Personenvereinigungen als Unternehmer im Umsatzsteuerrecht. Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sind keine Unternehmer i. S. d. UStG


Seminararbeit, 2019

40 Seiten, Note: 13 Punkte


Leseprobe


INHALT

A. Einleitung

B. Bruchteilsgemeinschaften als Unternehmer i. S. d. UStG
I. Rechtsprechungs- und Verwaltungspraxis
II. Auslegung des § 2 UStG
1. Wortlaut: Grundsatz der Rechtsformneutralität
2. Rechtsformspezifische Einschränkungen
3. Leistung als Voraussetzung der Unternehmerfähigkeit
a) Systematik
b) Historie
c) Telos
d) Unionsrecht
e) Zwischenergebnis
4. Die Bruchteilsgemeinschaft als Leistender bzw. Leistungsempfänger
a) Maßgebliche Betrachtungsweise
aa) Zivilrechtliche Betrachtungsweise
bb) Steuerrechtliche Betrachtungsweise
cc) Differenzierende Betrachtungsweise
dd) Stellungnahme
b) Einschränkungen und Ausnahmen
aa) Annahme einer GbR
bb) Maßgeblichkeit des Außenverhältnisses
cc) Unternehmer als Typusbegriff
dd) Zwischenfazit

C. Rechtsfähigkeit als allgemeine Voraussetzung für Unternehmer `
I. Reichweite und Grenzen der Entscheidung des BFH
1. Formelle Grenzen
2. Materielle Grenzen
II. Weitere nichtrechtsfähige Personenvereinigungen
1. Bislang verneinte Unternehmerfähigkeit
2. Bislang bejahte Unternehmerfähigkeit
1. Unionsrecht
2. Verfassungsrecht
IV. Ergebnis

D. Fazit und Ausblick
I. Zusammenfassung
II. Ausblick
1. Handlungsoptionen
a) Übernahme der Rechtsprechung
b) Ablehnung der Rechtsprechung
2. Eigene Empfehlung
III. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht

LITERATURVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung

Der Begriff des Unternehmers (§ 2 UstG) ist ein Schlüsselbegriff im Umsatzsteuerrecht,1 denn hier- nach bestimmt sich regelmäßig die Steuerbarkeit eines Umsatzes2 sowie die Berechtigung zum Vor- steuerabzug (§ 15 UstG). Zudem ist der Unternehmer Steuerschuldner (§ 13a I Nr. 1 UStG).

So bedeutend der Begriff ist, so umstritten ist dessen genauer Inhalt. Dass der Unternehmer in § 2 I UStG nicht klar definiert ist, sondern lediglich typologisch umschrieben wird,3 hat im Einzelnen di- vergierende Ansichten in Rechtsprechung, Finanzverwaltung und Lehre zur Folge.

Zuletzt erregte der V. Senat des BFH Aufsehen, indem er unter Aufgabe seiner früheren Rechtspre- chung die Unternehmerfähigkeit einer Bruchteilsgemeinschaft generell verneinte.4 Mangels zivil- rechtlicher Rechtsfähigkeit könne die Bruchteilsgemeinschaft weder Leistungen erbringen, noch empfangen. Unternehmer seien daher stets die einzelnen Gemeinschafter.

Dies ist aus zweierlei Gründen bemerkenswert:

Zum einen ist das Urteil aufgrund der weiten Verbreitung von Bruchteilsgemeinschaften – insbeson- dere Ehegattengrundstücksgemeinschaften – von hoher praktischer Bedeutung.5 So bedarf es von der Rechnungslegung und dem Vorsteuerabzug über das Verwaltungsverfahren und die Vollstreckung bis hin zur Ausübung von Optionen gemäß § 9 UStG, den Umsatzgrenzen nach § 19 UStG und der Organschaft einiger Neubewertungen.6

Zum anderen stellt sich die Frage der Übertragbarkeit der Grundsätze der neueren Rechtsprechung auf weitere nichtrechtsfähige Personenvereinigungen. Im Folgenden soll dargelegt werden, dass die zivilrechtliche (Teil-)Rechtsfähigkeit für Personenvereinigungen eine Grundvoraussetzung des um- satzsteuerlichen Unternehmerbegriffs darstellt; nichtrechtsfähige Personenvereinigungen mithin keine Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sind.

Hierzu soll zunächst die frühere und neuere Handhabung der Bruchteilsgemeinschaft durch die Rechtsprechung und die Finanzverwaltung skizziert werden. In einem zweiten Schritt ist § 2 UStG hinsichtlich eines möglichen Erfordernisses der (zivilrechtlichen) Rechtsfähigkeit auszulegen, bevor die Behauptung der Rechtsprechung, eine Bruchteilsgemeinschaft könne keine Leistungen erbringen oder empfangen, zu überprüfen ist.

Zuletzt sollen die hieraus gewonnenen Erkenntnisse auf weitere nichtrechtsfähige Personenvereini- gungen übertragen werden. Es wird sich zeigen, dass eine Behandlung zivilrechtlich nichtrechtsfähi- ger Personenvereinigungen als umsatzsteuerliche Unternehmer weder aus dogmatischen, noch aus rechtspraktischen oder europarechtlichen Gründen geboten ist.

B. Bruchteilsgemeinschaften als Unternehmer i. S. d. UStG

I. Rechtsprechungs- und Verwaltungspraxis

In der Vergangenheit erfuhr die Bruchteilsgemeinschaft unterschiedliche umsatzsteuerliche Behand- lungen seitens der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung. In den ersten Entscheidungen zu Be- ginn der 90er-Jahre vertrat der BFH in Fällen der Vermietung von Gemeinschaftseigentum die An- sicht, dass stets die Bruchteilsgemeinschaft selbst Unternehmerin sei und mithin auch (nur) die Ge- meinschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.7 Dieser Ansicht folgte auch die Finanzverwaltung.8

In seinem späteren sog. „Mähdrescher-Urteil“9 stellte der BFH klar, dass nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch der einzelne Gemeinschafter bei einer gemeinschaftlich bezogenen Leistung als Unter- nehmer angesehen werden und einen (anteiligen) Vorsteuerabzug geltend machen könne. Erforder- lich hierfür sei eine eigenunternehmerische Tätigkeit im Rahmen des Einzelunternehmens des Ge- meinschafters.10 Liege eine solche vor, sei der Gemeinschafter als Leistungsempfänger i. S. d. § 15 I Nr. 1 UStG und damit als Unternehmer anzusehen.

Die Finanzverwaltung reagierte hierauf mit 10 Jahren Verspätung ohne nähere Begründung mit einem Nichtanwendungserlass.11 Demnach sei regelmäßig die Bruchteilsgemeinschaft als Unternehmer an- zusehen, wenn diese selbst unternehmerisch tätig ist. Die Finanzverwaltung legt den Begriff der un- ternehmerischen Tätigkeit sehr weit aus – so genüge (entgegen der Rechtsprechung12) bereits die unentgeltliche Überlassung eines Gegenstands an einen Gemeinschafter, damit die Bruchteilsgemein- schaft selbst als umsatzsteuerlich relevantes Gebilde auftrete.13 Dennoch kommen Rechtsprechung und Verwaltung regelmäßig zu demselben Ergebnis, denn obgleich die Verwaltung die Gemeinschaft selbst als Unternehmer ansieht, stellt auch sie (lediglich) für Zwecke des Vorsteuerabzugs auf die unternehmerischen Gemeinschafter als Leistungsempfänger ab.14 Bei genauerer Betrachtung be- schränkt sich die Anordnung der Nichtanwendung mithin im Wesentlichen auf die Ansicht der Recht- sprechung bezüglich der Durchführung eines Verfahrens nach § 180 II AO.15

Dennoch sah sich der BFH hierdurch in seinem Urteil vom 22.11.2018 zu einer erneuten Prüfung dieser Rechtsfrage veranlasst. Unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung schloss sich der V. Senat einer bislang nur von wenigen „einsamen Rufern in der Wüste“16 vertretenen An- sicht an. Demnach könne nicht die Gemeinschaft Unternehmer i. S. d. UStG sein, sondern stets die Gemeinschafter. Dies gelte sowohl für erbrachte, als auch für empfangene Leistungen.17

Zur Begründung führt der V. Senat aus, dass sich die Bestimmung des Unternehmers danach richte, wer Leistender bzw. Leistungsempfänger sei. Dies bestimme sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, welches sich wiederum grundsätzlich nach dem Zivilrecht richte.18 Mangels zivilrechtlicher Rechtsfähigkeit könne die Bruchteilsgemeinschaft nicht Träger von Rechten und Pflichten sein. Die Beteiligung der Bruchteilsgemeinschaft an einem Rechts- verhältnis sei daher nicht denkbar; die Unternehmereigenschaft einer Gemeinschaft mithin ausge- schlossen. Die Leistungen seien stets den einzelnen Gemeinschaftern zuzurechnen.

Eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV lehnte der BFH in seinem Urteil vom 22.11.2018 mit der Begründung ab, dass dieser lediglich über die Anforderungen an die Unternehmereigenschaft nach der MwStSystRL befinden könne, jedoch nicht darüber, welche nationalen Rechtsformen der MwStSystRL genügen. Dies ist sicherlich zutreffend, verkennt jedoch, dass die Rechtsfähigkeit als mögliche Voraussetzung der Unternehmereigenschaft ein allgemeines, abstraktes Kriterium ist und gerade keine Frage des nationalen Rechts.19 Das Festlegen abstrakter Kriterien zur Harmonisierung der Umsatzsteuer ist aber Aufgabe und Funktion der europäischen Gesetzgebung und der Rechtspre- chung des EuGH.20 Da die Vorlage an den EuGH obligatorisch ist, stellt deren Unterlassung eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 I S. 2 GG dar.21

Des Weiteren weicht der V. Senat – entgegen seiner eigenen Behauptung – von der Rechtsprechung des (für die Umsatzsteuer ebenfalls zuständigen) XI. Senats ab. Zu Recht wird in der Literatur kriti- siert, dass eine Abweichungsanfrage beim XI. Senat ebenso wie die Anrufung des Großen Senats unterblieb.22 Angesichts der klaren Haltung des XI. Senats, dass auch Bruchteilsgemeinschaften Un- ternehmer sein können,23 scheint eine Anrufung des Großen Senats auf Dauer unumgänglich.

Aus den genannten Gründen bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechungsänderung langfristig Bestand haben wird. Eine Reaktion der Finanzverwaltung auf das Urteil steht bislang aus. Die divergierende Rechtsprechung der Senate des BFH und die unklare Reaktion der Verwaltungspraxis haben große Rechtsunsicherheit zur Folge. Eine Untersuchung des Unternehmerbegriffs im Hinblick auf nicht- rechtsfähige Personenvereinigungen ist daher dringend geboten.

II. Auslegung des § 2 UStG

Ob die fehlende zivilrechtliche Rechtsfähigkeit der Bruchteilsgemeinschaft ihrer Unternehmerfähig- keit entgegensteht, ist durch Auslegung des § 2 UStG zu ermitteln, da allen weiteren Vorschriften des UStG zumindest im Grundsatz dieser einheitliche Unternehmerbegriff zugrunde liegt.24

1. Wortlaut: Grundsatz der Rechtsformneutralität

Der Wortlaut stellt zugleich Ausgangspunkt und Grenze einer jeden Auslegung dar.25 Im Grundsatz besteht Einigkeit darüber, dass dieser eine zivilrechtliche Rechtsfähigkeit jedenfalls nicht explizit fordert.26 Demnach ist jedermann Unternehmer, der eine „gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt“ (§ 2 I S. 1 UStG).

Aus dem grundsätzlichen Abstellen des Gesetzes auf die gewerbliche Tätigkeit statt auf bestimmte Rechtsformen ergibt sich der Grundsatz der Rechtsformneutralität.27 Demnach gibt es keine umsatz- steuerlichen Unternehmer „kraft Rechtsform“; im Umkehrschluss kann die Unternehmereigenschaft aber auch nicht durch die Wahl einer bestimmten Organisationsform (wie z. B. der Bruchteilsgemein- schaft) umgangen werden. Folglich könnte auch eine Bruchteilsgemeinschaft grundsätzlich Unter- nehmer sein, soweit sie eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt.

2. Rechtsformspezifische Einschränkungen

Eine natürliche Grenze findet der Grundsatz der Rechtsformneutralität jedoch in rechtsformspezifi- schen Eigenheiten, die sich auch auf die Unternehmereigenschaft auswirken können.28 Auf die Bruch- teilsgemeinschaft bezogen, wäre eine solche Einschränkung unter zwei Voraussetzungen denkbar:

a) Erfordernis einer Leistung: Zunächst müsste der Unternehmerbegriff eine berufliche oder gewerb- liche Tätigkeit in Form einer Erbringung einer Leistung (§ 1 UStG) voraussetzen.
b) Maßgeblichkeit des Zivilrechts: Zudem müsste es für die Zurechnung der Leistung auf das Zivil- recht ankommen, denn (nur) dann stünde die fehlende zivilrechtliche Rechtsfähigkeit der Bruchteils- gemeinschaft der Zurechnung einer Leistung i. S. d. § 1 UStG entgegen.

Das Vorliegen der soeben skizzierten Voraussetzungen ist durch den Wortlaut des § 2 I UStG zumin- dest nicht ausgeschlossen.

Zur Klärung dieser Fragen sind somit die weiteren Auslegungsmethoden heranzuziehen.

3. Leistung als Voraussetzung der Unternehmerfähigkeit

Zunächst ist zu untersuchen, ob die Unternehmerfähigkeit voraussetzt, dass Leistungen i. S. d. § 1 UStG erbracht werden können. Der Wortlaut des § 2 UStG lässt dies offen (s. o.). a) Systematik

In systematischer Sicht ließe sich aus der Tatsache, dass die Begriffe „Leistung“ (§ 1 UStG) und

„Unternehmer“ (§ 2 UStG) in verschiedenen Paragraphen geregelt sind, schließen, dass es bei der Bestimmung des einen Begriffs jeweils nicht auf den Anderen ankommen könne. Demnach würde die Unternehmerfähigkeit nicht das Erbringen von Leistungen i. S. d. § 1 UStG voraussetzen.

b) Historie

Die historische Auslegung scheint dies zunächst zu bestätigen. Im Umsatzsteuergesetz von 1918 wur- den Steuerobjekt und Steuersubjekt („Personen, die eine selbstständige gewerbliche Tätigkeit […] ausüben“) einheitlich in § 1 I geregelt. Die spätere Trennung in zwei Paragrafen29 legt eine jeweils unabhängige Auslegung der Begriffe nahe, sodass es für die Frage des Unternehmers gerade nicht auf eine Leistung ankäme.

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass sich der Gesetzgeber durch die Trennung von Steu- ersubjekt und Steuerobjekt lediglich eine höhere Übersichtlichkeit versprach, ohne eine sachliche Änderung des Systems zu bezwecken.30 Mithin ist die Änderung nur redaktioneller, nicht aber mate- rieller Art. Der Unternehmerbegriff ist angesichts der Historie vielmehr als subjektive Ergänzung zum Besteuerungstatbestand des § 1 I Nr. 1 UStG anzusehen und in dessen Kontext auszulegen.

c) Telos

Des Weiteren ist nach dem Zweck des § 2 UStG zu fragen. Der Unternehmerbegriff bestimmt über die Steuerbarkeit von Umsätzen und den Vorsteuerabzug (§ 15 UStG). Der Unternehmer vereinnahmt für den Staat die Umsatzsteuer und ist selbst Steuerschuldner (§ 13a I Nr. 1 UStG).

Auch aus diesem Gesichtspunkt erscheint es richtig, die Unternehmerfähigkeit nur einem solchen Rechtsgebilde zuzuerkennen, das steuerbare Leistungen i. S. d. § 1 UStG erbringen kann. Ansonsten wäre ein Unternehmer denkbar, der nicht nur tatsächlich keine Umsätze erzielt, sondern diese nicht einmal theoretisch erzielen könnte. Dass diesen aber dennoch die Folgen der Unternehmereigenschaft treffen würden, wie etwa die Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuer-Erklärung gemäß § 18 III UStG, erscheint nicht sachgerecht. Es besteht auch keinerlei finanzielles Interesse des Staates, ein solches Gebilde als Unternehmer zu behandeln, da denklogisch niemals eine Umsatzsteuerschuld anfallen könnte. Vielmehr könnte bei Bejahung der Unternehmereigenschaft trotz fehlender Ausgangsumsätze

29 Siehe RGBl. 1934, S. 942.

30 Tehler, DVR 1983, 163, 167; Lange, FS Offerhaus, 701, 706; Hartmann/Metzenmacher/Scharpenberg, § 2, Rn. 16.

der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Dies aber widerspricht dem Grundgedanken des Mehr- wertsteuersystems, weil es i. E. zu Umsätzen führen würde, die nicht mit Umsatzsteuer belastet sind.31

d) Unionsrecht

Da die Umsatzsteuer durch den Harmonisierungsauftrag in Art. 113 AEUV und die MwStSystRL wesentlich geprägt wird, sind auch das Unionsrecht und die Rechtsprechung des EuGH bei der Aus- legung zu berücksichtigen.32

Die MwStSystRL spricht nicht vom „Unternehmer“, sondern vom „Steuerpflichtigen“; sowie von

„wirtschaftlicher“ statt „gewerblicher oder beruflicher“ Tätigkeit (Art. 9 MwStSystRL). Die begriff- lichen Abweichungen haben allein historische Gründe; sie stehen einer Übertragung der Rechtspre- chung des EuGH nicht entgegen.33 Dieser hat bereits ausdrücklich entschieden, dass mit einer wirt- schaftlichen Tätigkeit i. S. d. Art. 9 MwStSystRL ein Leistungsaustausch i. S. d. Art. 2 MwStSystRL (entspricht § 1 UStG) gemeint sei.34 Zwar hat der EuGH entgegen der früheren BFH-Rechtspre- chung35 entschieden, dass die Unternehmereigenschaft nicht die tatsächliche Erbringung von Leis- tungen voraussetzt; jedoch müssen solche zumindest beabsichtigt sein.36 Dies trifft jedoch keine Aus- sage für den Fall, dass eine Leistungserbringung nicht nur tatsächlich nicht erfolgt ist (sog. erfolgloser Unternehmer), sondern auch theoretisch gar nicht möglich wäre. Dann liefe nämlich auch die Absicht, Leistungen zu erbringen, wegen der objektiven, rechtlichen Unmöglichkeit einer Leistungserbrin- gung ins Leere. Mithin ergibt sich auch aus dem Unionsrecht, dass zumindest die abstrakte Möglich- keit einer Leistungserbringung zwingende Voraussetzung des Unternehmerbegriffs ist.

Die europarechtskonforme Auslegung bestätigt somit das durch die anderen Auslegungsmethoden gefundene Ergebnis.

e) Zwischenergebnis

Unternehmer ist grundsätzlich nur, wer eine umsatzsteuerbare Leistung i. S. d. § 1 UStG erbringen kann. Für die Bestimmung des Unternehmers ist daher nach der Person des Leistenden zu fragen.

4. Die Bruchteilsgemeinschaft als Leistender bzw. Leistungsempfänger

a) Maßgebliche Betrachtungsweise

Ob die Bruchteilsgemeinschaft als solche Leistungen erbringen oder empfangen kann, hängt im We- sentlichen von der für die Zurechnung von Umsätzen maßgeblichen Betrachtungsweise ab.

31 Klenk, UR 1993, 284, 287; vgl. auch BFH, Urt. v. 6.5.1993 – V R 45/88.

32 Tipke/Lang/Englisch, § 4, Rn. 31; Birk/Desens/Tappe, Rn. 223 f.; Fehrenbacher, § 7, Rn. 5 ff.

33 Birkenfeld/Wäger, § 2, Rn. 6.

34 EuGH, Urt. v. 12.5.2016 - C-520/14, ECLI:EU:C:2016:334; ebenso BFH, Urt. v. 15.12.2016 - V R 44/15.

35 So noch BFH, Urt. v. 6.5.1993 - V R 45/88 zum sog. „erfolglosen Unternehmer“.

36 EuGH, Urt. v. 8.6.2000 - C-400/98, ECLI:EU:C:2000:304, Rn. 34; Rechtsprechung übernommen durch BFH, Urt. v.

11.12.2003 - V R 48/02; zuletzt BFH, Urt. v. 29.1.2015 - V R 51/13.

aa) Zivilrechtliche Betrachtungsweise

Sowohl die nationale als auch die europäische Rechtsprechung sehen für die Zurechnung einer Leis- tung an einen Unternehmer übereinstimmend das zugrunde liegende Rechtsverhältnis als maßgeblich an.37 Zudem besteht in Rechtsprechung, Verwaltung und Lehre weitgehend Einigkeit darüber, dass sich die Beurteilung dieses Rechtsverhältnisses zumindest im Ausgangspunkt zunächst nach dem Zi- vilrecht richtet.38

Die Gemeinschaft nach § 741 ff. BGB zeichnet sich durch die gemeinsame Inhaberschaft eines Rechts aus. Die Abgrenzung zu einer Gesamthandsgemeinschaft erfolgt dadurch, dass die Bruchteilsgemein- schaft keinen über die Verwaltung des gemeinsamen Rechts hinausgehenden Zweck verfolgt.39 Je- dem Gemeinschafter i. S. d. §§ 741 ff. BGB steht kein konkreter, sondern ein ideeller Anteil an der Sache zu, über den er gemäß § 747 S. 1 BGB frei verfügen kann. Daraus folgt, dass die Gemeinschaft rechtlich nicht verselbstständigt und nicht rechtsfähig ist.40

Bezogen auf einen Leistungsaustausch ergibt sich zivilrechtlich Folgendes: Da die Gemeinschaft nicht Träger von Rechten und Pflichten sein kann (s. o.), sind auch bei gemeinsamer Bestellung einer Leistung stets die Gemeinschafter gemäß § 432 BGB Anspruchsgläubiger.41 Umgekehrt schulden die Gemeinschafter eingegangene Verbindlichkeiten regelmäßig als Gesamtschuldner gemäß § 427 BGB (vgl. auch § 755 BGB).42 Berechtigt und verpflichtet werden stets nur die einzelnen Gemeinschafter.

Folgt man dieser Betrachtung auch für umsatzsteuerliche Zwecke, wären sowohl Eingangs-, als auch Ausgangsumsätze stets den Gemeinschaftern zuzurechnen, da nur diese ein Rechtsverhältnis einge- hen können. Mithin könnten im Einklang mit der neuesten Rechtsprechung des V. Senats stets nur die Gemeinschafter selbst Unternehmer i. S. d. § 2 UStG sein; die Gemeinschaft hingegen wäre für umsatzsteuerliche Belange als transparent zu behandeln.

bb) Steuerrechtliche Betrachtungsweise

Nach anderer Ansicht ist hingegen eine steuerrechtliche Betrachtungsweise angezeigt, die ungeachtet des Zivilrechts allein auf den wirtschaftlichen Vorgang abstellt. Auf die zivilrechtliche Rechtsfähig- keit hingegen komme es nicht an.43

Dass auch eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung Leistungen erbringen könne, ergebe sich be-

reits systematisch aus § 10 V Nr. 1 UStG. Im Kontext der Bemessungsgrundlage ist dort von „Liefe-

37 BFH, Urt. v. 28.8.2014 - V R 49/13; EuGH, Urt. v. 20.6.2013 - C-653/11, ECLI:EU:C:2013:409.

38 BFH, Urt. v. 16. 8. 2001 - V R - 67/00; Abschn. 2.1 III S. 2 UStAE; BeckOK-UStG/Müller, § 2, Rn. 102.1; Blanken- heim, S. 43 f.; Tipke/Lang/Englisch, § 17, Rn. 35 m. w. N.

39 Jauernig/Stürner, § 741, Rn. 1; Erman/Aderhold, § 741, Rn. 2; Palandt/Sprau, § 741, Rn. 1.

40 Palandt/Sprau, § 741, Rn. 8; MüKo/Schmidt, § 741, Rn. 3; Bick/Esskandari, AOStB 2019, 108.

41 BFH, Urt. v. 1.10.1998 - V R 31/98; Staudinger/Langhein, § 741, Rn. 109 f.

42 Staudinger/Langhein, § 741, Rn. 123

43 Bunjes, § 2, Rn. 10; Sölch/Ringleb/Treiber, § 2, Rn. 15; Sterzinger, MwStR 2019, 298, 303; Abschn. 2.1 I S. 3 UStAE, vgl. BFH, Urt. v. 21.4.1994 - V R 105/91; zuletzt FG Münster, Urt v. 18.5.2017 - 5 K 2174/14 U.

rungen […], die […] nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften […] ausfüh- ren“ die Rede. Hieraus folge, dass eine Leistung durch nicht rechtsfähige Personenvereinigungen möglich sei und die Bruchteilsgemeinschaft mithin jedenfalls Unternehmer sein könne.44 Ähnliches ergebe sich aus § 4 Nr. 14 lit. d UStG, welcher eine Steuerbefreiung für „Gemeinschaften“ enthält, denn wären Gemeinschaften keine Unternehmer, fehlte es bereits an der Steuerbarkeit der Umsätze; eine Steuerbefreiung wäre obsolet.45

Auch mit Blick auf die Abgabenordnung ergeben sich Zweifel am Erfordernis der Rechtsfähigkeit,

so erwähnt § 34 Abs. 1 AO „nicht rechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen“; in

§ 267 AO werden „nichtrechtsfähige Personenvereinigungen“ als „steuerpflichtige Gebilde“ ge- nannt.46 §§ 40, 41 AO statuieren ebenfalls, dass es für die Steuer nicht auf die zivilrechtliche Wirk- samkeit des der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses ankommt. So weist insbesondere Sterzinger darauf hin, dass bei der Maßgeblichkeit des Zivilrechts beispielsweise Geschäftsunfähige (§ 104 BGB) und beschränkt Geschäftsfähige (§ 106 BGB) keine steuerbaren Umsätze erbringen könnten, wenn diese ohne Zustimmung der gesetzlichen Vertreter erfolgten.47

Bereits Art. 9 I MwStSystRL stelle allein auf die wirtschaftliche Tätigkeit und damit auf ein tatsäch- liches Handeln ab.48 Auch habe der EuGH entschieden, dass es genüge, wenn die Tätigkeit im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausgeübt werde.49 Soweit die Richtlinie von „Person“ spreche, werde durch Art. 132 I lit. f MwStSystRL deutlich, dass dieser europäisch- autonom auszulegende Begriff auch nichtrechtsfähige Personenzusammenschlüsse erfasse.50

cc) Differenzierende Betrachtungsweise

Die frühere Rechtsprechung und die Finanzverwaltung vertraten (in unterschiedlichen Ausprägun- gen) eine differenzierende Ansicht, wonach es darauf ankäme, ob die Gemeinschaft selbst unterneh- merisch tätig sei.51 Ist dies der Fall, sei die Gemeinschaft selbst Unternehmer. Nutzen die Gemein- schafter ihren Anteil hingegen eigenunternehmerisch, seien diese als Unternehmer anzusehen. Die unternehmerische Betätigung führe dazu, dass sich die Gemeinschaft umsatzsteuerlich verselbststän- dige und als eigenständiges Steuersubjekt zu bewerten sei.

Wann im Einzelnen eine unternehmerische Betätigung der Gemeinschaft vorliegt, ist in Rechtspre- chung, Lehre und Verwaltung umstritten.

44 Schüle/Teske/Wendt/Meyer, § 2, Rn. 26; Tipke/Lang/Englisch, § 17, Rn. 35e.

45 Tipke/Lang/Englisch, § 17, Rn. 35e.

46 Stadie, § 2, Rn. 20.

47 Sterzinger, MwStR 2019, 298, 301 f.

48 BeckOK-UStG/Müller, § 2, Rn. 106.1; Sterzinger, MwStR 2019, 298, 302 mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 13.6.2013 - C-62/12, ECLI:EU:C:2013:391.

49 EuGH, Urt. v. 29.9.2015 - C-276/14, ECLI:EU:C:2015:635.

50 Sterzinger, MwStR 2019, 298, 302.

51 BFH, Urt. v. 1.10.1998 - V R 31/98; BFH, Urt. v. 16.5.2002 - V R 15/00; Abschn. 15.2. b I S. 6. UStAE.

Die Finanzverwaltung sieht schon in der unentgeltlichen Überlassung eines Gegenstands an einen Gemeinschafter eine unternehmerische Tätigkeit der Personenvereinigung und stellt lediglich für den Vorsteuerabzug auf die Gemeinschafter als Leistungsempfänger ab.52 Bereits die frühere Rechtspre- chung sah in diesem Fall hingegen die einzelnen Gemeinschafter als Unternehmer an. Diese hätten ein originäres Nutzungsrecht, sodass kein Leistungsaustausch mit der Gemeinschaft vorliege.53 Teile der Literatur legen den Begriff der unternehmerischen Tätigkeit hingegen sogar noch extensiver aus als die Verwaltung. Da die Gemeinschaft rechtlich nicht selbst handeln kann, trete sie bereits bei jedem gemeinsamen Handeln der Gemeinschafter als umsatzsteuerlicher Unternehmer auf.54

dd) Stellungnahme

Eine rein steuerrechtliche Betrachtung vermag weder aus systematischen, noch aus historischen Gründen zu überzeugen. Die Folgerung aus § 4 Nr. 14 lit. d UStG, auch eine Gemeinschaft könne Leistungen erbringen, verdient keinen Beifall, da diese Regelung auch rein deklaratorischer Art sein könnte. Erst jüngst hat der BFH ausdrücklich klargestellt, dass von einer Steuerbefreiung nicht auf eine allgemeine Steuerbarkeit von Leistungen geschlossen werden kann.55

Aber auch § 10 V Nr. 1 UStG ist trotz seines vermeintlich klaren Wortlauts keinesfalls zwingend. Insbesondere ist zu fragen, welche Subjekte der Gesetzgeber tatsächlich meinte, als er den Begriff

„nicht rechtsfähige Personenvereinigung“ nutzte. Aufgrund der Relativität der Rechtsbegriffe kann die zivilrechtliche Definition nicht ohne Weiteres auf das Steuerrecht übertragen werden. Vielmehr ist der Bedeutungsgehalt durch historische Auslegung zu ermitteln. Insoweit finden sich für §§ 10 V Nr. 1 und § 4 Nr. 14 lit. d UStG zweierlei Erklärungsansätze.

Zum einen fällt deren Einführung in eine Zeit, als die Rechtsprechung noch davon ausging, dass Bruchteilsgemeinschaften Unternehmer sein können (s. o.). Der Gesetzgeber könnte dies schlicht nachvollzogen haben, ohne hierzu selbst Stellung zu beziehen.56 Zudem ist nicht zu vergessen, dass zur Zeit der Einführung die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit restriktiver gehandhabt wurde. So hat der BGH die (Außen-)GbR erst in einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 2001 analog § 124 I HGB für teilrechtsfähig befunden.57 Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist erst seit 2007 unstreitig rechts- fähig, siehe § 10 VI WEG.58 Es liegt daher nahe, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Norm insbesondere jene Gebilde vor Augen hatte, die nun sehr wohl rechtsfähig sind, nicht aber etwa die Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB.59

52 BMF v. 9.5.2008; BStBl. I 2008, 675; Abschn. 15.2b. I S. 8 UStAE.

53 BFH, Urt. v. 1.10.1998 - V R 31/98.

54 Sterzinger, MwStR 2019, 298, 299; Müller, MwStR 2015, 97, 100.

55 BFH, Urt. v. 13.12.2018 - V R 45/17, Rz. 16.

56 Rau/Dürrwächter/Stadie, § 2, Rn. 118.

57 BGH, Urt. v. 29.1.2001 - II ZR 331/00.

58 Eingeführt mit Wirkung zum 1.7.2007, siehe BGBl. 2007, Teil I, Nr. 11, S. 370 f.

59 Birkenfeld/Wäger, § 2, Rn. 204; so auch BFH, Urt. v. 22.11.2018 - V R 65/17.

Die §§ 34 und 267 AO stellen lediglich klar, dass nichtrechtsfähige Personenvereinigungen steuerli- che Pflichten treffen können und diese auch vollstreckbar sind. Dies setzt jedoch eine bestehende Steuerpflichtigkeit (im Umsatzsteuerrecht also die Unternehmereigenschaft) voraus und begründet eine solche nicht. Aus der abstrakten verfahrensrechtlichen Möglichkeit einer Steuerpflicht lässt sich nicht auf deren tatsächliches Vorliegen bezüglich einer bestimmten Steuerart schließen, zumal sich die AO als allgemeines Steuerrecht auf alle Steuern bezieht. Für die Umsatzsteuer lässt sich damit keine spezifische und verbindliche Aussage treffen.

Ebenso wenig überzeugt ein Verweis auf §§ 40 und 41 AO. Diese beziehen sich – wie auch die Überlegungen zu Umsätzen eines Geschäftsunfähigen – auf die konkrete Wirksamkeit eines Ge- schäfts. Dies verkennt aber, dass die Frage der Unternehmerfähigkeit abstrakt zu beantworten ist.60

Insofern ist zu fragen, ob grundsätzlich die Möglichkeit für ein Wirtschaftsgebilde besteht, Rechts- verhältnisse einzugehen. Auf die (Un-)Wirksamkeit im Einzelfall aufgrund von Geschäftsunfähigkeit kommt es hingegen gerade nicht an.61 Da auch der Geschäftsunfähige rechtsfähig i. S. d. § 1 BGB und damit Träger von Rechten und Pflichten ist, kann er auch nach der zivilrechtlichen Betrachtungs- weise Unternehmer i. S. d. Umsatzsteuerrechts sein.

Eine Vermischung von Rechts- und Geschäftsfähigkeit sowie von konkretem Rechtsverhältnis und der abstrakten Möglichkeit der Beteiligung an einem solchen ist hingegen verfehlt. Zudem ist auf §

39 I AO hinzuweisen, der die grundsätzliche Anknüpfung an das Zivilrecht auch für das Steuerrecht normiert. §§ 40 und 41 AO sind hingegen Ausdruck der in § 39 II Nr. 1 AO normierten wirtschaftli- chen Betrachtungsweise.62 Schon aus der Systematik ergibt sich, dass es sich hierbei lediglich um Ausnahmen von der grundsätzlichen Anknüpfung an das Zivilrecht (§ 39 I AO) handelt, um unsach- gerechte Ergebnisse und Wertungswidersprüche zu vermeiden.63 Ein Wertungswiderspruch kann – da auch Geschäftsunfähige rechtsfähig sind – im vorliegenden Fall jedoch gar nicht eintreten (s. o.).

Die europarechtlichen Argumente überzeugen ebenfalls nicht. Insbesondere der Verwies auf Art. 132

I lit. f MwStSystRL ist letztlich nichts anderes als ein bereits entkräftetes Argument in unionsrecht- licher Einkleidung, denn hierbei handelt es sich lediglich um die europäische Entsprechung des nati- onalen § 4 Nr. 14 lit. d UStG.

Nicht zuletzt müsste auch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zu der Erkenntnis führen, dass die einzelnen Gemeinschafter Unternehmer sind. Mangels Verselbstständigung der Bruchteilsgemein- schaft treffen diese die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen unmittelbar; so stellt § 748 BGB bei- spielsweise klar, dass diese anteilig die Lasten des gemeinsamen Rechts tragen. Auch nach der Recht- sprechung führt die bloße Tatsache, dass ein Recht mehreren Personen gemeinschaftlich zusteht, noch

60 Stadie, § 2, Rn. 20; Rau/Dürrwächter/Stadie, § 2, Rn. 50; Tipke/Lang/Englisch, § 2, Rn. 35.

61 BeckOK-UStG/Müller, § 2, Rn. 101; Rau/Dürrwächter/Stadie, § 2, Rn. 89.

62 Tipke/Kruse/Drüen, § 41, Rn. 2; Klein/Brockmeyer/Ratschow, § 40, Rn. 1; Schwarz/Pahlke, § 40 Rn. 1 AO.

63 Klein/Brockmeyer/Ratschow, § 39, Rn. 8 f.; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Fischer, § 39, Rn. 7 f.

nicht zu einer wirtschaftlichen Verselbstständigung der Gemeinschaft;64 zumal jeder Gemeinschafter unabhängig über seinen ideellen Anteil verfügen kann (§ 747 S. 1 BGB).

Ebenso wenig mag der differenzierende Ansatz der bisherigen Rechtsprechungs- und Verwaltungs- praxis zu überzeugen. Insbesondere ist zu kritisieren, dass aus der Feststellung, die Bruchteilsgemein- schaft sei unternehmerisch tätig, gefolgert wird, dass sie Unternehmerin sei. Dies verkennt, dass zu- nächst zu fragen ist, ob die Bruchteilsgemeinschaft überhaupt zu einem unternehmerischen Tun fähig ist. Die Annahme, die Bruchteilsgemeinschaft sei Unternehmer, weil sie unternehmerisch tätig ist, ist ein Zirkelschluss (petitio principii), da eine unternehmerische Tätigkeit voraussetzt, dass die Bruchteilsgemeinschaft Leistungen erbringen und empfangen kann (s. o.). Ob dem so ist, soll aber gerade erst untersucht werden. Die Ansicht erschöpft sich in der bloßen Behauptung, eine Bruchteils- gemeinschaft könne Leistungen erbringen.

Eine Differenzierung in unternehmerisch tätige und nicht unternehmerisch tätige Gemeinschaften ist daher nicht nur überflüssig, sondern auch sinnlos, da eine unternehmerische Tätigkeit der Bruchteils- gemeinschaft nicht begründet werden kann.65

Auf die im Einzelfall divergierenden Voraussetzungen einer unternehmerischen Tätigkeit nach der

Rechtsprechung und der Finanzverwaltung kommt es folglich nicht mehr an.

Sowohl die steuerliche Betrachtungsweise als auch die differenzierende Ansicht sind abzulehnen. Im

Ergebnis verbleibt es daher bei der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Zivilrechts. b) Einschränkungen und Ausnahmen

Dieses Ergebnis wird aufgrund der befürchteten Folgen sowie mit Verweis auf die bisherige funkti- onierende Verwaltungspraxis weitgehend abgelehnt.

So seien nach der neuesten Rechtsprechung alle bisherigen Ein- und Ausgangsrechnungen falsch, soweit als leistender Unternehmer bzw. Leistungsempfänger die Bruchteilsgemeinschaft als solche angegeben wurde.66 Die neueste Sichtweise des BFH beeinträchtige damit nicht nur die Bruchteils- gemeinschaften selbst, sondern auch deren Vertragspartner, da die von der Gemeinschaft ausgestell- ten Rechnungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.67

Sowohl bei der Gemeinschaft selbst als auch bei den Gemeinschaftern müsste eine Korrektur aller noch offenen Umsatzsteuer-Erklärungen erfolgen.68 Zudem schulde die Bruchteilsgemeinschaft die auf den falschen Rechnungen ausgewiesene Steuer gemäß § 14 c UStG selbst; könne hingegen, da

eine ordnungsgemäße Rechnung materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) ist,

64 BFH, Urt. v. 22.11.2018 - V R 65/17, Rz. 27.

65 Kirchinger/Küffner, UStB 2019, 93.

66 Perschon, AktStR 2019, 313, 326; Sterzinger, DStRK 2019, 74; Heinrichshofen, NotBZ 2019, 201, 203.

67 Bunjes/Korn, § 2, Rn. 18; Kirchinger/Küffner, UStB 2019, 93.

68 Sterzinger, MwStR 2019, 298, 301; Perschon, AktStR 2019, 313, 325; Kirchinger/Küffner, UStB 2019, 93.

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Personenvereinigungen als Unternehmer im Umsatzsteuerrecht. Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sind keine Unternehmer i. S. d. UStG
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
Seminar im Schwerpunkt Personen- und Unternehmensteuerrecht
Note
13 Punkte
Autor
Jahr
2019
Seiten
40
Katalognummer
V534985
ISBN (eBook)
9783346121561
ISBN (Buch)
9783346121578
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bruchteilsgemeinschaft, GbR, Umsatzsteuer, Erbengemeinschaft, Unternehmer, Mehrwertsteuer, BFH, Rechtsfähigkeit, UStG
Arbeit zitieren
Thomas Haggenmüller (Autor:in), 2019, Personenvereinigungen als Unternehmer im Umsatzsteuerrecht. Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sind keine Unternehmer i. S. d. UStG, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/534985

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