die zu zumindest einmaliger Eheschließung kommen‘ [zitiert nach Tyrell 1985, 108ff.] (Tyrell 1988, 151).

Hinsichtlich der familialen Inklusion von Kindern zeigen sich vergleichbare Ergebnisse; das Gros der Kinder unter sechs Jahren lebt in dieser epochalen Zeitspanne mit beiden Eltern zusammen, also in „vollständigen Familien [Hervorhebung durch den Autor selbst“ (Tyrell 1988, 151), so daß Neidhardt (1975) kontextuell auf das ‚Reproduktions- und [...] Sozialisationsmonopol der Familie’ verweist (vgl. Tyrell 1988, 150-151).

Hinsichtlich der „Deinstitutionalisierung“ (Tyrell 1988, 151) von Ehe und Familie, geht ihre ehemals „exklusive Monopolstellung“ (Tyrell 1988, 151) zunehmend verloren und Alternativen gewinnen an sozialer Relevanz und Akzeptanz. Der Inklusionsdruck für Eheschließungen läßt nach in der Konsequenz, daß dem Zusammenleben ohne Trauschein nicht mehr das Stigma einer wilden Ehe anhängt, sondern, daß diese Lebensform als wählbare legitime Alternative zur Eheschließung gilt [siehe hierzu Tyrell 1985; für die Schweiz Lüscher 1984].

Im Zuge rückläufiger Inklusion geht auch die Zahl der Eheschließungen deutlich zurück. Ledig zu bleiben gewinnt als Lebensform an gesellschaftlicher Attraktivität - mit positiven Assoziationen ummantelt gilt der Ledige nun als Single, der hinsichtlich seines Lebensentwurfs, Individualismus und Autonomie Priorität zuteilen kann. Das gleiche gilt für das Alleinleben, als zunehmend bejahende Alternative zur Institution Ehe und des unverheirateten Zusammenlebens [siehe hierzu Schumacher u. Vollmer 1981, 512ff.; Spiegel 1983, 67ff.].

Retardierende Tendenzen sind auch hinsichtlich der Elternrolle spürbar. Bewußt gewählte Kinderlosigkeit und somit Familienlosigkeit von Singles, unverheirateten Paaren und Ehepaaren etabliert sich zunehmend. In diesem Zusammenhang löst sich die stringente traditionell überlieferte Kohäsion von Ehe und Elternschaft auf. Zudem lockert sich die strenge Anbindung des Elternstatus an das Verheiratetsein - ledige Mutterschaft wird zur bewußt wählbaren, nicht mehr diskriminierten Option. Generell nimmt die Zahl alleinerziehender Eltern, insbesondere des sogenannten ‚solo fathering‘ [zitiert nach Rossi 1984; Dyer 1986] (Tyrell 1988, 152), im Zuge steigender Scheidungsraten zu.

Der Autor resümiert, daß das kernfamiliale biparentale Vollständigkeitsprinzip und das der Familie anhaftende Sozialisationsmonopol Risse gewinnt und eine Reduktion des familialen Konstanzprinzips impliziert; nach Bumpass (1984) gewinnen somit für Kinder second und third families sukzessive Normalität (vgl. Tyrell 1988, 151-152).

3. In der Tradition von Parsons verweist Hartmann Tyrell darauf, daß Institutionen einer motivationalen Fundierung bedürfen. Im Rahmen von Inklusion ist vorstehend darauf hingewiesen worden, daß in der Tradition des bürgerlichen Familienverständnisses fast jeder im Laufe seiner Biographie auf Ehe und Familiengründung verwiesen und verpflichtet wird; dies schließt auch einen motivationalen Sinn ein – insbesondere die 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, so die Untersuchung von Elisabeth Pfeil (1968), untermalen eine nahezu mehrheitliche Orientierung und Fokussierung von Ehe und Elternschaft – „tendenziell jeder ist in seinen Aspirationen [...] auf Ehe und Elternschaft hin disponiert“ (Tyrell 1988, 152). Die Absicherung eines gefestigten institutionellen Handlungszusammenhangs in den Motiven der Akteure ist also für die bürgerliche Kleinfamilie in der Mitte des 20. Jahrhunderts in hohem Maß gegeben.

Als „Deinstitutionalisierung“ (Tyrell 1988, 153) im Sinne einer „>Motivationskrise< [Hervorhebung durch den Autor selbst]“ (Tyrell 1988, 153) kann primär, so der Autor, der eklatante Einbruch bei den Eheschließungen seit Mitte der 60er Jahre gedeutet werden. Das Phänomen der Elternschaft dagegen demonstriert Ambivalenz; zum einen verweist Rosemarie Nave-Herz (1984) auf einen Bedürfniszuwachs der Elternrolle, andererseits unterstreicht jedoch der drastische Geburtenrückgang und die von etlichen Paaren bewußt gewählte Kinderlosigkeit eine deutliche Reduktion der „Motivation Elternschaft“ (vgl. Tyrell 1988, 152-153).

4. Institutionalisierung impliziert darüber hinaus „das Geltendmachen sozialer Normen und Sollvorstellungen“ (Tyrell 1988, 153). Nach Durkheim (1963) werden soziale Normen und Sollvorstellungen immer von Phänomenen der Abweichung oder Devianz begleitet, die wiederum als „Praktiken [...] sozialer Kontrolle“ (Tyrell 1988, 153) fungieren.

Hartmann Tyrell prononciert: die Sanktionierung devianten Verhaltens, innerhalb des familialen Kontextes, durch fest institutionalisierte soziale Kontrollen, sichert die Monopolstellung von Ehe und Familie.

En détail: Die bürgerliche Ehe- und Familienordnung wird durch strafrechtliche soziale Kontrollmaßnahmen protegiert; Handlungen, die gegen die legitime Form familialen Zusammenlebens verstoßen oder das Prinzip der Filitation verletzen, ziehen strafrechtliche Konsequenzen nach sich. Darüber hinaus ist die Moral des bürgerlichen Ehe-, Sexual- und Familienlebens vor allem konventionell durch Gerede gesichert; Sittenverstöße wie voreheliche Sexualbeziehungen, außereheliche Mutterschaft, Nichteheliche Lebensgemeinschaften, Ehebruch und Scheidung begegnet man mit Ächtung und Diskriminierung. Die Sanktionierung als solche dient wiederum der Stärkung des Monopols von Ehe und Familie.

Im Rahmen der Deinstitutionalisierung, hier erneut primär der Ehe, verweist Hartmann Tyrell darauf, daß ein deutlicher Abbau der sozialen Normen und Kontrollmechanismen zu konstatieren ist, die das Monopol der bürgerlichen Ehe und Familie gewährleistet haben. Insbesondere unterliegt die informelle soziale Kontrolle in der Postmoderne einer verstärkten ‚„Privatisierung der Moral“ [Hervorhebung durch den Autor selbst]‘ [zitiert nach Allerbeck u. Hoag 1985, 99] (Tyrell 1988, 154). Das normierte und somit erwartbare ehelich, familiale Verhalten, zeugt von einer zunehmend individuell, autonomen Permissivität (vgl. Tyrell 1988, 153-154).

5. Hinsichtlich der letzten Etappe der Deinstitutionalisierungsthese zielt der Autor auf den Abbau wesentlicher Selbstverständlichkeiten, die der bürgerlichen Ehe- und Familienordnung in der Neuzeit anhaften.

Die These des Autors impliziert, daß die bürgerlich-kulturellen Facetten des Ehe- und Familienverständnisses einen selbstverständlichen Sinn- und Verweisungszusammenhang etabliert haben - so verweist romantische Liebe auf die Ehe, Ehe wiederum impliziert sowohl Zusammenleben als auch Sexualität und rückt Familiengründung in plausible Nähe.

Im Zuge der Deinstitutionalisierung von Ehe und Familie lockert sich nun der bislang bestehende Sinn- und Verweisungszusammenhang. Es entsteht Raum für die Entwicklung eines variantenreichen Potpourris biographischer Lebenswelten. Liebe impliziert nicht mehr zwingend ein Eheversprechen, die Ehe verweist nicht mehr unbedingt auf Zusammenleben, das Sexualprivileg oder den Kinderwunsch. Stattdessen löst sich Liebe zunehmend von der Institution Ehe und diese wiederum von der Anbindung an die Elternschaft: „die >pure< [Hervorhebung durch den Autor selbst] Ehe (ohne Kinder) wird ebenso zur Option wie die >pure< [Hervorhebung durch den Autor selbst] Mutterschaft ohne Ehemann“ (Tyrell 1988, 155). Zusammenleben ohne Trauschein präsentiert sich in der Postmoderne mit und ohne Kinder.

Aus institutionstheoretischer Sicht fokussiert der Autor diese aufgezeigte Entwicklung, unter dem Aspekt „Zuwachs an Disponibilität des Handeln [Hervorhebung durch die Verfasserin]“ (Tyrell 1988, 155). Individuelles Handeln wird von normativen Regieanweisungen entbunden. Der damit einhergehende Freiheitsgewinn führt jedoch auch zu einer Bedeutungsminderung institutionsgestützter Verhaltenssicherheiten, die dem Einzelnen ein hohes Maß an Entscheidungsfindung aufbürgen (vgl. Tyrell 1988, 154-156).

3.1.3. Ulrich Beck/Elisabeth Beck-Gernsheim (1990): Die Individualisierungsthese

Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim konstatieren in der Komplexität der Moderne eine zunehmende Individualisierung und Pluralisierung, die jedoch von Prozessen der Polarisierung und Segmentierung begleitet werden. Im Rahmen des Individualisierungstheorems kündet die soziale Realität der Postmoderne von einem paradigmatischen Wertewandel, der den Bedeutungsverlust traditioneller Zwänge und Vorgaben impliziert. Die Menschen werden aus traditionellen Klassenbindungen und Versorgungsbezügen der Familie herausgelöst und auf ihr individuelles Arbeitsmarktschicksal verwiesen. Stützende kulturelle Traditionen und Sicherheiten werden als entzaubert betrachtet; soziokulturelle Regelwerke büßen ihre Verbindlichkeit ein und scheinen kaum mehr eine Orientierung für die individuelle Lebensführung geben zu können – stabile Lebensführung wird in der Postmoderne durch soziale Mobilität und Bastelbiographie ersetzt. Gleichzeitig erfolgt jedoch eine neue Art der sozialen Einbindung - die freigesetzten Individuen werden abhängig von den Postulaten des Arbeitsmarktes und damit gleichzeitig abhängig vom Bildungssystem, Beschäftigungssystem, dem Sozialstaat und der Dienstleistungsgesellschaft (vgl. Beck/Beck-Gernsheim 1990).

Bezugnehmend auf den Bestseller „Das ganz normale Chaos der Liebe“ von Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim (1990), der die Widersprüchlichkeit der Postmoderne, ihre „Romantisierung der Liebespartnerschaft und Familie, den Zusammenbruch ihrer tradierten Gewißheiten und die Geräuschkulisse des Geschlechterkonflikts“ (Beck/Beck-Gernsheim 1990, 7) fokussiert, ist es die Absicht der Verfasserin die aktuellen Entwicklungen der Privatheit in der Bundesrepublik unter dem Aspekt der „Individualisierung“ näher zu betrachten. Zwar verweisen die Ergebnisse von Umfragen darauf, daß die Familie auch heutzutage als ideale Lebensform gilt, die Liebe, Glück und Geborgenheit symbolisiert, doch die zunehmende Freisetzung aus ständischen Selbstverständlichkeiten führt dazu, daß die soziale Realität vor allem von einem Gemenge der Geschlechter im Kampf um die Gleichstellung in Ehe, Familie und Beruf zeugt. Darüber hinaus spricht sowohl die Hochkonjunktur der Scheidungen als auch die Zunahme der Einpersonenhaushalte eine mehr als deutliche Sprache. (Beck/Beck-Gernsheim, 23-26; 65).

I. Modernisierung und die Herauslösung aus traditionellen Bindungen – Chancen

und Risiken

Der Blick in die vormoderne Gesellschaft verweist darauf, daß das Leben der Menschen früher in eine Vielzahl traditioneller Bindungen eingebettet war. Stand, Geschlechtszugehörigkeit, Familienwirtschaft, Dorfgemeinschaft und Religion führten dazu, daß die Wahlmöglichkeiten des Einzelnen sehr stark eingeschränkt wurden, jedoch erzeugten diese Bindungen und Verbindlichkeiten auch Vertrautheit und Schutz, grundlegende Elemente für Ordnung, Stabilität und innere Identität; die Menschen waren nie allein, „sondern stets aufgehoben in einem größeren Ganzen“ [siehe exemplarisch dazu Imhof 1984] (Beck/Beck-Gernsheim 1990, 66).

Die fortschreitende Modernisierung und die damit einhergehende Individualisierung führt nun dazu, daß die Menschen verstärkt aus traditionellen Bindungen, Glaubenssystemen und Sozialbeziehungen herausgelöst werden, jener Bindungen, die den Menschen der vormodernen Zeit Halt und Sicherheit gaben.

Damit verknüpft ist aber auch die Entstehung neuer Formen des Lebenslaufs, neuer Möglichkeiten auf der sozialstrukturellen Ebene und neuer Denk- und Verhaltensweisen auf der subjektiven Ebene. Diese Zunahme der persönlichen Freiheit impliziert jedoch wiederum, daß sich in allen gesellschaftlichen Handlungsfeldern die Entscheidungen und Entscheidungszwänge mehren.

[...]


[1] Anwerbe-Ausländer, Vertriebene und Flüchtlinge haben nach dem zweiten Weltkrieg entschieden zur Wohlstandsexplosion der Bundesrepublik beigetragen (vgl. Geißler 1996, 348).

[2] „Gruppe von Personen, die dieselbe Sprache sprechen, derselben Kultur angehören und sich dessen auch bewusst sind“ (Wikipedia 2005, 1).

[3] „Das Gesetz zur Regelung des Aufnahmeverfahrens von 1990 setzt für die Anerkennung des Rechtsstatus als Aussiedler voraus, daß der Aufnahmeantrag bereits im Herkunftsland gestellt wird. Zusätzlich ist im Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG) eine Kontingentierung der Zuwanderung von Aussiedlern festgelegt (Mammey/Schiener 1998, 10)“; seit Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes im Jahre 1993 werden die in der Folge eingereisten Aussiedler juristisch als Spätaussiedler bezeichnet (vgl. Tröster 2004, 4). In dieser Magisterarbeit wird jedoch aus Gründen der Vereinfachung und Praktikabilität durchgehend der Begriff „Aussiedler“ benutzt.

Die Zahl der jährlichen Neuzugänge wird zudem durch den Nachweis des sogenannten „Bekenntnisses zum deutschen Volkstum“ weiter eingegrenzt, der durch die erfolgreiche Absolvierung eines Sprachtests erbracht werden kann (vgl. Tröster 2004, 4).

[4] Ius sanguis: Recht des Blutes - auch Abstammungsprinzip genannt, nach welchem ein Staat seine Staatbürgerschaft automatisch an Kinder verleiht, die mindestens ein Elternteil besitzen, das die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Staates innehat.

[5] Rainer Geißler und Thomas Meyer sprechen in diesem Kontext von den ‚Züge(n) einer Integrationskrise‘ [zitiert nach Familienbericht 2000, 60] (Geißler 2002, 73), die sich seit einigen Jahren für die Gruppe der Aussiedler abzeichnet.

[6] Dt. Aussiedler lassen sich nicht als Einzelwanderer typisieren, sondern das eigentliche Migrationssystem wird von der Zeugungs- und/oder Orientierungsfamilie gebildet (vgl. Wilkiewicz 1989, XV).

[7] Die Familie der vorindustriellen Zeit war eine soziale, rechtliche, politische und wirtschaftliche Einheit (vgl. Geißler 2002, 42).

[8] Die Verfasserin verweist explizite darauf, daß hinsichtlich der Stichprobe ausschließlich Aussiedler-Frauen berücksichtigt wurden, die aus der ehemaligen Sowjetunion oder ihren Nachfolgestaaten stammen.

[9] ASSR: Die autonome sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen, gegründet März 1924.

[10] Die Wissenschaft spricht hier von „westernization“.

[11] Die Verfasserin verweist expressis verbis darauf, daß im Rahmen der analytisch-theoretischen Aufbereitung des vorliegenden Themas sowie im methodisch-empirischen Verlauf, die einzelnen Punkte der Entwicklung zu einer modernen Sozialstruktur in unterschiedlicher Gewichtung und Schwerpunktsetzung hervortreten werden.

[12] Im Kontext dieser Magisterarbeit wird vom mainstream der Säkularisierung ausgegangen, auch wenn zwischenzeitlich wieder eine verstärkte Rückbesinnung der Gesellschaft auf religiöse Inhalte zu konstatieren ist.

[13] Zur Geschichte der Familie und speziell der Herausbildung der bürgerlichen Familie, wird in der Einleitung dieser Magisterarbeit ausführlich berichtet.

Fin de l'extrait de 232 pages

Résumé des informations

Titre
Aussiedlerfamilien zwischen Tradition und Moderne - Eine empirische Untersuchung aus der Sicht rußlanddeutscher Frauen
Université
University of Siegen
Note
1,1
Auteur
Année
2006
Pages
232
N° de catalogue
V52390
ISBN (ebook)
9783638481175
ISBN (Livre)
9783656787969
Taille d'un fichier
1201 KB
Langue
allemand
Mots clés
Aussiedlerfamilien, Tradition, Moderne, Eine, Untersuchung, Sicht, Frauen
Citation du texte
Diane-Jasmina Bauer (Auteur), 2006, Aussiedlerfamilien zwischen Tradition und Moderne - Eine empirische Untersuchung aus der Sicht rußlanddeutscher Frauen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52390

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