Der Prozess der Ursachenzuschreibung im Kontext der Leistungsbeurteilung. Handlungsempfehlungen für Führungskräfte


Hausarbeit, 2020

32 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anlagenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Prozess der Ursachenzuschreibung
2.1 Soziale Wahrnehmung
2.2 Attribution und Attributionstheorien
2.2.1 Naive Handlungsanalyse nach Heider (1958)
2.2.2 Kovariationsmodell nach Kelley (1972)
2.2.3 Attributionsverzerrungen: Fehler beim Beurteilungsprozess

3 Leistungsbeurteilung
3.1 Definition
3.2 Ziele und Funktionen
3.3 Urteilsbildung und -qualitat
3.4 Beurteilungsquellen: Beurteilung durch Vorgesetzte

4. Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen

5. Urteilsverzerrungen im Rahmen der Leistungsbeurteilung
5.1 Urteilstendenzen
5.2 Vermeidung von Beurteilungsfehlern - Handlungsempfehlung fur Fuhrungskrafte

6 . Kritische Diskussion

7 Fazit und Ausblick

Anlagen

Literaturverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Eindrucksbildung in der sozialen Wahrnehmung

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Ideale Informationsmuster nach Kelley

Tab. 2: Funktionen der Leistungsbeurteilung

Anlagenverzeichnis

Anl. 1: Prozessmodell der Leistungsbeurteilung nach Landy & Farr

Anl. 2: Internale und externale Attribution

Anl. 3: Schematische Darstellung der Urteilsverteilung bei verschiedenen Ur- teiltendenzen

1. Einleitung

In einer Leistungsgesellschaft zu leben, bedeutet fur das Individuum von der eigenen ge- sellschaftlichen und wirtschaftlichen Leistung abhangig zu sein. Die erbrachte Perfor­mance wirkt sich auf viele wichtige Bereiche des Lebens aus, wie z. B. Einkommen, Sta­tus und Einfluss. Daher ist es enorm wichtig die Leistung eines jeden Menschen korrekt zu erfassen. Doch leider ist die Leistungsgerechtigkeit ein kaum zu erreichendes Ziel, da die Zurechnung der konkreten Leistung eines Einzelnen ein Problem darstellt.1

Im Berufsleben wirkt sich die Leistungsbeurteilung auf die Entgeltentlohnung, die Wei- terentwicklung und grundsatzlich auf den beruflichen Erfolg aus, sodass Fehler in der Beurteilung der Leistung gravierende Folgen haben konnen. Fur Fuhrungskrafte stellt die faire und moglichst objektive Bewertung also eine anspruchsvolle Herausforderung dar.2 Das Ziel dieser Arbeit ist zum Teil die Beleuchtung der sozialpsychologischen Hinter- grunde einer Mitarbeiterbeurteilung. Denn hinter jeder Leistungsbeurteilung steckt ein komplexer Prozess der Ursachenzuschreibung, welcher in dieser Arbeit mithilfe der At- tributionstheorien veranschaulicht wird. Zusatzlichsoll auf das Risiko verschiedener Ur- teilsverzerrungen aufmerksam gemacht werden, um schlussendlich Empfehlungen fur eine objektivere und faire Leistungsbeurteilung zu formulieren.

Zunachst wird das Thema in den Kontext der Sozialpsychologie eingebettet und die so- ziale Wahrnehmung als ubergeordneter Bereich angeschnitten. Daraufhin wird die Attri­bution erlautert und der Prozess der Ursachenzuschreibung anhand der zwei wichtigsten Attributionstheorien erklart. Die Naive Handlungsanalyse von Heider dient eher der Voll- standigkeit, wahrend Kelleys Kovariationsprinzip detaillierter behandelt wird. Im An­schluss werden mogliche Fehler beim Beurteilungsprozess dargelegt und uberdies auf die Ursachen der Entstehung von Urteilsverzerrungen eingegangen. Das darauffolgende Ka- pitel beschaftigt sich mit den Grundlagen der Leistungsbeurteilung. Neben einer allge- meinen Definition des Begriffs beinhaltet dieser Abschnitt auch die Ziele und Funktionen von Leistungsbeurteilungen. Des Weiteren werden die Gutekriterien bezuglich der Qua- litat der Beurteilung bestimmt und schlieBlich mogliche Quellen fur die Beurteilung be- schrieben. Dabei liegt der Fokus auf der Beurteilung durch Fuhrungskrafte. Auf die Zu- sammenfassung der theoretischen Grundlagen, folgt einer Auseinandersetzung mit hau- figen Urteilstendenzen im Rahmen der Leistungsbeurteilung. Mit dem Wissen um allgemeine Attributionsfehler und spezielle Urteilsverzerrungen in der Leistungsbeurtei- lung sollen schlieBlich Handlungsempfehlungen fur Fuhrungskrafte formuliert werden, welche bei der Gestaltung einer fairen und moglichst objektiven Beurteilung unterstutzen. Die anschlieBende Diskussion beinhaltet eine kritische Reflexion des eigenen Vorgehens, sowie eine Deutung der Ergebnisse. Das Fazit bietet eine Zusammenfassung der wich- tigsten Aussagen und einen Ausblick in Bezug auf die Relevanz des Themas.

2. Der Prozess der Ursachenzuschreibung

2.1 Soziale Wahrnehmung

Der Begriff soziale Wahrnehmung wird als Einschatzungsprozess anderer Personen ver- standen. Der Einschatzungsprozess beschreibt die Art und Weise wie Menschen Infor- mationen kombinieren, integrieren und interpretieren, um von einer Person ein Bild zu entwickeln.3

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Eindruckbildung; Soziale Wahrnehmung

Quelle: Wert, L. & Mayer, J., 2008, S. 123

Die Forschung zur sozialen Wahrnehmung untersucht also die Funktionsweise der Ein- drucksbildung von sozial Wahrnehmenden. Dabei wird verschiedenen Faktoren unter- schiedlich groBe Bedeutung zugemessen.4

Forschungsarbeiten von Asch (1946) zeigen, dass Personlichkeitsmerkmale bei der Ein- druckbildung zum Teil unterschiedlich gewichtet werden. Zentrale Personlichkeitsmerk- male (central traits) beeinflussen den Gesamteindruck einer Personlichkeit enorm, wahrend periphere Personlichkeitsmerkmale (peripheral traits) keine zentrale Bedeutung tragen.5 Eine wichtige Rolle spielt auBerdem die Reihenfolge der Informationen, die beim Einschatzungsprozess dargeboten werden. Denn fruher erlangte Informationen erschei- nen bei der sozialen Wahrnehmung bedeutsamer und haben somit einen starkeren Ein- fluss auf den Gesamteindruck als spater dargebotene. Dieses Prinzip tragt den Namen Primacy-Effekt.6 Generell wird davon ausgegangen, dass Menschen zur Eindruckbildung bestimmte Schemata anwenden. So gibt es die Moglichkeit, dass sozial Wahrnehmende den dargebotenen Informationen aktiv Bedeutung zumessen. Dies geschieht auf der Basis von impliziten Personlichkeitstheorien (implicit personality theories)7, welche Vorstel- lungen uber die Zusammengehorigkeit von Personlichkeitsmerkmalen beinhalten. Ein Schema, welches den Menschen ermoglicht auf fehlende Informationen zu schlieBen und somit Lucken bei Beurteilungsprozessen zu fullen.8

Eine alternative Moglichkeit der Eindrucksbildung ist das Modell der kognitiven Algebra (cognitive algebra). Demnach findet ein hypothetischer Prozess der Durchschnittsbildung statt, sodass Informationen uber Personlichkeitsmerkmale aufsummiert werden und schlieBlich ein Mittelwert der einzelnen Informationen berechnet wird.9

2.2 Attribution und Attributionstheorien

Wahrend die soziale Wahrnehmung generell die Funktionsweise der Eindruckbildung von sozial Wahrnehmenden beschreibt10, dreht es sich bei der Attribution genauer um die Frage nach dem „Warum?“. Denn eine Kausalattribution (causal attribution) ist der Pro- zess des Schlussfolgerns uber die Ursachen des Verhaltens einer anderen Person.11

Die Basis fur die Attributionstheorien liegt in dem naturlichen Bedurfnis der Menschen, kausale Erklarungen fur Ereignisse zu finden. Menschen verspuren namlich einen enor­men Drang nach Kontrolle und Vorhersagbarkeit sowie nach Ordnung und Kontingenz. Attributionen verhelfen zu Erklarungen und Vorhersagen von Verhalten und Erleben.

Somit sind Attributionstheorien enorm wichtig im sozialen Kontext und haben eine zent- rale Bedeutung fur die Sozialpsychologie.12

Im Folgenden sollen nun die zwei wichtigsten Attributionstheorien vorgestellt werden. Zunachst wird, aufgrund der Vollstandigkeit, knapp die Naive Handlungsanalyse nach Heider (1958) angeschnitten, um im Anschluss ausfuhrlich auf das Kovariationsprinzip nach Kelley (1972) einzugehen.

2.2.1 Naive Handlungsanalyse nach Heider (1958)

Fritz Heider (1958) wird oft als „Vater der Attribution“ gesehen und seine Arbeiten haben noch heute groBen Einfluss auf die Forschung.13

Heider sieht die Menschen als intuitive Psychologen und Psychologinnen an, die mithilfe von Ursachenforschung versuchen, die soziale Welt zu verstehen.14 Die Grundaussage seiner Theorie besagt, dass Personen innerhalb der Attribution internale von externalen Grunden abgrenzen. Internale Grunde fur das Verhalten sind Ursachen, welche die beur- teilte Person selbst verantwortlich machen. Das Verhalten wird also z. B. auf Disposition, Personlichkeit, Einstellung oder Charaktereigenschaften zuruckgefuhrt. Externale Grunde fur das Verhalten entziehen sich der Kontrolle der beurteilten Person. Erklarun- gen fur ein bestimmtes Verhalten einer Person sind demnach auBeren Umstanden zuzu- schreiben.15

Wird beispielsweise nach Ursachen gesucht, warum ein Bewerber zu spat zu seinem Vor- stellungsgesprach erscheint, so konnte man sowohl internal, als auch external attribuie- ren. Schreibt man das Verhalten des Bewerbers seiner Disposition zu, so konnte man annehmen, dass er grundsatzlich eine unzuverlassige und nachlassige Person ist, auf die kein Verlass ist. Bei einer externalen Attribution wurde das Verhalten eher mit auBeren, ungunstigen Umstanden in Verbindung gebracht werden. Also, dass der Bewerber z. B. von einem Stau aufgehalten wird.

2.2.2 Kovariationsmodell nach Kelley (1972)

Harold H. Kelley knupfte an Uberlegungen Heiders an und stellte dessen Gedanken in Form des Kovariationsprinzips systematisch dar.16

Auch Kelley ist der Meinung, dass Menschen bestimmte Variations- und Kovariations- muster verrechnen um an Attributionen zu gelangen. Diese Verrechnung gleicht einer statistischen Korrelationsanalyse.17 Denn die Kovariationstheorie erklart, wie Menschen potentielle Ursachen einer beobachteten Handlung oder eines Ereignisses gegeneinander abwagen. Dazu sammeln Beobachter Daten uber vergleichbare Falle. Diesen Fallen ist gemein, dass stets ein Handelnder in einer spezifischen Situation in einer bestimmten Weise auf ein Objekt reagiert.18

Um heraus zu finden durch welches Merkmal der Fall verursacht wurde, nimmt der Be- obachter einen Vergleich uber Personen hinweg, einen Vergleich uber die Zeit hinweg und einen Vergleich uber Entitaten hinweg vor. Als Ursache wird diejenige Person, En- titat oder Situation interpretiert, welche mit dem beobachteten Effekt kovariiert.

„Der Effekt wird auf die Bedingung attribuiert, die vorhanden ist, wenn der Effekt auftritt, und die fehlt, wenn der Effekt nicht auftritt.“, druckt Kelley den Sachverhalt aus.19 Das bedeutet also, Kovariationen bzw. Korrelationen zwischen Effekten entscheiden uber das Urteil eines Beobachters bezuglich der moglichen Ursachen eines Effekts.20

Auch um die oben genannten externalen und internalen Grunde fur Verhalten (Heider 1958) zu identifizieren sind die Vergleiche hilfreich.21 Diese Vergleichsaspekte lassen sich mithilfe der drei Informationsarten darstellen:

Die Distinktheitsinformation gibt Aufschluss daruber, in welchem MaB sich die han- delnde Person in verschiedenen Situationen gleich bzw. unterschiedlich verhalt. Die Dis- tinktheit ist niedrig, wenn sich der Beurteilte in mehreren Situationen gleich verhalt, und deutet meist eine internale Attribution an. Von hoher Distinktheit spricht man, wenn die zu beurteilende Handlung eher einmalig und ungewohnlich ist.

Die Konsensinformation beschreibt das AusmaB, in dem andere Personen gleiches bzw. abweichendes Verhalten wie die zu beurteilende Person zeigen. Eine internale Attribution lasst sich aus einem niedrigen Konsensus schlussfolgern, also dann, wenn sich nur der Akteur auf eine bestimmte Weise verhalt und das Verhalten anderer in der gleichen Situ­ation abweicht. Hoher Konsensus ist folglich bei Ubereinstimmung des Verhaltens der beobachteten Person und andererPersonen gegeben.

Die Konsistenzinformation beschreibt schlieBlich die zeitliche Stabilitat des Verhaltens der zu beurteilenden Person. Verhalt sich der Akteur uber eine langere Zeit hinweg in gleichen Situationen normalerweise anders, so spricht man von niedriger Konsistenz. Veranderte sich das Verhalten in den gleichen Situationen seit einer langeren Zeit nicht- mehr, ist das Verhalten also temporar stabil, so ist eine hohe Konsistenz zu beobachten, welche meist eine internale Attribution impliziert.22

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1 Ideale Informationsmuster nach Kelley

(eigene Darstellung; in Anlehnung an: Meyer, W. & Forsterling, F., 2015, S.189)

Obige Tabelle zeigt die idealen Informationsmuster. Diese Muster helfen bei der Ursa- chenzuordnung. Um die Tabelle an einem Beispiel zu erlautern, soll auf die Situation der Verspatung zu einem Vorstellungsgesprach zuruckgegriffen werden: Angenommen an- dere Bewerber des Unternehmens waren bisher stets punktlich, weicht das Verhalten des Bewerbers mit Verspatung von dem Verhalten anderer Personen in der gleichen Situation ab. In diesem Fall liegt also niedriger Konsensus vor, da die Verspatung fur das Unter- nehmen eine Ausnahme darstellt. Fur den Bewerber sind Verspatungen allerdings die Re­gel. Zu verschiedenen Terminen verspatet er sich und zeigt gleiches Verhalten uber ver- schiedene Situationen hinweg. Es handelt sich somit um eine niedrige Distinktheit. Der letzte Aspekt, die Konsistenz ist schlieBlich hoch, da das Verhalten des Bewerbers zeitlich stabil ist. Es tritt also nicht erst seit kurzem auf, sondern besteht schon uber eine lange Zeit hinweg. Aus all diesen Informationen lasst sich letztendlich vermuten, dass das ge- zeigte Verhalten (die Verspatung) auf die Person (den Bewerber) zuruckzufuhren ist.

2.2.3 Attributionsverzerrungen: Fehler beim Beurteilungsprozess

Wie bereits erlautert, ist fur den Prozess der Ursachenzuschreibung das systematische Sammeln und Verarbeiten von potentiell relevanten Informationen unabdingbar. Oft ist es uns Menschen allerdings nicht moglich ideale, systematische und vor allem vollstan- dige Analysen durchzufuhren, um Attributionen vorzunehmen. Um diese Lucken zu ful- len, wird meist auf Vorwissen, Erfahrungen und erlernte Zusammenhange bzw. Attribu- tionsstile zuruckgegriffen. Diese Vorgehensweise ist allerdings anfallig fur Fehler und Verzerrungen und fuhrt dazu, dass Ursachen beim Beurteilungsprozess haufig unverhalt- nismaBig gewichtet werden.23 Attributionsverzerrungen (attributional biases) lassen sich also als systematische Verzerrungen bei der Sammlung von Daten bzw. Verarbeitung von Informationen uber die Ursachen eines bestimmten Verhaltens definieren.24 Im Folgen- den sollen die wichtigsten Attributionsfehler, die beim Beurteilungsprozess auftreten konnen, geschildert werden.

Einer der wichtigsten Attributionsfehler ist die Korrespondenzverzerrung. Menschen ten- dieren stets dazu die Ursache fur ein beobachtetes Verhalten in der Person des Handeln- den zu sehen und somit eher dispositionale Erklarungen fur einen Effekt in Betracht zu ziehen. Es wird folglich davon ausgegangen, dass das Verhalten einer Person vorrangig mit ihrer Personlichkeit, bzw. Disposition korrespondiert. Damit geht ebenso die Abwer- tung von situativen Umstanden einher.25

Die Unterschatzung von situativen Einflussen bzw. die Uberbetonung dispositionaler Faktoren kann verschiedene Ursachen haben. Die bekannteste unter ihnen ist unter dem Namen „fundamentaler Attributionsfehler“ bekannt. Hierbei fuhrt das Fehlen einer situ- ativen Theorie dazu, dass der Beobachter allgemein von einem geringeren Einfluss von situativen Einflussen auf das Verhalten ausgeht.26 Eine weitere Ursache kann das Ver- saumnis, eine vorhandene situative Theorie anzuwenden, sein. Demnach ist dem Beobachter die Bedeutsamkeit von situativen Faktoren zwar bewusst, doch wendet er sie aufgrund fehlender Aufmerksamkeit, Motivation, etc. nicht an. Des Weiteren gibt es die Moglichkeit, dass eine situative Theorie bewusst vernachlassigt wird, da ein beobachtetes Verhalten als hoch bedeutsam fur die Personlichkeit des zu Beurteilenden gehalten wird. Dagegen kann eine verzerrende Anwendung der situativen Theorie dazu fuhren, dass be- stimmte Annahmen uber situative Einflusse eine Fehlinterpretation des beobachteten Verhaltens nach sich ziehen. Daraufhin wird unter Umstanden auf Dispositionen des Han- delnden geschlossen, welche auf fehlerhaften Annahmen beruhen.27

Neben den Ursachen sind auch noch weitere Faktoren, welche sich auf das AusmaB von Korrespondenzverzerrungen ausuben, relevant. Ein wichtiger Aspekt ist zum Beispiel der Blickwinkel.28 Denn Beobachter neigen eher zu Korrespondenzverzerrungen als Akteure. Das bedeutet, dass ein Handelnder sein Verhalten eher auf situative Einflusse (external) attribuiert, wahrend Beobachter einer Handlung eher auf die Person des Handelnden (in­ternal) attribuieren. Dieses Phanomen wird Akteur-Beobachter-Fehler (Actor-Observer- Bias) genannt.29

Insgesamt werden fur die Perspektivendivergenz kognitive und auch motivationale Er- klarungsansatze herangezogen. Ein Grund fur das Phanomen kann die unterschiedliche Informationsgrundlage sein. Denn Akteure selbst kennen das eigene Verhalten in ver- schiedenen Situationen uber die Zeit hinweg, haben also Zugriff auf Konsistenz- und Dis- tinktheitsinformationen. Der Beobachter hingegen greift in der Regel nur auf die Konsen- susinformation zuruck, indem Vergleiche zwischen dem Verhalten des Akteurs und dem Verhalten anderer in der selben bzw. ahnlichen Situation aufgestellt werden.

Ein weiterer Aspekt sind die Unterschiede in der Wahrnehmungsperspektive, sodass je- weils unterschiedliche Aspekte besonders aus dem Kontext hervorgehoben werden. Wah- rend fur den Akteur die Eigenschaften und Gegebenheiten der Situation in den Vorder- grund rucken, interessiert sich der Beobachter vor allem fur die Person des Handelnden. Die Selbstwertdienlichkeit der Attributionsverzerrungen erklart teils ebenfalls den Ak- teur-Beobachter-Fehler. Denn negative Eigenschaften anderer, dienen der eigenen Per­son, indem eine wohltuende Abhebung stattfindet. Allerdings trifft dies nur auf negatives Verhalten der Handelnden Person zu.

Eine letzte Ursache ist das Kontrollbedurfnis der Menschen. In sozialen Situationen ist esstets von Vorteil das Verhalten anderer vorhersagen zu konnen, sodass Beobachter stets das Bedurfnis haben von Verhalten auf Personlichkeit zu schlieBen.30

Das Kovariationsprinzip besagt, dass die drei Informationsarten (Konsensus, Distinktheit & Konsistenz) zu gleichen Anteilen in die Attribution einflieBen. Jedoch hat die Konsen- sus-Information in der Realitat weit weniger Einfluss auf die Attribution als Distinktheit und Konsistenz.31 Eine weitere Attributionsverzerrung, welche mit Konsensus in Verbin­dung steht, ist der „falsche Konsensus-Effekt“. Dieser bezieht sich allerdings nicht auf die Unterbenutzung der Konsensus-Information, sondern auf die Gewinnung. Menschen nehmen an, dass stets hoher Konsensus bezuglich des eigenen Verhaltens besteht und somit die eigenen Verhaltensweisen und Einstellungen denen anderer Personen entspre- chen. Folglich erscheinen abweichende Verhaltensweisen und Einstellungen als unublich und auBergewohnlich.32 Ist eine Person beispielsweise generell bereit offentlich fur ihre Meinung einzutreten, so schatzt sie grundsatzlich ofter auch andere Menschen so ein und geht davon aus, dass es unublich ist, eine andere Einstellung zu haben.

Dieser Effekt ist hauptsachlich darauf zuruckzufuhren, dass Individuen hauptsachlich Kontakt mit Personen haben, die ahnliche Einstellungen besitzen und gleichartige Ver- haltensweisen zeigen (Selective Exposure). Individuen beobachten also das eigene Ver- halten, sowie das ubereinstimmende Verhalten der Personen, mit denen sie haufig in Kon- takt stehen und schlieBen daraufhin auf die Gesamtheit der Population.33

Ein teils stark kulturabhangiger Attributionsfehler istder Self-Serving Bias.34 Sogenannte selbstwertdienliche Attributionen entstehen, wenn Menschen fur ihre Erfolge dispositio­nal attribuieren, ihre Misserfolge aber external attribuieren. Eigene Erfolge werden also mit den personlichen Fahigkeiten oder der Leistung begrundet, wahrend Misserfolge als Ergebnis von ungunstigen auBeren Umstanden interpretiert werden. Deshalb spricht man von Verzerrungen zu Gunsten der eigenen Person.35

[...]


1 Vgl. Kramer (2018), o.S.

2 Vgl. Lohaus & Schuler (2014), S. 378-379

3 Vgl. Wert & Mayer (2008), S. 121-122

4 Vgl. Jonas et al. (2014), S. 71

5 Vgl. Jonas et al. (2014), S. 68

6 Vgl. Jonas et al. (2014), S. 69

7 Vgl. Jonas et al. (2014), S. 69

8 Vgl. Aronson et al. (2014), S. 111

9 Vgl. Jonas et al. (2014), S. 70

10 Vgl. Jonas et al. (2014), S. 71

11 Vgl. Jonas et al. (2014), S. 72

12 Vgl. Gollwitzer & Schmitt (2019), S. 120-121

13 Vgl. Aronson et al. (2014), S. 114

14 Vgl. Gerrig (2018), S. 650

15 Vgl. Werth & Mayer (2008), S. 135

16 Vgl. Orth (2017), S. 76

17 Vgl. Gollwitzer & Schmitt (2019), S. 123

18 Vgl. Jonas (2014), S. 75 Kelley (1967), S. 194, zit. n. Jonas (2014), S.75

19 Vgl. Jonas et al. (2014), S. 75

20 Vgl. Werth & Mayer (2008), S. 135

21 Vgl. Werth & Mayer (2008), S. 136

22 Vgl. Jonas (2014), S. 89-90 Jonas (2014), S.90

23 Vgl. Gollwitzer & Schmitt (2019), S. 128

24 Vgl. Werth & Mayer (2008), S. 139

25 Vgl. Wert & Mayer (2008), S. 140

26 Vgl. Wert & Mayer (2008), S.140

27 Vgl. Gollwitzer & Schmitt (2019), S. 129

28 Vgl. Gollwitzer & Schmitt (2019), S. 129-130

29 Vgl. Meyer & Forsterling (2015), S. 204-205

30 Vgl. Meyer & Forsterling (2015), S. 205-206

31 Vgl. Meyer & Forsterling (2015), S. 206

32 Vgl. Gerrig (2018), S. 653

33 Vgl. Gerrig (2018), S. 652

34 Vgl. Gerrig (2018), S. 652

35 Vgl. Gerrig (2018), S. 652

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Der Prozess der Ursachenzuschreibung im Kontext der Leistungsbeurteilung. Handlungsempfehlungen für Führungskräfte
Hochschule
SRH Fernhochschule
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
32
Katalognummer
V535525
ISBN (eBook)
9783346124418
ISBN (Buch)
9783346124425
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ursachenzuschreibung, Soziale Wahrnehmung, Attributionstheorien, Attribution, Leistungsbeurteilung, Urteilsverzerrungen, Urteilstendenzen, Beurteilungsfehler, Kovariationsmodell nach Kelley, Naive Handlungsanalyse nach Heider
Arbeit zitieren
Daline Ostermaier (Autor:in), 2020, Der Prozess der Ursachenzuschreibung im Kontext der Leistungsbeurteilung. Handlungsempfehlungen für Führungskräfte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/535525

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