Künstliche Neuronale Netze in der Bilanzanalyse


Term Paper, 2006

21 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ziele und Kritikpunkte der klassischen Bilanzanalyse

3 Die Multivariate Diskriminanzanalyse
3.1 Verfahrensablauf
3.2 Bewertung und Optimierungsanspruch

4 Künstliche Neuronale Netze
4.1 Grundlagen
4.1.1 Architektur und Funktionsweise
4.1.2 Lernprozess
4.2 Instrumentalisierung am Beispiel des BP-14
4.2.1 Entwicklung
4.2.2 Kennzahlen
4.2.3 Interpretation der Ergebnisse
4.3 Bewertung

5 Fazit

Anhangverzeichnis

Anhang

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im Jahr 2004 erreichte die Zahl der Unternehmensinsolvenzen mit 39.600 Fällen einen neuen Höchststand.[1] Zwar wurde der negative Trend im Jahr 2005 mit 37.900 angemeldeten Unternehmensinsolvenzen nicht fortgesetzt,[2] doch stellt sich vor dem Hintergrund der hohen Unternehmenskrisen für Anteileigner, Kapitalgeber und Abschlussprüfer die Frage, wie solche negativen Entwicklungen bereits frühzeitig anhand von Jahresabschlussinformationen erkannt werden können.

Herkömmliche Verfahren der Bilanzanalyse auf der Basis klassischer Kennzah lenbildung oder statistischer Verfahren zur Prognose ökonomischer Unterneh­mensentwicklungen bieten angesichts der hochdimensionalen nichtlinearen Problemstellungen oft nur eine eher befriedigende Lösung.

Vor diesem Hintergrund erhalten moderne Verfahren aus dem Forschungsgebiet der künstlichen Intelligenz auf der Basis Künstlicher Neuronaler Netze (KNN) seit den neunziger Jahren Einzug in die betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis. Sie zeichnen sich durch intelligente Verfahren der Problemlösung aus und sind auch bei nichtlinearen komplexen Problemstrukturen einsetzbar. Insbesondere die Fähigkeit Unternehmenskrisen frühzeitig zu identifizieren macht sie nicht nur für Kreditwürdigkeitsprüfer zum wichtigen Instrument der Analyse und Bewertung.

Nachfolgend wird der Einsatz von KNN in der Bilanzanalyse zur Früherkennung von Unternehmenskrisen diskutiert. Im Zentrum der Diskussion steht dabei die häufig in der Fachliteratur vertretene Meinung, dass KNN die prognostischen Fä­higkeiten angestammter Verfahren übertreffen. Hierzu wird zunächst das Ver­fahren der klassischen Bilanzanalyse und das mathematisch-statistische Verfah­ren der Multivariaten Diskriminanzanalyse (MDA) vorgestellt. Der sich aus den zentralen Kritikpunkten der Verfahren ergebende Optimierungsanspruch wird am Backpropagation-Netz mit 14 Kenzahlen (BP-14) diskutiert.

2 Ziele und Kritikpunkte der klassischen Bilanzanalyse

Ziel der Bilanzanalyse ist die Erlangung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bild der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens. Hierzu steht dem Analysten, neben verschiedenen unternehmensinternen und -externen Infor­mationsquellen als wichtigste Sammlung von Daten der Jahresabschluss zur Verfügung.

Die nur schwer überschaubaren Informationen der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung werden dabei in ihre strukturbestimmenden Elemente zerlegt und anschließend in sinnvolle Beziehungen zueinander gesetzt.[3] Der Analyst verdich­tet auf diese Weise die umfangreichen Daten zu Kennzahlen und objektiviert die komplizierten und komplexen Strukturen und Prozesse eines Unternehmens.[4]

Externen Bilanzadressaten, wie beispielsweise Kreditgebern geht es dabei insbe­sondere um die ökonomische Entwicklung eines Unternehmens, d. h. um die Prognose der Insolvenzgefahr. Diesem dynamischen Anspruch versucht die klas­sische Bilanzanalyse durch Zeit-, Betriebs- und Soll-Ist-Vergleichen gerecht zu werden, indem sie für einzelne Perioden differenzierte Partialanalysen zur Beur­teilung von Liquidität, Vermögen, Rentabilität, etc. durchführt.[5] Die einzelnen Ergeb­nisse der Analysen werden in einer abschließenden Gesamtbeurteilung durch den Analysten zusammengefasst.

Doch dem Anspruch der Früherkennung von Unternehmenskrisen wird die klassi­sche Bilanzanalyse nur partiell gerecht. Während Unternehmensvergleiche auf­grund unterschiedlicher Größenmerkmale, Geschäftstätigkeit, Absatzmärkte etc. nicht immer sinnvoll sind, unterliegt der Soll-Ist-Vergleich der Subjektivität des Bilanzanalysten. Darüber hinaus ist bis heute nicht geklärt, welche Kennzahlen eine zuverlässige und frühzeitige Unternehmensentwicklung anzeigen und wie sie in Kombination zu setzen sind.[6]

3 Die Multivariate Diskriminanzanalyse

Aus den zentralen Kritikpunkten der klassischen Bilanzanalyse ergibt sich der Be­darf nach Klassifizierungsverfahren, die frühzeitig verlässliche Unternehmensent­wicklungen aufzeigen und nicht der subjektiven Beurteilung durch Analysten un­terliegen. Es besteht die Forderung nach Bewertungsverfahren, die Unternehmen auf einer vergleichbaren, objektiven, systematischen und lückenlosen Basis beur­teilen.

Ein Verfahren, welches den Forderungen versucht gerecht zu werden ist der mathematisch-statistische Ansatz der MDA bei dem Gruppenunterschiede, die sich aufgrund differenter Merkmalsausprägungen ergeben, erklärt werden. Dar­über hinaus ermittelt die mathematisch-statistische Analyse einen Trennwert, den sog. Cut-off-Point, der auf Basis von Merkmalsausprägungen ein Element, dessen Gruppenzugehörigkeit nicht bekannt ist, einer Kategorie zuordnet.[7]

Im Rahmen der Bilanzanalyse auf Basis der MDA besteht der Kerngedanke in der Hypothese, dass sich „gesunde“ Unternehmen von „ungesunden“ Unternehmen bereits lange vor einer konkreten Unternehmenskrise aufgrund von Bilanzdaten signifikant unterscheiden. Folglich müssen die Kennzahlen bzw. Kennzahlenkom­binationen ermittelt werden, die eine Trennung von solventen und potentiell insol­venten Unternehmen ermöglichen.

3.1 Verfahrensablauf

Ausgangspunkt bildet eine Grundgesamtheit von Unternehmen aus der eine Lernstichprobe gezogen wird. Die Stichprobe wird in zwei Gruppen aufgeteilt. In der einen Gruppe sind Unternehmen vertreten, die im Verlauf ihrer Existenz insolvent geworden sind (Testgruppe). In der anderen Gruppe befinden sich solvente Unternehmen (Kontrollgruppe), die hinsichtlich Größe und Branche der Testgruppe weitestgehend ähnlich sind.[8]

Im weiteren Verlauf werden die historischen Bilanzdaten beider Gruppen mit Hilfe heuristischer Suchprogramme daraufhin untersucht, durch welche Kennzahlen bzw. Kennzahlenkombinationen sich die zwei Gruppen möglichst signifikant unter­scheiden lassen.[9] Das computergestützte Testverfahren wird solange wiederholt, bis die höchste Trennschärfe zwischen beiden Gruppen erreicht ist.

Als Ergebnis des Prozesses wird eine lineare Diskriminanzfunktion ermittelt, durch die sich die Test- und Kontrollgruppen am eindeutigsten differenzieren.

Die allgemeine Funktion lautet:[10]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Jede in die Funktion eingehende Kennzahl (x1, x2,...xn) wird entsprechend ihrer Bedeutung für die Früherkennung von Insolvenzen mit ihrem jeweiligen Gewich­tungsfaktor (a1, a2,...xn) multipliziert. Der Diskriminanzwert (D) ergibt sich aus der Summe der Kennzahlen multipliziert mit ihren Gewichtungsfaktoren abzüglich dem absoluten Wert (-a0), der den Cut-off-Point auf Null festlegt.[11]

Die Klassifizierungsregel lautet dann: Alle Unternehmen mit einem Diskrimi­nanzwert kleiner Null sind insolvenzgefährdet und alle Unternehmen mit einem Diskriminanzwert größer Null sind solvent.

Abschließend wird die Diskriminanzfunktion an Unternehmen, die nicht der Lern­stichprobe entsprechen auf ihre Praxistauglichkeit überprüft.[12]

3.2 Bewertung und Optimierungsanspruch

Die MDA ist ein in der Theorie vielfach untersuchtes und gewürdigtes Instrument der Bilanzanalyse. Es hat sich herausgestellt, dass das Verfahren der MDA früh­zeitig verlässliche Unternehmensentwicklungen prognostiziert. Stellvertretend für eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen zur MDA werden hier die Ergeb­nisse von Martin Pytlik herangezogen, der in seinen Arbeiten zur Klassifizierung von Jahresabschlüssen nachwies, dass 74 % der insolventen und 82 % der sol­venten Unternehmen bereits drei Jahre zuvor richtig klassifiziert wurden.[13] Ein Jahr vor der zu prognostizierenden wirtschaftlichen Unternehmenssituation wurden sogar Werte von 82 % (Gruppe der insolventen Unternehmen) bzw. 90 % (Gruppe der solventen Unternehmen) erreicht.13

Darüber hinaus haben empirische Studien bewiesen, dass die MDA auch bei Verletzung der Anwendungsvoraussetzungen stabile Ergebnisse liefert.[14] Dieser Umstand ist insbesondere für die praktische Anwendung von Bedeutung, da nur in den seltensten Fällen alle theoretischen Voraussetzungen erfüllt werden.[15]

Die stabilen und genauen Klassifizierungsergebnisse der MDA haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich das Verfahren in der Praxis bei Banken und Spar­kassen durchgesetzt hat und zu einem vielfach angewendeten Instrument der Bonitätsprüfung von Firmenkunden geworden ist.[16] Ihre Vorteile liegen dabei nicht nur in der Frühwarnfunktion sondern auch in der Formalisierung und Objek­tivierung des Kreditwürdigkeitsprozesses. Für die Praxis stellt die MDA eine Er­gänzung zur rein subjektiv-intuitiven Bonitätsbeurteilung durch den Sachbearbeiter dar.[17]

Allerdings ist das mathematisch-statistische Verfahren auch mit Kritik behaftet. Den zentralen Schwachpunkt sieht Burger darin: „...dass Unternehmen einer Klas­sifikationsgruppe zugeordnet werden, ohne sich Gedanken über den theoretischen Zusammenhang zwischen einem Unternehmensereignis (...) einerseits und Aus­prägungen von Kennzahlen aus Jahresabschlüssen andererseits zu machen.“[18] Darüber hinaus begründet die mangelhafte theoretische Fundierung zur Erklärung von Unternehmenskrisen auch das Defizit, dass die MDA lediglich die Symptome einer Unternehmenskrise anzeigt aber nicht die Ursachen einer solchen auf­deckt.[19] Dementsprechend kann die MDA keine Aussagen, über den Erfolg oder Misserfolg ergriffener Maßnahmen eines Krisenmanagements tätigen.[20]

Weitere Kritik besteht darin, dass die Klassifizierung von Unternehmen nicht zu 100 % genau ist. D. h. es kommt zu Fehlklassifizierungen. Greift man in diesem Zusammenhang auf die Untersuchungen von Pytlik zurück, so werden drei Jahre vor dem zu prognostizierenden Ereignis 26 % der insolventen Unternehmen fälschlich als solvent klassifiziert (α-Fehler) und 18 % der solventen Unternehmen zu unrecht als insolvent gekennzeichnet (β-Fehler).[21]

Obwohl das Verfahren stabile und verlässliche Ergebnisse liefert, ergibt sich ein Optimierungsanspruch gegenüber der MDA. Insbesondere die Verringerung der Fehlklassifizierung und die Erklärung von ökonomischen Unternehmensentwick­lungen steht dabei im Mittelpunkt der Forderungen.[22]

[...]


[1] Vgl. Baetge/Stellbrink, (2005), S. 213.

[2] Vgl. 0. V., (2005).

[3] Vgl. Küting/Weber, (2000), S. 3.

[4] Vgl. Küting/Weber, (2000), S. 16 - 17.

[5] Vgl. Küting/Weber, (2000), S. 43 - 46; Pytlik, (1995), S. 67 - 75.

[6] Vgl. Küting/Weber, (2000), S. 345 - 346.

[7] Dieser Absatz stützt sich auf Küting/Weber, (2000), S. 347.

[8] Dieser Absatz stützt sich auf Küting/Weber, (2000), S. 347 - 348.

[9] Vgl. Hüls, (1995), S. 20.

[10] Vgl. Küting/Weber, (2000), S. 354.

[11] Dieser Absatz stützt sich auf Hüls, (1995), S. 28 - 30; Küting/Weber, (2000), S. 354.

[12] Vgl. Baetge, (1998), S. 566.

[13] Vgl. Pytlik, (1995), S. 252 - 254.

[14] Vgl. zu den Anwendungsvoraussetzung der MDA Pytlik, (1995), S. 121 - 132.

[15] Dieser Absatz stützt sich auf Baetge/Stellbrink, (2005), S. 214.

[16] Vgl. Küting/Weber, (2000), S. 346.

[17] Vgl. Füser, (2001), S. 96.

[18] Burger, (1995), S. 334 - 335.

[19] Vgl. Baetge/Beuter/Feidicker, (1992), S. 753.

[20] Vgl. Hauschildt/Leker, (1995), S. 263.

[21] Vgl. Pytlik, (1995), S. 252 - 254; Hüls, (1995), S. 25 - 26.

[22] Vgl. Küting/Weber, (2000), S. 369.

Excerpt out of 21 pages

Details

Title
Künstliche Neuronale Netze in der Bilanzanalyse
College
University of Bremen
Course
Bilanzanalyse
Grade
1,7
Author
Year
2006
Pages
21
Catalog Number
V52469
ISBN (eBook)
9783638481748
ISBN (Book)
9783640247578
File size
528 KB
Language
German
Keywords
Künstliche, Neuronale, Netze, Bilanzanalyse
Quote paper
Nils Oetjen (Author), 2006, Künstliche Neuronale Netze in der Bilanzanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52469

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