Familienvater - Landesvater - Gottvater. Die Macht der Väter in Schillers 'Kabale und Liebe'


Dossier / Travail de Séminaire, 2004

18 Pages, Note: sehr gut


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der „Landesvater“

3. Die Familienväter
3.1. Präsident von Walter
3.2. Miller

4. Der „Gottvater“

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

1. Einleitung

In Schillers bürgerlichem Trauerspiel Kabale und Liebe sind die Ausübung und der Erhalt von Macht ein zentrales Thema. Mitglieder von zwei in gesellschaftlicher und in moralischer Hinsicht voneinander getrennten Bevölkerungsgruppen geraten durch die unstandesgemäße Liebe eines adeligen Sohnes zu einem bürgerlichen Mädchen in einen schweren Konflikt.

Der Vater des Majors fürchtet den Machtverlust, der eintreten würde, sollte sein Sohn die Heirat mit einer fürstlichen Mätresse verweigern. Der Vater des Mädchens dagegen fürchtet um seine Ehre, die in seinen Kreisen hohen Stellenwert genießt. Die Absichten der Väter stehen also in Widerspruch zu den Wünschen der Kinder. Diese wiederum rechtfertigen ihr Verhalten mit Bezug auf eine höhere Autorität, einen „Gottvater“. Auch hier herrscht keine Einigkeit, denn die Konzepte eines Gottvaters unterscheiden sich und sind unvereinbar.

Macht ist immer eine Frage der Legitimation. Der Anspruch auf Macht kann sich auf eigene Stärke begründen oder auf eine höhere Autorität. Die Macht des Vaters als Familienoberhaupt ist in der im Stück vorgestellten Gesellschaft unbestritten, sowohl im Adel als auch im Bürgertum. Das Patriarchat geht hier noch auf biblische Grundlagen zurück. Aufklärerische Gedanken keimten in Deutschland gerade erst auf, und die durch die Ideale von Freiheit und Gleichheit in Gefahr geratene Legitimation des Patriarchats wurde später durch eine polaristische Geschlechterphilosophie gerettet.

Diese Arbeit wird untersuchen, welche konkrete Macht die „Väter“ in dem Stück ausüben bzw. zu erhalten versuchen. Dazu wird nach der Legitimation dieser Macht gefragt und schließlich nach dem Einfluss, den die unterschiedlichen Bilder von einem Gottvater auf die Personen und die Handlung nehmen.

2. Der „Landesvater“

Die höchste weltliche Autorität im Stück, der Herzog, tritt nicht persönlich in Erscheinung und findet nicht einmal namentliche Erwähnung. Dabei besitzt er die größte Machtfülle, innerhalb seines Staates gibt es keine höhere Autorität. Deutlich wird dass vor allem in der zweiten Szene des zweiten Aktes, in der die Lady Milford vom Kammerdiener erfährt, wie der Herzog das Geld beschafft, mit dem er die eitlen Geschenke für sie bezahlt. Er ist in der Lage, mehrere tausend junge Männer für einen Krieg zu verschachern, der sein eigenes Land nichts angeht. Derart kann man nur verfahren, wenn man über absolute Gewalt verfügt.

Dennoch ist diese Autorität nicht so unangreifbar, dass man sie nicht hintergehen und täuschen könnte. Der Präsident, einer seiner ranghöchsten Diener, ist durch die Ermordung seines Vorgängers in diese Position gekommen und muss ständig fürchten, dass sein Verrat entdeckt wird.

Der Herzog nimmt in dem Stück eine Rolle ein, die an Götter erinnert, wie es sie in der griechischen Mythologie gibt. Im Besitz großer Macht, jedoch nicht allwissend und mit sehr menschlichen Bedürfnissen, wie der Leidenschaft zu einer „normalen“ Frau. Ob diese gottähnliche Figur eine höhere Autorität achtet, ist nicht zu erkennen. Die Handlungen zumindest sind nicht danach, als fürchte der Herzog den christlichen oder einen anderen Gott. Dennoch dient dieser Gott als Legitimation für seine Macht, denn die Fürsten betrachteten ihre Befugnisse als von Gott verliehen und sie fühlten sich nur ihm gegenüber verantwortlich – zumindest vordergründig. Der Herzog in Kabale und Liebe wirkt geradezu als ein Gegenentwurf zum christlichen Gott. Nicht nur, dass er aus Geldgier junge Männer nach Amerika verkauft, er beutet auch die durch einen Stadtbrand obdachlos gewordenen Familien in seinen Silberbergwerken aus (II/2). So ist der Herzog als ein Teufel charakterisiert, das Oberhaupt eines Hofes, an dem einen nur die Kabale in der Hierarchie steigen lässt und sogar der Herzog selbst hintergangen wird.

3. Die Familienväter

3.1: Präsident von Walter

Im Gegensatz zum im Stück nicht persönlich anwesenden Landesfürsten muss man beim Präsidenten unterscheiden zwischen weltlicher Macht und der Macht über seinen Sohn, die emotionaler Natur ist.

Die weltliche Macht unterscheidet sich nur wenig von der des Fürsten. „Zum Glück war mir noch nie für die Ausführung eines Entwurfes bang, wo ich mich mit einem: Es soll so sein, einstellen konnte“[1], oder auch: „Wenn ich auftrete, zittert ein Herzogtum!“[2] Diese Äußerungen des Präsidenten illustrieren sein Selbstbewusstsein und seine Machtfülle. Der Präsident verfügt über Polizeigewalt und ist auch ein Herr über Leben und Tod. Als der Musikus Miller ihn offen als Schelm bezeichnet, da er ja ohnehin schon ins Zuchthaus müsse, lässt von Walter erkennen, dass er ihn ohne weiteres auch an den Galgen bringen könne.[3] Und nicht nur der polizeilichen Gewalt ist der Musiker hilflos ausgeliefert. Schließlich steht er auch auf der Gehaltsliste des Herzogs und ist wirtschaftlich von diesem abhängig, und somit auch vom Wohlwollen des Präsidenten.

Am Hofe gibt es niemanden, der ihm nicht unterstellt ist – mit Ausnahme des Fürsten. Dieser ist die einzige Machtbeschränkung des Präsidenten und die größte Gefahr für ihn, da er an seinen Posten nur durch Betrug und Mord gekommen ist, dessen Aufdeckung er beständig fürchten muss. Auch gilt es, den Einfluss beim Fürsten andauernd zu sichern und auszubauen, wie er es mit der Heirat seines Sohnes mit der fürstlichen Mätresse beabsichtigt, da das Staatsoberhaupt bei seinen Personalentscheidungen offenbar mehr auf Verbindungen als auf Leistungen wert legt.

Der Drang nach Machterhalt und Machtausbau scheint der einzige Antrieb des Präsidenten von Walter zu sein. Alle seine Handlungen sind darauf ausgerichtet. Gefühle von Liebe zeigt er zunächst nicht, diese sind für ihn lediglich dann interessant, wenn er die Gefühle anderer für seine Zwecke einsetzen kann. Auch sein Sohn bildet da keine Ausnahme. Dieser hat seine Gefühle dem Willen des Vaters unterzuordnen.

Mit der weltlichen Macht geht auch eine nicht unerhebliche finanzielle Macht einher. Die Verbindung von Ferdinand und Luise, die er zunächst als eine, wie im Adel üblich, Tändelei mit dem alleinigen Ziel der körperlichen Befriedigung betrachten will, kommentiert er amüsiert: „Unvergleichlich! so trink ich auf die guten Aspekten meines

Stammbaumes eine Bouteille Malaga mehr und bezahle die Skortationsstrafe für seine Dirne.“[4] In diesen Kreisen kann man es sich leisten, seinen Gelüsten zu frönen, ohne die Folgen fürchten zu müssen.

Wenn der Präsident in seinem Streben mal keine Ideen mehr hat, steht ihm in der Figur des Sekretärs Wurm ein umtriebiger, in der Menschenkenntnis bewanderter Berater zur Seite. Dessen Ideenreichtum ist ein weiterer Aspekt der Machtfülle Präsident von Walters. Diese Figur ist ein Grenzgänger zwischen den Ständen, der sich in keine Gruppe fassen lässt. „Ich mache hier gern den Bürgersmann, gnädiger Herr“[5], erwidert er auf die Bemerkung des Präsidenten, der für Wurm keinen Nachteil sieht, sollte Ferdinand Luises Unberührtheit beseitigen. Hier identifiziert sich der Sekretär mit bürgerlichen Werten, doch bei der Frage von Walters, was ein Schwur nutzen könne, antwortet er „Nichts bei uns, gnädiger Herr! Bei dieser Menschenart alles“[6] und distanziert sich wieder von ihnen. Auch auf der sprachlichen Ebene wird dies sichtbar, wo der Sekretär „. . . eine Mittelstellung zwischen der realistischen Ausdrucksweise des Bürgers und der zynischen, abgeschmackten Sprache des Hofes mit ihrer Häufung von Fremdwörtern einnimmt.“[7] Eine teuflische Figur – sogar der Präsident erkennt am Ende, mit wem er sich verbündet hat: „Von dir, Satan! Du gabst den Schlangenrat“[8], und stellt sich somit als vom Bösen verführten dar. Eine Art Sündenfall, in dem es nicht um Erkenntnis von Gut und Böse, sondern um Macht geht.

[...]


[1] Schiller, I/5, Seite 19

[2] ebd., I/7, Seite 27

[3] vgl. ebd., II/7, Seite 51

[4] Schiller, I/5, Seite 18

[5] ebd., I/5, Seite 19

[6] ebd., III/1, Seite 56

[7] Wiese, Benno von: S. 196

[8] Schiller, V/8, Seite 121

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Familienvater - Landesvater - Gottvater. Die Macht der Väter in Schillers 'Kabale und Liebe'
Université
Johannes Gutenberg University Mainz  (Deutsches Institut)
Cours
Geschlechterkonflikte als Tragödienthema
Note
sehr gut
Auteur
Année
2004
Pages
18
N° de catalogue
V53426
ISBN (ebook)
9783638488846
ISBN (Livre)
9783638886482
Taille d'un fichier
500 KB
Langue
allemand
Mots clés
Familienvater, Landesvater, Gottvater, Macht, Väter, Schillers, Kabale, Liebe, Geschlechterkonflikte, Tragödienthema
Citation du texte
Magister Artium René Filippek (Auteur), 2004, Familienvater - Landesvater - Gottvater. Die Macht der Väter in Schillers 'Kabale und Liebe', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53426

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