Diese Arbeit stellt die beiden Flut-Geschichten aus Bibel und Koran, die sich so ähnlich sind und sich dann doch so unterscheiden, vergleichend nebeneinander. Welche Unterschiede gibt es, was ist gleich? Was steckt hinter den Ausschmückungen auf der einen wie der anderen Seite, und was hinter den Auslassungen? Was bedeuten die Unterschiede für die Aussagen der Geschichte und für ihre Einordnung in die jeweilige Glaubensrichtung? Das sind die Fragen, denen ich hier nachzugehen versuche.
Überall auf der Welt begegnen uns Geschichten über große Überflutungen und die Errettung weniger Auserwählter. Die älteste nachweisbare Tradition ist eine im Gilgamesch-Epos überlieferte Nebenerzählung. Wahrscheinlich war diese das Vorbild für die Geschichte von Noah bzw. Nuh, die sowohl in der Bibel als auch im Koran erzählt wird. Dass sie dieselbe Wurzel haben, steht außer Frage, denn teilweise gleichen sie sich selbst in winzigen Details. Während die Erzählung im Alten Testament jedoch eine zusammenhängende ist, in der die Begebenheiten ganz normal der Reihe nach geschildert werden, ist sie im muslimischen Glaubensbuch aufgesplittert. Zwar gibt es dort die 71. Sure, die den Titel „Nuh“ trägt, doch stehen viele Zusatzinformationen – und sogar der größere Teil der Geschichte – an anderen Stellen des Korans. Dies liegt zum einen daran, dass die Suren nicht inhaltlich, sondern lediglich der Länge nach geordnet sind. Zum anderen ist es wichtig zu bedenken, dass die Grundzüge der meisten biblischen Geschichten zu Zeiten der Koranoffenbarung als Allgemeinwissen galten und den Menschen in Mohammeds Nähe bekannt waren. Möglicherweise waren die Details dem Propheten anfangs selbst nicht bekannt, weshalb er sie erst in späterer Zeit verkünden konnte. Dies ist jedoch eine Frage, die im Nachhinein schwerlich geklärt werden kann und im Zusammenhang dieser Arbeit glücklicherweise auch keine große Rolle spielt.
Eine andere wichtige Anmerkung ist die, dass ich mich hier rein auf die biblischen bzw. koranischen Texte beschränke. Die Geschichte der Sintflut hat die Phantasie der Menschen zu allen Zeiten angeregt und eine Fülle von Legenden und Literatur entstehen lassen. Vor allem in der jüdischen Tradition haben sich viele Sagen und Randgeschichten entwickelt, die ich jedoch weitgehend unberücksichtigt lasse.
Inhaltsverzeichnis
- Eine Geschichte, zwei Geschichten - Vorwort
- Eine Geschichte, zwei Erzählungen - Textbasis
- Noah, die Arche und die Sintflut – der kleinste gemeinsame Nenner
- Die Ausgangsgeschichte: Noah im Alten Testament
- Die Erweiterung: Nuh im Koran
- Eine Geschichte, zwei Aussagen - Interpretation der Unterschiede
- Die Eigenheiten der Bibel
- Gottes Reue und Aufhebung der Schöpfung
- Gotts erbarmt sich über Noah
- Befehl und Anleitung zum Bau der Arche
- Passagiere und Fracht
- Die Vogelflüge
- Der Bundschluss
- Die neuen Ideen im Koran
- Nuh als Prophet und Warner
- Der ungläubige Sohn
- Gottes Segen und Gottes Drohung
- Nuhs Frau
- Die Eigenheiten der Bibel
- Eine Geschichte mit zwei Gesichtern - Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit setzt sich zum Ziel, die Sintflutgeschichte in Bibel und Koran vergleichend zu untersuchen. Die Unterschiede zwischen beiden Erzählungen werden analysiert, um sowohl die Eigenheiten der jeweiligen Glaubensrichtung als auch die Entwicklung der Geschichte über die Zeit hinweg aufzuzeigen.
- Vergleichende Analyse der Sintflutgeschichte in Bibel und Koran
- Untersuchung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Erzählungen
- Interpretation der spezifischen Elemente und Aussagen in beiden Texten
- Einordnung der Geschichten in die jeweilige Glaubensrichtung
- Entwicklung der Geschichte von ihren Ursprüngen bis hin zu den biblischen und koranischen Versionen
Zusammenfassung der Kapitel
Eine Geschichte, zwei Geschichten - Vorwort
Der Text beleuchtet die Geschichte der Sintflut als ein Beispiel für eine Geschichte, die in verschiedenen Kulturen und Religionen erzählt wird. Er erwähnt das Gilgamesch-Epos als älteste nachweisbare Tradition und stellt die Unterschiede zwischen der biblischen und koranischen Erzählung heraus, insbesondere die unterschiedliche Struktur und das Vorkommen zusätzlicher Informationen im Koran. Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse der beiden Textversionen, wobei die zahlreichen Legenden und Sagen der jüdischen Tradition weitgehend unberücksichtigt bleiben.
Eine Geschichte, zwei Erzählungen - Textbasis
Noah, die Arche und die Sintflut – der kleinste gemeinsame Nenner
Die Geschichte der Sintflut wird in beiden Texten knapp erzählt, und die Gemeinsamkeiten lassen sich auf wenige Merkmale reduzieren: Die Menschheit ist größtenteils böse, Gott beschließt, sie mit einer großen Flut zu bestrafen, Noah/Nuh ist ein guter Mensch, der Gottes Gnade erfährt, er baut auf Gottes Befehl hin eine Arche und rettet seine Familie und die Tiere vor der Flut. Alle anderen Menschen und Tiere kommen in den Fluten um.
Die Ausgangsgeschichte: Noah im Alten Testament
Die Geschichte von Noah findet sich im ersten Buch Mose, nach der Schöpfungsgeschichte und der Geschichte von Adam und Eva. Die Bibel beschreibt Gottes Reue, die Menschheit geschaffen zu haben, und seine Entscheidung, alles Leben durch eine Flut auszulöschen. Noah hingegen findet Gottes Gnade, erhält den Befehl, eine Arche zu bauen, und wird mit detaillierten Zeitangaben und Maßen für den Bau ausgestattet. Die Flut wird mit allen ihren Details beschrieben, einschließlich der Rettung durch die Arche, der Rückkehr der Tiere und dem Bundschluss zwischen Gott und Noah.
- Quote paper
- Lena Marie Hahn (Author), 2006, Die Sintflutgeschichte in Bibel und Koran, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53494