Die Optimierung der Entscheidungsqualität im Controlling

Berücksichtigung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse


Bachelorarbeit, 2019

60 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Der klassische Controllingbegriff
2.2 Anforderungen an Controller
2.3 Das verhaltensorientierte Controlling
2.4 Entwicklungsgeschichte und aktueller Stand der Literatur

3 Rationalität und Menschenbilder: Theoretische Grundlagen
3.1 Der Homo Oeconomicus und die ökonomische Rationalität
3.2 Die Prinzipal-Agent-Theorie
3.3 Der Homo Organisans und die begrenzte Rationalität

4 Ursachen für Fehler im Entscheidungsprozess
4.1 Definition und Bedeutung für das Controlling
4.2 Emotionale Effekte
4.3 Kognitive Effekte
4.3.1 Heuristiken
4.3.2 Biases
4.3.3 Die Prospect-Theorie
4.4 Verhaltensbezogene Effekte
4.5 Kritik am Heuristics-and-Biasses-Programm
4.6 Smarte Heuristiken

5 Beispiele aus der Praxis
5.1 Investitions- und Projektcontrolling
5.2 Management Reporting
5.3 Steuerung mit Kennzahlen

6 Handlungsempfehlungen für das Controlling

7 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Controlling als Schnittmenge zwischen Manager und Controller

Abb. 2: Anforderungen an einen Controller

Abb. 3: Dialog zwischen Manager und Controller

Abb. 4: Misattribution von Stimmungen

Abb. 5: Dimensionen der Rationalität

Abb. 6: Controlling-Kreislauf für den Umgang mit strategischen Denkfehlern

Abb. 7: Wertefunktion der Prospect-Theorie

Abb. 8: Investitions- und Projektcontrollingprozess mit möglichen Biases

Abb. 9: Klassifikation der Verhaltensweisen von Berichten

Abb. 10: Management Reporting und Beispiele kognitiver Verzerrungen

Abb. 11: Erstellungs- und Verwendungsprozess von Kennzahlen

Abb. 12: Debiasing-Techniken im Überblick

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas

Das Verhaltensorientierte Controlling oder Behavioral Controlling ist eine noch junge Disziplin der betriebswirtschaftlichen Controllingforschung. Im Zentrum dieser Forschung stehen zunächst die Controller selbst sowie auch die Verantwortlichen des Managements, welche durch den Controller im Rahmen der betrieblichen Steuerung unterstützt und überwacht werden.

Eine der wesentlichen Hauptaufgaben eines Controllers besteht in der Versorgung des Managements mit entscheidungsrelevanten Informationen. Das Controlling wird von Zahlen und Fakten dominiert, weshalb es von außen betrachtet oft als sehr technisch wahrgenommen wird. In den meisten Lehrbüchern werden Controller als analytisch, rational und nutzenorientiert dargestellt.1

Doch auch der Controller ist nur ein Mensch und dass dieser nicht immer rational handelt, erkannte 1911 bereits Eugen Schmalenbach:

„Ich misstraue den so genannten Wissenschaften. Sie verlassen sich auf die Vollkommenheit des menschlichen Geistes, und es ist nicht weit her mit diesem Geiste.“ 2

Der Mensch als Individuum, mit seinen Stärken und Schwächen, wurde dabei in den traditionellen entscheidungsorientierten Controlling-Konzepten kaum berücksichtigt. Stattdessen ging man vom sog. Homo Oeconomicus aus, dem stets rational handelnden Menschen. Jedoch sind diese rein ökonomischen Modelle nicht mehr ausreichend, um die komplexen Vorgänge in der globalen Unternehmensumwelt angemessen zu analysieren.

Entscheidungen in einem Unternehmen werden von Menschen getroffen. Diese Menschen weisen naturgemäß menschliche Eigenschaften sowie beschränkte Fähigkeiten auf. Dieses menschliche Verhalten führt unweigerlich zu systematischen Verzerrungen in betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen. Eine kognitive Überforderung oder ein Mangel an Motivation können sich negativ auf die Entscheidungen im Unternehmen auswirken. Aus diesem Aspekt resultiert die Forderung einer stärkeren Einbeziehung psychologischer Erkenntnisse in das Controlling.3 Menschliches Verhalten und Controlling gehören untrennbar zusammen. Die Aufgabe des Controllers besteht vereinfachend in der Unterstützung des Managements bei der Entscheidungsfindung. Dabei werden sie mit Managern konfrontiert, die eigenständige Charaktere, Zielvorstellungen und Präferenzen aufweisen. Daher muss der Controller in der Lage sein, sich individuell auf jeden einzelnen Manager einzustellen. Ein Controller muss ein Gespür für die Fehleranfälligkeit des Managers in bestimmten Situationen aufweisen. Diese Fehlentscheidungen können einerseits durch bewusste Manipulation oder andererseits durch psychologische Phänomene auftreten. Daher ist es notwendig, das Controlling als einen verhaltensrelevanten Prozess zu verstehen, welcher den Menschen und sein Verhalten in den verschiedensten unternehmerischen Entscheidungen unmittelbar beeinflusst.4

Insbesondere die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises im Jahre 2002 an Daniel Kahneman und Vernon L. Smith unterstreicht die zunehmende Bedeutung der Verknüpfung von Wirtschaftswissenschaften mit der Verhaltensorientierung bzw. der Psychologie. Die beiden Amerikaner führten erstmals die Einsichten psychologischer Forschung in die Wirtschaftswissenschaften ein.5

Diese Nobelpreisverleihung verdeutlicht, dass der Bereich des Behavioral Accounting bzw. Controlling bereits seit vielen Jahren Gegenstand intensiver Forschungsarbeit ist. Auch in Deutschland zeigt sich der Entwicklungsstand des Verhaltensorientierten Controllings als fortschrittlich. Ein Beispiel dieser Aktualität ist der Controllerpreis des ICV, welcher im Jahre 2015 an RWE verliehen wurde. Ausgezeichnet wurde dabei ein Projekt zur Verbesserung der Entscheidungsqualität durch das Bewusstmachen von sog. Biases.6 Auch vorherrschende Controlling-Konzeptionen von Küpper, Horváth oder Weber und Schäffer beinhalten inzwischen alle ein ähnliches Controllingverständnis, welches unter dem Einfluss kognitiver Verzerrungen und Motivationen steht.7

Der nachfolgende Abschnitt soll die Zielsetzung sowie den Aufbau der vorliegenden Arbeit näher beleuchten.

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Ziel der vorliegenden Bachelorthesis ist die nähere Beleuchtung der Verhaltensorientierung im Controlling vor einem theoretischen sowie praktischen Hintergrund. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Schaffung von Bewusstsein und Sensibilität für die negativen Auswirkungen von Entscheidungsphänomenen. Es sollen Lösungsvorschläge aufgezeigt werden, um in Zukunft Fehlentscheidungen zumindest weitestgehend zu vermeiden. Hierbei ist es besonders wichtig, die Fähigkeiten und Kompetenzen der Controller weiterzuentwickeln, um sich den neuen Herausforderungen auf sowohl verhaltensorientierter als auch fachlicher Ebene zu stellen. Mit dieser Zielsetzung gehen folgende Forschungsfragen einher:

- Wie entstehen Fehlentscheidungen im Unternehmen?
- Welche Auswirkungen haben psychologische Aspekte des Managers auf die Entscheidungsfindung?
- Warum ist die Einbeziehung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse im Controlling notwendig?

Die Arbeit beginnt in Kapitel 2 zunächst mit einigen theoretischen Grundlagen. Neben einer allgemeinen Definition des Controllings sowie des Verhaltensorientierten Controllings werden die Anforderungen an einen Controller näher beleuchtet.

Anschließend werden im dritten Kapitel die in der Ökonomie vorherrschenden Rationalitätsbegriffe und Menschenbilder aufgegriffen. Auf Grundlage dieser Auffassungen lassen sich daraufhin im nächsten Kapitel eine Auswahl an Heuristiken und Biases erläutern, um die Problematik der Entscheidungsphänomene weitergehen zu verdeutlichen.

Danach werden in Kapitel 5 die ausgearbeiteten Phänomene und Effekte in Bezug zur Praxis gesetzt, indem sie auf drei ausgewählte Bereiche des Controllings angewandt werden.

Kapitel 6 und 7 dienen der Veranschaulichung von Lösungsansätzen. Zunächst sollen einige Handlungsempfehlungen für das Controlling betrachtet und anschließend Entwicklungstendenzen hinsichtlich des Anforderungsprofils an Controller erarbeitet werden.

Das letzte Kapitel wird die Ergebnisse dieser Arbeit zusammenfassen und einen Ausblick für die Zukunft geben.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Der klassische Controllingbegriff

Da das Controlling zentraler Bestandteil der vorliegenden Arbeit ist, wird an dieser Stelle zunächst der Begriff und dessen Bedeutung genauer untersucht und definiert. Häufig wird der Begriff Controlling vom englischen Verb „to control“ abgeleitet und mit der naheliegenden Bezeichnung „Kontrolle“ gleichgesetzt. Dies liefert jedoch bei weitem keine ausreichende Beschreibung des Controlling. Kontrolle ist zwar ein Bestandteil der Unternehmenssteuerung, mit welcher sich Controller befassen, doch sie ist keineswegs der einzige oder wichtigste Bestandteil.8 Daher ist es essentiell, den Begriff Controlling weiter gefasst zu betrachten. Controlling steht somit für die Information, Analyse, Planung und Steuerung im Unternehmen. Eine allgemein gültige und umfassende Definition des Controllingbegriffs existiert bislang jedoch nicht.9

Der Internationale Controller Verein e. V. beispielsweise definiert das Controlling als den ganzheitlichen Prozess der Zielfindung, Planung und Steuerung. Er bezeichnet Controller als interne betriebswirtschaftliche Berater, die als Navigator zur Zielerreichung dienen.10

Horváth dagegen beschreibt das Controlling als ein Subsystem der Unternehmensführung, welches für die Koordination von Planung, Kontrolle und Informationsversorgung zuständig ist und dadurch das Gesamtsystem unterstützt.11

Eine alle relevanten Aspekte umfassende Definition liefert Preißler:

„Controlling ist ein funktionsübergreifendes Steuerungsinstrument, das den unternehmerischen Entscheidungs- und Steuerungsprozess durch zielgerichtete Informationener- und -verarbeitung unterstützt. Der Controller sorgt dafür, dass ein wirtschaftliches Instrumentarium zur Verfügung steht, das vor allem durch eine systematische Planung und der damit verbundenen Kontrolle hilft, die aufgestellten Unternehmensziele zu erreichen. Inhalt der Zielvorgaben können alle quantifizierbaren Werte des Zielsystems sein.“12

Doch obwohl einige Unterschiede im Detail der einzelnen Definitionen bestehen, gibt es mittlerweile auch einige Grundübereinstimmungen. Die Hauptaufgabe des Controllings besteht demnach in der Sicherstellung der Erreichung der Unternehmensziele durch zielgerichtete Koordination aller Maßnahmen.13

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Controlling als Schnittmenge zwischen Manager und Controller14

Die obige Abbildung verdeutlicht, dass das Controlling eine Art Schnittmenge zwischen dem Manager und dem Controller darstellt. Das Management trifft Entscheidungen und trägt die Verantwortung, während der Controller für Transparenz sowie Neutralität verantwortlich ist. Der Controller übernimmt für die Entscheidungen ebenso eine Mitverantwortung, da die Entscheidungsfindung letztlich im Zusammenspiel mit dem Management stattfindet.15

2.2 Anforderungen an Controller

Ein offiziell anerkanntes Anforderungsprofil für Controller gibt es in Deutschland nicht. Die Stellung des Controllers muss daher immer individuell und unternehmensintern betrachtet werden.16 In der Theorie sowie insbesondere in der Praxis werden hohe Anforderungen an die Fähigkeiten von Controllern gestellt. Diese Anforderungen lassen sich aus den unterschiedlichen Aufgaben eines Controllers ableiten und sind zu differenzieren in vier verschiedene Kompetenzen.17

Die fachliche Kompetenz beschreibt das Fachwissen und die handwerklichen Fähigkeiten, welche zur Ausübung der Controller-Aufgaben nötig ist, ebenso wie Erfahrungen, die im Berufsleben bereits gesammelt wurden. Dieses Fachwissen umfasst die Beherrschung verschiedener Controllinginstrumente, wie z. B. die Planung, Budgetierung und das Berichtswesen. Diese Gebiete muss ein Controller fachmännisch beherrschen, was durch ein betriebswirtschaftliches Studium oder die Teilnahme an speziellen Fortbildungen erreicht werden kann. Darüber hinaus ist es heutzutage – im Zeitalter der Globalisierung – immer wichtiger, ausgeprägte Fremdsprachenkenntnisse vorzuweisen. Insbesondere Englisch ist inzwischen unentbehrlich, besonders da es häufig die Verkehrssprache multinationaler Unternehmen ist. Auch weitere Sprachen, wie Französisch und Spanisch, gewinnen im Zuge der internationalen Verflechtungen von Unternehmen an Bedeutung.18

Die Methodenkompetenz ist eine fachübergreifende Qualifikation und bezieht sich auf Verfahrens- und Vorgehensweisen zur erfolgreichen Aufgabenbewältigung. Hierbei geht es darum, Probleme zu erkennen und passende Vorgehensweisen anzuwenden, um diese zu lösen. Als Beispiele lassen sich hier Konzepte zur Informationsbeschaffung sowie Präsentationstechniken nennen.

Daneben gibt es auch einige persönliche bzw. soziale Anforderungen an Controller. Diese sog. Verhaltensanforderungen hat Deyhle bereits 1980 in einem Anforderungs-Katalog festgehalten. Sie definieren den Bezug auf andere und auf die eigene Person. Zu dieser Kategorie zählen u. a. kommunikative und kooperative Fähigkeiten, aber auch Konfliktfähigkeit und Durchsetzungsvermögen.19

Die vierte Kompetenz ist die Geschäftskenntnis. Sie betrifft das Unternehmen und dessen individuelles Geschäft, welches Grundlage und Gegenstand des Controllings darstellt. Die Geschäftskenntnis lässt sich innerhalb der Unternehmenspraxis lernen bzw. aneignen, indem der Controller Erfahrungen im Unternehmen sammelt. Unter Geschäftskompetenz versteht man ein umfassendes Wissen über beispielsweise Branche, Märkte, Strategie oder Erfolgsfaktoren des jeweiligen Unternehmens, in welchem der Controller tätig ist.20

Diese vier Kompetenzarten sind für Controller alle gleichermaßen bedeutsam und erfolgsbestimmend. Die nachfolgende Abbildung soll die Vernetzung der Kompetenzen untereinander aufzeigen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Anforderungen an einen Controller21

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Controller hochqualifizierte Führungskräfte sein müssen. Denn nur wer kompetent in Führungsfragen mitreden kann, wird von den Führungskräften als Führungsunterstützung akzeptiert. Hierfür sind alle vier der oben genannten Kompetenzen unabdingbar für den Erfolg der Controllertätigkeit.22

2.3 Das verhaltensorientierte Controlling

Der Fachbegriff „Behavioral Controlling“ hat seinen Ursprung im angelsächsischen Raum, wo die Auseinandersetzung mit dem menschlichen Handeln und Verhalten in der Ökonomie schon länger weit verbreitet ist.23 Ins Deutsche lässt sich „Behavioral“ mit „verhaltensbezogen“ oder „das Verhalten betreffend“ übersetzen. Die Bezeichnungen „Behavioral Controlling“ bzw. „Verhaltensorientiertes Controlling“ werden daher synonym verwendet.

Es handelt sich dabei um einen interdisziplinären, verhaltenswissenschaftlichen Forschungsansatz.24 Dieser soll stärker auf die realen Eigenschaften der Menschen abstellen.25 Grundsätzlich existieren in der Literatur zwei verschiedene Sichtweisen um die Controlling-Konzeption zu betrachten: Die entscheidungsorientierte und die verhaltensorientierte Perspektive. Die entscheidungsorientierte Sichtweise unterstellt einen allwissenden und rational denkenden und handelnden Akteur, welcher mit allen entscheidungsrelevanten Informationen versorgt ist. Dies entspricht der traditionellen Controlling-Konzeption.26 Die verhaltensorientierte Perspektive dagegen berücksichtigt auch kognitive Beschränkungen sowie motivationale Eigenschaften des Managers bzw. des Controllers. Dabei hat der Controller die Aufgabe, kognitive bzw. motivationale Verzerrungen des Managements aufzuspüren und die damit einhergehenden Rationalitätsdefizite zu verringern. Denn diese Verzerrungen wirken sich auf das Urteilsvermögen des Managers und somit auf die Entscheidungsfindung im Unternehmen aus.

Wichtig ist es hier zu erwähnen, dass die Verhaltensorientierung im Controlling keinesfalls die traditionellen Controlling-Konzepte ersetzen soll. Vielmehr ist sie die Antwort auf jene Probleme, für die die traditionelle entscheidungsorientierte Sichtweise keine Lösung bietet.27 Die Verhaltensorientierung stellt damit eine Ergänzung des traditionellen Ansatzes dar, mithilfe derer Probleme in der Praxis besser gelöst werden sollen, bei denen entscheidungsorientierte Konzepte an ihre Grenzen stoßen.28

2.4 Entwicklungsgeschichte und aktueller Stand der Literatur

Die Ursprünge verhaltenswissenschaftlicher Ansätze im Accounting bzw. Controlling gehen bis in die 1950er und 1960er Jahre im englischsprachigen Raum zurück. Hier ist die Einbeziehung psychologischer Konzepte und Erkenntnisse bereits lange etabliert.29 Als Pionier auf diesem Bereich kann Argyris gesehen werden, der bereits 1952 mit seinem Werk „The Impact of Budgets on People“ auf eine verhaltensorientierte Sichtweise aufmerksam machte.30 In den 1960er Jahren erschienen weitere bedeutende Publikationen, beispielsweise von Devine (1960)31, Stedry (1960)32 oder Willingham (1964)33.34 Im deutschsprachigen Raum dagegen wurde zwar immer wieder die Einbeziehung psychologischer Erkenntnisse gefordert, jedoch fand die Umsetzung lange Zeit kaum statt.35 Mittlerweile jedoch kann man eine zunehmende Auseinandersetzung mit der Verhaltensforschung auch im Controlling erkennen. Neben zahlreichen Publikationen und Seminararbeiten zeigt sich dies insbesondere auch an der Vielzahl veröffentlichter Grundlagenpapiere des ICV und der IGC, welche sich mit der Verhaltensorientierung im Controlling befassen.

Albrecht Deyhle, Gründervater des ICV, erkannte schon früh das „Psycho-Logische“ in der Beziehung zwischen Manager und Controller. Zwischen Manager und Controller finden laut Deyhle eigentlich zwei Gespräch statt. Das erste Gespräch ist jenes, welches tatsächlich gesprochen wird. Dieses findet auf der Sachebene statt und ist logisch. Das zweite Gespräch, welches quasi „unter dem Tisch“ stattfindet, ist vielmehr psycho-logisch. Demgemäß spricht man daher nicht von einem Dialog, sondern von einem Quadrilog. Einen Sachverhalt nach rein betriebswirtschaftlicher Logik darzulegen, ist daher nicht ausreichend um als Controller erfolgreich zu sein. Vielmehr muss sich ein Controller dieser psycho-logischen Beziehung bewusst sein.36

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Dialog zwischen Manager und Controller37

Weber & Schäffer beziehen sich ebenfalls auf erforschte Verhaltensanomalien in der Manager-Controller-Interaktion. Eine große Bedeutung erweist er dabei den Werken von Simon (1957)38 sowie von Kahneman/Tversky (1973)39. Diese beschäftigen sich mit den kognitiven Beschränkungen der Manager und seien daher für das Aufgabenspektrum eines Controllers von enormer Bedeutung.40 Durch die Verdeutlichung der Notwendigkeit, Rationalitätsdefizite zu erkennen und zu beseitigen bzw. zu vermindern, tragen Weber und Schäffer als zwei der wenigen bekannten Controlling-Forscher das Augenmerk auf den Verhaltensanomalien in Entscheidungsprozessen.41

3 Rationalität und Menschenbilder: Theoretische Grundlagen

3.1 Der Homo Oeconomicus und die ökonomische Rationalität

Der Homo Oeconomicus repräsentiert die dominierende Annahme der klassischen Ökonomie. Es handelt sich hierbei um das Modell eines rein zweckorientiert denkenden und handelnden Menschen, der rational und emotionslos handelt. Sein Ziel ist es, den persönlichen Nutzen und Gewinn zu maximieren. Darüber hinaus verfügt er über eine vollständige Information des Marktes, wodurch seine rationale Entscheidungsweise erleichtert wird.42

Das Modell dieses Menschenbildes basiert im Wesentlichen auf drei zentralen Annahmen:

Die erste Annahme ist die der unbegrenzten Rationalität und damit wohl die wichtigste der drei Hypothesen. So sind Menschen Nutzenmaximierer und handeln stets rational mit dem Ziel, nach dem Maximum zu streben. Der Homo Oeconomicus handelt weder willkürlich noch zufällig, sondern systematisch und damit allgemein nachvollziehbar. Es bestehen keinerlei kognitive Beschränkungen. Folglich lässt sich sagen, dass nach dem Modell des Homo Oeconomicus keine systematischen Fehlentscheidungen aufgrund mangelnder Rationalität auftreten.

Die zweite Annahme basiert auf der unbegrenzten Willenskraft. Emotionen und Selbstkontrollprobleme existieren für den Homo Oeconomicus nicht. Er unterliegt keinerlei Einschränkungen bei der Optimierung seines Nutzens. Dabei kann er, anders als es in der Realität der Fall ist, nicht an Willensschwäche scheitern.

Die letzte Annahme ist das unbegrenzte Eigennutzstreben. Demnach hat der Mensch das Ziel, seinen eigenen, persönlichen Nutzen zu maximieren. Er gilt daher als Eigennutzmaximierer. Dabei weißt der Homo Oeconomicus egoistische Züge auf, denn sowohl das Wohlergehen anderer als auch Fairness und Bestrafung spielen für ihn keine Rolle bei seinen Entscheidungen.43

In der Ökonomie ist man sich durchaus bewusst, dass der Homo Oeconomicus in der Realität so nicht existiert. Er stellt vielmehr ein Ideal, ein Fabelwesen, dar.44 Doch so unrealistisch das Modell auch ist, so nützlich ist es. Denn erst dieses vereinfachte Menschenbild ermöglichte der modernen Nationalökonomie ihre enormen Fortschritte bei der Ausarbeitung wirtschaftlicher Modelle und Theorien. Hätte man diesen Forschungen alternativ einen – durchaus realistischeren – irrationalen Menschen zugrunde gelegt, wären keine vergleichbar qualifizierten Ergebnisse entstanden. Bei aller Kritik darf nicht in Vergessenheit geraten, dass es sich um ein Modell handelt. Sinn und Zweck sowie die Nützlichkeit eines Modells basieren dabei auf der Vereinfachung und Reduktion der Realität auf wenige Annahmen. Ein Modell, welches genau der Realität entspricht, wäre kein Modell mehr. Es wäre viel zu komplex und ebenso nützlich, wie ein Atlas im Maßstab 1:1.45

3.2 Die Prinzipal-Agent-Theorie

Durch die großen Differenzen zwischen diesen neoklassischen Modellannahmen und der reellen Praxis gewannen in der Vergangenheit alternative Forschungsansätze zunehmend an Bedeutung. Einer dieser Ansätze ist die Prinzipal-Agent-Theorie. Diese soll das traditionelle Modell des Homo Oeconomicus nicht anfechten oder ersetzen, sondern bietet vielmehr eine Erweiterung, welche eine realistischere Darstellung der Praxis erlaubt. Die Prinzipal-Agent-Theorie hält also am Gedanken der Rationalität fest, ergänzt dieses Paradigma jedoch um die Annahme von Informationsproblemen.46 Darüber hinaus geht die Prinzipal-Agent-Theorie von abweichenden Zielen des Prinzipals und des Agenten aus, während beim Modell des Homo Oeconomicus idealtypisch von einer Übereinstimmung dessen persönlichen Zielen mit den Konzernzielen ausgegangen wird.47

Die Prinzipal-Agent-Theorie beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen einem Auftraggeber (Prinzipal) und einem Auftragnehmer (Agent).48 Der Prinzipal beauftragt einen Agenten, um durch die Arbeitsteilung bzw. Spezialisierung von dessen Fachwissen zu profitieren. Der Agent bringt sich mit seiner Arbeitskraft ein, wofür er ein Entgelt erhält, und mehrt dadurch den Nutzen des Prinzipals. Das Nutzenniveau des Prinzipals hängt dabei unmittelbar von den Handlungen des Agenten ab. Jedoch herrschen zwischen den beiden Zielkonflikte und Informationsasymmetrien. Der Agent hat gegenüber seinem Prinzipal einen Wissensvorsprung hinsichtlich seiner Fähigkeiten und seiner Arbeitsleistung. Die Information ist zwischen Prinzipal und Agent ungleich verteilt. Diesen Informationsvorsprung nutzt der Agent aus, um seinen persönlichen Nutzen zu erhöhen. Er handelt also opportunistisch. Darüber hinaus bestehen Zielkonflikte. Die Theorie nimmt an, dass der Agent ein sog. Arbeitsleid bzw. einen Disnutzen empfindet, weshalb er nur tätig wird, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Um eine Zielkongruenz herzustellen, muss regelkonformes Verhalten des Agenten durch entsprechende Anreize gefördert werden. Der Prinzipal muss versuchen, seinen Agenten „ins eigene Boot“ zu holen. Denkbar hierbei wäre eine Entlohnung in Abhängigkeit der zu maximierenden Größe.49

Die Prinzipal-Agent-Theorie hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung in der Controllingliteratur gewonnen. Es wird sich zunehmend mit der Gestaltung von Controllinginstrumenten unter Berücksichtigung von Zielkonflikten und Informationsasymmetrien beschäftigt.50 Die Prinzipal-Agent-Theorie weißt eine klare Struktur auf, wodurch sie in der Theorie große Zustimmung erfährt. Lassen sich Problemstellungen im Korsett dieser PA-Theorie formulieren, so können daraus präzise Erklärungen und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Ein weiterer Vorteil der PA-Theorie gründet in der Tatsache, dass sie weitestgehend mit dem klassischen Modell des Homo Oeconomicus vereinbar ist.51

Die PA-Theorie hat jedoch auch einige Schwächen. Zum einen ist die Sichtweise, den Prinzipal als Opfer des Agenten zu erklären, sehr einseitig. Daneben wird sie als wirklichkeitsfremd kritisiert, da auch hier, wie beim klassischen Ansatz des Homo Oeconomicus, von den uneingeschränkten Fähigkeiten des Menschen ausgegangen wird. Auch hier bleiben kognitive Einschränkungen unberücksichtigt. Außerdem wird altruistisches Verhalten hier gänzlich ausgeschlossen. Die negative Darstellung des Agenten, für den Arbeit stets mit Leid verbunden ist und die Interessensgegensätze zwischen Agent und Prinzipal sind realitätsfremd.52 Aus diesem Grund fordert eine Vielzahl von Autoren eine realitätsnähere Gestaltung der Verhaltensannahmen, welche der PA-Theorie zugrunde liegen. Dies wäre beispielsweise möglich durch die Einbeziehung verhaltenswissenschaftlicher Einsichten.53

3.3 Der Homo Organisans und die begrenzte Rationalität

Herbert A. Simon hat mit seinem Konzept der begrenzten Rationalität 1974 erstmals entscheidende Impulse in der betriebswirtschaftlichen Forschung gesetzt. Seine Überlegung ersetzt den rational handelnden Homo Oeconomicus (siehe hierzu 3.1) durch das realitätsnähere Modell des beschränkt rational handelnden „ Homo Organisans “. Dieser erkennt, dass die Welt, wie er sie wahrnimmt, nur ein vereinfachtes Modell der realen Welt darstellt. Der Homo Organisans ist damit das Gegenstück zum Homo Oeconomicus.54 Simon stellte bei seinen Forschungen eine unvollständige bzw. einseitige Informationssuche sowie den Hang zu monokausalen Erklärungsansätzen im Entscheidungsprozess der Menschen fest. Die Ökonomen Probst und Gomez stimmen mit Simons Meinung überein, dass eine systemische Führungskraft in der Akzeptanz der begrenzten Aufnahmekapazität von Informationen besteht. Wichtig dabei ist jedoch, dass diese Verhaltensmuster langfristig erkannt und aktiv durch Eingreifen beeinflusst werden sollen.55

Um darzustellen, wie sich die begrenzte Rationalität auf das Verhalten von Entscheidungsträgern auswirkt, werden im folgenden Kapitel einige Entscheidungsphänomene – sog. Heuristiken und Biases – näher betrachtet.

4 Ursachen für Fehler im Entscheidungsprozess

4.1 Definition und Bedeutung für das Controlling

Die klassische Ökonomie löst Probleme durch Logik bzw. durch Regeln der Wahrscheinlichkeit. Doch mit zunehmender Komplexität eines Problems steigt auch die Komplexität des entsprechenden Lösungsansatzes. Es müssen Wahrscheinlichkeiten geschätzt und verschiedene Handlungsalternativen gewichtet werden. Entgegen diesem streng rationalen Ansatz entwickelten bereits 1974 Kahneman und Tversky eine entgegenstehende Theorie. Sie waren der Meinung, dass es nicht in der Natur des Menschen liegt, aus Entscheidungen mathematische Probleme abzuleiten. Vielmehr nutzen Menschen Heuristiken, also sog. mentale Vereinfachungen, um Probleme zu lösen.

Der Begriff „Heuristiken“ stammt vom griechischen „heuriskein“ ab, was übersetzt so viel wie „vereinfachte Problemlösung“ bedeutet. Die Grundidee von Kahneman und Tversky stellt dabei den Prozess der Lösungsfindung in den Fokus. Zuvor spielte nur das Ergebnis der Entscheidung eine Rolle und durch die Theorie von Kahneman und Tversky fiel der Blick erstmals auf die Frage, wie Menschen zu ihren Entscheidungen kommen. Heuristiken stellen eine Art mentale Abkürzung oder eine effiziente Problemlösungstechnik dar, welche komplexe Berechnungen analytischer Modelle ersetzt.56

[...]


1 Vgl. Hirsch/Schäffer/Weber (2008), S. 6.

2 Wömpener (2008), S. 1.

3 Vgl. Weber et al. (2003), S. 7 f.

4 Vgl. Schäffer/Weber (2013), S. 1.

5 Vgl. Lange/Schaefer (2008), S. 141.

6 Vgl. O. V. (2015), S. 7.

7 Vgl. Bramsemann/Heineke/Kunz (2004), S. 563 f.

8 Vgl. Behringer (2018), S. 2 f.

9 Vgl. Jung (2014), S. 6.

10 Vgl. IGC (2005), S. 52.

11 Vgl. Horváth (2015), S. 58.

12 Preißler (2000), S. 14.

13 Vgl. Jung (2014), S. 7.

14 Horváth (2015), S. 14.

15 Vgl. Britzelmaier (2017), S. 19.

16 Vgl. Jung (2014), S. 22.

17 Vgl. Weber/Schäffer (2011), S. 473/484.

18 Vgl. Jung (2014), S. 22.

19 Vgl. ICV (2012), S. 26 f.

20 Vgl. Weber/Schäffer (2011), S. 477.

21 Eigene Darstellung; in Anlehnung an ICV (2012), S. 28.

22 Vgl. Weber/Schäffer (2011), S. 477/484.

23 Vgl. Landes/Steiner (2013), S. 663 f.

24 Vgl. Aschenbrücker (2012), S. 192.

25 Vgl. Weber (2005), S. 257.

26 Vgl. Bramsemann/Heineke/Kunz (2004), S. 553.

27 Vgl. Hirsch/Schäffer/Weber (2008), S. 5.

28 Vgl. Bramsemann/Heineke/Kunz (2004), S. 554.

29 Vgl. Weber/Schäffer (2011), S. 29.

30 Siehe hierzu: Argyris (1952).

31 Siehe hierzu: Devine (1960), S. 387 ff.

32 Siehe hierzu: Stedry (1960).

33 Siehe hierzu: Willingham (1964), S. 543 ff.

34 Vgl. Süßmair (2000), S. 3.

35 Vgl. Hirsch (2007), S. 1.

36 Vgl. ICV (2013), S. 6.

37 Deyhle/Radinger (2008), S. 701.

38 Vgl. Weber/Schäffer (2011), S. 35 mit Verweis auf Simon (1957): Models of an Man. New York.

39 Vgl. Weber/Schäffer (2011), S. 35 mit Verweis auf Kahneman/Tversky (1973): On the Psychology of Prediction. In: Psychological Review. S. 237-251.

40 Vgl. Weber/Schäffer (2011), S. 35 f.

41 Vgl. Weber/Schäffer (2011), S. 43.

42 Vgl. Beck (2014), S. 1.

43 Vgl. Beck (2014), S. 2.

44 Vgl. Landes/Steiner (2013), S. 33.

45 Vgl. Beck (2014), S. 1.

46 Vgl. Hirsch (2007), S. 88.

47 Vgl. Süßmair (2004), S. 645 ff.

48 Vgl. Weber/Schäffer (2011), S. 27.

49 Vgl. Landes/Steiner (2013), S. 43.

50 Vgl. Weibler/Lucht (2004), S. 878.

51 Vgl. Hirsch/Schäffer/Weber (2008), S. 6.

52 Vgl. Landes/Steiner (2013), S. 44.

53 Vgl. Dierkes/Schäfer (2008), S. 26.

54 Vgl. Simon (1981), S. 31.

55 Vgl. Probst/Gomez (1991), S. 333 f.

56 Vgl. Beck (2014), S. 25 ff.

Ende der Leseprobe aus 60 Seiten

Details

Titel
Die Optimierung der Entscheidungsqualität im Controlling
Untertitel
Berücksichtigung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse
Hochschule
Hochschule Pforzheim
Note
1,7
Jahr
2019
Seiten
60
Katalognummer
V535583
ISBN (eBook)
9783346141712
ISBN (Buch)
9783346141729
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verhaltensorientiertes Controlling, Behavioral Controlling
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Die Optimierung der Entscheidungsqualität im Controlling, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/535583

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